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Der Ursprung aller Seefahrt Am Anfang – Bronzezeitliche Mittelmeerschifffahrt
Оглавление„Als die ersten Boote vor 8000–9000 Jahren die Flussmündungen verließen und hinaus ins Meer glitten, begann die wahre Geschichte des Mittelmeerraums. Ganze Heerscharen, von Alexander dem Großen bis Mussolini fegten über seine Küsten hinweg, aber sein Schicksal bestimmten vor allen die Seemächte und der Seehandel“7
Viel früher als häufig bisher angenommen wurde, haben offensichtlich die Menschen von diesem Meer Besitz ergriffen, haben die einzigartige Chance dieses Verkehrsweges genutzt, um Handel und Gewerbe zu treiben.
„Im Höhepunkt der Bronzezeit hatten die Völker des westlichen Mittelmeeres einen klaren Begriff von der geographischen Gestalt der westeuropäischen Küsten am Atlantik und den an der Nordsee liegenden Ländern. Die Azoren, Madeira und die übrigen im Atlantik liegenden Inseln waren damals schon entdeckt, und bekannt. Große Gebiete in Afrika wurden regelmäßig besucht, und wahrscheinlich hat man den Erdteil schon damals umschifft. Es ist auch sehr wohl möglich, dass der Seeweg nach Amerika während der Bronzezeit entdeckt worden ist, damals, als die Seefahrt in ihrer höchsten Blüte stand…..“
schrieb der norwegische Schiffshistoriker A. W. Brøgger.8 Weit vor den Phöniziern, Karthagern, Griechen und Römern hatte die Seefahrt im Mittelmeer ihre erste Blütezeit erlebt, auf ägyptischen Grabreliefs waren 2000 v. Chr. schon kretische Schiffe dargestellt.
Bereits um 5000 v. Chr. ließ sich erstmals die Besiedelung der Insel Malta nachweisen, ebenfalls zu dieser Zeit verschaffte man sich in Sizilien wichtige Steine, der Obsidian aus Pantelleria war bereits im Neolithikum auf Sizilien, dem nahen Tunesien, aber auch auf Malta, in Süditalien und sogar am Golfe du Lion nachweisbar. Ebenso fand sich Obsidian aus Anatolien zu früher Zeit auch auf Zypern – es bestanden also bereits überseeische Verbindungen, ein regelmäßiger Seeverkehr konnte zu dieser Zeit aber noch nicht nachgewiesen werden.9
Mit Beginn der Bronzezeit, deren Anfangspunkt auf Kreta um das Jahr 3000 v. Chr. anzusetzen ist, musste schon ein reger Seeverkehr bestanden haben. Die Kreter verstanden es, Schiffe aus Zedernholz mit Kiel und Spanten zu bauen, die sowohl mit Rudern als auch mit Segeln angetrieben wurden und mit denen sie sich auf das Meer hinauswagen konnten. Offenbar waren sie zu diesem Zeitpunkt mit ihren seemännischen Fähigkeiten konkurrenzlos, so dass sie es nicht einmal nötig hatten, ihre Städte und Paläste in Ufernähe zu befestigen. So wurde die Insel der bedeutendste Umschlagplatz für die zur Bronzeherstellung erforderlichen Zinn- und Kupfererze – das Kupfer kam vor allem von der Kupferinsel des Altertums Zypern, die ihren Namen von ihrem Kupferreichtum herleitete (lat. aes cyprium). Die bedeutendsten Zinnvorkommen lagen in Nordwestspanien, in der Bretagne und vor allem auf der Halbinsel Cornwall in Britannien. Der Bedarf an neuen Rohstoffen in der Bronzezeit bestimmte seit dieser Zeit die Seewege.
Das Wissen um diese gewaltige Seeherrschaft (Thalassokratie), die viele Jahrhunderte, mindestens aber zwischen 2000 und 1400 v. Chr. Bestand hatte, ist gerade einmal 100 Jahre alt. Sir Arthur Evans, der den Palast von Knossos erforschte, legte den Grundstein für die Entdeckung der minoischen Hochkultur, die bis heute noch viele Rätsel aufgibt. Vieles sprach dafür, dass es sich bei den Minoern um eine friedliche „Seemacht“ handelte, deren Vormachtstellung möglicherweise auf ihrer technischen Dominanz im Schiffbau und ihrer überlegenen Seemannschaft begründet war.
Erstaunlich bleibt auch die Tatsache, dass dieser Kulturkreis, einschließlich seiner beherrschenden Seegeltung, offenbar weitgehend erinnerungsfrei aus der Geschichte verschwand, ohne bei den nachfolgenden Kulturen wesentliche Spuren zu hinterlassen. Ob dies auf die mittel- oder unmittelbaren Folgen der vulkanischen Explosion der Insel Santorin zurückzuführen war, die ein Mehrfaches der Stärke des Krakatau-Ausbruchs 1883 erreichte, ist weiterhin umstritten und nach jüngeren Forschungen eher unwahrscheinlich.10 Aus unmittelbarer Sicht des bereits erwähnten verheerenden Tsunami im Indischen Ozean (im Dezember 2004) wissen wir um die furchtbaren Folgen einer solchen Katastrophe – nach neuesten Berechnungen musste die Flutwelle damals mindestens doppelt so hoch gewesen sein!
Vielfach wurde dies als das „Goldene Zeitalter“ der mittelmeerischen See- und Entdeckungsfahrten bezeichnet, das Seewesen der Phönizier, Karthager und Griechen galt lediglich als das kümmerliche Ende einer Epoche, die alles was später kam, bereits vorweg genommen hat, von der aber kaum etwas erhalten oder überliefert war und die mit ihren Schiffen und Seefahrern unterging. Dass diese die „Säulen des Herkules“, also die Meerenge von Gibraltar bereits hinter sich gelassen und Westafrika, die Kanarischen Inseln, Irland und Britannien mehr oder weniger regelmäßig bereisten, gilt als wahrscheinlich. Auch im östlichen Mittelmeer entwickelte sich ein reger Handelsverkehr. Bereits 2600 v. Chr. gab es ständige Verbindungen Ägyptens zu den an den Küsten Syriens und Palästinas gelegenen Häfen Byblos, Tyros und Sidon; so verzeichnete der Schreiber des Pharao das Einlaufen von 40 mit Zedernholz beladenen Schiffen. Unter den Pharaonen Snofru 2670–2620) und Sahure (2490–2475) begann sich die ägyptische Seemacht zu entwickeln: Hinweise darauf gaben Reliefs aus Abusir, auf denen die Rückkehr einer siegreichen Kriegsflotte aus dem Libanon mit einheimischen Matrosen und semitischen Gefangenen dargestellt war.11 Es bestanden im Alten Reich bereits stabile und lebhafte Handelsbeziehungen über das Meer mit dem Libanon, wo die begehrten Zedernstämme erworben wurden, und mit den Mittelmeerinseln.12
Schiff der Flotte der Pharaonin Hatschepsut (18. Dynastie – Neues Reich), ca. 1500 v. Chr.. Zeichnung nach einem Relief im Totentempel der Hatschepsut in Deir el-Bahari
Anhaltspunkte für die Bauweise der Schiffe aus dieser Zeit lieferte die 4500 Jahre alte Barke des Cheops, die durch Zufall am Fuße der Cheopspyramide 1954 zwischen den Abfällen früherer Grabungen entdeckt wurde. Sie war in genau 1224 Teile zerlegt und in 13 Schichten übereinander angeordnet, so dass ihre Rekonstruktion mehr als zehn Jahre dauerte, aber außerordentlich wichtige Erkenntnisse zum Schiffbau lieferte. Offensichtlich hatte sich die Bauweise seit der Mitte des 3. vorchristlichen Jahrtausends bis auf die Griechen und Römer fortgesetzt: Zuerst wurde die Außenhaut, also die Planken des Rumpfes, zusammengefügt, danach die inneren Verbände, die Spanten, eingebaut. Erst im Mittelalter entstand die moderne Konstruktionsweise, die den Schiffaufbau von innen nach außen, nämlich Kiellegung – Spantenaufbau – Verschalung, in dieser Reihenfolge vornahm.13 Bei Ausgrabungen auf der Insel Santorin (dem antiken Thera) entdeckte der griechische Archäologe Spyridon Marinatos die bronzezeitliche Stadt Akrotiri, dabei wurde 1972 ein phantastisches Fresko freigelegt. Diese bisher größte Schiffsdarstellung der bronzezeitlichen Ägäis zeigte Schiffe, die wahrscheinlich aus der spätkykladischen Zeit (SK I 1550–1520 v. Chr.) stammten und größtenteils mit Rudern angetrieben wurden. Alle Fahrzeuge waren seegängig, eines davon mit gesetztem Segel hatte keine Ruderer an Bord, die übrigen zeigten fünf bis 24 Ruderer auf der Bildseite, die größeren wiesen aber alle eine Takelage auf, teilweise waren zeltartige Kabinen auf dem Deck vorhanden.14
Nach der Eroberung Kretas, mit dem Ende der minoischen Seefahrt und dem Niedergang des durch innere und äußere Krisen geschüttelten ägyptischen Reichs, übernahmen um 1450 v. Chr. die Achäer, wie die frühen Griechen genannt wurden, die Handelsfahrten im Mittelmeer und gründeten die ersten Kolonien. Mindestens zwei Jahrhunderte waren sie die dominierende Seemacht im östlichen Mittelmeer. In dieser Zeit traten die Piraten in größeren Verbänden, eher verharmlosend als „Seevölker“ bezeichnet, in den Blickpunkt der Geschichte, und wurden zu einer ernsthaften Bedrohung des ägyptischen Staatswesens.15 Es waren Völker aus dem Schwarzmeerraum, die ausgangs der Bronzezeit im 13./12. Jahrhundert die Ägäis und Kleinasien eroberten und das Hethiterreich vernichteten. Um das Jahr 1190 v. Chr. wurde die Situation von einem Schreiber des Pharao Ramses III. (* um 1221, †1156 v. Chr.; Neues Reich, 20. Dynastie) folgendermaßen beschrieben:
„Wehe uns, die Inseln des Nordens lassen in Scharen ihre Männer los; sie suchen die Häfen heim und verheeren sie.“
Wahrscheinlich im gleichen Jahr konnte Ramses III. einen Angriff der Seevölker abwehren und ihnen im Nildelta eine vernichtende Niederlage beibringen.16 Allerdings dauerte es nach dem Sturm der Seevölker mehrere Jahrhunderte, bis sich im Mittelmeer wieder dominante Seemächte herausbildeten.
Versprengte Einheiten und zu Land vordringende Volksgruppen, die Zekel und Peleser (die aus der Bibel bekannten Philister), Reste der sogenannten Seevölker, verschmolzen im Libanon mit den dort ansässigen Kanaanäern und bildeten später das Staatswesen der Phönizier (die Kanaaniter der Bibel). Sie brachten den Schiffbau, die nautischen Kenntnisse und die Erfahrungen in der Hochseeschifffahrt zu den damals schon gewieften Händlern, kunstfertigen Handwerkern und zu dem wertvollsten Rohstoff für den damaligen Schiffbau – dem Holz. Daneben züchteten sie die Purpur-Schnecke, die den begehrten Farbstoff für Herrscherinsignien römischer Senatoren und Kaiser lieferte.
Aus den separierten Bewohnern eigenständiger Hafenstädte, wie Byblos, Tyros oder Sidon, entstand ein verbündetes Volk, die Stadtstaaten vereinten sich allerdings zu keiner Zeit zu einem gemeinsamen Staatswesen, was dazu führte, dass die Phönizier auf kulturellem und politischen Gebieten nie eine prägende Rolle spielten. Es gehört zu den Kuriositäten der Geschichte, dass von dem Volk, das dem Westen das Alphabet hinterlassen hat, und das seine Geschichte und Mythologie auf zahlreichen Papyrusrollen aufgezeichnet hat, kein einziges Originalmanuskript oder eine Übersetzung erhalten ist.17 Dennoch formten sie über Jahrhunderte den Seehandel im und um das Mittelmeer in beeindruckender Weise und wurden geradezu zum Synonym für ein seefahrendes Volk. Die Levante erhob sich zum Drehkreuz ostwestlicher Handelslinien mit Anschluss an die Karawanenwege nach Fernost. Durch ihre Siedlungspolitik erschlossen sie auch das westliche Mittelmeer für den Handel, gründeten Niederlassungen und Städte; so hatten sie im 8. Jahrhundert Handelsstationen im Nildelta, auf Zypern, in Nordafrika und auf Sardinien, wahrscheinlich auch auf Malta, Rhodos und Kreta.18 Ihre berühmte Tochterstadt Karthago ging als große Seemacht und Widersacherin Roms in die Geschichte ein.
Neben dem von ihnen beherrschten Handel und Zwischenhandel waren die Phönizier auch ideenreiche Handwerker, die vor allem heißbegehrte Luxusgüter produzierten: Schmuck aus Edelsteinen oder Emaille, Gefäße aller Art aus Gold, Silber oder Bronze, Prunkgläser aus Quarzsand, daneben kunstvoll geschmiedete und reich verzierte Waffen, Panzer und Streitwagen.19 Der Niedergang der phönizischen Hafenstädte Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. durch die Angriffe der Assyrer und später der Babylonier führte zur Verlagerung des Einflusses und des levantinischen Erbes nach Karthago.
Schiffbau und Seemannschaft waren gegen Ende des 2. Jahrtausend v. Chr. bereits zu einer hohen Stufe ausgebildet, auch gesonderte Typen von Kriegsschiffen ließen sich anhand von Abbildungen nachweisen. Die Phönizier waren offenbar in der Lage, sich die vom kretisch-mykenischen Kulturkreis und den Ägyptern vorgenommenen technischen Verbesserungen nutzbar zu machen und ihr Seewesen weiter auszubauen.20 Mit der (meistens kriegerischen) Bireme schufen sie allerdings den neuen Typ eines Ruderschiffs mit mehreren Reihen Ruderer, der für die nächsten Jahrhunderte schiffbautechnisch den Weg der besegelten Riemenschiffe im Mittelmeerraum aufzeigte. Zuerst die Griechen und die von den Phöniziern abstammenden Karthager, später die Römer und weiter über die Goten, die Araber und Sarazenen, die Normannen bis zu Byzanz, Venedig, Genua und Pisa – sie alle verbesserten ständig die besegelten Mehrruderschiffe über einen Zeitraum von nahezu 1500 Jahren.21 Sowohl die schiffstechnischen Entwicklungen als auch die immerwährenden politischen Machtkämpfe und kriegerischen Auseinandersetzungen der Anliegerstaaten des Mittelmeers zur See hatten erheblichen Einfluss auf die historischen Entwicklungen Europas.