Читать книгу WasserGeld - Gert Podszun - Страница 12
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ОглавлениеSeitdem Josef seine Familie verlassen hatte, war es ihm wichtig, dass niemand seinen Nachnamen kannte. Mit seiner Vergangenheit hatte er gebrochen. Er wollte auch nicht, dass jemand in seiner Lebensgeschichte herumschnüffelte. Nach dem Abitur hatte er heimlich seine Familie verlassen und eine Reise nach Frankreich unternommen. Französisch war sein Lieblingsfach in der Oberstufe. Irgendwo in Lille kam er an einer Kaserne vorbei. Er war stolz zu verstehen, was da auf dem Plakat stand. Freiwillige gesucht. Er las den darunter stehenden Text und ging spontan in die Kaserne. Dort fand er sich in einem Rekrutierungsbüro wieder. Ihm war zu diesem Zeitpunkt nicht so richtig klar, dass er mit dem Überschreiten der Schwelle in das Büro sein Leben umgestalten würde.
Die Ausbildung war hart. Sie folgte dem Motto, dass jeder Tropfen Schweiß einen Tropfen Blut erspart. Sie forderte ihn, machte ihn stolz, weil er mit den körperlichen Herausforderungen gut zurecht kam. Nach der Ausbildung dauerte nicht lange bis zum ersten Einsatz. Er bewährte sich. Zuletzt hatte er den Dienstgrad Sergent-chef, trug das képi blanc und wurde zu Einsätzen in Afrika kommandiert. Elfenbeinküste.
Er führte eine kampfstarke Gruppe. Sein Auftrag bestand darin, eine bestimmte Bande dingfest zu machen und auszuschalten. Den genauen Hintergrund des Auftrages kannte er nicht. Es gehörte nicht zu seinen Aufgaben, über diese Dinge nachzudenken. In seiner Tasche hatte er die Beschreibung der Bande, ebenfalls ein paar Bilder von den Mitgliedern.
Sergent Blanchard und Caporal-Chef Tanner unterstützten Josef bei seiner Arbeit. Sie waren seit einiger Zeit ein Team, wurden mit der Zeit Freunde und konnten sich auch wortlos aufeinander verlassen. Josef war stolz darauf.
Der Franzose Blanchard war der Mann für knifflige Situationen. Man könnte ihm nachsagen, dass er gefährliche Situationen liebte. Er hatte immer einen Trick zu Verfügung, um aus kritischen Lagen herauszukommen. Dabei halfen ihm seine kräftige Statur und die Geschwindigkeit seiner Bewegungen. Er kannte sich besonders mit lautlosen Waffen aus, diente einige Monate als Ausbilder im Nahkampf und beeindruckte besonders mit seiner athletischen Figur. Er war der beste Boxer im Regiment.
Caporal-Chef Tanner, deutscher Staatsbürger, spielte eine besondere Rolle in der Gruppe. Er hatte einen Vertrag mit einem technischen Schwerpunkt. Dabei kam ihm zugute, dass er nicht nur Maschinenbau studiert hatte, sondern auch über praktische Kenntnisse im IT-Bereich verfügte. Er hatte sich aus Neugierde für diese ausgeschriebene Funktion bemüht und wurde befristet eingestellt. Er war bei den verschiedenen Einsätzen für die Auswahl der jeweils notwendigen Technik verantwortlich und bildete die Soldaten der Gruppe und der Kompanie weiter. Obwohl er wusste, dass sein Engagement in der Legion zeitlich begrenzt war, bewies er in allen Lagen hohen Einsatz.
Die Freundschaft mit Blanchard und Tanner hielt Josef bei der Truppe. Als sich die Gruppe auflöste, wollte er ebenfalls aus der Legion austreten. Das hatte einen einfachen Grund. Sein Freund Blanchard hatte überraschend ein Angebot bekommen, in einer Sicherheitsfirma als Leitender Angestellter zu arbeiten. Kamerad Tanner hatte seinen Zeitvertrag erfüllt und verließ die Truppe fast zur gleichen Zeit, als Blanchard das Angebot für eine private Anstellung erhielt.
Zusätzlich hatte Josef herausgefunden, dass man ihn nicht weiter befördern würde, weil er keinen französischen Pass hatte. Er wunderte sich, dass Blanchard gezielt von einer Firma angesprochen worden war. Die Firma suchte erfahrene Männer, die sich auch in gefährlichen und kritischen Situationen behaupten konnten. Darin sah Blanchard eine große Chance. Mit diesem Angebot war es ihm möglich, von der Legion ohne Folgen frei gestellt zu werden. Blanchard nahm das Angebot an und machte sich auf den Weg zu seinem neuen Einsatzort in Valenciennes. Dort erfuhr er, eine ihm unbekannte FN-Holding habe ihn empfohlen. Ihm wurde avisiert, später mit einem Verantwortlichen dieser Holding sprechen zu können.
Josef hatte Verständnis für seinen Freund und wollte sich anfänglich ebenfalls freistellen lassen. Sein Chef bedeutete ihm, dass das nicht möglich sei. Er gehöre quasi lebenslang zur Legion. Da er in Afrika in einer nicht unbedingt legalen Situation Menschen getötet habe, sei er in einem anderen Rechtsraum als Mörder angesehen.
Josef konnte diese Behauptung nicht überprüfen. Er hatte schließlich immer auf Befehl gehandelt und hatte nie eigenständig über den jeweiligen Befehl hinaus gehandelt. Er war über die Ablehnung schwer enttäuscht.
Niemand konnte ihm in dieser Lage helfen, weil er seine rechtliche Lage nicht beurteilen konnte. So ging er davon aus, dass er möglicherweise als Mörder angesehen werden könnte.
Er wollte die Legion unbedingt verlassen. Eine Gelegenheit zur Flucht ergab sich, als sein Regiment an einen neuen Standort verlegt wurde. Dort verabschiedete sich der Regimentskommandeur und übergab die Führung an seinen Nachfolger. Die Übergabe wurde bis in den späten Abend gefeiert. Josef nutzte die Gelegenheit, kramte ein paar Sachen zusammen, steckte seinen Sold ein und verließ nachts den Standort. Die Wachen waren glücklicherweise nicht sehr aufmerksam. Ihm gelang die Flucht. Nun war er ein Deserteur.
Er trampte durch Frankreich nach Deutschland und erreichte schließlich den Hauptbahnhof von Hannover. Er übernachtete er in einem Gasthof und suchte am nächsten Tag Hilfe und Schutz bei dem Anwalt, dessen Visitenkarte er seit dem Einsatz in der Nähe von Assinie bei sich trug. Er nahm an, dass der Anwalt sich auch mit internationalem Recht auskennen würde. Sein Name war Naschneiner, Ferdinand Nasch-neiner.
Josef war vorsichtig und rief wegen einer Terminvereinbarung von einer öffentlichen Telefonzelle aus an. Die Sekretärin bat um einen Moment Geduld, weil sie rückfragen müsse. Naschneiner ließ sich nach einem kurzen Moment mit Josef verbinden. Nachdem er erfuhr, woher Josef seine Karte hatte, gab er ihm einen Termin.
Nach einigen Rücksprachen erklärte er Josef, dass es in seiner Situation zwei Möglichkeiten gäbe. Entweder würde Josef sich einem Prozess, einem offiziellen Prozess mit den französischen Behörden, stellen und das Risiko eingehen, von diesen Behörden in einem langwierigen Prozess verurteilt zu werden, oder er könne sich in den Schutz eines deutschen Anwalts begeben.
„Wie soll das denn geschehen?“
„Die Dinge können ganz einfach sein, wenn man sie versteht. Sie sind ein erfahrener Mann, der hier in Deutschland keine Berufsgeschichte hat. Sie sind nach dem Abitur nach Frankreich gegangen. Ich will gar nicht nach den Gründen fragen, die Sie dazu bewegt haben, bei der Legion zu arbeiten. Das geht mich nichts an. Sie werden es schwer haben, sich hier zu integrieren, weil die Zeit bei der Fremdenlegion nicht gerade als positiv angesehen werden wird. Abgesehen davon haben sie keine Berufsausbildung, auf der sie aufbauen könnten.“
„Was bleibt mir jetzt übrig? Ich möchte keinen Prozess mit französischen Behörden.“
„Wir können Ihnen ein Angebot machen. Sie werden bis jetzt noch nicht auf offiziellem Wege verfolgt. Sicher haben sie damals in Frankreich bei der Rekrutierung nicht ihre korrekten Daten über ihre Herkunft und Familie angegeben.“
„Das stimmt. Woher wissen Sie das?“
„Das gehört zu meinem Beruf als Anwalt. Wir bieten Ihnen eine Lösung Ihres Problems an.“
„Wie sieht das aus?“
„Sie treten in die Dienste der FN-Holding. Ihre persönlichen Daten werden von mir so archiviert, dass niemand aus dem Ausland Sie angreifen kann. Als Gegenleistung stehen Sie mir persönlich für einige Projekte zu Verfügung. Sie erhalten von mir eine nur uns beiden bekannte Telefonverbindung und werden wie ein Rechtsanwalt besoldet. Aber Sie tauchen niemals offiziell auf. Das haben Sie ja gelernt. Ich werde Ihnen bei Gelegenheit die Namen von Personen nennen, mit denen Sie vertrauensvoll zusammen arbeiten werden. Dabei werde ich Ihnen Aufträge zu bestimmten Recherchen oder Projekten erteilen. Wenn Sie das akzeptieren, werden Sie sicher sein.“
„Und wenn nicht?“
„Für eine solche Frage ist es eigentlich schon zu spät. Ich kenne Ihre Vita. Ich weiß, dass Sie von der Fremdenlegion gesucht werden. Ich kann dieses Wissen vergessen. Oder auch nicht. Jedenfalls ist das Wissen bei mir langfristig gut aufgehoben und könnte im Bedarfsfalle wieder aus der Versenkung auftauchen. Sie verstehen?“
Josef verstand.
„Was ist mein erster Auftrag?“
„Josef, so werde ich Sie fortan weiter nennen, wir sind jetzt Verbündete, ich werde Sie nicht übervorteilen. Sie werden im Sinne der FN-Holding arbeiten. Sie werden am Erfolg einiger Projekte finanziell teilhaben. Haben Sie noch ein Konto im Ausland?“
„In Frankreich. Da sollte ich nicht mehr rangehen.“
„Das wird meine Kanzlei für Sie erledigen. Das Konto wird aufgelöst. Damit werden Sie in Frankreich dateitechnisch sterben. Sie werden auf keiner Fahndungsliste stehen. Trotzdem erhalten Sie neue Papiere und einen neuen Namen für etwaige Reisen nach Frankreich. Das ist eine gute Sicherheitsmaßnahme. Wir richten Ihnen ein neues Konto ein. In Liechtenstein.“
„Jetzt gehöre ich Ihnen.“
„So muss man das nicht sagen. Wir haben uns ja längere Zeit seit Assinie nicht gesehen. Was machen ihre Kollegen von damals? Wir hatten ja Karten ausgetauscht und ich habe mir die Namen gemerkt.“
„Ein Grund, warum ich wieder nach Deutschland wollte, war, dass Blanchard einen guten Job in Valenciennes angeboten bekam. Bei einer Sicherheitsfirma. Das kann er. Und Tanner hatte einen Zeitvertrag. Nach dessen Erfüllung ist er nach Deutschland zurückgekehrt.“
„War er der Verdächtige, dem die Hotelleute nachgelaufen sind?“
„Das war eine lustige Angelegenheit. Er hatte nichts genommen. Das war ein blöder Verdacht, vielleicht, weil er Deutscher ist. Wir haben ihn an die naheliegende Grenze gefahren.“
Ferdinand stellte keine weiteren Fragen mehr.
Josef erhielt ein Mobiltelefon mit einer gespeicherten Nummer von Ferdinand. Das musste immer empfangsbereit sein. Er konnte damit nur die Nummern anrufen, die ihm für die jeweiligen Projekte mitgeteilt wurden.
Ferdinand organisierte ihm eine sichere Unterkunft. In Laatzen besaß er eine auf die FN-Holding angemeldete Gästewohnung. Josef musste sich nicht anmelden. Sein Name stand natürlich nicht im Telefonbuch.
Er erhielt Anteile an der FN-Holding. So stand es in dem Vertrag, den er wenige Tage nach seinem Einzug im Briefkasten fand. Er hatte keine Alternative zu dem Vertrag und war genötigt, für die FN-Holding zu arbeiten. In einem anderen versiegelten Brief fand er einen Ausweis. Er verfügte damit über eine neue Identität für den Notfall einer Überprüfung durch französische Polizisten. Man erwartet augenscheinlich von mir, dass ich auch in Frankreich arbeiten werde. Wie gut, dass ich die Sprache verstehe.
Er saß in der Wohnung und wartete auf einen Anruf
Ferdinand brauchte nicht lange, um die aktuellen Aufenthaltsorte der beiden ehemaligen Kollegen von Josef ausfindig zu machen. Blanchard wurde auf Empfehlung der FN-Holding plangemäß Leitender Angestellter in der Sicherheitsfirma mit Sitz in Valenciennes. Zu den Kunden dieser Firma gehörte auch der Energiekonzern OSuez du Mont. Diese Geschäftsbeziehung war auf Empfehlung Ferdinands an Henriette zustande gekommen.
Ferdinand arbeitete weiter an seinem Machtplan. Beim nächsten Telefonat mit Henriette erläuterte er sein Vorhaben.
„Henriette, ich bin sicher, dass die Gesellschafterversammlung Deinem Vorschlag gefolgt ist.“
„Es war nicht leicht, aber schließlich hat man dem Expansionsgedanken zugestimmt. Sie erwarten jetzt eine strategische Vorlage. Mein Mann unterstützt mich darin. Dennoch würde ich jetzt gerne wissen, was Du selbst planst. Schließlich trägst Du jetzt indirekt auch Verantwortung in unserem Konzern.“
„Das Geld habe ich zu Verfügung gestellt. Den Vertragsentwurf zwischen uns kennst Du. Wenn ich ihn unterschrieben zurückerhalte, wird das Geld fließen und die Angelegenheit hätte formell ein Ende.“
„Bei dem Du gewaltig gewonnen hast.“
„Das wird sich zeigen. Grundsätzlich bin ich sicher, dass wir eine große Zukunft haben werden. Gerne möchte ich Dir meine Idee erklären. Du hast doch bestimmt von den Vorschlägen der EU gelesen, kommunale Betriebe, insbesondere Wasserwerke zu privatisieren und ausschreiben zu lassen.“
„Das ist für unseren Konzern von großer Bedeutung.“
„Siehst Du, deswegen rufe ich Dich an. Ich möchte etwas für euren Konzern tun.“
„Für unseren Konzern, aber doch auch für Dich. Du wirst ja kaum etwas tun, was nicht auch für Dich vorteilhaft ist.“
„Nun, Henriette, da kann ich Dir nicht ausweichen. Das, was ich Dir vorschlage, soll Deinem Konzern und meiner Holding gleichermaßen nützlich sein.“
„Was also ist zu tun?“
„Ich weiß, dass unser Sohn Jacques mittlerweile Sprecher von OSuez ist. Er soll für die Expansion ins nahe Ausland sorgen.“
„Woher weißt Du das?“
„Du weißt doch, dass ich gerne Daten sammle. Ich habe Einblick in die Protokolle eurer Gesellschafterversammlungen.“
„Du kennst ja auch unseren Vorstandsvorsitzenden.“
„Woher weißt Du das?“
„Ferdinand, auch in Frankreich kann man Daten sammeln. Also, was ist Dein Plan?“
„Jacques kennt mich und meine Tochter Marie nicht. Wie Du wahrscheinlich weißt, ist sie Staatssekretärin im Umweltministerium. Sie ist eine Schlüsselfigur in dem Plan.“
„Schön, dass Deine Töchter, Du hast vergessen Corinna zu erwähnen, so erfolgreich sind.“
„Ich möchte Jacques durch einen Boten namens Josef eine Akte zukommen lassen, die er einsetzen kann, um Marie im Hinblick auf eine beabsichtigte Privatisierung positiv zu stimmen. Er kann doch Deutsch. Er hat auch einen deutschen Freund namens François. Sie haben sich an der Sorbonne kennengelernt.“
„Du bist wirklich gut informiert.“
„Das muss ich. Also, Jacques wird Marie kontaktieren, die Akte nutzen und sie dahin führen, dass sie auf Sicht eine positive Stimmung für die Privatisierung entwickelt. Die Details in der Akte, nur zu Deiner Information, beziehen sich auf einen Unfall, den Marie als Studentin hatte. Sie schien da nicht unschuldig gewesen zu sein.“
„Ferdinand, du lässt Deine Tochter unter Druck setzen?“
„Nein, ich sorge für den Erfolg Deiner und meiner Firma.“
„Mich setzt Du ja auch unter Druck.“
„Das musst Du nicht so sehen, Henriette. Wärest Du mit mir nach Deutschland gegangen.“
„Du weißt, dass das unmöglich war.“
„Küsse Deinen, nein, unseren Sohn!“
„Wann kommt dieser Josef?“
„Es wird in Kürze sein. Informiere Jacques darüber, dass es diesen Boten gibt.“
„Ich hoffe, dass wir beim nächsten Mal ein netteres Thema haben werden.“
„Daran kann man arbeiten.“