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Dreizehnter Brief.

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Köln, 7. brumaire.

„Da bin ich in Köln! Wie schon so weit? — Denke Dir, als ich in Brüssel ankommend, in das Zimmer der sechsten Compagnie trete, war man eben im Begriff zu Tische zu gehen, d. h. sich um die gemeinschaftliche, große Schüssel zu setzen. Man lud mich höflich ein mitzuessen, ich nahm einen Löffel und aß mich mit der ganzen Gesellschaft dick und voll. Ein wenig Rauchgeschmack abgerechnet, war die Suppe, meiner Treu, ganz gut und ich versichere Dir, daß man bei dieser Küche nicht zu Grunde geht. Ich regalirte dann die Kameraden mit einigen Krügen Bier und etwas Schinken — wir rauchten einige Pfeifen miteinander und waren bald so gute Freunde, als hätten wir schon zehn Jahre zusammen gelebt. Plötzlich wurde Appel geblasen und man versammelte sich im Hofe. Der Eskadron-Chef näherte sich, ich trat auf ihn zu und überreichte ihm den Brief des Hauptmanns. Er drückte mir die Hand und theilte mir mit, daß sich der Brigade-Chef und der General, nebst dem übrigen Theile meines Regiments bei den Vorposten der Armee vor Mainz befänden. Ich sah im Augenblicke ein, daß in Brüssel nichts weiter für mich zu thun sei — ich sagte das dem Eskadron-Chef ganz aufrichtig und er gab mir vollkommen Recht. Er ließ mir eine Marschroute für die Vorposten ausstellen, und nach achtzehnstündiger Freundschaft mit meinem Chef und meinen Kameraden reiste ich ab. Aber das Schicksal nützt mir mehr, meine liebe Mutter, als alle Vorsicht. Ich ging über Köln, um mich in die Gegend von Frankfurt zu begeben, wo mein Regiment steht, da erfuhr ich, daß der Bürger von Harville, General en Chef und Inspektor der Cavalerie, in zwei Tagen von Mainz hierherkommen würde. — Ich gebe also meine Reise auf und warte. — Alle sagen, daß er mich, auf die Empfehlung Beurnoville's, seines Freundes, ohne Weiteres als Ordonnanz annehmen wird. — Ich werde also etwas mehr Bewegung haben — wenn nicht körperliche, doch geistige — als wenn ich die Lebensweise der Soldaten in der Kaserne führen müßte. Also meine Angelegenheiten stehen gut, sei ganz ruhig.

„Du wirst durch die Zeitungen erfahren, daß es der Conscription wegen Aufruhr in Brabant gegeben bat. Die Rebellen bemächtigten sich für einige Stunden der Stadt und Citadelle von Mecheln, aber die Franzosen, denen nichts widerstehen kann, haben sie verjagt und 300 getödtet. Man brachte noch während meiner Anwesenheit 27 von den Aufständischen nach Brüssel; es waren Leute aus allen Ständen, auch zwei Kapuziner befanden sich dabei. Die Conscription diente nur als Vorwand; das Projekt der Rebellen war eine Landung der Engländer zu fördern, denn sie zogen sich nach der Seite von Ostende und Gent. — Unsere Diligence zerbrach unterwegs und wir waren genöthigt acht Stunden in Louvin zu bleiben: alle Leute aus den Städten auf der Route kamen uns entgegen, denn da die Diligence ausgeblieben war, hatte sich das Gerücht verbreitet, es sei auch in Brüssel ein Aufstand ausgebrochen. — Der Lärm war bereits bis zu einer Landesneuigkeit angewachsen und man wollte mir kaum glauben, als ich versicherte, daß ich Brüssel sehr ruhig verlassen habe. Man sendet viele Truppen von der Mainzer Armee nach Brabant und hofft bald Alles beruhigt zu sehen. — Mehr und mehr segne ich die Sorgfalt, meine liebe Mutter, die Du auf meine Erziehung verwandtest. Die Kenntniß der deutschen Sprache ist mir hier vom größten Nutzen. Auf dem ganzen Wege habe ich meinen Reisegefährten als Dolmetscher gedient — sie waren untröstlich mich in Köln zu lassen. — Du wirst einen ziemlich traurigen Winter verleben, meine gute Mutter, und dieser Gedanke allein betrübt mich. Aber ich hoffe mit irgend einer Ordre nach dem Departement der Indre geschickt zu werden, dann will ich Dich pflegen, Dich liebkosen und zum Lachen bringen. Dein Schmerz ist meine einzige Sorge; über alles Andere, was nur passiren könnte, lache ich und bin sicher es zu überwinden.“

Während unser Jäger den General Harville erwartend, an den Ufern des Rheins spazieren ging, konnte er nicht immer der Sehnsucht nach seiner Mutter Herr werden. „Die Ufer des Rheins erinnern mich an die Ufer der Seine bei Passy“, schrieb er am 9. brumaire, „und ich überrasche mich oft in tiefer Traurigkeit von Dir träumend — ich rufe Dich dann, wie in der Zeit, als wir so unglücklich waren.“ Er machte damals Bekanntschaft mit einem Adjutanten des Generals Jacobi, sie sprachen viel von Musik, musizirten zusammen und schlossen sich eng einander an. — Endlich kam der General Harville und wählte den Schützling Beurnoville's ohne Verzug zu seiner Ordonnanz; versprach ihm ein schönes, vollständig equipirtes Pferd sobald als möglich zu verschaffen; aber die Pferde waren damals rar und es ließ ziemlich lange auf sich warten.

Der General, der sich damals August Harville nannte, war der Graf von Harville und später Senator und Hofcavalier Josephinens. Vor der Revolution war er Generalmajor gewesen und diente dann unter Dumouriez. Bei der Schlacht von Jemappes hatte er sich etwas kalt und zaudernd gezeigt, wurde nach dem Verrathe seines Obern vor das Revolutionstribunal gefordert, hatte aber das Glück freigesprochen zu werden. Im späteren Verlauf seines Lebens erfreute er sich mehr der Gunst als des Ruhms. 1814 stimmte er für die Absetzung des Kaisers und wurde Pair von Frankreich. Er mochte vielleicht ein muthiger, galanter Mann sein, aber im Allgemeinen lassen Menschen, die jeder Sache gedient haben, kein warmes Andenken in den Herzen zurück; man kann ihrer Aufrichtigkeit zu allen Zeiten ein wenig mißtrauen. Der General war für Empfehlungen der Geburt sehr empfänglich und sein Adjutant und Verwandter, der junge Marquis von Caulaincourt, stachelte ihn bis zur Reaction gegen die revolutionären Ideen. Der aristokratische Charakter dieser zwei Personen ist in den Briefen meines Vaters sehr gut gezeichnet, und ich werde sie noch anführen, denn sie geben ein ziemlich originelles Gemälde von dem täglich wachsenden reactionären Geiste in der Armee — man wird finden, daß schon damals die durch die Revolution aufgestellten Gleichheitsrechte in der That durchaus nicht mehr existirten.

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