Читать книгу Alles nur Zufall? - Georg Markus - Страница 7

ZUFALL, SCHICKSAL, BESTIMMUNG?

Оглавление

Vorwort

War das alles nur Zufall? Dass bald nach dem Tod des alten Kaisers auch die sechshundert Jahre alte Donaumonarchie zu Grabe getragen wurde? Dass sich Mozart in Aloisia verliebte, dann aber ihre Schwester heiratete? Dass Maria Theresia während eines gemeinsamen Theaterbesuchs ihren geliebten Mann verlor? Dass Eduard Strauß die Noten seines wesentlich berühmteren Bruders Johann verbrannte? Dass Ferdinand Raimund als Zuckerbäckerlehrling im Burgtheater Brezeln und Süßigkeiten verkaufte und dabei in den Bann der Bühnenwelt gezogen wurde?

Ein Augenblick kann ein Menschenleben verändern, zum Guten wie zum Schlechten. Geht es um historische Persönlichkeiten, können mit ihrem Schicksal die Geschichte des Theaters, der Musik, der Dichtkunst oder eines ganzen Landes verbunden sein. Wie konnten Erzherzog Franz Ferdinand und Sophie Chotek ihre verbotene Liebe so lange geheim halten, ehe sie gemeinsam in ihr Unglück schlitterten? Wie kam es, dass Joseph Roth an der Geisteskrankheit seiner Frau zugrunde ging? Warum wollte Stefan Zweig in Brasilien aus dem Leben scheiden? Warum spazierte Ödön von Horváth gerade dann über die Champs-Élysées, als in Paris ein so heftiger Sturm tobte, dass der Dichter vom herabstürzenden Ast eines Kastanienbaums erschlagen wurde? Wie verlief der Tag, an dem Österreichs letzter Kaiser Karl für immer das Land verließ? Und der, an dem sein Sohn Otto zurückkehrte?

Ist alles Zufall, ist es Schicksal, ist es Bestimmung?

Mozart hatte bekanntlich sein Leben lang Geldsorgen, hier wird erstmals eine Zeitungs-Annonce gezeigt, die das Musikgenie in seinem letzten Lebensjahr schaltete, um seine Orgel zu verkaufen. Deren Ertrag sollte ihm wieder für ein paar Wochen helfen, über die Runden zu kommen. Aus erster Hand wird das Kennenlernen von Alma und Gustav Mahler im Hause der Salondame und eifrigen Kupplerin Berta Zuckerkandl geschildert.

Oft sind es bisher unbekannte Begebenheiten, die Geschichte spannend und lebendig erscheinen lassen. So wurde durch eine Korrespondenz, die erst mehr als hundert Jahre nach Mayerling auftauchte, zutage gefördert, dass nicht nur Kronprinz Rudolf, sondern auch dessen bigotte Frau Stephanie eine außereheliche Affäre hatte. Auch weiß man heute, dass das Kennenlernen Elisabeths und Kaiser Franz Josephs in Ischl doch etwas anders verlief, als in den Sissi-Filmen geschildert. Und es war wohl kein Zufall, dass Romy Schneider, die Darstellerin eben jener Sissi, ihrem tragisch verunglückten Sohn nach nur wenigen Monaten in den Tod folgte. Oder, dass der Komponist Arnold Schönberg, der sein Leben lang unter der panischen Angst litt, an einem 13. zu sterben, tatsächlich an einem 13. starb.

Neben dramatischen Schicksalsstunden und -tagen großer Österreicher gibt es auch amüsante. Etwa, dass Feldmarschall Radetzky mit 91 Jahren noch immer nicht in Pension gehen durfte. Aber auch, dass Friedrich Gulda seinen Tod kunstvoll inszenierte, um dann verschmitzt lächelnd in der Schweiz die ihm gewidmeten Nachrufe lesen zu können. Erheiternd auch, dass eine Patientin, die den Arzt Gunther Philipp mit den Ohren wackelnd in einer Kabarett-Bar gesehen haben wollte, für verrückt erklärt wurde, obwohl sie damit völlig recht hatte – der Primarius der Klinik wusste nur nicht, dass sein junger Neurologe nebenberuflich als Komiker tätig war.

Hans Mosers Schicksalsstunde schlug, als er mit über vierzig Jahren endlich in seiner wahren Größe erkannt wurde. Sein Filmpartner Paul Hörbiger geriet 1945 in Gestapo-Haft und wurde im Rundfunk für tot erklärt. Dass Egon Friedell aus Furcht vor den Nazis aus dem Fenster sprang, ist bekannt, hier wird auch eine Satire zitiert, die er zehn Jahre davor auf seinen eigenen Selbstmord geschrieben hat.

Es sind kurze Augenblicke, die große Emotionen hervorrufen können, Betroffene zerbrechen lassen – oder neues Glück schaffen. Sigmund Freud etwa begann sich nach seiner Vertreibung aus Wien und dem umjubelten Empfang in London so wohlzufühlen, dass er lächelnd zu einem Freund sagte: »Ich bin fast versucht, ›Heil Hitler!‹ auszurufen.«

Musste Leopold Figl seinen tiefen politischen Fall erleben, um danach als Außenminister den Staatsvertrag auszuhandeln? War es Zufall, dass Julius Raab 1958 ein Konzert besuchte, in dem ein »Wunderkind« am Klavier saß, dem der Bundeskanzler von nun an aus seiner Privatschatulle die Ausbildung ermöglichte und aus dem mittlerweile ein Pianist von Weltrang geworden ist? Und wer hätte gedacht, dass der erste Tagesordnungspunkt der Ära Kreisky im Jahr 1970 »Vergabe der Autonummern an Regierungsmitglieder« lautete?

Bruno Kreisky ist einer der Großen, deren Schicksalsstunden hier geschildert werden, die ich selbst noch kennenlernte. Die anderen sind Otto von Habsburg, Attila und Paul Hörbiger, Maximilian Schell, Karl Farkas, Peter Alexander, Gunther Philipp und Maxi Böhm. Meine Begegnungen mit ihnen boten mir wertvolle Informationen für die folgenden dreihundert Seiten.

Die besondere Ordnung dieses Buches besteht darin, dass es keine gibt. Ich wollte die einzelnen Kapitel weder nach Berufen gliedern, noch gefiel mir eine chronologische Reihung. So passiert es dann, dass beispielsweise auf Oskar Werners Alkoholkrankheit das erste Treffen Bertha von Suttners mit Alfred Nobel folgt. Oder, dass das Kapitel nach Kreisky dem fehlenden Testament des Prinzen Eugen gewidmet ist. In den meisten Kapiteln wird nicht nur die eine »Schicksalsstunde« behandelt, sondern auch jene Zeitläufte, die zu dem Ereignis führen beziehungsweise ihm folgen.

Die Frage, ob schicksalhafte Stunden – aber auch weniger bedeutende Momente – eher Zufall oder doch Bestimmung sind, kann nicht immer und vor allem nicht einheitlich beantwortet werden. Selbst die großen Geister waren sich hier nicht einig. »Das Wort Zufall ist Gotteslästerung, nichts unter der Sonne ist Zufall«, heißt es in Lessings Emilia Galotti, während es bei Schopenhauer der Zufall ist, »der die königliche Kunst versteht, einleuchtend zu machen«.

Da es somit keine verbindliche Erklärung für das Phänomen gibt, muss die Deutung vorwiegend subjektiv erfolgen. Ich selbst liefere die Fakten und überlasse den Leserinnen und Lesern dieses Buches das Urteil, ob die Handlung des jeweiligen Kapitels auf Zufall, Schicksal oder Bestimmung basiert.

Georg Markus

Wien, im August 2014

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Eduard Angeli, Agnes und Rudolf Buchbinder, Anneliese Figl, Peter Marboe, Peter Jankowitsch, Margit Schmidt, Maria Steiner/Stiftung Bruno Kreisky Archiv, Lilly Schnitzler †, Ronald Leopoldi, Anton Neumayr, Ernst Stankovski, Friedl Weiss †, Stefan Lintl/Kurier-Archiv, Gerald Piffl; Madeleine Pichler, Nathalie Li Pircher, Laura Kühbauch und Carmen Sippl vom Amalthea Verlag sowie Dietmar Schmitz.

Alles nur Zufall?

Подняться наверх