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Einfach mal „Ich weiß es nicht“ sagen

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Mosaiksteinchen aus meinen Begegnungen als Pfarrer:

Der Siebzigjährige hat eine Affäre. Nun hat ihm die Freundin den Laufpass gegeben. Den Mann quält auf seine alten Tage Liebeskummer.

Der Seniorin ist vor Jahren der erwachsene Sohn gestorben. Das hat sie Gott nie verziehen. Zum Gottesdienst kommt sie seither nicht mehr.

Ein Brautpaar sitzt in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa. Ich frage die Braut etwas, sie antwortet. Ich frage beide etwas, sie antwortet. Ich frage ihn etwas … sie antwortet.

Die Frau in meinem Alter findet sich im Gleichnis vom Barmherzigen Vater wieder: Ihr Bruder sei der verlorene Sohn, der das Geld verprasst hat und dennoch alle Liebe der Eltern genießt. Sie sei für Mutter und Vater immer da gewesen, habe sich stets gekümmert. Ihr hält man vor, sie sei ja nie da. Ich rate ihr, die Eltern konkret darauf anzusprechen. Sie wehrt ab: „Dann streiten die ja nur.“ Ich entgegne: „Streit ist ein Zeichen von Nähe.“ Sie lacht zustimmend. Aber bitter.

Ein Mann klagt mir, seine Frau werde dement. Ein paar Tage später bittet seine Frau um einen Termin bei mir, denn sie sucht Rat: „Mein Mann wird dement.“

Ein Herr bittet um ein Gespräch. Dabei fragt er mich: „Glauben Sie an Gott?“ Ich bejahe lächelnd. Darauf seufzt er mit Tränen in den Augen: „Dann kann ich auch glauben.“

Wer wollte diese skizzierten Personen und Konflikte beurteilen? Ich auf jeden Fall nicht. Das Panoptikum des menschlichen Umgangs mit dem Phänomen Leben ist bunt und schillernd. Sieht Gott das auch so gelassen? Oder bewertet er?

Gott schenkt demjenigen, der ihm gefällt, Weisheit, Erkenntnis und Freude. Doch wer sich nicht um Gott kümmert, den lässt er sich mühen, um Güter zu sammeln und Besitz anzuhäufen – um ihm dann seinen Reichtum fortzunehmen und denen zu geben, an denen er Freude hat. Dann war seine ganze Mühe sinnlos und gleicht dem Versuch, den Wind einzufangen. (Prediger 2,26)

Weisheit, Erkenntnis und Freude – damit kann das Leben gelingen! Solche Güter erhält, wer Gott gefällt. Wie aber kommt es, dass die einen Gott gefallen wie Abel, die anderen, dem Kain gleich, aber nicht? Kann man etwas dafür tun, um Gott zu gefallen? Wenn ja, was? Seine Gebote beachten? Verschenkt Gott seine Gunst aufgrund undurchschaubarer Kriterien? Oder einfach nach Lust und Laune? Wahrscheinlich will Kohelet gar nicht die Prädestination thematisieren, also Vorherbestimmung durch Gott. Doch seine Bemerkung wirft Fragen auf.

Wer sich nicht um Gott kümmert, wird bestraft – und zwar perfide: Erst legt er sich krumm für seinen Besitz, dann wird ihm alles genommen. Ist aber der Verlust schon Beweis für mangelndes Interesse an Gott?

Kohelet beobachtet die Welt. Dann zieht er seine Schlüsse. Doch seine Perspektive bleibt begrenzt. Mir wäre es lieber, er würde häufiger mal bescheiden sagen: „Ich weiß es nicht!“ Er ist kein Theologe, macht aber steile Aussagen über Gott. Hätte er das Buch Hiob gelesen, fielen seine Behauptungen wohl zurückhaltender aus.

Die Menschen, die ich oben kurz beschrieben habe, kann ich nur nehmen, wie sie sind. Ich kenne ihre Namen. Wie viel mehr muss derjenige ein großes Herz haben, der uns alle beim Namen ruft?

Windhauch und Wein

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