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VI. Zusammenfassung

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Mit den gewaltigen soziologischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die das 19. Jahrhundert als Folge der industriellen Revolution heraufführt, zerfällt die Rangordnung der Werte, die jahrhundertelang die Gesellschaft und ihre Ausdrucksformen beherrscht hat. Mit ihr geht eine Form des Städtebaues zu Ende, die von der Repräsentation her bestimmt war und in ästhetischer Hinsicht bleibende Leistungen geschaffen hat.

Der Wandel, dem die Gesellschaft unterworfen ist, schlägt sich auch in der Form der Stadt nieder. Wohl wird der Städtebau als technische Aufgabe im wesentlichen bewältigt, aber als kulturelle Aufgabe – im Sinne von Schumachers Definition der Kultur als Ineinandergreifen von Sozialem und Ästhetischem – wird er nicht gemeistert. Auch als dieses Versagen dem Städtebauer bewußt wird, findet er zunächst noch nicht den Entschluß zum vollständigen Neubeginn sondern sucht den Ausweg in einer Ästhetik, die an der Vergangenheit orientiert ist und von ihr Vorbild und Legitimation zu entlehnen sucht. Der Städtebauer sieht seine Aufgabe darin, die Manifestationen einer stürmischen technischen und sozialen Entwicklung – deren positive Richtung noch nicht entscheidend in Frage gestellt ist – mit Künstlerhand zu umkleiden, so wie sein Kollege, der Architekt, das Eisenwerk der Brücken durch steinerne, mit den Stilelementen der Vergangenheit geschmückte Torbauten zu verschönern strebt.

Erst nach der Jahrhundertwende bricht sich mit den Zweifeln an der Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung die Erkenntnis Bahn, daß es gilt, sich mit neuen Mitteln in einer neuen Welt einzurichten, und daß die alten Maßstäbe dazu nicht mehr taugen. Zugleich ergibt sich eine neue Konsequenz: wenn der Lauf dieser Welt nicht vorgezeichnet ist, so kann – so muß sie vom Menschen gelenkt werden.

Damit tritt nun eine Fülle von Problemen auf, die sich nicht mit ästhetischen Mitteln meistern lassen, sondern die zunächst die nüchterne Erforschung der Zusammenhänge und die Klärung der Bedürfnisse verlangen. Wie die Architektur, so vollzieht auch der Städtebau eine Wendung zur Funktion – zu einer Funktion indessen, die nicht mehr begriffen wird als eine Erfüllung technischer und hygienischer Aufgaben, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Rolle spielte. Damals handelte es sich um die Bewältigung einer als gegeben hingenommenen Aufgabe, deren Sinn außer Frage stand; nun aber erwartet man von der Durchdringung und Erfüllung der Funktion gleichsam die Sinngebung selbst.

Diese Funktion wird zunächst vorwiegend vom Wirtschaftlichen und Technischen her gesehen, und erst schrittweise setzt sich eine umfassendere Schau durch. Je eingehender sich aber der Städtebauer mit dieser Problematik auseinandersetzt, um so klarer erkennt er, daß sein Aufgabengebiet nicht isoliert besteht, sondern verflochten ist mit vielen anderen Lebenserscheinungen – daß die Reform der Gesellschaft und die Reform ihrer Umwelt ineinandergreifen müssen.

Im Grunde spiegelt die Entwicklung der städtebaulichen Leitgedanken im 20. Jahrhundert nichts anderes als das Suchen der Planer nach einem Bild des Menschen, das sie ihren Überlegungen zugrunde legen könnten. Ihr Vorgehen ist nicht immer frei von Einseitigkeit, Oberflächlichkeit und Willkür, doch läßt sich verallgemeinernd feststellen, daß der Mensch und seine Bedürfnisse immer umfassender und differenzierter gesehen werden. In zunehmendem Maße sucht der Städtebauer die Ergänzung seines Blickwinkels durch die Erfahrungen und Urteile anderer, die über den Menschen etwas auszusagen vermögen.

Je umfassender der Mensch erscheint, um so stärker fallen diejenigen seiner Qualitäten ins Gewicht, die nicht mit dem Rechenstift festzuhalten sind; Rüstows Vorschlag, Sozialpolitik durch „Vitalpolitik“ zu ersetzen, zeigt dies ebenso wie die wiederholt von Planern erhobene Forderung, der geistigen und kulturellen Entfaltung des Menschen den ersten Platz bei allen planerischen Überlegungen einzuräumen. Zugleich wird auch die Zielvorstellung, das Bild der Stadt, die allen diesen menschlichen Qualitäten Rechnung tragen soll, komplexer – so komplex, daß die zeichnerische Darstellung dieses Idealbildes schwierig und daher selten geworden ist. Bediente sich der ästhetische Städtebau des perspektivischen Schaubildes, der funktionelle zumindest der schematischen Darstellung, so zeigt sich heute eine Tendenz zu Diagrammen und Zeichen symbolhaften Charakters. Auch das entspricht durchaus der aufgezeigten Entwicklungslinie: wenn die Stadt für uns in erster Linie ein soziologisches und geistiges Problem ist, so liegt auch dessen Lösung auf der geistigen Ebene und ist der bildlichen Darstellung nur bedingt zugänglich.

In dem Maße, in dem die Vielschichtigkeit der städtebaulichen Aufgabenstellung erkannt wird, verschärft sich die Problematik, die im Fehlen eines bauherrlichen Willens liegt. Wo die Möglichkeit einer Wechselwirkung zwischen dem Planenden und seinem Bauherrn nicht gegeben ist, besteht die Gefahr, daß die Ziele und Maßstäbe der Planung allzu subjektiv gewertet werden. Der einzige überzeugende Ausweg scheint darin zu liegen, die Voraussetzungen zur Formung eines solchen bauherrlichen Willens zu schaffen. Welche Schwierigkeiten diesem Ziel entgegenstehen, ist angedeutet worden; selbst wenn sie zu überwinden sind, wird der Planer nicht mit einer lückenlosen Weisung rechnen dürfen. So wird seine Rolle stets eine doppelte sein: muß einerseits von ihm gefordert werden, daß er im Bewußtsein seiner Grenzen um äußerste Objektivität bemüht sei, so gehört es andererseits untrennbar zu seiner Arbeit, in den Auseinandersetzungen unserer Zeit Stellung zu nehmen und in eigener Verantwortung seinen Beitrag zu dem zu leisten, was ihm als eine bessere Zukunft erscheint.

1 Gurlitt, C., Hdb. des Städtebaus, Berlin 1920, S. 3.

2 Bardet, G., Mission de l’urbanisme, Paris 1949, S. 23.

3 Mumford, L., The Culture of Cities, New York 1938, S. 377.

4 Zit. bei Hegemann, W., Das steinerne Berlin, Berlin 1930.

5 Ahlers-Hestermann, F., Stilwende, Berlin 1941.

6 Hegemann, W., Das steinerne Berlin, Berlin 1930.

7 Eberstadt, R., Hdb. des Wohnungswesens, Jena 1909, S. 219f.

8 Arminius, Die Großstädte in ihrer Wohnungsnot, Leipzig 1874, S. 8.

9 a.a.O., S. 145 u. 10.

10 Baumeister, R., Stadterweiterungen in technischer, baupolizeilicher und wirtschaftlicher Beziehung, Berlin 1876.

11 Lotze, H., Geschichte der Ästhetik in Deutschland, Stuttgart 1868, zit. bei Schumacher, F., Lesebuch für Baumeister, Berlin 1941, S. 104f.

12 Sitte, C., Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, Wien 1889, S. 98.

13 Stübben, J., Der Städtebau, Darmstadt 1890, S. 48.

14 Henrici, K., Beiträge zur praktischen Ästhetik im Städtebau, München o. J., S. 215.

15 Fritsch, Th., Die Stadt der Zukunft, Leipzig 1896, S. 7.

16 Howard, E., Garden Cities of To-Morrow, London 1946, S. 48 (Übers. Verf.).

17 Die Großstadt, Vorträge und Aufsätze zur Städteausstellung, Dresden 1903, S. 31.

18 Die Großstadt, a.a.O., S. 195ff.

19 Geddes, P., Cities in Evolution, New York 1950, S. 30.

20 Cooley, C. H., Social Organization, New York 1909, zit. bei Wilson, L. und Kolb, W., Sociological Analysis, New York 1949, S. 288 (Übers. Verf.).

21 Schultze-Naumburg, P., Kulturarbeiten, Bd. 6, München 1909, S. 481.

22 Zit. bei Wolf, P., Städtebau, Leipzig 1919, S. 56.

23 Hegemann, W., Der Städtebau nach den Ergebnissen der allgemeinen Städtebauausstellung in Berlin, Berlin 1911.

24 Heiligenthal, R., Deutscher Städtebau, Heidelberg 1921, S. 79.

25 Regional Survey for New York and Its Environs, Bd. 1., New York 1927 (Übers. Verf.).

26 Park, R. E.; Burgess, E. W. und McKenzie, R. D., The City, Chicago 1925, S. 46.

27 Brunner, K., Baupolitik als Wissenschaft, Wien 1925, S. 12.

28 Sert, J. L., Can Our Cities Survive?, Cambridge 1942, S. 242.

29 Hoepfner, K. A., Grundbegriffe des Städtebaues, Bd. 2., Berlin 1928, S. 46.

30 Reichow, H. B., Organische Stadtbaukunst, Braunschweig 1948, S. 1.

31 Umlauf, J., Vom Wesen der Stadt und der Stadtplanung, Düsseldorf 1951, S. 20.

32 Schwarz, R., Von der Bebauung der Erde, Heidelberg 1949, S. 228.

33 Neutra, R., Survival Through Design, New York 1954, S. 21.

34 Le Corbusier, Städtebau, Stuttgart 1929, S. 7.

35 Schwarz, R., Von der Bebauung der Erde, Heidelberg 1949, S. 205.

36 Hudnut, J., Architecture and the Spirit of Man, Cambridge 1949, S. 158.

37 Tessenow, H., Handwerk und Kleinstadt, Berlin 1919.

38 Das Wort Stadtlandschaft, gegen 1930 von Passarge als wertneutraler geographischer Begriff geprägt, wird später von den Planern zur Kennzeichnung der auf die Landschaft bezogenen, sich ihr einfügenden Stadt verwandt (Reichow, Rimpl).

39 Nach Bardet (Mission de l’urbanisme, Paris 1949, S. 296) ist die Bewegung des „regionalisme“ kurz vor der Jahrhundertwende als Reaktion gegen die in Frankreich auf politischem und kulturellem Gebiet herrschende „mörderische Zentralisation“ entstanden.

40 Mumford, L., The Culture of Cities, New York 1938, S. 358ff.; Bardet, a.a.O., S. 297. Vgl. die von E. Jünger in seiner Schrift Der Friede entwickelten Gedankengänge.

41 Baumeister, R., Stadterweiterungen, Berlin 1876, S. 1.

42 Mensch und Raum (Darmstädter Gespräch), Darmstadt 1952, S. 121f.

43 Abendroth, A., Die Aufstellung und Durchführung von amtlichen Bebauungsplänen, Berlin 1903, besprochen in: Der Städtebau 1 (1904), S. 45.

44 Unwin, R., Grundlagen des Städtebaues, Berlin 1922, S. 4.

45 Schumacher, F., Vom Städtebau zur Landesplanung, Tübingen 1950, S. 10.

46 Baumeister, R., Stadterweiterungen, Berlin 1876, S. 14.

47 Stübben, J., Der Städtebau, Darmstadt 1890, S. 25.

48 Goecke, Th., Der Magistratsentwurf einer neuen Bauordnung für Wien, in: Der Städtebau 2 (1905), S. 82.

49 Hegemann, W., Der Städtebau, II. Teil, Berlin 1913, S. 383.

50 Schumacher, F., Kulturpolitik, Jena 1920, S. 3.

51 Blum, O., Städtebau, Berlin 1937, S. 4.

52 Unwin, R., Grundlagen des Städtebaues, Berlin 1922, S. 7.

53 Ascher, C. S., Better Cities, Washington 1942, zit. bei Dahir, J., The Neighborhood Unit Plan, New York 1947, S. 48.

54 Wagner, O., Die Großstadt, Wien 1912, S. 21f.

55 Giedion, S., Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 15.

56 CIAM, The Heart of the City, London 1952, S. 28.

57 Wagner, M., Wirtschaftlicher Städtebau, Stuttgart 1951, S. 168.

58 Vgl. Kassner, R., Das 19. Jahrhundert, Zürich 1947, S. 56. K. sieht im „Problem der Herrschaft zwischen dem einzelnen und dem Kollektiv“ das Kernproblem des 20. Jahrhunderts.

59 CIAM, The Heart of the City, London 1952.

60 Jaspers, K., Die geistige Situation der Zeit, Berlin 1933, S. 27.

61 Jünger, E., Der Arbeiter, Hamburg 1932.

62 Mannheim, K., Freedom, Power, and Democratic Planning, New York 1950 und Diagnose unserer Zeit, Zürich 1951.

63 Guardini, R., Die Macht, Würzburg 1952, S. 72.

64 Hercher, L., Großstadterweiterungen, Göttingen 1904, S. 14.

65 Wright, F. L., The Future of Architecture, New York 1953, S. 175.

66 Hilberseimer, L., The New Regional Pattern, Chicago 1949. Hier ist ebenso wie in Wrights Werk der Einfluß Kropotkins (Landwirtschaft, Industrie u. Handwerk, Berlin 1904) spürbar.

67 Hegemann, W., Der Städtebau 2, Berlin 1913, S. 276f.

68 Le Corbusier, Städtebau, Stuttgart 1929, S. 253.

69 Internat. Kongr.f. neues Bauen, Rationelle Bebauungsweisen, Stuttgart 1931, S. 47.

70 Wright, F. L., When Democracy Builds, Chicago 1945, S. 47.

71 Goodman, Paul und Goodman, Percival, Communitas, Chicago 1947, S. 4. (Übers. Verf.)

72 Eckbo, G., Landscape for Living, New York 1950, S. 231.

73 Carrel, A., Der Mensch – das unbekannte Wesen, Stuttgart-Berlin o. J., S. 19.

74 Frisch, M., Der Laie und die Architektur, Merkur 9 (1955), S. 264.

75 Wright, F. L., When Democracy Builds, Chicago 1945, S. 7.

76 Le Corbusier, Städtebau, Stuttgart 1929, S. 145.

77 Schumacher, F., Vom Städtebau zur Landesplanung, Tübingen 1951, S. 30.

78 Fischer, T., Sechs Vorträge über Stadtbaukunst, München und Berlin 1922, S. 28.

79 Wright, F. L., Genius and the Mobocracy, New York 1949, S. 3 (Übers. Verf.).

80 Wright, F. L., Usonien, Berlin 1950, S. 102.

81 Giedion, S., Architektur und Gemeinschaft, Hamburg 1956, S. 84f., S. 87.

82 Zit. bei Justement, L., New Cities for Old, New York 1946, S. 6 (Übers. Verf.).

83 Saarinen, E., The City, New York 1943, S. 323.

84 Hudnut, J., Architecture and the Spirit of Man, Cambridge 1949, S. 194 (Übers. Verf.).

85 Carol, H., und Werner, M., Städte – wie wir sie wünschen, Zürich o. J.

86 Carrel, A., Der Mensch – das unbekannte Wesen, Stuttgart und Berlin o. J., S. 53.

87 Sert, J. L., Can Our Cities Survive?, Cambridge 1942, S. 234.

88 Neutra, R., Survival Through Design, New York 1954, S. 337.

89 Stöckli, A., Die Stadt, Köln-Deutz 1954, S. 155.

90 So bei Banfield, E. C., American Journal of Sociology 59, 1954, S. 510.

91 v. Wiese, L., System der allgemeinen Soziologie, München und Leipzig 1933, S. 623.

92 Zit. bei Eliot, T. S., Beiträge zum Begriff der Kultur, Berlin 1949, S. 90.

93 Adams, E. M., The Logic of Planning, Social Forces 28, 1950, S. 419.

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