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IN DIE FALSCHE FRAU VERLIEBT

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Wolfgang Amadeus Mozart heiratet Constanze statt Aloisia, 4. August 1782

Wolfgang Amadeus Mozart * 27. 1. 1756 Salzburg, † 5. 12. 1791 Wien. Bedeutende Werke: Le nozze di Figaro (1786), Don Giovanni (1787), Così fan tutte (1790), Die Zauberflöte (1791) u. v. a.

Dass sich Mozart stets in Geldnöten befand, weiß man, dass er in seinem letzten Lebensjahr sogar seine Orgel verkaufen musste, kann hier erstmals im Faksimile dokumentiert werden. In der Wiener Zeitung vom 22. Jänner 1791 ist das von ihm geschaltete Inserat zu finden: »Orgel zu verkaufen. In der Rauhensteingasse Nr. 970* im ersten Stock auf der hintern Stiege ist eine gute Orgel von einen (sic!) berühmten Meister zu verkaufen.«

Zunächst meldet sich niemand, erst als die Zeitungsannonce zum vierten Mal erschienen ist, findet die Orgel einen Abnehmer, und das Ehepaar Mozart ist von seinen Geldsorgen befreit. Aber wie so oft wieder nur für ein paar Wochen.

Auch das Kennenlernen seiner Frau Constanze ist schon die Folge finanzieller Engpässe gewesen. Als der 22-jährige Musiker aus seiner Stellung als Konzertmeister vom Salzburger Fürsterzbischof Colloredo nach langwierigen Streitereien entlassen wird, geht er auf Reisen, um Geldgeber und eine neue Anstellung zu finden. Über München und Augsburg gelangt Wolfgang Amadeus nach Mannheim, wo er beim Kurfürsten Karl Theodor vorspricht, jedoch einen negativen Bescheid erhält. Mannheim wird dennoch zur wichtigen Station Mozarts, weil er hier seine künftige Frau Constanze Weber kennenlernt.

Mozart hat während dieser Reise – begleitet von seiner Mutter – mehrere Kompositionsaufträge angenommen, und so begibt er sich in Mannheim auf Suche nach einem Musiker, der seine neuen Werke kopieren soll. Man empfiehlt ihm den Bassisten und Theatersouffleur Fridolin Weber, der mit seiner Familie in beengten Verhältnissen lebt und deshalb glücklich ist, sein Einkommen durch Vervielfältigungen auf Notenpapier aufbessern zu können.


»Orgel zu verkaufen«: Mozart schaltet am 22. Jänner 1791 ein Inserat

Weber und seine Frau Maria Cäcilia haben zwei Söhne und vier Töchter. Als Mozart am 17. Jänner 1778 zum ersten Mal das Haus der Familie Weber betritt, würdigt er seine spätere Frau Constanze kaum eines Blickes, sondern hat nur Augen für deren um ein Jahr ältere Schwester Aloisia. Sie ist bildhübsch und noch dazu eine äußerst begabte Sopranistin. Mozart musiziert mit ihr, gibt der Sechzehnjährigen Unterricht, tritt mit Aloisia während seines fünfmonatigen Mannheim-Aufenthalts in mehreren Konzerten auf. Und verliebt sich in sie. Aber auch sie zeigt, dass sie für ihn zumindest Sympathien empfindet.

Der in Salzburg gebliebene Vater Leopold ist entsetzt, als er durch Briefe seiner Frau von Wolfgangs Zuneigung für eine Sängerin erfährt, deren Familie ebenso arm ist, wie die Mozarts selbst es sind. Allerdings ist Wolfgang schon als Wunderkind aufgefallen, hat Opern, Sinfonien, Streichquartette, Messen, Lieder und Klavierstücke komponiert – und wer dagegen sind diese Weberischen?

Leopold Mozart * 14. 11. 1719 Augsburg, † 28. 5. 1787 Salzburg. Er widmet, sobald er dessen Genie erkennt, sein Leben der Laufbahn seines Sohnes Wolfgang Amadeus Mozart.

»Frauenzimmer«, schreibt Leopold seinem Sohn, »die Versorgung suchen, stellen jungen Leuten von großem Talent erstaunlich nach, um sie ums Geld zu bringen oder gar in die Falle und zum Manne zu bekommen. Gott und Deine Vernunft wird Dich bewahren.« Mit den nun folgenden, letzten Worten seines Briefes greift Leopold zum schärfsten Mittel der Abschreckung für den Fall der befürchteten Eheschließung: »Das würde wohl mein Tod sein!«

Aloisia Weber * um 1760 Zell/Baden-Württemberg, † 8. 6. 1839 Salzburg. Als Sopranistin eine der wichtigsten Interpretinnen Mozarts, den sie 1778 in Mannheim kennenlernt.

Doch selbst diese Drohung kann Wolfgang nicht von seiner Liebe zu Aloisia abhalten, er will mit ihr nach Italien, ins Land des Belcanto, fahren, für sie Opern komponieren und sie »zur Primadonna machen«. Mutter Anna Maria Mozart, die ebenso gegen die Verbindung mit Aloisia ist wie ihr Mann, drängt hingegen auf die geplante Weiterfahrt nach Paris, um dem eigentlichen Zweck der Reise, eine Anstellung für Amadeus zu finden, nachzukommen. Mozart gehorcht den Eltern, fährt gegen seinen eigenen Willen nach Paris – und nimmt seinen Liebeskummer mit. »Wie ich (von der Familie Weber, Anm.) wegging, so weinten sie alle«, schreibt er dem Vater aus Paris. »Ich bitte um Verzeihung, aber mir kommen die Tränen in die Augen, wenn ich daran denke.«

Mutter und Sohn Mozart wohnen in einem armseligen Pariser Quartier, und der verliebte Wolfgang hat nichts anderes im Kopf als seine Aloisia. Ob sie an ihn denken und auf ihn warten würde? Nichts sonst interessiert ihn in der französischen Metropole. An Aloisia schreibt er: »Am glücklichsten werde ich an dem Tage sein, ab dem ich die große Freude erleben werde, Sie wieder zu sehen und herzlichst zu umarmen. Nur in diesem Wunsche, in dieser Hoffnung finde ich den einzigen Trost und Frieden.«

Es ist ein fürchterlicher Schicksalsschlag, der ihn aus seinen romantischen Träumen reißt. Mozarts Mutter stirbt plötzlich und unerwartet am 3. Juli 1778 im Alter von 57 Jahren in Paris. Ihr Tod erschüttert ihn zutiefst. Allein, verzweifelt und unverrichteter Dinge verlässt er Paris.

Eines freilich kann selbst die große Trauer nicht verhindern: Die Rückfahrt nach Salzburg gestaltet er so, dass sie ihn über Mannheim führt. Er will Aloisia seine Liebe gestehen, sie nach Salzburg mitnehmen und um ihre Hand anhalten. Da die Angebetete aber mittlerweile ein Engagement an der kurfürstlichen Oper in München erhalten hat, muss Mozart seine Reise- und Zukunftspläne ändern. Dass sie jetzt an Bayern gebunden ist, sollte nicht die einzige Enttäuschung für ihn sein.

Aloisia ist, als er sie zu Weihnachten 1778 in die Arme nehmen will, eine andere geworden. Die jetzt in München engagierte junge Sängerin macht ganz auf Diva und nimmt die Arie, die Mozart für sie mit ganzem Herzen geschrieben hat und die er ihr als Geschenk überreichen will, kaum zur Kenntnis. Sollte sie je Interesse an diesem kleinen, unscheinbaren Musiker gehabt haben, so ist es mittlerweile verflogen. Aloisia sieht sich bereits als Star und Mozart als brotlosen Komponisten, der als Ehemann nicht infrage kommt. Nicht genug damit, beleidigt sie ihn noch, weil er sich in Paris mit seinem letzten Geld in einen roten Anzug mit Goldknöpfen neu eingekleidet hat: »Nein, wie du komisch aussiehst«, spottet Aloisia und belächelt ihn.


Er will sie endlich »wieder sehen und herzlichst umarmen«: Mozarts erste große Liebe Aloisia Weber

Mozart gibt nicht auf. Er hält, trotz ihrer plötzlichen Arroganz, um Aloisias Hand an, erklärt ihr, immer für sie da zu sein, für sie komponieren und mit ihr in München leben zu wollen. Aloisia antwortet, sie sei jetzt Primadonna und brauche niemanden mehr, der etwas für sie komponieren würde.

Es ist wohl eine der schwersten Stunden seines Lebens. »Ich kann nicht mehr«, schreibt er dem ohnehin durch den Verlust seiner Frau verstörten Vater, »mein Herz ist gar zu sehr zum Weinen bestimmt. Heute kann ich nichts als weinen. Ich habe gar ein zu empfindsames Herz.«

Mozart trifft die inzwischen nach Wien übersiedelten Webers 1781, zweieinhalb Jahre später, wieder. Er wohnt eine Zeit lang bei ihnen, was seinen Vater einmal mehr in Rage bringt. Schon wieder diese Weberischen! Aber welche der Töchter könnte seinem Sohn jetzt noch gefährlich werden? Die angebetete Aloisia sicher nicht, die ist inzwischen mit dem Wiener Hofschauspieler Joseph Lange verheiratet. Bleiben noch Josepha, Sophie und Constanze.

Mozart hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwölf Opern geschrieben, darunter Bastien und Bastienne, Idomeneo, und Die Entführung aus dem Serail ist in Arbeit. Die Heldin eben dieser Oper heißt – welch ein Zufall – Constanze. Mozart versteht die Entführung als Liebeserklärung an Constanze Weber, deren Ähnlichkeit mit der geliebten Aloisia unverkennbar ist.

Obwohl bereits 25 Jahre alt, steht Mozart immer noch unter den Direktiven des Vaters, der ihm alle möglichen »guten Partien« unter seinen begüterten Schülerinnen in Wien einzureden versucht. Monatelang lügt Mozart dem in Salzburg lebenden Vater vor, gar nicht heiraten zu wollen. Bis er ihm im Dezember 1781 – mit nicht gerade romantisch anmutenden Argumenten – das Gegenteil gesteht: »Ich, der von Jugend auf niemals gewohnt war, auf meine Sachen, was Wäsche, Kleidung usw. anbelangt, acht zu geben, kann mir nichts Nötigeres denken als eine Frau.« Erst nach einer halben Briefseite kommt er zum Punkt: »Nun aber, wer ist der Gegenstand meiner Liebe? – Erschrecken Sie auch nicht, ich bitte Sie. – Doch nicht eine Weberische? – Ja, eine Weberische. – Aber nicht Josepha – nicht Sophie. Sondern Constanze, die Mittelste.«

Auch wie er die Neunzehnjährige dem Vater beschreibt, zeugt nicht von überwältigender Begeisterung: »Sie ist nicht hässlich, aber auch nichts weniger als schön. – Ihre ganze Schönheit beruht in zwei kleinen schwarzen Augen und in einem schönen Wachstum.«

Constanze Mozart geb. Weber * 5. 1. 1762 Zell/Baden-Württemberg, † 6. 3. 1842 Salzburg. Sopranistin. Sie heiratet am 4. 8. 1782 Wolfgang Amadeus Mozart.

Da Constanzes Vater mittlerweile verstorben ist, muss Wolfgang Amadeus mit ihrem geschäftstüchtigen Vormund in Verhandlungen treten. »Er hat mir den Umgang mit Constanze verboten, es sei denn, ich unterschreibe einen Vertrag mit folgenden Bedingungen: Ich heirate das Mädchen im Lauf der nächsten drei Jahre – oder zahle ihr eine lebenslängliche Rente von dreihundert Gulden jährlich*. Was blieb mir also für ein Mittel übrig? Ich konnte nichts Leichteres in der Welt unterschreiben, denn ich wusste, dass es zu der Bezahlung dieser dreihundert Gulden niemals kommen wird – weil ich sie niemals verlassen werde.«


Sie war nicht die erste Wahl, sollte ihm jedoch eine gute Frau sein: Wolfgang Amadeus und Constanze Mozart geborene Weber

Obwohl Constanze den erpresserischen »Vertrag« vor Wolfgangs Augen zerreißt, bleibt Leopold Mozart bei seiner Überzeugung, dass die Familie Weber seinen gutmütigen Sohn hinterlistig einfangen will. Jedenfalls weigert sich Vater Mozart, die Heiratserlaubnis zu erteilen.

Am 16. Juli 1782 wird Die Entführung aus dem Serail im Wiener Hofburgtheater zum ersten Mal aufgeführt. Bei der Premiere reagiert das Publikum verhalten, doch bald wird die neue Mozart-Oper als überragendes Werk erkannt. Kaiser Joseph II. dankt Mozart mit dem berühmt gewordenen, rätselhaften Satz: »Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viele Noten, lieber Mozart«, worauf dieser erwidert: »Gerade so viel Noten, Euer Majestät, als nötig sind.«

Die Entführung ist zu Mozarts Lebzeiten seine erfolgreichste Oper und wird in halb Europa aufgeführt. Dennoch erhält der Komponist nur hundert Dukaten als Gesamthonorar, mit dem alle Ansprüche abgegolten sind. Hätte es damals Urheberrechte gegeben, wäre Mozart ein reicher Mann geworden. So aber bekommt ein Spitzensänger für eine einzige Aufführung zehn Mal mehr als der Komponist für sein Werk.

Immerhin erlauben die hundert Dukaten Mozart jetzt im »Haus zum roten Säbel«* eine Wohnung zu mieten – und damit seine Ehe in die Wege zu leiten. Auch ohne Zustimmung des Vaters. Mozart war immer ein folgsamer Sohn, doch jetzt ist seine Geduld am Ende. Er heiratet seine Constanze am 4. August 1782 im Wiener Stephansdom. Nun, da er die Hochzeit nicht mehr verhindern kann, schickt der Vater sein Einverständnis.

Constanze – auch sie eine ausgebildete Sängerin, wenn auch bei Weitem nicht so begabt wie Aloisia – ist Mozart eine gute Frau, sie unterstützt ihn bei seiner Arbeit, nimmt ihm die Sorgen des Alltags (mit Ausnahme der finanziellen) ab, begleitet ihn zu Vorstellungen und auf Reisen. Der glücklichen Ehe entspringen sechs Kinder, von denen nur zwei die Eltern überleben werden. Mozart schreibt in mehreren Briefen, dass Constanze für ihn eine Inspiration sei, die er für seine Tätigkeit als Komponist brauche. Dass er seiner Frau untreu war, wie oft behauptet wird, lässt sich nicht nachweisen, es gibt kein einziges Dokument, keinen Brief, der einen solchen Verdacht bestätigen würde.

Nach dem Tod des Musikgenies steht Constanze alleine mit seinen Schulden da. Um sich und die Kinder durchzubringen, gibt sie mit ihrer Schwester Aloisia Benefizkonzerte und eine Konzertreise mit Mozarts Werken. 1809 heiratet die Witwe Mozart in Pressburg den dänischen Diplomaten Georg Nikolaus von Nissen, mit dem sie sich 1824 in Salzburg niederlässt.

Die einst gefeierte Sängerin Aloisia Weber schenkt ihrem Mann Joseph Lange sechs Kinder, doch die Ehe wird nicht glücklich.

Im Sommer 1829 trifft Aloisia, mehr als ein halbes Jahrhundert nachdem sie Mozart eine so herbe Abfuhr erteilt hat und 38 Jahre nach seinem Tod, in einem Wiener Hotelzimmer die britische Schriftstellerin Mary Novello. Sie und ihr Mann, der Verleger Vincent Novello, sind aus London angereist, um sich auf Mozarts Spuren zu begeben und eine Biografie über ihn zu schreiben. Aloisia, die in jungen Jahren als bedeutende Mozart-Interpretin am Wiener Kärntnertor- und am Burgtheater gefeiert wurde, ist mittlerweile 67 Jahre alt und fristet ihr Dasein durch Gesangsstunden. Sie hätte Mozart bis an sein Lebensende geliebt, erklärt sie. Als Mary Novello fragt, warum sie ihn denn nicht erhört habe, antwortet sie: »Ich konnte ihn damals nicht lieben, weil ich ihn nicht als den erkannte, der er wirklich war.« Und sie schildert noch, dass ihre Schwester Constanze immer eifersüchtig gewesen sei, jedoch die bessere Frau für Mozart war. Jedenfalls habe Aloisia, so Mary Novello, mit viel Liebe über Mozart gesprochen und es sehr bedauert, dass alles so gekommen sei.

* Heute befindet sich an dieser Stelle das Haus Rauhensteingasse 6; die neue Nummerierung gilt seit 1862.

* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 15 000 Euro.

* Heute Wien I., Wipplingerstraße 19.

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