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2.2 Wissenschaftlich fundierte psychologische Diagnosen und Projektdiagnosen – ein kurzer Vergleich

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Mit der Gegenüberstellung von wissenschaftlich fundierten psychologischen Diagnosen und Projektdiagnosen möchte ich Kriterien für Projektdiagnosen darstellen.

Verglichen mit den Qualitätskriterien für wissenschaftlich fundierte psychologische Diagnosen sind die Kriterien für eine Projektdiagnose notwendigerweise deutlich weniger streng. Eine Gegenüberstellung der Gütekriterien von dieser wissenschaftlich fundierten Diagnostik und der Projektdiagnose erscheint mir dennoch interessant, um die Gütekriterien für die Bewertung von Projektdiagnosen besser einordnen zu können.1

Vergleich wissenschaftlich fundierte psychologische Diagnose und Projektdiagnose

Wissenschaftlich fundierte psychologische Diagnose Projektdiagnose
Objektivität Die Ergebnisse müssen unabhängig von Einflüssen der Diagnostiker:in oder der Untersuchungssituation zustande kommen. Das gilt für die Durchführung, Auswertung und Interpretation der Diagnose. Neutralität In der Überschrift dieser Spalte steht Neutralität und das aus gutem Grund. Von Objektivität, obwohl dies von manchen Personen behauptet wird, darf nicht gesprochen werden, denn die Diagnostiker:innen beeinflussen durch die Auswahl ihrer Fragen, durch die Art und Weise des Fragens und durch die Aufbereitung der Daten zwangsläufig das Ergebnis. Die Projektdiagnostiker:innen bieten im Bericht ihre Sichtweise an, basierend auf fundierten Fragen, Erfahrungen und einer möglichst neutralen Haltung gegenüber allen Beteiligten. Neutralität sollte eine mentale und emotionale Voraussetzung der Projektdiagnostiker:innen sein.
Zuverlässigkeit (Reliabilität) Die Merkmale müssen zuverlässig gemessen werden, Messfehler sind zu vermeiden. Zuverlässigkeit (Reliabilität) Dieses Merkmal trifft bei der Auswertung von Fragebögen bedingt zu, d.h. die Bögen müssen zuverlässig ausgewertet werden. Das setzt eine klare Formulierung der Fragen und eine geeignete Skalierung zur Beantwortung voraus. Bei Interviews lässt sich das Kriterium Zuverlässigkeit nicht anwenden, weil die Messbarkeit nicht gegeben ist.
Validität Eine diagnostische „Messung ist valide, wenn sie tatsächlich das misst, was sie messen soll, und somit glaubwürdige Resultate liefert. Soll die Zufriedenheit im Team gemessen werden, muss im Vorfeld klar definiert werden, was mit Zufriedenheit im Team gemeint ist. Andernfalls ist der Interpretationsspielraum zu groß und das Ergebnis nicht valide. Validität Im Rahmen der Projektdiagnose spielt Validität bei der Formulierung des Fragebogens eine bedeutsame Rolle. Die Fragen müssen so klar formuliert sein, dass sie idealerweise von allen Befragten gleich verstanden werden. Werden Interviews durchgeführt, so müssen bestimmte Fragen in allen Interviews gestellt werden, um eine vergleichbare Einschätzung der Meinungen zu erhalten.
Akzeptanz Das Ausmaß, in dem persönliche Meinungen, Bewertungen oder gesellschaftspolitische Überzeugungen gegen einen Test angeführt werden. Akzeptanz Akzeptanz ist für die Projektdiagnose ein wichtiger Faktor. Das trifft für die Auswahl der Fragen in Interviews bzw. im Fragebogen zu. Darüber hinaus kann auch der Nutzen der Diagnose an sich angezweifelt werden.
Fairness Werden Personengruppen z.B. nach Alter, Geschlecht, Religion, Kulturkreis u.a. gleichbehandelt oder gibt es offene oder verdeckte Diskriminierungen? Haben alle Personen die gleichen Chancen in einem psychologischen Test? Fairness Fairness in der Vorgehensweise ist bei Projektdiagnosen ein wichtiges Thema. Wenn Projektmitarbeiter:innen und der Projektleitung kritische Fragen gestellt werden aber auf höheren Hierarchieeben sehr vorsichtig, behutsam Fragen gestellt werden, kann von Fairness keine Rede sein. Die Fragen und die Art und Weise des Fragens sollten unabhängig von der hierarchischen Position der Gesprächspartner:innen sein.
Testökonomie Steht der Aufwand im sinnvollen Verhältnis zum Nutzen des Verfahrens? Werden die Informationen, die durch das Verfahren gewonnen werden, für die diagnostische Entscheidung wirklich benötigt? Ökonomie der Projektdiagnose Statt Testökonomie muss es Ökonomie der Projektdiagnose heißen. Der Aufwand der Projektdiagnose muss gerechtfertigt sein. Damit sind einige Fragen verbunden: - Lohnt sich die Diagnose zu diesem Zeitpunkt überhaupt? - Wird bei der Auswahl der Methode auch auf den zeitlichen und finanziellen Aufwand geachtet? - Kann die Anzahl der Interviewten eingeschränkt werden, ohne das Ergebnis signifikant zu gefährden?
Transparenz Ist das Verfahren für die Beteiligten verständlich? Können sich alle Beteiligten vorher genügend mit dem Verfahren vertraut machen? Gibt es anschließend ein angemessenes Feedback? Transparenz Alle Beteiligten müssen über die Ziele und die Vorgehensweise informiert werden, ebenso darüber, was mit den Daten geschieht und in welcher Form die Befragten über die Ergebnisse der Diagnose informiert werden. Die Beteiligten haben einen moralischen Anspruch auf Feedback.
Unverfälschbarkeit Ist das Verfahren so konstruiert, dass der Kandidat, die Kandidatin die Ergebnisse möglichst nicht gezielt steuern oder verfälschen können? Unverfälschbarkeit Dieses Kriterium lässt sich auf die Projektdiagnose nicht anwenden, weil Interviewte falsche, unvollständige Aussagen machen können. Außerdem können bei der Auswahl der Befragten bestimmte Personen, die möglicherweise eine kritische Meinung haben, ausgegrenzt werden.
Zumutbarkeit Belastet das Verfahren die Kandidat:innen in zeitlicher, psychischer Hinsicht nicht über Gebühr? Zumutbarkeit Die zeitliche Belastung sollte bei der Planung der Befragungen nicht unterschätzt werden. Das gilt vor allem für Workshops, wenn diese über zwei Tage mit Übernachtung geplant werden.
Normierung Die Normierung eines Tests liefert das Bezugssystem, um die individuellen Testergebnisse im Vergleich zu denen einer Referenzpopulation einordnen zu können. Normen müssen hinreichend aktuell und repräsentativ für die Referenzpopulation sein. Normierung Bei einer Projektdiagnose lassen sich nur bedingt Vergleiche zu anderen Projekten ziehen. Dennoch bestehen Vergleichsmöglichkeiten: Man könnte bei der Bewertung der Ergebnisse darauf hinweisen, dass die beinahe regelmäßige Arbeitszeit einiger Projektmitarbeiter von 12 Stunden/Tag im Vergleich zu ähnlichen Projekten in anderen Unternehmen viel zu hoch ist. Man kann die Entwicklungszeit eines Neuproduktes mit der Entwicklungszeit von Mitbewerbern vergleichen. Wo immer die Möglichkeit zum Vergleich besteht, sollte diese genutzt werden. Allerdings muss vorab genau geprüft werden, welche Aussagekraft der Vergleich wirklich hat.
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