Читать книгу Raufen für Erwachsene - Gerhard Schrabal - Страница 6

Оглавление

Dieser Tag hat mir mehr gebracht als fünf Wochen Reha.

(Teilnehmerin, Rauf-Workshop)

Vorwort

„Raufen macht Spaß!“ hieß der abenteuerliche Titel eines Workshops, den ich zum Thema „Körperliche Selbsterfahrung!“ initiiert hatte – 2004 fand er erstmalig an der Volkshochschule in Freising statt. Ich vertrete dieses Motto seit 20 Jahren, und es ist auch der Leitsatz dieses Buches.

Raufen kann aber noch viel mehr! Es bietet jedem Menschen die Chance, zum eigenen kindlichen Ursprung zurückzukehren und dabei sich selbst und die Welt neu zu entdecken. Wer sich darauf einlässt, kann sich, seinen Körper und seine Mitmenschen auf eine völlig neue, unbekannte Weise kennenlernen. Er oder sie bekommt die Möglichkeit, sich wieder ganz lebendig zu fühlen, die eigene Kraft zu spüren, die eigene Energie endlich einmal wieder ungehemmt fließen zu lassen und sich mit dem ursprünglichen Potenzial der eigenen Existenz neu zu verbinden. Diese direkte Erfahrung der eigenen Stärke, der eigenen Möglichkeiten, aber auch der eigenen Grenzen erfolgt im direkten Kontakt mit einem Gegenüber – was sich zudem sehr positiv auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken kann. All dies kann und wird zu sehr starken positiven Veränderungen im eigenen Leben beitragen. Und wenn es sich ergibt, ist vielleicht obendrein sogar die erotische Komponente des Raufens zu genießen. Aber das Beste ist: Es bedarf dazu weder eines langwierigen Lernprozesses noch eines großen Aufwands. Es ist alles ganz leicht und einfach umzusetzen. Spielerisch raufen kann im Prinzip jede und jeder – von Natur aus! Haben Sie als Kind eigentlich auch gerangelt, gebalgt oder gerauft? Denken Sie dabei an die klassische Kissenschlacht, oder fällt Ihnen jemand ein, den Sie damals erfolgreich in den Schwitzkasten genommen haben? Wenn Sie bereits positive Erfahrungen mit dem Raufen gemacht haben, dann können Sie jetzt direkt daran anknüpfen. Und falls Ihre Erinnerungen nicht ganz so positiv ausfallen, können Sie jetzt nachholen, was Sie sich damals gewünscht hätten. Selbst wenn bei dieser Frage in Ihnen schlimme oder vielleicht sogar traumatische Empfindungen hochkommen: Sie haben jetzt die Chance, dieses Lebenskapitel noch einmal aufzuschlagen und ganz neu zu schreiben.

Wenn Sie mit Kindern zu tun haben – ob als Elternteil, Lehrer oder Erzieherin –, können Sie über die Selbsterfahrung beim Raufen einen besseren Zugang zu deren natürlichem Bewegungsdrang und enormer Wildheit bekommen. Und es wird Ihnen viel leichter fallen, damit umzugehen. Falls Sie mit Erwachsenen arbeiten sei es als Trainer, Coach oder Therapeutin –, bieten sich wahrscheinlich vielfältige Ansätze, Raufangebote in das Spektrum Ihrer Arbeit zu integrieren oder damit zu verknüpfen.

Bereits seit den 80er Jahren wird, wenn auch nur vereinzelt, Raufen als praktischer Aspekt in Therapie und Pädagogik eingesetzt. Inzwischen ist zumindest das „Raufen für Kinder und Jugendliche“ in den schulischen Lehrplänen mehrerer Bundesländer fest verankert. Hierzu ist im letzten Vierteljahrhundert eine umfangreiche Literatur entstanden, in den meisten Fällen von erfahrenen Sportpädagogen geschrieben und abgestimmt auf die Gegebenheiten in deren beruflichem Umfeld.

Spielerisches Balgen und Raufen für Erwachsene gilt hingegen immer noch als Tabu. Körperliche Nähe und vermeintliche Aggression sind, jedes für sich genommen, schon brisant genug; in Kombination und für Erwachsene ein völliges No-Go. Dementsprechend hat es das Thema immer noch sehr schwer, im öffentlichen Bewusstsein anzukommen, und es existiert bisher auch keine nennenswerte Literatur dazu. Aus diesem Grund habe ich mich bei der Konzeption dieses Buches dafür entschieden, zugleich eine theoretische Einführung und eine praktische Anleitung anzubieten. Es ist sowohl für Trainerinnen, Coaches und Therapeuten gedacht als auch für alle anderen Personen, die sich im weitesten Sinne für körperliche Selbsterfahrung interessieren, ihre Grenzen erweitern möchten oder neue Spielarten im körperlichen Kontakt suchen. Insbesondere denke ich dabei natürlich an all diejenigen, welche das Raufen einfach mal ausprobieren und dabei eine Menge Spaß haben wollen!

Der erste Teil bietet eine leicht verständliche Einführung in Theorie und Praxis. Er wird Sie in die Lage versetzen, das Raufen aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu betrachten und, wenn Sie wollen, auch sofort praktisch auszuprobieren. Möglicherweise sind nicht alle theoretischen Aspekte für Sie interessant, dann können Sie einzelne Abschnitte auch gerne überspringen.

Der zweite Teil beinhaltet zahlreiche Stimmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Münchner Rauftreffs und der Rauf- und Kuschelabende. Zusammen mit einigen ausführlichen Erfahrungsberichten machen sie die enormen Möglichkeiten und das vielfältige Potenzial des Ansatzes deutlich. Abhängig von Ihrer persönlichen Interessenlage können Sie diesen Teil auch zuerst lesen, um sich den Einstieg in das Thema zu erleichtern.

Die Mehrzahl der Erfahrungsberichte, Teilnehmerstimmen und auch der eingestreuten Zitate stammen von heterosexuellen Frauen. Dies ist zum einen meiner persönlichen Interessenlage geschuldet und zum anderen dadurch bedingt, dass Frauen häufig aufgeschlossener sind, wenn es darum geht, sich über das Erlebte auszutauschen und ihre Erfahrungen und Gefühle mitzuteilen. Ich gehe aber davon aus, dass die hier geschilderten Erlebnisse auch auf heterosexuelle Männer oder auch auf homosexuelle Kontexte beiderlei Geschlechts übertragbar sind.

Die oft sehr bewegenden und intimen Beiträge stammen aus persönlichen Kontakten und Begegnungen im Rahmen der Rauftreffs, Raufworkshops und Rauf- und Kuschelabende, die ich seit 1996 anbiete. Es war und ist immer wieder schön zu erleben, wie begeistert die Menschen sind, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen. Wenn ihre Augen plötzlich zu leuchten beginnen, ist dies auch für mich ein sehr erfüllender Augenblick.

In all diesen Jahren hat es übrigens nie eine schwerwiegende Verletzung gegeben, und auch kleinere Blessuren gab es nur in wenigen Ausnahmefällen. Trotzdem bleibt natürlich bei einer so dynamischen Bewegungsform stets ein gewisses Restrisiko. Ich möchte daher an dieser Stelle darauf hinweisen, dass weder ich noch der Verlag in irgendeiner Weise für eventuell auftretende Folgeschäden haftbar gemacht werden können. Jede Person ist letztlich selbst für ihr eigenes Handeln verantwortlich.

Eine Frage, mit der ich mich ausführlich auseinandergesetzt habe, betrifft die Schreibweise der weiblichen und männlichen Personalformen. Es geht dabei beispielsweise darum, ob ich schreibe: „die Teilnehmer/innen“, „die TeilnehmerInnen“ oder „die Teilnehmer und Teilnehmerinnen“. Diese Frage ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil das Thema „Raufen“ einerseits als traditionell männlich besetzt gilt und andererseits Frauen bei der Entwicklung dieses Feldes eine sehr große Rolle gespielt haben und weil „Raufen für Frauen“ schon immer eine Herzensangelegenheit für mich war. Auf Anraten des Verlags habe ich mich schließlich für eine Doppel-Lösung entschieden: Wo es den Textfluss nicht stört, werde ich beide Formen berücksichtigen, und wo das zu sperrig wirkt, werde ich willkürlich zwischen männlichen und weiblichen Formen hin- und herwechseln. Damit ist keinerlei inhaltliche Aussage verbunden, es vereinfacht nur die Formulierungen, ohne einseitig diskriminierend zu wirken.

Und da wir gerade dabei sind: Beim Raufen entsteht eine so intensive Nähe, dass mir der Gebrauch der unpersönlichen Anrede „Sie“ unangemessen erscheint. Daher schlage ich vor, an dieser Stelle zum wertschätzenden „Du“ überzugehen, und erlaube mir, den Leser, die Leserin im Folgenden auf diese Weise anzusprechen.

Also: Wenn Du jetzt neugierig geworden bist auf diese besondere Form der dynamischen Begegnung, dann habe ich mein erstes Ziel erreicht. Im Folgenden lade ich Dich von Herzen dazu ein, Dich selbst und Deine Mitmenschen neu zu entdecken Euer Potenzial, die Lebensfreude und all die in Euch schlummernden Ressourcen.

Möge die Kraft mit Euch sein!

Raufen für Erwachsene

Подняться наверх