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I. Einführung

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Ein geschichtlicher Überblick über das Gebiet des Städtebaues wird im Rahmen dieses Werkes nicht in erster Linie die gestalterische Entwicklung zum Gegenstand haben können. So aufschlußreich und bedeutungsvoll der formale Aspekt sein mag, so bedarf er doch der Ergänzung durch eine Betrachtungsweise, die den hinter den Formen wirkenden Kräften und Ideen, den ihnen zugrunde liegenden Wertungen und Geisteshaltungen gewidmet ist. So gesehen, wird die Geschichte des Städtebaues zu einem Beitrag zur Geschichte des menschlichen Selbstverständnisses.

Es soll hier versucht werden, einen Ansatz zu einem solchen Beitrag zu liefern. Der Umfang des Problems und die Fülle des Stoffes verlangen dabei eine Beschränkung in räumlicher, zeitlicher und methodischer Hinsicht. Methodisch erscheint es notwendig, sich auf die städtebauliche Literatur zu beschränken, zumal die Ausschöpfung der literarischen Quellen für das Ziel dieser Untersuchung eindeutigere Ergebnisse verspricht als die Interpretation der ausgeführten Werke, bei denen die ursprünglichen Planungsabsichten vielfach durch besondere, zum Teil zufällige Einflüsse und Bindungen überlagert werden. Über die reine Fachliteratur hinaus sollen auch solche Schriften einbezogen werden, die sich von anderen Blickpunkten aus mit dem Städtebauer und seinem Arbeitsgebiet beschäftigen.

Aus diesem Verfahren läßt sich zugleich der zeitliche Rahmen der Arbeit ableiten: die städtebauliche Problematik muß drängend und komplex genug geworden sein, um zur Entstehung einer eigenen Literatur zu führen, ehe die Untersuchung einsetzen kann. Dieser Zeitpunkt ist in Deutschland um 1870 erreicht, als die Konsequenzen der Industrialisierung mit aller Deutlichkeit sichtbar werden. Das außergewöhnliche Anwachsen der Städte, die zur Regel werdende Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte, der Strukturwandel von der Bürger- zur Arbeiterstadt lassen überhaupt erst einen wesentlichen Teil der Aufgaben entstehen, die heute dem Städtebau gestellt sind. So ist es gerechtfertigt, diese Zäsur der industriellen Revolution als Ausgangspunkt zu wählen.

Auch für die räumliche Beschränkung ergibt sich ein Anhalt aus dem vorher Gesagten. Es sind die Zentren der Industrialisierung, in denen eine bedeutende städtebauliche Literatur entsteht: die großen Länder Mittel- und Westeuropas und die Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Konzentration auf die deutsch-, englisch- und französischsprachige Literatur erscheint daher begründet, zumal mit ihr der Großteil aller städtebaulichen Theorie erfaßt ist. Wenn in dieser Untersuchung abstrahierend von „dem Menschen“ gesprochen wird, so ist auch dieser Begriff auf die erwähnten räumlichen und zeitlichen Grenzen bezogen.

Innerhalb des so abgesteckten Rahmens geht es also nicht um die gestalterischen und technischen Ergebnisse, nicht um den „Fortschritt“ auf dem Gebiete des Städtebaues, sondern es geht um die Erforschung der geistigen Einstellung zu den städtebaulichen Aufgaben, um die Untersuchung der Wertsetzungen.

Daß es sich in der Tat um Wertsetzungen handelt, ist erst allmählich klarer erkannt worden. Gurlitt fordert 1920 – wie mir scheint, erstmalig –, der Städtebauer müsse vor allem ein Mann sein, der „den Wert der Dinge zu schätzen und gegeneinander abzuwägen“ wisse.1 Ähnlich verlangt in jüngster Zeit Bardet vom Städtebauer „unbestechliche Wissen, schöpferische Begeisterung und Wahl der Wertmaßstäbe“,2 und Mumford definiert Planung als einen Auswahlvorgang, der Wertung und Entscheidung fordere, und zwar auf der Grundlage einer „kritischen Vergegenwärtigung – und Revision – der gängigen Wertmaßstäbe“.3 Vielfach jedoch nimmt der Städtebauer den Rahmen, innerhalb dessen er seine Arbeit leistet, als gegeben hin, ohne die Abhängigkeit der technischen Lösung von den „gängigen Wertmaßstäben“ zu erkennen, geschweige denn an deren Revision zu denken; in anderen Fällen geht er von einer eigenen, abweichenden Wertordnung aus – manchmal ohne sie klarzulegen oder zu begründen –, und häufiger, als man vielleicht erwarten sollte, entpuppt sich der Städtebauer als ein Gesellschaftsreformer, der nicht nur die Städte, sondern mit ihnen die Welt verändern will.

Sobald man diese Zusammenhänge erkannt hat, liegt die Frage nahe, ob es dem Städtebauer allein überlassen bleiben sollte, die Wertmaßstäbe für seine Arbeit zu wählen: dieses Problem, das erst jetzt ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu dringen scheint, wird abschließend zu erörtern sein.

Gerd Albers

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