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Mit dem Alter ist es wie in höheren Ämtern: Kaum jemand will freiwillig abtreten. Die einen hängen am Leben, die anderen an ihrer Funktion und meist noch viel stärker am Geld, dem nahezu sämtliche Bereiche unserer oftmals recht merkwürdigen Zivilisation knechtenden Abgott.

Weil ich mittlerweile selbst bereits sechsundsiebzig Lenze überschreiten durfte, also dank Fortunas Gunst schon mancherlei irdische Prüfungen halbwegs bestanden habe, sind mir derartige Behauptungen sicherlich unbesehen gestattet. Sie beruhen im erheblichen Maße auf eigener Erfahrung.

Mithin frage ich gezielt: Wer möchte nicht seinen diesseitigen Aufenthalt möglichst bis zum letzten Atemzug genießen, anstatt fortwährend auf das mutmaßliche Paradies im ungewissen Himmelreich zu hoffen?

Und die Liebe, das mit Sicherheit betörendste aller Phänomene? Ich gestehe: So manche Wogen jugendlicher Leidenschaft haben sich bei mir allmählich geglättet. Dergestalt bezirzende Schmetterlinge suchen und finden woanders ein ersprießlicheres Domizil als bei spürbar betagten Adressaten. Doch an ihrer Stelle wachsen neue Werte, die selbstredend auch ihren speziellen Reiz entfachen, wenn man sie entdeckt, bewusst nutzt und achtsam pflegt. Immerhin darf ich hierzu mit gewissem Stolz verkünden, dass ich beispielshalber meine goldene Hochzeit im vertrauten Familien- und Freundeskreis längst ausgiebig feiern konnte. Ein wahrhaft erhebendes Gefühl! Obendrein veredelt eine famose Schar von Kindern und Enkeln mein Dasein. Glück oder Verdienst? Wohl eher beides.

Zugegeben: Manchmal wundere ich mich auch schon ein wenig darüber, wie es eigentlich kommt, dass meine Gemahlin und ich es so lange miteinander aushielten. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich ein besonders geduldiger Knabe bin, ohne hörig zu sein (glaube ich zumindest). Keinesfalls möchte ich nämlich als Weichling durch die Gegend schleichen. Das wäre mir höchst fatal, denn mir liegt sehr daran, erhobenen Hauptes meiner Bestimmung so nachzukommen, wie sie mir von Natur aus zuteilwurde, eben als Mann, auch wenn einige überdrehte Emanzen in Gestalt ziemlich merkwürdiger Nebelkrähen das heutzutage allenfalls infrage stellen.

Ich mag zwar Gleichberechtigung und weiß auch, dass Vertreter des schöneren Geschlechts in mancher Hinsicht selbst bei uns in Deutschland noch echt benachteiligt sind. Das ist schlimm genug! Aber für untertänige Typen, die man vor allem in häuslichen Bereichen antrifft, habe ich wenig übrig, obwohl sie mir zuweilen wirklich leidtun (wie uns bestimmte Verhaltensweisen allmählich zur Auslöschung der Liebe und daraufhin zu einer solch unerquicklichen Situation führen können, wird in einem späteren Abschnitt anhand eines konkreten Beispiels ausführlich dargestellt).

Zweifelsohne gab es auch in unserer Ehe mitunter heftige Stürme, aber niemals in der Stärke eines Orkans, der womöglich alles zerstört hätte. Das Schicksal hat uns nun mal zusammengefügt, und ich sehe nicht den geringsten Grund, das jemals ändern zu wollen (bis der Tod …).

Gleichwohl bin ich fest davon überzeugt, dass es viele Frauen gibt, mit denen ich ebenso zufrieden durchs Leben wandeln könnte und sie nicht minder glücklich wären als ich.

Umgekehrt will ich das auch gerne meiner Holden zubilligen. Oftmals ist nämlich eine gedeihliche Zweisamkeit gar nicht so schwer zu formen, wie es gegenwärtig die fast unzähligen Zerwürfnisse und Scheidungen befürchten lassen. Andererseits wusste bereits der römische Dichter Ovid vor zweitausend Jahren poetisch festzuhalten, dass leidenschaftliche Hingaben nicht ewig währen: „Jupiter lacht aus der Höhe über die Meineide der Liebenden und lässt sie bedeutungslos im äolischen Südwind verwehen“. Aber eine solide Partnerschaft ist mehr als überschäumende Schwärmerei. Wenn man allerdings erfährt, dass gegenwärtig (2013) in Ostdeutschland nur noch vierundfünfzig Prozent der Eltern minderjähriger Kinder mit Trauschein zusammenleben, kommt man schon ins Grübeln, ob die Familienform Ehe überhaupt noch eine Zukunft hat. Möglicherweise unterliegt sie tatsächlich einer schleichenden Auflösung.

Das wäre aber insbesondere deshalb fatal, weil sie von allen Bindungsarten immer noch über das sicherste, günstigste und höchste Geburtenpotenzial verfügt. Und nichts braucht unser arg verschrumpelter Lebensbaum dringender als eigenen Nachwuchs. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um die künftige Sicherung des Wohlstandes, sondern ums Überleben schlechthin. Also müsste die Institution Ehe perspektivisch wieder gestärkt werden, wofür es durchaus reelle Chancen gibt.

Solche und weitere Themen werden im vorliegenden Buch tiefer ausgelotet.

Den Hauptteil meiner Ausführungen widme ich jedoch einer fast dämonenhaften Geschichte, deren Spukgeister mich unglaublich lange gefangen hielten, weil sie größtenteils realen Vorkommnissen entsprangen. Diese martervolle Peinigung will ich nun endgültig aus meinem Innersten verbannen, indem ich mir freiweg von der Leber schreibe, was mich eine halbe Ewigkeit unbarmherzig in Fesseln schlug.

Damit auch meine geschätzte Leserschaft rasch erahnt, was hinsichtlich des absonderlichen Geschehens als Lektüre zu erwarten ist, sei nachfolgend eigens dafür der wesentliche Handlungsverlauf unserer Story kulant preisgegeben.

Sonach flugs hin zu den Säulen der Ereignisse! Sie begegnen uns vorerst, trotz meines größtenteils atheistischen Weltbildes, im betont religiösen Gewand, und zwar wie folgt:

Die auffallend schöne und ebenso kluge Diana lag in den letzten Wehen und erwartete ein Kind der Sünde. Das vermochte in der Gemeinde von immerhin knapp viertausend Seelen kaum noch jemanden zu überraschen. Es hatte sich nämlich schon vor Monaten mit Windeseile herumgesprochen, dass ihre bezaubernde Lehrerin vom gleichermaßen attraktiven Priester geschwängert wurde.

Und nun erntete das aufsehenerregende Liebespaar die kostbarste Frucht seiner inbrünstigen Zuneigung. Auch diese Nachricht machte blitzschnell die Dorfrunde.

Obwohl die sensationelle Begebenheit unverblümt vom sträflichen Vergehen des katholischen Würdenträgers am Keuschheitsgelübde kündete, das er während seiner Weihe zum Kaplan andächtig vollzog, waren dennoch allesamt zutiefst erfreut und buchstäblich glückstrunken über den neuen Erdenbürger, den sie Abel nannten.

Jeder genoss auf seine Weise in vollen Zügen das augenscheinlich wohlwollende Ent­gegenkommen Fortunas: die stolze Mutter, weil sie ihrem Erwählten einen gesunden Sohn schenkte; der frischgebackene Vater, da ihm seine Angebetete den größten Herzenswunsch erfüllte; die Eltern der umschwärmten Wöchnerin, zumal sie bereits seit Längerem sehnsüchtig auf einen oder mehrere Enkel hofften. Und alle Einheimischen sowieso.

Keiner empfand die Botschaft als beunruhigend, wie üblicherweise zu befürchten wäre. Das Gegenteil davon trat ein: Die Menschen zeigten sich hellauf begeistert. Sie strömten trotz winterlicher Kälte am 18. November 1936 eilends zum großen Marktplatz, umarmten einander jubilierend, stimmten enthusiastisch Lobgesänge an, wiegten sich immer schneller im heißen Rhythmus ihres Nationaltanzes, dem Csárdás, und gerieten dabei zusehends in stürmische Euphorie, gleichsam, als ob sie der Himmel unverhofft mit lauter aus­erlesenen Gaben überschüttet hätte.

Nur die Erzeuger des scheinbar tollkühnen Missetäters erfuhren nichts vom un­gezähmten sexuellen Begehren ihres Nachfahren. Dessen vorgeblich frevelhafte Exzesse hätten sie als strenggläubige Christen ohnehin nicht schadlos verkraftet. Insofern kam ihnen vielleicht der Umstand zugute, dass sich ihr Domizil in der Landeshauptstadt befand. Und Budapest war weit entfernt.

Da ihre Empfindlichkeit den Verwandten in der südlichen Provinz hinreichend vertraut war, hütete man sich streng davor, ihnen die für sie zweifellos unangenehme Nachricht zu übermitteln. Also vernahmen sie bis auf Weiteres nichts von der vermeintlichen Gotteslästerung ihres Filius.

Demgegenüber beflügelte das spektakuläre Geschehen sämtliche Bewohner der Siedlung, zählten doch sowohl die Pädagogin als auch der Pfarrer bei Jung und Alt zu den angesehensten und am meisten verehrten Persönlichkeiten der Ortschaft. Ebendarum hielten sie fortan gütlich ihre schützenden Hände über die junge Familie. Nicht einer der Bodenständigen sollte die faszinierende Harmonie des edlen Bundes jemals beeinträchtigen oder gar bewusst schädigen. Dieses hehre Versprechen krönten die Ansässigen einvernehmlich mit einem feierlichen Gelöbnis.

Aber da waren noch dunkle Mächte im Spiel, vornweg Luzifer. Selbstredend rieb sich der Höllenfürst infolge der zwar allseits beglückenden, jedoch unschicklichen Niederkunft genüsslich die Hände, denn er witterte einen besonders leckeren Braten. Ihm war geläufig, dass den Liebenden der kirchliche Segen andauernd versagt blieb. Sonach gewahr er eine durchaus reelle Chance, sich bei passender Gelegenheit ihres Sprösslings zu bemächtigen und dessen Schicksal zweckgerichtet zu beeinflussen. Dabei könne er sich als Geist der Finsternis viel Zeit lassen. Auch wenn Jahrzehnte vergingen, wäre es für ihn überhaupt kein Problem, denn sein Vorhaben werde ihm bestimmt niemand mehr streitig machen, auch wenn es sich manchen Sachkundigen als noch so verwegen und eigennützig darböte. Nicht einmal der himmlische Vater würde ihn daran hindern, sein Ziel zu erreichen, weil der besagte Bastard auch für den Heilsbringer als ein mit Fluch beladenes Wesen gälte.

Andererseits wäre zu erwägen, sorgte sich der Beelzebub jählings ein wenig verunsichert, dass der Erbarmer den Sterblichen schließlich alles verzeihen könne, solange sie fest an seiner Allmacht glauben.

Doch schon kurz darauf verwarf er rigoros sämtliche Einwände und sprach, um sich selbst nachhaltig anzustacheln, die folgenden Worte: „So ein Zinnober! Weg mit diesen unsinnigen Bedenken und hin zu meinem Plan mit Abel! Eine derart reizvolle Trophäe darf ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ich muss und werde mir diese verheißungsvolle Beute aneignen, koste es, was es wolle! Dann mache ich die Nacht zum Tage, um mich ausgiebig zu sonnen, denn es wird mit Sicherheit ein grandioser Erfolg!“, frohlockte der Antichrist. „Am besten, ich würde dem Heranwachsenden schon im Knabenalter einen ordentlichen Denkzettel verpassen, damit der Jüngling wenigstens in dunklen Umrissen erahne, wer tatsächlich über ihn herrscht“, war des Gehörnten spontane Idee.

Möglicherweise werde er dem Spross zuerst die Eltern rauben und ihm später noch härtere Bewährungsproben aufbürden, grübelte der Widersacher des Herrn weiter. So könnte er den Burschen zum Beispiel mit einer äußerst mysteriösen Waffe ausstatten, über die bisher weltweit kein anderer Zweibeiner verfügt. Abel würde sich ihrer garantiert auch bedienen, beim ersten Mal als Halbwüchsiger wohl eher zufällig und dann, im Herbst seines Lebens, gewiss mit voller Absicht, um sich für mannigfach erlittene Schmähungen gnadenlos zu rächen.

„Doch sobald er dabei seine persönliche Gepflogenheit, die ‚heilige Zwölf’ tunlichst niemals zu überschreiten, auch nur einmal vernachlässigt und seine glühende Vergeltungssucht ein dreizehntes Todesopfer fordert, gerät er unabwendbar in jene Fänge, die man im abendländischen Kulturkreis als des ‚Teufels Dutzend’ oder ‚Zahl des Unheils’ bezeichnet. In diesem Falle wäre es um ihn geschehen, denn er befände sich vollends in meinem Reich“, johlte lautstark der Leibhaftige.

Dabei lockte ihn auch der Gedanke, Abel einst mit einem grauenhaften Monster in Verbindung zu bringen, das entlang des Elbstromes sein Unwesen treibt und besonders in der Wiege Sachsens für sensationelles Aufsehen sorgt, weil angeblich ein Mann in dessen Rachen verschwindet. Das Scheusal müsste eine von Experten bewusst vollzogene Kreuzung zweier riesenhafter Reptilien sein, welches sich unversehens deren Aufsicht entzieht, um danach landesweit Angst und Schrecken zu verbreiten.

„Okay, genau so muss es ablaufen! Damit hätte ich mein reizvolles Vorhaben mit dem außergewöhnlichen Sündenbock erfolgreich beendet. Ja, das ist ein überaus trächtiger Plan!“, schätzte der gewiefte Beelzebub seine typischen Überlegungen unter Dach und Fach gebracht zu haben, worauf ein überschäumender Freudentanz folgte, der ihn fast in Ekstase versetzte.

„Ach, da fällt mir doch noch etwas ein“, kam ihm plötzlich in den Sinn.

Inzwischen schon spürbar außer Atem geraten, fügte er seinem bereits gefassten Vorsatz mit vertrautem Selbstgespräch weitere Gedanken hinzu, indem er meinte: „Eigentlich brauchte ich den Jungen während seines ersten Jahrzehnts nicht unbedingt zu behelligen. Es gereichte mir sogar zum Vorteil, wenn er sich einstweilen aufs Beste entwickelt, zumal er fraglos eine vortreffliche Kinderstube haben wird.

Aber infolge des bevorstehenden großen Völkergemetzels (Zweiter Weltkrieg) treibe ich die ganze Sippschaft zu den besiegten Teutonen, und zwar in deren sowjetisch besetzten Ostzone. Von da ab müsste ich allerdings ununterbrochen ein Auge auf meinen künftigen Fang haben, damit mir nichts Wesentliches entgeht. Dessen ungeachtet werde ich Abel sofort auf eine äußerst grauenhafte Probe stellen. Obendrein könnte ich ihm nur wenige Lenze danach ein nahezu unglaubhaft düsteres Geheimnis anvertrauen, das er für lange Zeit strengstens behüten müsste, sofern er sich nicht freiwillig ans Messer liefern will.

Sollte er den erneut kaum zu übertreffenden Härtetest überstehen, gewähre ich ihm allenfalls in bewährter Spendierlaune noch über ein halbes Jahrhundert hinweg die üblichen Freuden der Homo sapiens, womit ich meiner angehenden Siegesbeute das irdische Dasein gebührend versüße, bis ich endgültig zuschlage.

Ergo stelle ich ihm geringstenfalls einen verlässlichen Freund zur Seite, mit dem er gemeinsam durch mancherlei Höhen und Tiefen des Lebens wandelt. Vielleicht wird er auch noch mit einem leiblichen Bruder beschenkt.

Ferner will ich dafür sorgen, dass Abel sich ab und zu in ein menschenähnliches Tier verwandelt, in dessen Gestalt er sich beliebig austoben kann, allerdings nur während seiner bildlichen Vorstellungen im Schlaf, eben als Traumaffe.

Na, das wird gewiss ein höchst merkwürdiges Spektakel, eine Art Rambazamba. Ich freue mich schon riesig darauf, denn es bereitet mir und meinesgleichen bestimmt einen Heidenspaß. Man darf also gespannt bleiben!“, jubelte der hinterlistige Urian und fügte schelmisch hinzu: „Des Weiteren beglücke ich ihn mit einer phänomenalen Eheliebsten, die ihrem Gemahl reichlich Wonnetrunkenheit bescheren wird. Auch Kinder soll er mit ihr zeugen, vorher jedoch einen ordentlichen Beruf erwerben und ihn dann so lange erfolgreich ausüben, bis ich eine ideale Gelegenheit erspähe, ihm ein für alle Mal den Garaus zu machen. Endlich hätte ich mein verlockendes Ziel erreicht. Oh ja, ein wahrhaft meisterliches Unterfangen! Gebongt!“, triumphierte der Satan abermals frenetisch.

Resümee:

Das waren spornstreichs nach Abels Geburt die makabren Überlegungen des überall bekannten und namentlich unter Gläubigen mitunter auch sehr gefürchteten Erzhalunken. Und sein Vorhaben mit unserem literarischen Helden sollte sich fast detailgetreu erfüllen.

Oder sind es im Grunde genommen doch stets konkrete Gestalten jener Denkgeschöpfe, die bisweilen eine geradezu verhängnisvolle Niedertracht im Schilde führen, um ihre teils mehr als fragwürdigen Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen, selbst wenn sie dadurch unabwendbar die Boten des Todes wachrütteln?

Schließlich gilt: Ein Paradies für alle wird es auf unserem einzigartigen Blauen Planeten mit Sicherheit niemals geben und im Himmel erst recht nicht. Stattdessen müssen wir mehr denn je aufpassen, dass die Höllenqualen unzähliger Erdenbürger nicht ständig zunehmen, denn „die Linie, die Gut und Böse trennt, verläuft quer durch jedes Menschenherz“ (Alexander Issajewitsch Solschenizyn).

Ja, ich stimme dem Nobelpreisträger für Literatur hierauf vorbehaltlos zu: Im Grunde genommen schlummert sogar in jedem von uns ein potenzieller Mörder, auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen. Ob das launenhafte Monster erwacht und in welchem Maße es aktiv wird, hängt ganz von den jeweiligen Umständen ab.

Freunde, wir sind unterrichtet und nicht minder gewarnt!

Wer trotzdem seinen entsprechenden Wissensdurst stillen möchte, ist natürlich ausgesprochen willkommen!

Deshalb gleich ein vertraulicher Hinweis an meine verehrten Leser:

Zum glaubhaften Erzählen dieser vielschichtigen Story fühle ich mich aus mehreren Gründen in der Lage.

Ausschlaggebend hierfür ist der Sachverhalt, dass Abel nach einer unsäglichen Heimsuchung, die er mit elfeinhalb Jahren im Mai 1948 in Pirna/Sachsen erlitt, bei meinen Eltern neue Geborgenheit erfuhr und seither zu unserer Familie gehörte.

Auch war ich gottlob zugegen, als ihm bereits während seiner frühen Sturm-und-Drang-Zeit ein auserlesen knuspriges Mädchen in die Arme lief, mit dem er sich bald darauf vermählte. Das kündete offenbar von einem verheißungsvollen Spiel Fortunas, denn ich durfte häufig ein freudvoller Zeuge dessen sein, wie ihm seine schönere Hälfte allein schon mit ihrem ausnehmend bezauberndem Lächeln ständig neue Pforten zum Glück öffnete, wobei sein Wohlbefinden durch ihre augenscheinliche Warmherzigkeit und überaus faszinierende Intelligenz erst recht nachhaltig beflügelt wurde.

Und er blieb über Jahrzehnte hinweg mein bester Freund, bis ihn abermals eine unerhörte Tragödie überraschte und er daraufhin beinahe notgedrungen oder wie vom Teufel besessen selbst das Zepter des Grauens ergriff, um es auf seine Art zu handhaben.

Ja, die Wirklichkeit ist manchmal noch viel entsetzlicher als die verwerflichsten Produkte unserer regen Fantasie, mag sie gelegentlich noch so abartige Blüten treiben.

Wie viel Leid muss ein Mensch erfahren, welches Quantum an Schmach ihm zugefügt werden, bis das Maß des Erträglichen voll ist und plötzlich ein Umschwung seines Charakters vom allenthalben Barmherzigen zum unerbittlichen Rächer erfolgt?

Damit wir hinreichend verstehen, warum Erwachsene dies tun und jenes lassen, besonders wenn es sich um eine abrupte Änderung ihres Verhaltens im soeben erwähnten Sinne handelt, sind wir meist hilfreich beraten, uns ihre Kindheit und Jugend zu veranschaulichen. Sonach bedrängt mich die schier bodenlose Lebensgeschichte meines brüderlichen Weggefährten geradezu ungestüm, nachfolgend sehr weit auszuholen, einen großen Bogen zu spannen, mich nicht mit Halbheiten abzufinden, sondern aus der prallen Widersprüchlichkeit unserer individuellen sowie gemeinsamen Laufbahn vieles einzufangen, das auf irgendeine Weise mit seiner absonderlichen Schicksalsfügung verwoben sein könnte.

Außerdem werde ich gerne mit reichhaltigen Angeboten zur Diskussion über verschiedene Themenbereiche sowohl auf privater Ebene als auch in sozialer Hinsicht aufwarten. Derlei Einschübe geschehen im Vertrauen darauf, dass sie nicht nur bei mir noch manch graue Zellen im Oberstübchen wecken und aktivieren, um mein Urteilsvermögen weiter zu schärfen, sondern hoffentlich auch den empfänglichen Leser zum Nachdenken anregen und ihm darüber hinaus wohltuende Abwechslung bieten. Möge es so kommen!

Es ist nämlich nicht meine Absicht, bloß die Befindlichkeit zweier Menschen in der Partnerschaft oder anderweitig nach eigener Betrachtungsweise zu durchleuchten. Dazu reichen Groschenhefte und einschlägige Trivialliteratur schlechthin sowie dazugehörige Fernsehserien, wovon es gewiss mehr als genug gibt, denn der Markt ist regelrecht übersättigt. Solcherart Geplauder ist nicht mein Begehren. Es brächte allenfalls ein laues Behagen in mein Gemüt, aber noch lange keine echte Zufriedenheit. Dies gilt auch für jegliche Wort- und Textspielereien mit nur lausigen oder keinen Inhalten.

Das Leben ist doch viel zu reichhaltig, als dass wir uns allein mit dem gezielten Durchforsten der gelegentlichen oder teils auch ständig wiederkehrenden Freuden und Kümmernisse in den unterschiedlichsten Intimsphären begnügen sollten. Mir liegt also sehr daran, hin und wieder auch bewusst zu provozieren, Betroffenheit auszulösen oder das Gemüt in Wallung zu bringen, wenigstens aber besonnen zu unterhalten und originellen Genuss zu bewirken.

Ich werde mich auch nicht davor scheuen, bestimmte Passagen aus meinen frühren Büchern einzubinden. Das geschieht zum einen, weil sie nicht mehr im Handel sind, und zweitens glaube ich, auch damals schon ab und an belebende Gedanken verkündet zu haben.

Mein ziemlich eigenwilliges Vorgehen ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass ich seit Langem den gesellschaftlichen Zuständen und Prozessen große Aufmerksamkeit schenke, weil ich selbst am Puls der Zeit teilnehmen möchte, um dessen Atem zu spüren. Insofern ist das Buch zum Teil auch stark politisch sowie weltanschaulich orientiert und keine durchgängige, linientreue Erzählung oder Kriminalstory.

Unsere Erdentage eilen ohnehin in steter Veränderung von dannen. Sie gleichen wiederholt einer fortwährenden Balance zwischen Spiel und Pflicht sowie Verlangen und Wagnis. Machen wir das jeweils Beste daraus!

Das Elbmonster

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