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»DER LIEBENSWÜRDIGSTE ALLER MÄNNER«

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Maria Theresia wird Witwe, 18. August 1765

Maria Theresia * 13. 5. 1717 Wien, † 29. 11. 1780 Wien. Wird 1740 aufgrund der »Pragmatischen Sanktion« Regentin. Verheiratet mit Franz Stephan von Lothringen.

Maria Theresia war trotz großer politischer Sorgen und auch privater Turbulenzen eine durch und durch glückliche Frau. Den schmerzlichen Wendepunkt erleidet sie am 18. August 1765. An diesem Abend findet in der Hofburg zu Innsbruck eine Theatervorstellung statt, die aus Anlass der Hochzeit ihres Sohnes Leopold gegeben wird. Kaiser Franz Stephan applaudiert der italienischen Schauspieltruppe, zieht sich aber noch vor Schluss der Aufführung zurück.

Sein ältester Sohn Josef folgt ihm. Er stützt den Vater, als er auf der Treppe von einem Schwindel befallen wird. »Es ist nichts weiter«, sagt der 56-Jährige zu seinem Sohn, er schafft noch ein paar Schritte, hält sich an einem Türrahmen fest und sackt in sich zusammen. Man legt Franz Stephan auf das Bett eines Dieners, holt einen Arzt – doch der kann nur noch den Tod des Kaisers feststellen.

Maria Theresia ist ahnungslos, sie sitzt nach wie vor im Theatersaal und genießt die Vorstellung. Man verständigt sie, die Kaiserin steht wie versteinert da, sagt kein Wort, bricht in Tränen aus. Ihr Leibarzt Gerard van Swieten schreibt dem Staatsminister Johann Graf Cobenzl: »Josef musste nicht nur den Vater in seinen Armen sterben sehen, sondern auch die Kaiserin abwehren, die den leblosen Kaiser sehen wollte. Man hinderte sie daran, und ihr Sohn bewies bei dieser Gelegenheit eine Entschiedenheit, stark wie der Schmerz, der ihn ergriffen haben muss. Die Kaiserin erlitt in dieser Nacht zwei Ohnmachtsanfälle.« Die Leiche des Kaisers wird nach Wien überführt, öffentlich aufgebahrt und am 31. August in der Kapuzinergruft beigesetzt.

Wie viel Maria Theresia die Zeit bedeutete, die sie mit ihrem über alles geliebten Mann verbringen durfte, zeigt eine Berechnung, die sich nach ihrem Tod auf einem handgeschriebenen Blatt Papier in ihrem Gebetbuch fand: »Die 29 ½ gemeinsam verbrachten Jahre waren 354 monat, 1416 wochen, 9912 täge, 237 888 stunden.«


Nach seinem Tod konnte sie nie wieder richtig froh werden: Maria Theresia und ihr geliebter Mann Franz Stephan von Lothringen

Kaiser Franz Stephan von Lothringen * 8. 12. 1708 Nancy, † 18. 8. 1765 Innsbruck. Die Ehe mit Maria Theresia ist glücklich (obwohl er außereheliche Affären hat).

Die Kaiserin hat mit ihm nicht nur den geliebten Mann verloren, sondern auch die – neben den Kanzlern Kaunitz und Haugwitz – wohl wichtigste Stütze in Regierungsfragen. Franz Stephan war intelligent und ein guter Geschäftsmann, der sein Privatvermögen geschickt verwaltete. Sohn Josef – der in politischen Fragen oft ganz anders denkt und mit seiner Mutter große Meinungsverschiedenheiten hat – tritt nun die Nachfolge des Vaters als Mitregent an.

Die tiefreligiöse Maria Theresia zieht sich nach dem Tod ihres Mannes immer wieder tagelang zur Andacht zurück. Sie wird ihr schwarzes Witwenkleid und ihren Witwenschleier nie wieder ablegen, lässt ihr langes Haar abschneiden, die Privatgemächer schwarz tapezieren. Die fünfzehn Jahre, die sie noch zu leben hat, sind von Trauer geprägt, der Tod Franz Stephans hat ihr jegliche Freude genommen, sie wird nie wieder richtig froh. »Ich habe den liebenswürdigsten aller Männer verloren«, schreibt sie ihrer Jugendfreundin Rosalie Gräfin Edling, »er war der ganze Trost meines harten Daseins; jetzt ist für mich nichts mehr da. Möge mich Gott erleuchten und stärken, wenn ich denn noch eine Zeitlang auf dieser Erde herumirren soll.«

Im Mai 1772 fühlt sie sich in ihrer anhaltenden Trauer so geschwächt, dass sie die Regierungsgeschäfte niederzulegen gedenkt, wovon sie von ihrem Obersthofmeister Khevenhüller und dem gesamten Hofstaat zurückgehalten wird.

Der Tod ist in ihrem Leben allgegenwärtig. Nachdem Maria Theresia schon fünf ihrer sechzehn Töchter und Söhne im Kindesalter verloren hat, stellen vor allem die Pocken ein schier unlösbares Problem dar, die auch vor den Toren der Hofburg nicht haltmachen. Maria Theresia trauert infolge der Infektionskrankheit um ihren Sohn Karl und um zwei ihrer Schwiegertöchter: Kaiser Josefs erste Frau Isabella von Bourbon-Parma starb 1763, zwei Jahre später seine zweite Frau Maria Josepha von Bayern. Eine weitere Tochter, Maria Elisabeth, überlebte zwar, zog sich jedoch, da ihr hübsches Gesicht von Pockennarben entstellt war, für den Rest ihres Lebens in ein Kloster, das »Adelige Damenstift« in Innsbruck, zurück, in dem sie schließlich Äbtissin wurde. Maria Theresia bezeichnete die Pocken als »Erzfeind des Hauses Habsburg«.

In ihren letzten Lebensjahren lässt sich Maria Theresia so oft wie möglich in die Kapuzinergruft führen, um ihrem verstorbenen Gemahl und ihren toten Kindern nahe zu sein. Elf Tage vor ihrem Tod ist sie noch einmal dort. Man hat für sie einen mechanischen Aufzug errichtet, der die schon schwerfällig gewordene Herrscherin in das Untergeschoss der habsburgischen Grabstätte befördert. Als man sie bei diesem letzten Besuch nach zweistündigem Gebet wieder hinaufziehen will, reißt das Seil des Aufzugs. Die Kaiserin stürzt, erhebt sich und flüstert einem der erschrockenen Kapuziner zu: »Es ist mein Gemahl, der mich zurückhalten möchte.«

Kaiser Josef II. * 13. 3. 1741 Wien, † 20. 2. 1790 Wien. Seine Reformen haben tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zur Folge, werden aber zum Teil zurückgenommen.

Zu Kaiser Josef II. sagt sie bei einer der letzten Begegnungen: »Geliebter Sohn, ihm kann ich nichts geben, denn alles gehört sowieso ihm. Gern, recht gern, trete ich Ihnen Krone und Zepter ab, doch verlasse ich auch Kinder. Seien Sie ihnen Vater, wie ich ihnen Mutter war und lieben Sie Ihre Geschwister mit gleicher Zärtlichkeit, wie ich sie in meinem Leben geliebt habe. Dann wird mir das Scheiden leichter.«

Mehrere ihrer Kinder sind anwesend, als Maria Theresia im Alter von 63 Jahren für immer die Augen schließt. Ein Schicksalsschlag ist der Kaiserin erspart geblieben: Ihre Tochter Marie Antoinette, die Frau König Ludwigs XVI., wird 1793 im Zuge der Französischen Revolution am Schafott hingerichtet – knapp dreizehn Jahre nach Maria Theresias Tod.

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