Читать книгу Gerd Albers - Gerd Albers - Страница 14

IV. Die Zielsetzung der Planung

Оглавление

[Das ästhetische Ziel] Die städtebauliche Situation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist zunächst dadurch gekennzeichnet, daß man dem überwältigenden Anwachsen der Städte das Bemühen entgegensetzt, die schädlichsten Auswirkungen dieser Entwicklung auf technischem und hygienischem Gebiet zu beheben. Die „Schönheit“ gilt als verteuernde und deshalb überflüssige Zutat.

Der Widerhall, den Sitte mit seiner Betonung der künstlerischen Grundsätze findet, deutet jedoch auf eine ausgeprägte Empfänglichkeit seiner Zeit für ästhetische Fragen, wie sie sich auch in der besonderen gesellschaftlichen Schätzung der Kunst und des Künstlers um die Jahrhundertwende ausspricht. Das neue Bemühen um einen auf künstlerischen Ziele gerichteten Städtebau – das sich in Amerika im sogenannten „City-Beautiful-Movement“ niederschlägt – leitet seine Rechtfertigung aus der Vergangenheit ab; immer wieder ist von einer Wiedererweckung der Stadtbaukunst, von einer Rückbesinnung auf die Leistungen der Vorfahren die Rede. Wohl sind der Eklektizismus in der Architektur, die romantischen Impulse auf anderen Lebensgebieten Parallelerscheinungen, doch mutet es heute eigenartig an, daß auf einem so stark von neuen Gegebenheiten bestimmten Gebiete wie dem des Städtebaues das künstlerische Streben sich durch die Beschwörung der Vergangenheit eine Art Legitimität verschaffen zu müssen meint. Eine Erklärung hierfür mag darin liegen, daß die Kunst den Gegnern wie den Verfechtern künstlerischen Städtebaues nur als Zutat, als Fassadendekoration gilt. Noch 1903 hält Abendroth eine ästhetisch durchdachte städtebauliche Gestaltung in Arbeitervierteln für verfehlt, weil hier selten oder nie ein fremdes Auge Umschau halte43: Der falschen Fassade des Städtebaues entspricht die der Gesellschaft.

Mit Otto Wagners Leitwort „Artis sola domina necessitas“ kündigt sich jedoch gleichzeitig ein tiefgreifender Wandel der städtebaulichen Wertmaßstäbe an. Es gilt den Gegensatz von Kunst und Zweckmäßigkeit aufzuheben: Die Kunst besteht darin, das, was gemacht werden muß, schön zu machen.44 Allerdings kann das Bedürfnis allein die Gestalt schwerlich bestimmen: stets bleibt ein Spielraum für den Formwillen offen. Auch in den städtebaulichen Leistungen der zwanziger Jahre wird ein ausgeprägter Wille zur Form erkennbar, selbst wenn man sich in der Regel laut zur Sachlichkeit und Funktionserfüllung bekennt und der Ästhetik absagt. Zwar gibt es Ausnahmeerscheinungen wie Wolfs Streben nach der monumentalen Stadt, doch tritt im allgemeinen die Beschäftigung mit der gestalterischen Seite des Städtebaues gegenüber anderen Aspekten zurück. Schumacher kennzeichnet rückschauend den sich vollziehenden Wandel mit den Worten: „Ehe es sich um Kunst handeln konnte, handelte es sich um Anstand.“45

Anstand – das ist das, was dem Menschen ansteht, das ihm Angemessene. Und in der Tat wird die Geschichte des Städtebaues in den letzten Jahrzehnten bestimmt durch die Vorstellung von dem, was dem Menschen angemessen sei – durch die Enge oder die Weite des Menschenbildes, das dem Handeln zugrunde gelegt wird.

[Das wirtschaftlich-technische Ziel] Um die Jahrhundertwende beginnt man die bisherige wirtschaftliche und technische Durchdringung der städtebaulichen Fragen als unzureichend zu empfinden; mit Henricis Forderung, die Volkswirtschaft solle in die Rolle des Bauherrn eintreten, kündigt sich eine Entwicklung an, die nach dem ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreicht. Heiligenthals städtebauliches Handbuch steht ganz im Zeichen des Vorrangs wirtschaftlicher Erwägungen; auch die gleichzeitigen planerischen Vorstöße in Amerika werden in erster Linie mit wirtschaftlichen Argumenten begründet. Der hierin zum Ausdruck kommenden Tendenz zur Rationalisierung des städtebaulichen Denkens tritt das Bestreben zur Seite, das ganze Fachgebiet wissenschaftlich zu durchdringen. Ihm liegt die Erkenntnis zugrunde, daß mit dem unwiderruflich vollzogenen Eintritt in eine neue Zeit die alten Maßstäbe ihre Gültigkeit verloren haben, daß ganz neue Werkzeuge geschaffen werden müssen, um die veränderten städtebaulichen Aufgaben zu meistern.

Vorerst bleiben solche Bemühungen jedoch im wesentlichen im Bereich des rechnerisch Faßbaren: Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit von Bebauungsplänen treten in den Vordergrund; die Fragen der Belichtung und Besonnung werden aus der Sphäre gefühlsmäßiger Beurteilung herausgenommen und methodisch geprüft; die Analyse von Verkehrsproblemen und das Bemühen um Wirtschaftlichkeit auch auf diesem Gebiet führen zu Verkehrssystemen und Idealstadtkonzeptionen, denen das technische Denken seinen Stempel aufprägt.

Wenn diese Erscheinungen in den dreißiger Jahren wieder zurückzutreten beginnen, so nicht deswegen, weil Wirtschaftlichkeit und Funktionserfüllung überflüssig geworden wären. Sie sind lediglich zu eng geworden, um ein überzeugendes städtebauliches Ziel darzustellen: der homo oeconomicus ist nicht der ganze Mensch. Daß diese Erkenntnis sich gerade in dieser Zeit durchsetzt, ist sicher kein Zufall. Auch die politische Entwicklung zeigt, daß nüchterne Rationalität allein offenbar nicht ausreicht, um den menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das politische Streben nach vollständiger „Erfassung“ des Menschen findet seine Entsprechung in dem Bemühen der Planer, zu einem umfassenderen und tieferen Verständnis des Menschen zu gelangen.

[Das soziale Ziel: Planung für das Individuum] Daß beim Städtebau neben seinen technischen Problemen auch eine soziale Aufgabe zu lösen sei, hat man schon früh erkannt; für einzelne steht diese Aufgabe bereits im 19. Jahrhundert an erster Stelle. Dies ist jedoch nicht die Regel, und selbst wenn Baumeister in einer „richtigen Stadterweiterung einen sehr wichtigen Bestandteil aller sozialen Reformen“46 sieht oder wenn Stübben bemerkt, daß die Sorge für Arbeiterwohnungen bei der Erweiterung der Städte „die schwierigste und vielleicht auch die bedeutsamste“ sei,47 so wird der Schwerpunkt städtebaulichen Wirkens doch an anderer Stelle gesehen.

Die geistige und politische Entwicklung bereitet indessen einen Wandel vor, der durch die ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die Städte in ähnlicher Weise gefördert wird, wie durch die Reformbestrebungen auf den Gebieten des Wohnungswesens und der Bodenordnung. So ist es verständlich, daß Goecke 1905 äußert, die soziale Bedeutung des Bebauungsplanes sei erst in den letzten Jahren erkannt worden.48 Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich im Auslande; Marshs Absage an den ästhetisch bestimmten Städtebau zugunsten einer Planung unter sozialen Gesichtspunkten zeigt dies ebenso wie die Parole, unter der in Amerika die Anlage von Volksparks gefordert wird: „Der Knabe ohne Spielplatz ist der Vater des Mannes ohne Arbeit.“49 Der Bericht Hegemanns über die Berliner Städtebauausstellung von 1911 arbeitet vor allem die soziale Aufgabe heraus und hat zweifellos Anteil daran, daß nach dem ersten Weltkriege die soziale Verantwortung neben Wirtschaftlichkeit und Funktionserfüllung zu einem wesentlichen Antrieb des städtebaulichen Denkens wird. Das Streben nach einer sozialen Neuordnung ist charakteristisch für diese Zeit, und in vielen Zeugnissen kommt zum Ausdruck, daß auch der Städtebauer zu seinem Teil an dieser großen Aufgabe mitwirken will. So sieht Schumacher im Ineinandergreifen des sozialen und des ästhetischen Elementes das Wesen der städtebaulichen Problematik;50 seine Definition des Planungszieles – möglichst menschenwürdige Lebensbedingungen zu sichern – gewinnt dabei im Grunde erst ihren Sinn aus dem Wandel in der Auffassung von Menschenwürde, der sich seit der Gründerzeit vollzogen hat. Er findet seinen Niederschlag in zahlreichen gleichgerichteten Aussagen, die von Sierks’ sozialem Pathos bis zu Blums nüchterner Bemerkung reichen, mit der er den Gegensatz zum repräsentativen Städtebau der Jahrhundertwende charakterisiert: „Wir arbeiten in erster Linie für ‚arme Leute‘.“51

[Das soziale Ziel: Planung für die Gemeinschaft] Hatte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts die soziale Aufgabe im wesentlichen in der Sorge für den einzelnen gesehen, so tritt in den dreißiger Jahren eine Verlagerung des Interesses ein: der Mensch als Gemeinschaftswesen rückt – erstmalig seit den Tagen Owens und Fouriers – in den Mittelpunkt der städtebaulichen Bemühungen. Howard und Fritsch dürfen wohl als Vorläufer dieser Entwicklung gelten; ihre städtebaulichen Vorschläge sind schon vor der Jahrhundertwende letzten Endes auf eine Reform der Gesellschaft gerichtet. Mit weniger weit gesteckten Zielen fordert Unwin 1909, die Stadt, bisher eine bloße Ansammlung von Menschen, müsse der menschlichen Gemeinschaft dienstbar gemacht werden.52 Im gleichen Jahre erscheint Cooleys „Social Organization“, der Anknüpfungspunkt für eine Entwicklung, die schließlich in Amerika zur Formulierung des Nachbarschaftsgedankens führt. An ihr hat die Soziologie beträchtlichen Anteil; entscheidend ist indessen der Entschluß der Planer, die Gedanken und Beobachtungen der Wissenschaftler zur Grundlage eines Aktionsprogramms zu machen. Auch der Einfluß der amerikanischen Tradition und der des New Deal mit seiner Hinwendung zu sozialen Problemen schwingen in der Formulierung Aschers mit, die die Ansprüche an die Nachbarschaft charakterisiert: sie solle so bemessen und so geartet sein, daß sie ihre Bewohner nicht zu zwergenhafter Anonymität verurteile, sondern ihnen einen maßstäblich angemessenen Rahmen schaffe, den sie ausfüllen und innerhalb dessen sie ihre Rolle mit innerer Befriedigung spielen könnten.53 Während die Entwicklung in England gewisse Parallelen zur amerikanischen aufweist, bleibt auf dem Kontinent das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft zunächst weitgehend außerhalb der planerischen Überlegungen, wenn es auch gelegentlich gestreift wird. So meint Otto Wagner beim Großstädter ein Streben nach Anonymität zu erkennen, dem er entgegenkommen will;54 Tessenow dagegen setzt sich gerade aus diesem Grunde für die Kleinstadt ein und schwimmt damit bewußt gegen den Strom. Über Gropius’ Wirken am Bauhaus schreibt einer seiner früheren Schüler: „Er öffnete uns die Augen für die vergessenen Werte, die im gemeinschaftlichen Leben liegen.“55 Nach dem zweiten Weltkriege wird dieser Themenkreis zu einem der Schwerpunkte in der städtebaulichen Theorie und Praxis. Paulsson sieht die erste Aufgabe des Städtebauers in einer Analyse des sozialen Lebens und seiner Mängel,56 Martin Wagner bezeichnet das Bauen als „Vorstufe der Gemeinschaftsformation,“57 und die von Schwagenscheidt vorgeschlagenen Hausgruppen mit ihren Gemeinschaftshöfen finden ihre Entsprechung in dem englischen Bemühen, die neuen Städte aus Gruppen einander zugewandter Häuser zusammenzufügen.

In dieser Entwicklung spiegelt sich das Suchen nach einer neuen Art gemeinschaftlicher Bindung, das in den letzten Jahrzehnten in den verschiedensten Formen und auf vielen Lebensgebieten erkennbar wird. Letzten Endes handelt es sich dabei um eine der Grundfragen der Gegenwart: um die Auseinandersetzung zwischem dem einzelnen und dem Kollektiv.58 Die Einbeziehung des Städtebaues in diese Fragestellung entspricht ihrem umfassenden, über den rein politischen Aspekt hinausgehenden Charakter und macht zugleich das Eindringen politischer Gesichtspunkte in die städtebauliche Thematik verständlich. Geht es allgemein um die Wiederaufrichtung einer in gestuften Größenordnungen sich aufbauenden menschlichen Gemeinschaft, deren zunehmende Auflösung, „disintegration“, als Verfall gesehen wird, so liegt das konkrete politische Ziel in der Bewahrung der demokratischen Lebensform, in der Bekämpfung von Anonymität und Vermassung, die den Menschen anfällig machen für totalitäre Einflüsse und Versuchungen.

Daraus erklärt sich, daß die Internationalen Kongresse für neues Bauen ihr Jahrestreffen 1952 der Beschäftigung mit dem „core“, dem Herzen der Stadt widmen, das Mittelpunkt des öffentlichen Lebens, der Muße und der Feste der Bürger sein soll. Eine Stätte der Begegnung und der freien Diskussion wird gefordert, die das Informationsmonopol der unpersönlichen Institutionen wie Presse, Rundfunk und Fernsehen zu brechen bestimmt ist.59 Ein solcher Platz im Herzen der Stadt hat also eine politische Aufgabe: er soll den Umsturz verhüten helfen und wird damit gleichsam zu einer Alternativlösung gegenüber Haussmanns Boulevards im Paris des 19. Jahrhunderts. Während Haussmann die Überwachung und Unterdrückung der revolutionären Massen durch militärische Operationen im Auge hatte, stehen die Erwägungen der CIAM im Zeichen der vorbeugenden Behandlung – ein Unterschied, hinter dem zugleich die veränderte Form des politischen Umsturzes sichtbar wird.

Aber auch in der Gegenwart hat dieser Platz des freien Gemeinschaftslebens und der persönlichen Begegnung einen Gegenpol im Aufmarschplatz des totalitären Staates – ein beredtes Beispiel für das Hineinwirken politischer Zielsetzungen in den Städtebau.

[Kulturelle und politische Problematik] Während im 19. Jahrhundert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die städtebauliche Literatur kaum Ansätze zu einer Analyse der Situation in ihrem ganzen Umfange zeigt, beginnen sich die kritischen Stimmen im 20. Jahrhundert zu mehren. Mit dem Schwinden des Fortschrittsglaubens weitet sich der Raum für das bewußte Planen. Hatten Sitte und Unwin schon darauf hingewiesen, daß den – wie sie meinten, unbewußten – künstlerischen Leistungen der Vergangenheit Gleichwertiges nur auf dem Wege über die verstandesmässige Durchdringung des gestalterischen Tuns an die Seite zu stellen sei, so dehnt sich der Bereich der Ratio nun von der beschränkten Einzelaufgabe auf die Beeinflussung der Gesamtentwicklung aus. Jaspers schreibt 1933: „… alles (ist) Plan, aber kein Plan des Ganzen“,60 während Jünger gleichzeitig Entwicklungen aufzeigt, die auf eben diesen Plan des Ganzen gerichtet sind.61 Mannheims Werk ist weitgehend einer Untersuchung der Frage gewidmet, wieweit ein solcher Plan mit den Prinzipien von Freiheit und Demokratie vereinbar sei,62 und Guardini setzt sich eingehend mit der Idee der universellen Planung auseinander, „deren Tragweite gar nicht groß genug gesehen werden kann“.63

Lange bevor die politische Problematik hinter dieser Entwicklung sichtbar wird, beschäftigt sich Morris mit einem anderen, kaum minder wichtigen Aspekt: mit dem inneren Verhältnis des Menschen zu seiner Arbeit. Es geht ihm – in der Nachfolge Fouriers – um die Freude an der Arbeit; verwandtem Geiste entspringt später Tessenows „Handwerk und Kleinstadt“ als kulturpolitisches Bekenntnis eines Architekten. In der eigentlichen städtebaulichen Fachliteratur allerdings deutet sich dieses Thema nur vereinzelt an – so bei Hercher, wenn er die Auflockerung der Stadt nach englischem Muster deshalb ablehnt, weil „das deutsche Wesen eine viel innigere Verbindung der Berufstätigkeit mit dem täglichen Leben“ verlange.64 Im allgemeinen wird es als gegeben hingenommen, daß mit der räumlichen Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte auch innerhalb des Menschen die Trennung zwischen dem Geldverdiener und dem Privatmann vor sich geht. Dem entspricht es, wenn Frank Lloyd Wright die Stadt nur mehr als eine Anhäufung von Bürogebäuden gelten lassen will, die an drei Tagen der Woche morgens „besetzt“ und nachmittags „geräumt“ wird.65 Allerdings will er mit der Arbeit am eigenen Grund und Boden ein Gegengewicht schaffen zu der unpersönlichen Tätigkeit im Räderwerk der Arbeitsteilung; auch Hilberseimers Vorschlägen liegen ähnliche Überlegungen zugrunde.66 Die hier angedeuteten Fragen werden nicht auf der Ebene des Städtebaues lösbar sein, doch gehen sie auch den Planer an und werden den Stadtplan mit bestimmen.

Die Beziehung zwischen politischer Ordnung und Städtebau tritt im 19. Jahrhundert kaum hervor; die gelegentlich anklingenden nationalistischen Untertöne haben andere Ursprünge. Wenn Hegemann 1913 die enge Verbindung zwischen freiheitlicher Selbstverwaltung und „menschenwürdiger, gesunder, dezentralisierter“ Stadtplanung herausstellt67, so deutet dies auf das zunehmende Bewußtwerden eines Zusammenhanges zwischen Städtebau und politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ordnung hin, wie es nach dem ersten Weltkriege klarer hervortritt. Le Corbusier allerdings verwahrt sich ausdrücklich dagegen, Erklärungen über den Weg abgeben zu sollen, den die Gesamtheit zu gehen habe: sein Plan sei ein technisches Werk.68 Die Beziehungen zwischen technischer Lösung und außertechnischen Wertmaßstäben scheint er nicht zu sehen – im Gegensatz zu Gropius, der 1931 bemerkt, die Entscheidung über Hochbau und Flachbau im Wohnungswesen werde letzten Endes von der politischen und weltanschaulichen Entwicklung abhängen.69 Der sich verschärfende Gegensatz zwischen totalitärer und demokratischer Lebensform führt zu einer stärkeren Betonung des politischen Aspektes auch in städtebaulichen Fragen. So wird in Amerika nicht nur die Notwendigkeit der Planung selbst, nicht nur die Förderung des Gemeinschaftsgefühls mit der politischen Abwehrstellung der Demokratie begründet, sondern Wright führt sogar für die von ihm vorgeschlagene Wohndichte von zweieinhalb Einwohnern je Hektar politische Gründe ins Feld: jede höhere Dichte könne zu nichts anderem als Faschismus, Kommunismus oder Staatssozialismus taugen.70

In unmittelbarem Zusammenhang mit den politischen Aspekten der Planung steht ihre Beziehung zur Bevölkerungspolitik. Bedenken gegen den Moloch Stadt klingen zwar schon im 19. Jahrhundert gelegentlich an; ernsthafte Sorgen um den Bestand der Gesamtbevölkerung tauchen jedoch erst im 20. Jahrhundert auf und lösen die Forderung aus, den Städtebau für die zahlenmäßige Sicherung der Volkssubstanz einzusetzen. Dieser Gesichtspunkt wird in der deutschen Literatur nach dem ersten Weltkrieg, mit besonderem Nachdruck unter nationalsozialistischer Herrschaft vertreten; auch im Ausland spielt er, vor allem in jüngster Zeit, eine wichtige Rolle.

Alle politischen Probleme, die das Gebiet der Planung berühren, münden schließlich aus in die Antithese von Planung und Freiheit, die den Westen immer wieder beschäftigt. Gegen die Befürchtung, daß Raumplanung den ersten Schritt auf dem „Wege zur Knechtschaft“ darstelle, steht die Auffassung, Planung brauche nicht nur keine Gefahr für die Freiheit darzustellen, sondern sei im Gegenteil ein unentbehrliches Mittel, dem einzelnen ein Höchstmaß an Freiheit auf unserem schrumpfenden Planeten zu sichern.

Die Berechtigung dieser beiden entgegengesetzten Standpunkte läßt sich nicht ohne eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Planung klären: von ihm nämlich hängt es ab, ob die gebotene Ordnung zu einem willkürlichen Eingriff in die Freiheit des einzelnen wird. Mit aller Klarheit hat man die daraus sich ergebenden Forderung an die Planung in Amerika formuliert: „Am besten ist der Plan, der in sich eine Beschränkung seiner Macht enthält, das Leben der Menschen zu bestimmen.“71

Gerd Albers

Подняться наверх