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»BETTGEHER DER TRAMPUSCH«

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Johann Strauß Vater verlässt seine Familie, 18. Mai 1835

Johann Strauß Vater * 14. 3. 1804 Wien, † 25. 9. 1849 Wien. Komponiert 152 Walzer, 13 Polkas, 18 Märsche.

Eduard, der jüngste der »Strauß-Buben«, ist noch nicht geboren, da verlässt der Herr Papa schon die gemeinsame Wohnung und ward nicht mehr gesehen. Der durch den Radetzkymarsch unsterblich gewordene Johann Strauß Vater hat sich seiner Familie gegenüber alles andere als nobel verhalten.

Strauß Vater hatte vierzehn Kinder, sechs mit seiner Ehefrau Anna, geborene Streim, und acht mit seiner Geliebten, der Modistin Emilie Trampusch. Neben den drei berühmt gewordenen Musikern Johann, Josef und Eduard und den ebenfalls ehelich geborenen Töchtern Anna und Therese gab’s aus der Ehe auch einen Sohn, Ferdinand, der noch im Jahr seiner Geburt starb. Nur zwei Monate nachdem seine Frau im März 1835 ihren jüngsten Sohn Eduard gebar, bringt die Geliebte, Emilie Trampusch, bereits ihr erstes Kind zur Welt.

Emilie Trampusch, * 29. 7. 1815 Saar/Mähren, † nach 1865. Modistin, Lebensgefährtin von Johann Strauß Vater, mit dem sie acht Kinder hat.

Johann Strauß Vater, dessen Verhältnis zu seiner Frau vollkommen erkaltet ist und der seit Langem schon außereheliche Vergnügungen gesucht und gefunden hat, lernt die schöne Hutmacherin Emilie Trampusch auf einem Ball, dessen musikalischer Leiter er ist, kennen. Bald wird sie als allabendliche Besucherin seiner Gartenkonzerte beobachtet, wobei den Musikerkollegen auffällt, dass sie exzentrisch applaudiert, in den Pausen den Orchesterraum betritt und sehr vertraut mit dem Dirigenten ist. Man erzählt sich, dass sie einander schon längere Zeit kennen und dass Strauß der Hutmacherin mehr Zeit widmet als früheren Liebschaften. Er isst mit ihr zu Mittag und verbringt die späten Abende nach seinen Konzerten bei ihr.

Und dann verlässt er von einem Tag zum anderen die eheliche Wohnung in der Taborstraße 17, um mit der koketten, zwanzigjährigen Emilie zunächst in ein anderes Haus in der Leopoldstadt und später in die Kumpfgasse hinter dem Stephansdom zu ziehen. Wann genau er von zu Hause auszieht, ist nicht bekannt, wir müssen daher als Schicksalstag für die Familie den Geburtstermin seiner ersten unehelichen Tochter nehmen: Emilie Therese Trampusch kommt am 18. Mai 1835 in der damaligen Wohnung ihrer Mutter auf der Tuchlauben 16 zur Welt.


Johann Strauß Vater verließ seine Frau und seine Kinder von einem Tag zum anderen.

Seine Ehefrau Anna ist starr vor Schreck. Gerade weil sie das Sündenregister ihres Mannes kennt, kämpft sie in den ersten Wochen kaum um ihn, weil sie denkt, die Affäre würde ebenso schnell vorübergehen wie alle anderen davor. Was Anna Strauß entsetzt, ist die Tatsache, dass es den vergötterten Mann diesmal »nach unten« zieht, zu einer Handwerkerin, der er jetzt – wie man seiner Frau hinterbracht hat – teure Roben und Brillantenschmuck schenkt. Wirklich erschüttert ist Anna Strauß, als sie erfährt, dass der Meister zwei seiner unehelichen Kinder auf die Namen Johann und Therese hat taufen lassen – genau wie ihren ältesten Sohn und eine ihrer beiden Töchter. Josephine Streim, die Schwester der sitzen gelassenen Anna, bezeichnet ihren Schwager verächtlich nur noch als den »Bettgeher der Trampusch«.

Anna Strauß geb. Streim * 30. 8. 1801 Wien, † 23. 2. 1870 Wien. Ehefrau von Johann Strauß Vater. Mutter u. a. von Johann Strauß Sohn, Josef und Eduard Strauß.

Noch gibt Anna nicht auf. Kaum hat sie erkannt, wie ernst es ihm diesmal ist, stellt sie ihrem Mann ein Ultimatum. Vergeblich, denn der denkt nicht daran zurückzukehren und bleibt bei seiner Modistin. Da er sich von seiner Frau nach geltendem Recht nicht scheiden lassen kann, kommen in den Jahren 1835 bis 1844 alle acht Kinder der Emilie Trampusch unehelich zur Welt.

Strauß Vater ist mit seiner Kapelle gut im Geschäft, doch zwei Frauen und deren zahlreiche Nachkommenschaft zu erhalten, fällt auch ihm nicht leicht. Anna erklärt, dass die Geliebte das schwer verdiente Geld ihres Mannes beim Fenster hinauswerfe, Emilie wiederum wirft der Ehefrau vor, kein Verständnis für die künstlerischen Freiheiten eines Musikers zu haben.

Strauß überweist seiner Ehefrau jeden Monatsersten fünfzig Gulden*. Nicht nur, dass sie damit ihre fünf Kinder kaum ernähren kann, ist die Auszahlung der Alimente immer mit Bedingungen verbunden. Vor allem lässt Strauß Vater seiner Frau durch Advokaten mitteilen, dass das Musikstudium seiner Buben gänzlich zu unterbleiben habe, die sollten gefälligst einen anderen Beruf ergreifen. Doch darauf geht Anna nicht ein, ganz im Gegenteil, für sie ist klar, dass zumindest Sohn Johann Musiker werden muss. Der besucht vorerst eine Handelsschule, weil sein Vater darauf besteht, dass sein Ältester einmal Sparkassenangestellter wird. Doch Johann fliegt von der Schule, weil er einmal während des Unterrichts gesungen hat. Dem späteren Walzerkönig ist das nur recht, weil er somit seine privaten Violin- und Kompositionsstunden ausweiten kann.

Persönlich ist die eheliche Krise für die drei musikbesessenen Strauß-Buben ein Drama – künstlerisch jedoch ein Glücksfall. Denn während der Vater gegen Johanns Wunsch, Berufsmusiker zu werden, ankämpft und ihm sogar die Geige wegnimmt, die dieser sich durch Klaviernachhilfestunden selbst verdient hat, unterstützt Mutter Anna in einem regelrechten »Rosenkrieg« die Ambitionen ihres ältesten Sohnes. Da aber der Einfluss von Strauß Vater nach seinem Auszug mehr und mehr schwindet, geht Johann bald ungestört seiner Berufung nach. Entsprechend ist das Verhältnis Johanns zu seinen Eltern: Während er die Mutter liebt, bewundert er den Vater als Künstler, aber er fürchtet ihn auch.

Im Alter von 45 Jahren erkrankt Strauß Vater an Scharlach – infiziert angeblich durch eines seiner unehelichen Kinder. Er stirbt in der Nacht vom 24. auf den 25. September 1849 – nur etwa ein Jahr nachdem er die Komposition seines Lebens, den Radetzkymarsch, geschaffen hat. Emilie Trampusch verlässt noch in der Nacht seines Todes mit ihren Kindern die gemeinsame Wohnung. Allerdings ohne – wie später fälschlich behauptet wurde – sein Geld und alle Wertgegenstände mitgenommen zu haben.

Als die einst schmählich verlassene Anna Strauß die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhält, schickt sie ihren mittleren Sohn Josef in die Kumpfgasse, wo er den Leichnam seines Vaters vorfindet und sich um dessen Abholung und die weiteren Formalitäten kümmert. Auf der Parte unterschreibt Anna Strauß als »Witwe«, als hätte es weder Trennung noch Geliebte mit acht Kindern gegeben, und nennt den Verstorbenen »meinen innigst geliebten Gatten«.

Dabei hat dieser die »Erstfamilie« auch in seinem Testament vom 10. Oktober 1847 mehr als schofel behandelt: »Letzter Wille, kraft dessen ich, endesgefertigter Johann Strauß, zu Erben meines Nachlasses die Emilie Trampusch, k. u. k. Kameralarztenstochter, zum einen und deren Kinder Johann, Emilie, Clementine, Maria und Therese Trampusch zum anderen Theile einsetze. Meine Kinder aus meiner Ehe mit Anna Strauß geb. Streim sollen auf den Pflichtteil gesetzt werden.«

Das Gesamtvermögen des verstorbenen Komponisten wird auf 7235 Gulden* geschätzt, in der Familie Strauß wird allerdings kolportiert, der Komponist habe seiner Geliebten noch zu Lebzeiten 30 000 Gulden geschenkt. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum es zu einem sich über Jahre hinziehenden Erbschaftsstreit vor Gericht kommt, von dem aber nur die Anwälte und der Verleger Carl Haslinger profitieren.

Einmal kommt es sogar zu einer Begegnung zwischen den beiden Strauß-Linien. Johann Trampusch, der 1836 unehelich geborene Sohn von Johann Strauß Vater, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er seinem Halbbruder Josef Strauß zum Verwechseln ähnlich sehe. Er besucht deshalb eines Abends die Gastwirtschaft Zum Sperl in der Leopoldstadt, wo Johann und Josef aufspielen. Bei Champagner freundet er sich mit seinen beiden Halbbrüdern an, und diese laden ihn auch noch zu sich nach Hause ein.


Sie setzte gegen den Willen ihres Mannes durch, dass Sohn Johann Musiker wurde: Anna Strauß geborene Streim

Als ihre Mutter Anna Strauß jedoch von diesen Plänen erfährt, verbietet sie ihren Söhnen energisch jeden Umgang mit Trampusch und hindert ihn, als er den vereinbarten Besuch abstatten will, am Betreten der Wohnung.

Drei seiner Kinder mit Emilie Trampusch waren, als Johann Strauß Vater starb, bereits tot, auch die anderen sollten nicht alt werden. Emilie Trampusch stirbt um 1865 im Alter von knapp über fünfzig Jahren. Die ehelichen Söhne Josef und Eduard steigen erst nach dem Tod des Vaters in das Musikunternehmen Strauß ein.

Was die polygame Vermehrung betrifft, nimmt es Strauß Vater mit seinem kongenialen Gegenspieler Joseph Lanner auf. Strauß hat vierzehn Kinder mit zwei Frauen, Lanner hinterlässt neun Kinder mit vier Frauen.

* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 800 Euro.

* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 115 000 Euro.

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