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Reichenau-Oberzell Sankt Georg
Оглавление• Ehem. Stiftskirche. • Spätkarolingische Säulenbasilika, Ende 9. Jh. errichtet. • Konchen der Kreuzarme im 11. Jh. und 17. Jh. umgebaut. • Westwand samt Vorhalle 1. Hälfte 11. Jh. • Ottonische Monumentalmalereien: Krypta um 980, Langhaus Ende 10. Jh., Michaelskapelle 1. Hälfte 11. Jh.
Reichenau-Oberzell, Sankt Georg.
Im aufgehenden Mauerwerk hat sich der Gründungsbau Heitos III. (888–913), für den selbiger Abt 896 mehrere Reliquien, allen voran des hl. Georg, aus Rom mitgebracht hatte, weitgehend erhalten. Nachträgliche Maßnahmen beschränken sich auf die Strebepfeiler außen, die vergrößerten Fenster im Obergaden und Chor sowie den Vierungsturm und dessen Pyramidendach.
Ursprünglich liefen die Seitenschiffe, die heute in Ostapsiden enden, auf die in gleicher Flucht liegenden, ehemals etwas höheren Querhausarme auf. Letztere waren zunächst als Konchen gebildet, wurden aber bereits im 11. Jh. in Rechteckräume umgebaut und im 17. Jh. schließlich als eigenständige Nebenräume von der eingeschnürten Vierung gesondert. Wegen der Kryptenanlage kommt die gesamte Ostpartie, Querhaus und nochmals erhöhter Rechteckchor, verhältnismäßig hoch zu liegen.
Die jetzige Westkonche mit dem monumentalen Scheitelportal und den Biforien ersetzte wohl seit der 1. Hälfte des 11. Jh. den vermutlich geraden Westabschluss des Heito-Baus. Etwa gleichzeitig dürfte auch die eingezogene zweigeschossige Vorhalle mit Michaelskapelle im Obergeschoss entstanden sein.
Der monumentale Wandbildzyklus des Langhauses – das früheste erhaltene Beispiel dieser Gattung nördlich der Alpen – zählt zu den großartigsten Zeugnissen ottonischer Kunst. Bei ihrer Freilegung Ende des 19. Jh. haben die obersten Malschichten sehr gelitten. Übrig blieb oft genug nur die Vorzeichnung und Grundierung. Gänzlich verloren sind die Bilder in Chor, Seitenschiffen und an der Westwand. Diejenigen am Triumphbogen und im Obergaden mit den jeweils sechs Aposteln entstammen dem 19. Jh., orientieren sich aber zumindest thematisch an spärlichen, seinerzeit noch lesbaren Überresten des Originalbestandes.
Schöne, perspektivisch gemalte Mäander, deren Verlauf zugleich die Leserichtung anzeigt, teilen die ungegliederten Hochschiffwände in drei Zonen. Über den Stützen, deren Fassung nach Originalbefund erneuert wurde, füllen Medaillonbüsten von Äbten die Arkadenzwickel. In der Hauptzone darüber entfaltet sich die Folge monumentaler, durch vertikale Ornamentleisten getrennter Historienbilder, die ausschließlich Wunderszenen Christi vorführen: im Nordwesten beginnend Heilung des Besessenen von Gerasa und des Wassersüchtigen, Beruhigung des Sturmes und Heilung des Blindgeborenen. An der Südwand, nun im Osten beginnend, folgen die Heilung des Aussätzigen, Erweckung des Jünglings zu Nain und der Tochter Jairi in einem gemeinsamen Wandfeld, sodann Heilung der Blutflüssigen und schließlich Erweckung des Lazarus. Als Derivat antiker illusionistischer Kunst begegnet ein durchgängiger Streifengrund, der wesentlich zur großen Geschlossenheit des Zyklus beiträgt: Braun und Grün bezeichnen dabei den irdischen Bereich, während Blau dem Firmament und der wellenförmig abgesetzten Sphäre des Übersinnlichen zugeordnet ist. Perspektivisch wiedergegebene Gebäudeteile oder -gruppen beschreiben – als pars pro toto für Stadt – die Lokalitäten. Deutlich bleibt die Architektur indes der Figurenkomposition untergeordnet. Diese folgt einem nahezu konstanten Schema, das die ganz eigene Rhythmik des Zyklus begründet: Blockhafte Figurengruppen stehen einander gegenüber, wobei Christus, durch Größe und Farbigkeit deutlich ausgezeichnet, die Szene zumeist in Begleitung einiger Apostel von links betritt. Dazwischen, gleichsam vor dem ‚leeren‘ Spannungsgrund, entfalten sich die immer wieder beschriebenen lapidaren, aber wirkmächtigen Gesten der Akteure. Stilistische und ikonographische Vergleiche mit der reichen Buchillustration des Klosters bestätigen nicht nur das Bild einer überaus qualitätsvollen und produktiven Malerschule, sondern liefern auch die Grundlage für eine Datierung der Bilder um die Jahrtausendwende.
Reichenau-Oberzell, Sankt Georg, Wandbild: Erweckung des Jünglings von Naim.
An der nordöstlichen Zunge des Langhauses warnt ein Wandbild moralisierenden Inhalts aus dem frühen 14. Jh. anschaulich vor der sprichwörtlichen Schwatzhaftigkeit der Frauen, die „auf keine Kuhhaut“ gehe. An den inneren Flanken der östlichen Mittelschiffwände, liegen die Abgänge zur Krypta. Über einen Querstollen und einen weiteren Längsstollen in der Mittelachse des ersteren, erreicht man die annähernd quadratische Vorhalle. Der dreischiffige östliche Hauptraum ruht auf vier stark abgearbeiteten Stützen. Zu Seiten der kleinen Mittelapsis konnten jüngst zwei ikonographisch hochinteressante Kreuzigungsdarstellungen aus der Zeit um 980 freigelegt werden.
Die Schilderung der Parusie, der Wiederkunft Christi zum Jüngsten Gericht, an der konvexen Ostwand der Michaelskapelle im Obergeschoss der Vorhalle zählt zu den ältesten monumentalen Fassungen dieses Themas. Streng frontal und die Wundmale vorweisend, thront Christus von einer Mandorla umgeben auf dem Berg Zion. Zur Rechten begleitet ihn Maria, zur Linken ein Engel mit dem Kreuz. Die verbleibende Fläche staffelt sich in drei Bildzonen, deren oberste Engel mit Posaunen und Leidenswerkzeugen besetzen. Darunter thronen die Apostel auf reich verzierten Thronbänken. Die gesamte untere Zone bleibt den lebhaft geschilderten Auferstehenden vorbehalten, die indes nicht wie sonst in Selige und Verdammte geschieden sind. Zahlreiche Fehlstellen im Putz zeugen von einst reichen Schmuckapplikationen aus anderen Materialien wie Kupferblech oder Stein. Die Altarnische mit dem freskierten Bogenfeld wurde vermutlich erst zu Beginn des 14. Jh. in die ältere Darstellung aus der Bauzeit der Vorhalle eingeschnitten.