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Viertes Kapitel. Sophie Victoria Antoinette Delaborde, — Mutter Cisquart und ihre Nichte im Stadthause. — Ueber das Jünglingsalter. — Außer der officiellen giebt es noch eine innere Geschichte der Nationen. — Sammlung von Briefen in der Schreckenszeit.

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Ich verlasse für wenige Augenblicke die Geschichte meiner väterlichen Geschlechtslinie, um eine neue Persönlichkeit einzuführen, die ein seltsamer Zufall zu derselben Zeit in dasselbe Gefängniß brachte.

Ich habe von Anton Delaborde gesprochen, dem Ballspielhausaufseher und Meister Vogelhändler, d. h. von meinem Großvater mütterlicher Seits, der Vögel verkaufte, nachdem er ein Billard gehalten hatte. Wenn ich weiter nichts von ihm sage, so ist es, weil ich weiter nichts von ihm weiß. Meine Mutter sprach fast nie von ihren Eltern, denn sie hatte dieselben wenig gekannt und schon verloren, als sie noch ein Kind war. Wer ihr Großvater gewesen ist, wußte sie ebensowenig, als ich es weiß und auch ihre Großmutter kannte sie nicht. In diesem Punkte können die Geschlechtsregister der Plebejer nicht gegen die der Reichen und Mächtigen Stand halten. Hätten sie auch die besten oder die verworfensten Geschöpfe hervorgebracht — sie würden Straflosigkeit für die einen, Undank für die andern haben. Der Arme stirbt vollständig — die Verachtung des Reichen verschließt sein Grab und geht darüber hin ohne selbst zu wissen, daß es Menschenstaub ist, den ihr Fuß niedertritt.

Meine Mutter und meine Tante haben mir von einer Großmutter mütterlicher Seite erzählt, die sie erzog und gut und fromm war. Ich glaube nicht, daß die Revolution diese Familie zu Grunde richtete — sie hatte nichts zu verlieren und litt nur, wie das ganze Volk, durch die Theuerung der Lebensmittel; aber die Großmutter war, Gott weiß warum, Royalistin und erzog ihre beiden Enkelinnen im Abscheu vor der Revolution, von der sie nicht das Geringste verstanden. — Eines schönen Morgens holte man die älteste, welche fünfzehn bis sechszehn Jahr alt war und Sophie Victorie, ja selbst Antoinette (wie die Königin von Frankreich) hieß, um sie ganz weiß zu kleiden, zu pudern, mit Rosen zu schmücken und nach dem Stadthause zu führen. Sie wußte nicht, was das Alles bedeuten solle, aber die angesehensten Plebejer des Viertels, die eben von der Bastille und von Versailles zurückgekehrt waren, sagten ihr: „Kleine Bürgerin, Du bist das hübscheste Mädchen dieses Bezirkes, man wird Dich putzen; der Bürger Collot d'Herbois, welcher Schauspieler am Theater français ist, wird Dich einen Glückwunsch in Versen mit den nöthigen Gestikulationen lehren und hier ist ein Blumenkranz. Wir werden Dich nach dem Stadthause führen, dort sollst Du die Blumen überreichen und den Bürgern Bailly und Lafayette Deinen Glückwunsch hersagen und Du wirst Dich um das Vaterland verdient gemacht haben.“

Victorie spielte ihre Rolle mit großer Lebhaftigkeit; sie war von einer Menge hübscher, junger Mädchen umgeben, die jedoch nicht so viel Anmuth besaßen, wie sie, und den Helden des Tages nichts zu sagen oder zu überreichen hatten und nur zur Augenweide dienen sollten.

Mutter Cloquart, die Großmutter Victoriens — folgte ihrer Enkelin mit Lucie der jüngern Schwester und beide waren sehr glücklich und sehr stolz, als sie, sich durch die ungeheuere Menschenmenge drängend, endlich den Eingang des Stadthauses erreichten und sahen, mit welcher Grazie die Perle des Bezirkes ihren Glückwunsch vortrug und den Blumenkranz überreichte. Herr von Lafayette war gerührt — er nahm den Kranz und legte ihn mit den Worten: „Diese Blumen, liebenswürdiges Kind, passen besser zu Deinem Gesicht als zu dem meinigen,“ sanft und väterlich auf das Haupt Victoria's. — Man applaudirte und setzte sich zu einem Gastmahl, das zu Ehren Lafayette's und Bailly's veranstaltet war — endlich begann man um die Tische zu tanzen und zog auch die jungen Mädchen mit in den Kreis; die Menge wurde so dicht und lärmend, daß die gute Mutter Cloquart und die kleine Lucie die triumphirende Victorie aus den Augen verloren und nicht hoffen konnten, sie wieder zu finden — sie fürchteten erdrückt zu werden und gingen hinaus auf den Platz, um sie dort zu erwarten; aber auch von da verjagte sie die Menge. Das Geschrei des Enthusiasmus flößte ihnen Furcht ein; Mutter Cloquart, die nicht besonders muthig war, glaubte, Paris stürze über ihr zusammen und lief, weinend und schreiend, daß Victoria in diesem riesigen Rundtanze erdrückt und umgebracht werden würde, mit Lucie davon.

Erst gegen Abend kehrte Victoria in ihre ärmliche, kleine Wohnung zurück — sie wurde von einer Anzahl Patrioten beider Geschlechter begleitet, die sie so gut beschützt und mit so viel Ehrerbietung behandelt hatten, daß nicht einmal ihr weißes Kleid zerdrückt war.

An welches politische Ereigniß sich dieses, im Stadthause gegebene Fest knüpft, weiß ich nicht — weder meine Mutter noch meine Tante haben es mir sagen können; gewiß wußten sie es ebensowenig, als sie eine Rolle dabei spielten. Wie ich vermuthe, war es, als Lafayette der Commune anzeigte, daß der König sich entschlossen habe, in seine gute Stadt Paris zurückzukehren.

Wahrscheinlich fanden zu jener Zeit die kleinen Bürgerinnen Delaborde die Revolution sehr ergötzlich — aber später sahen sie einen schönen Kopf mit prächtigem blonden Haar auf einer Pike vorübertragen; es war der Kopf der unglücklichen Prinzessin Lamballe, und dieser Anblick machte einen so entsetzlichen Eindruck auf sie, daß ihr Urtheil über die Revolution immer durch diese grauenvolle Erscheinung bestimmt wurde.

Sie waren zu jener Zeit so arm, daß Lucie sich mit Handarbeiten beschäftigte, und Victorie die Stelle einer Statistin an einem kleinen Theater versah. Meine Tante hat das Letztere seitdem abgeleugnet, und da sie die Offenheit selbst war, so that sie es sicher in voller Ueberzeugung. Es ist möglich, daß sie es nicht wußte, denn in dem Sturme, der die Schwestern forttrieb, wie zwei arme, kleine Blätter, die sich hierhin und dorthin wenden, ohne zu wissen, wo sie sind — in diesem Gewirr von Unglück, Schrecken und unverstandenen Gemüthsbewegungen, die so stark waren, daß sie meiner Mutter zuweilen das Gedächtniß gänzlich raubten, ist es wohl möglich, daß sich die Schwestern für einige Zeit aus den Augen verloren. Es ist endlich möglich, daß Victorie, aus Furcht vor den Vorwürfen der frommen Großmutter und dem Schrecken der vorsichtigen und fleißigen Schwester, nicht zu gestehen wagte, zu welchen Hülfsmitteln das Elend und die Unvorsichtigkeit ihres Alters sie hatte greifen lassen. Aber die Thatsache ist gewiß, denn Victorie, meine Mutter, hat sie mir mitgetheilt, und zwar unter Umständen, die ich nie vergessen kann. Ich werde das seiner Zeit erzählen, aber ich muß den Leser bitten, kein Urtheil zu fällen, bis ich mit meiner Geschichte zu Ende bin.

Ich weiß nicht, an welchem Orte es meiner Mutter während der Schreckenszeit einfiel, ein gegen die Republik gerichtetes Lied zu singen. Am andern Tage hielt man Haussuchung bei ihr und fand das Lied, welches sie von einem gewissen Abbé Borel bekommen hatte, als Manuskript. Es war wirklich aufrührerischen Inhalts, aber meine Mutter hatte nur eine Strophe, die unschuldigste, davon gesungen. Sie wurde sogleich arretirt und — Gott mag wissen warum — auch ihre Schwester Lucie. Man brachte sie zuerst nach dem Gefängnisse der Bourbe, später in ein anderes und endlich nach dem Kloster des Anglaises, wo sich wahrscheinlich zu derselben Zeit meine Großmutter befand.

Man gab den zwei armen Kindern des Volkes dort eben so gut einen Platz, wie den vornehmsten Damen des Hofes und der Stadt. Auch Fräulein Comtat befand sich dort und war mit der Vorsteherin des Klosters, Madame Canning, innig befreundet. Die berühmte Schauspielerin hatte Anwandlungen einer tiefen und schwärmerischen Frömmigkeit und begegnete Madame Canning niemals im Kreuzgange, ohne sich vor ihr auf die Knie zu werfen und um ihren Segen zu bitten. Die gute Nonne, die viel Geist und Lebensklugheit besaß, sprach ihr Trost zu, stärkte sie gegen die Schrecken des Todes, führte sie in ihre Zelle und ermahnte sie, ohne sie einzuschüchtern, denn sie fand in ihr eine reine, schöne Seele, an der ihr nichts ein Aergerniß gab. Als ich im Kloster war, hörte ich, wie sie selbst es meiner Großmutter erzählte, wenn sie im Sprechzimmer die Erinnerungen an jene seltsamen Zeiten an sich vorüber gehen ließen.

Es ist nicht zu verwundern, daß Maria Aurora von Sachsen und Victorie Delaborde sich zwischen einer großen Menge von Gefangenen nicht bemerkten, die sich durch den Abgang [Abgang bedeutete damals, zur Guillotine geführt werden.] des Einen und die Arrestation Anderer oft erneuerte. Sie erinnerten sich in der That nicht, einander in dieser Zeit gesehen zu haben. Aber man gestatte mir hier einen flüchtigen Romanentwurf: Ich nehme an, daß Moritz, erstarrt vor Kälte im Kreuzgange spazieren ging, wo er, in Erwartung der Stunde, die ihn zu seiner Mutter bringen sollte, die Füße durch Stampfen zu erwärmen suchte; ich nehme ferner an, daß auch Victorie durch den Kreuzgang eilte und das schöne Kind erblickte. Hätte man nun zu ihr, die damals schon neunzehn Jahr alt war, gesagt: daß dies der Sohn des Marschall von Sachsen wäre, so würde sie geantwortet haben: „Es ist ein hübscher Knabe, aber den Marschall von Sachsen kenne ich nicht.“ Und setze ich endlich voraus, daß man auch zu Moritz gesagt hätte: „sieh, dies arme, hübsche Mädchen, das nie von Deinem Großvater gehört hat, und dessen Vater Vögel in Käfigen verkauft, ist Deine künftige Frau“ — so weiß ich nicht, was er darauf erwidert hätte — aber da wäre der Roman schon angelegt.

Uebrigens darf man nicht daran glauben. Es ist möglich, daß sie sich in diesem Kloster nie begegneten — und es ist wiederum nicht unmöglich, daß sie sich gesehen und im Vorübergehen gegrüßt haben, wäre es auch nur ein einziges Mal. Das junge Mädchen würde den jungen Schüler nicht besonders beachtet haben. Und wenn der junge Mann das Mädchen bemerkte, obwohl er durch eigne Sorgen ganz in Anspruch genommen war, hatte er sie doch einen Augenblick nachher schon wieder vergessen. Gewiß ist, daß weder der Eine noch der Andere sich einer solchen Begegnung erinnerte, als sie sich mehrere Jahre später, während eines andern Sturmes, in Italien kennen lernten.

Die Geschichte meiner Mutter geht mir nun vollständig verloren, wie sie ihr selbst aus der Erinnerung entschwunden war. Sie wußte nur, daß sie das Gefängniß ebenso verlassen, als betreten hatte, d. h. ohne zu wissen wie und warum. Da die Großmutter Cloquart über ein Jahr nichts von ihren Enkelinnen gehört hatte, hielt sie dieselben für todt. Sie war sehr schwach geworden, als die Mädchen endlich wieder zu ihr kamen, denn statt sich in ihre Arme zu werfen, fürchtete sie sich, und hielt sie für zwei Gespenster.

Ich werde ihre Geschichte wieder aufnehmen, so oft es mir gelingt, ihre Spur zu finden. Jetzt kehre ich zu der meines Vaters zurück, die ich, Dank seinen Briefen, nur selten aus den Augen verliere.

Die kurzen Zusammenkünfte, welche der Mutter und dem Sohne Trost gewährten, wurden plötzlich unterbrochen. Die revolutionäre Regierung ergriff strenge Maßregeln gegen die nahen Verwandten der Gefangenen, indem sie dieselben aus dem Weichbilde von Paris verbannte, und ihnen bis auf Weiteres untersagte, dasselbe zu betreten. Mein Vater ging darauf mit Deschartres nach Passy, wo er mehrere Monate zubrachte.

Diese zweite Trennung war schmerzlicher als die erste, weil sie eine vollständige war und die wenigen Hoffnungen zerstörte, die man sich bis dahin erhalten hatte. Meiner Großmutter war das Herz zerrissen, aber es gelang ihr, die Angst zu verbergen, die sie bei dem Gedanken empfand, daß sie ihren Sohn vielleicht zum letzten Mal umarmte.

Mein Vater hatte zwar nicht so düstre Ahnungen, aber er war ganz niedergedrückt. So lange er seine Mutter nicht verlassen hatte, war ihm der Schmerz etwas Fremdes, Unbekanntes. Er war schön, wie eine Blume, keusch und sanft wie ein Mädchen, und mit sechszehn Jahren war seine Gesundheit noch zart und seine Seele rein. In diesem Alter ist ein Knabe, der durch eine zärtliche Mutter erzogen wurde, ein ganz eigenthümliches Wesen; er gehört so zu sagen zu keinem Geschlechte, seine Gedanken sind rein, wie die eines Engels; die kindische Koketterie, die unruhige Neugier und die mißtrauische Eigenliebe, die so oft die erste Entwickelung des Weibes trüben, sind ihm fremd, und er liebt seine Mutter, wie eine Tochter sie nicht liebt und nie lieben kann. Indem er sich in das Glück versenkt, ihre ungetheilte Liebe zu besitzen und auf das Zärtlichste gehätschelt zu werden, wird die Mutter für ihn zum Gegenstande einer Art Anbetung. Es ist Liebe, ohne die Stürme und Fehler, zu welchen ihn später die Liebe zu einem andern Weibe führen wird. Es ist die ideale Liebe, der im Leben des Mannes nur ein Augenblick gehört; kurz zuvor giebt er sich auch keine Rechenschaft von seinem Gefühl und lebt in der Befangenheit eines sanften Instinktes, und gleich nachher wird diese Liebe durch andere Leidenschaften gestört und zerstreut oder durch den siegenden Reiz der Geliebten bekämpft. Dann wird sich seinen verblendeten Augen eine Welt neuer Gefühle erschließen; aber wenn er fähig ist, dies neue Götzenbild warm und edel zu lieben, so hat er die heilige Lehre der wahren Liebe von seiner Mutter empfangen.

Aber es scheint mir, als hätten Dichter und Romanschreiber die Fundgrube von Beobachtungen und die Quelle von Poesie nicht erkannt, welche dieser einzige kurze Augenblick im Leben des Mannes bietet. Es ist freilich wahr, daß es in unserer heutigen traurigen Welt keinen Jüngling giebt, es müßte denn ein ausnahmsweise erzogenes Wesen sein. Aber gewöhnlich erblicken wir nur einen unreinlichen, linkischen Schüler, den ein gemeines Laster befleckt, das die erste Reinheit in ihm zerstörte. Oder ist der Knabe dieser Pest der Schulen wie durch ein Wunder entgangen, so hat er doch unmöglich die Keuschheit der Einbildungskraft und die heilige Unschuld seines Alters bewahrt. Ueberdies nährt er einen versteckten Haß gegen die Kameraden, die ihn verführen wollen, wie gegen die Aufseher, die ihn unterdrücken. Er ist häßlich, selbst wenn ihn die Natur schön gebildet hat; er trägt eine widerwärtige Kleidung, hat ein blödes Wesen und schaut Niemand offen in's Gesicht. Im Geheimen verschlingt er die schlechtesten Bücher, aber er fürchtet den Anblick der Frauen und die Liebkosungen seiner Mutter verursachen ihm ein Gefühl der Scham, als ob er sich ihrer Zärtlichkeit unwürdig fühlte. Die schönsten Sprachen der Welt, die herrlichsten Dichtungen des Menschengeschlechts sind für ihn nur Gegenstände der Ermüdung, des Widerstrebens und des Ekels. Da ihm die beste Geistesnahrung auf rohe, sinnlose Art gereicht wird, verdirbt sein Geschmack und wendet sich dem Schlechten zu — und er wird jahrelanger Anstrengung bedürfen, um die Folgen dieser abscheulichen Erziehung zu vertilgen, um die eigne Sprache zu lernen, indem er die lateinische studirt, die er schlecht versteht, und die griechische, von der er gar nichts weiß; um seinen Geschmack zu bilden: um eine klare Ansicht der Geschichte zu gewinnen; um das häßliche Siegel zu verwischen, das eine traurige Kindheit und die Verdummung der Knechtschaft auf seine Stirn gedrückt haben; um endlich wieder frei umherzuschauen und den Kopf wieder hoch zu tragen. Und dann erst wird er seine Mutter lieben — aber schon bemächtigen sich die Leidenschaften seiner Seele und er hat nie die engelhafte Zärtlichkeit gekannt, die ich zu schildern versuchte, und die für die Seele des Mannes wie ein Ruhepunkt ist, wie eine entzückende Oase zwischen der Kindheit und dem männlichen Alter.

Uebrigens soll dies kein Ausspruch gegen die öffentliche Erziehung sein; dem Princip nach erkenne ich alle Vorteile des gemeinschaftlichen Unterrichts, sehe ich aber, wie dieser in Wirklichkeit geleitet wird, so muß ich sagen, daß jede andere Erziehungsweise besser ist — selbst das Verziehen im Hause.

Es kommt hier aber auch gar nicht darauf an, aus dem einzelnen Falle einen Schluß zu ziehen. Eine Erziehung, wie sie mein Vater erhielt, kann niemals als Vorbild dienen, denn sie war zu gleicher Zeit zu schön und zu mangelhaft. Zweimal wurde sie unterbrochen, das erste Mal durch die krankhafte Schwäche meines Vaters; dann durch die Schrecken der Revolution, und ihre Vervollständigung verhinderten die Unsicherheit und Zusammenhanglosigkeit des damaligen Lebens. Aus dieser Erziehung ging jedoch ein Mann von einer unvergleichlichen Reinheit, Tapferkeit und Güte hervor. Sein Leben war ein Roman voll Kampf und Liebe; es wurde im dreißigsten Jahre durch ein unvorhergesehenes Ereigniß geendet, und durch diesen frühen Tod ist seinem Bilde in der Erinnerung Aller, die ihn gekannt haben, die Jugend erhalten. Ein junger Mann mit heldenmüthigem Sinne, dessen ganzes Leben von einer der thatenreichsten Geschichtsepochen umrahmt wird, ist jedenfalls eine interessante Gestalt — und welch einen herrlichen Vorwurf zu einem Romane würde mir sein Leben geben, wären nicht die Hauptpersonen mein Vater, meine Mutter und meine Großmutter. Aber obgleich es meiner Meinung nach nichts Ernsteres giebt, als einen Roman, den wir aus Liebe und Andacht schreiben, so dürfen wir doch weder die Wesen, die wir lieben, noch die, welche wir hassen, darin einführen. Ich werde viel darüber zu sagen haben, und ich hoffe, daß ich Allen, die mich beschuldigen, sie in meinen Büchern geschildert zu haben, eine offne Antwort geben kann. Hier ist jedoch nicht die Zeit dazu, und ich beschränke mich darauf, die Versicherung zu geben, daß ich nicht gewagt haben würde das Leben meines Vaters zum Gegenstande einer Dichtung zu machen. Das Warum wird man später verstehen.

Ich glaube übrigens nicht, daß dies Leben im Gewande einer kunstgerechten Form interessanter gewesen wäre. Erzählt wie es war, ist es von größerer Bedeutung, und stellt in einigen sehr einfachen Zügen die sittliche Geschichte der Gesellschaft dar, in welcher es sich bewegte.

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