Читать книгу WasserGeld - Gert Podszun - Страница 9
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ОглавлениеFerdinand betrat am frühen Morgen die FN-IT-Zentrale in Köln und loggte sich nach einer kurzen Unterredung mit Mertens in seine Datenbank ein. Er vervollständigte sein Bild über den Konzern OSuez du Mont. Es gab eine Reihe von Niederlassungen in Ländern in Afrika, dort Abidjan, Vorderasien und Südamerika, alles eher unterentwickelte Länder. Überall gab es Bereiche, in denen der Konzern sich Wasserrechte gesichert hatte und über spezielle Brunnen sauberes Trinkwasser aus der Tiefe pumpte. Dazu existierten Abfüllbetriebe, in denen das Wasser aus der Tiefe in Plastikflaschen abgefüllt wurde und in den Verkauf kam.
Da wird viel Geld verdient. Da könnte ich teilhaben. Und das werde ich. Die Verbindung über sein abgeschirmtes Mobiltelefon kam schnell zustande.
„Henriette Balaban.“
„Bonjour, Henriette. Ferdinand.“
„Ich habe keine Zeit. Es passt nicht.“
„Es wird passen. Du musst mir jetzt bitte zuhören, wenn Dich kein Schaden treffen soll.“
„Was fällt Dir ein, mir so etwas zu sagen. Was für ein Schaden?“
„Ich weiß, dass Du niemals nach Deutschland kommen wirst, um bei mir zu sein. Das tut mir weh, aber ich kann und muss es akzeptieren, weil Du Deiner Familie gehorchen musst.“
„Das hatten wir doch schon! Was willst Du jetzt von mir?“
„Meine Recherchen zeigen mir, dass euer Konzern sehr viel Geld mit Flaschenwasser verdient. Ihr arbeitet in sehr vielen Ländern und …“
Henriette unterbrach ihn mürrisch.
„Was soll das sagen? Ich bin über die Aufgaben unserer Firma schon unterrichtet.“
„Davon bin ich überzeugt. Aber höre mich bitte weiter an.“
„Gut.“
„Du würdest es sicherlich nicht begrüßen, wenn ich Herrn Balaban über die Herkunft seines Sohnes Jacques unterrichten würde.“
„So etwas wolltest Du nie tun!“
„Die Umstände haben sich geändert. Ich muss bedauerlicherweise auf Dich verzichten. So kannst Du mir vielleicht als Entgegenkommen einen Gefallen tun.“
„Was für einen Gefallen?“
„Unsere Planung sieht vor, im Wassermarkt tätig zu werden. Ich weiß aus den Planungen Deines Konzerns, dass Expansion zu den mittelfristigen Zielen gehört. Da könnte ich in Deutschland helfen und entsprechende Voraussetzungen schaffen.“
„Das hört sich gut, aber was meinst Du mit dem Schaden? Eine Expansion würde doch kein Schaden sein.“
„Ich bin noch nicht fertig. Der Konzern arbeitet ja nicht nur mit Trinkwasser aus Wasserwerken, sondern auch mit Tiefbrunnen. Und da würde ich gerne mit dabei sein.“
„Ich beginne zu verstehen. Du willst eine Gegenleistung für die mögliche Hilfe in Deutschland.“
„So ist es.“
„Wie stellst Du Dir das vor? Ich kann das doch nicht alleine entscheiden, geschweige denn durchsetzen.“
„Henriette, Du bist nicht nur eine schöne, sondern auch eine kluge Frau. Deine Familie zwingt Dich, nicht das zu tun, was Du eigentlich gerne tun würdest.“
„Lasse es bitte sein!“
„So hilf wenigstens mir bei meinen Plänen. Ich möchte Dich nicht in einen Skandal verwickeln. Die großen Familien Frankreichs würden entsetzt sein. Da könnte Panik aufkommen. Das sollte doch vermieden werden!“
„Wie soll das vor sich gehen? Du hast doch bestimmt eine Idee!“
„Da hast Du recht. Du schlägst bei der nächsten Gesellschafterversammlung eine Eigenkapitalerhöhung vor, um die Expansionspläne noch Osten finanzieren zu können. Das ist neutral und wirtschaftlich vernünftig. Das Geld für die Kapitalerhöhung wirst Du als Erhöhung Deines Gesellschafteranteils deklarieren, um so die Verbundenheit mit dem Haus zu beweisen. Dein Mann wird das goutieren.“
„Und woher nehme ich das Geld?“
„Dafür werde ich sorgen. Du gibst mir eine neutrale Bankverbindung und ich sorge dafür, dass nach dem Gesellschafterbeschluss zur Kapitalerhöhung Dein Anteil überwiesen wird. Und wir beide machen einen entsprechenden Vertrag. Ich möchte eine Sperrminorität erreichen.“
„Du bist größenwahnsinnig.“
„Tut mir leid, ich bin nur berechnend. Weil das Schicksal mir übel mitspielt. Das Schicksal bist Du, liebe Henriette.“
„Du hast mich damit erpresst.“
„Hatte ich eine andere Chance?“
„Du hättest auch verzichten können.“
„Ich habe mehr verzichtet als Du denkst.“
Henriette atmete tief durch. Ferdinand schmerzte dieses Geräusch, aber er schwieg. Er hatte sich entschieden.
„Ich bereite die Kapitalerhöhung vor.“
„Danke.“
Ferdinand steckte sein Mobiltelefon in seine Jackentasche und machte sich auf die Suche nach einem Standort für das Pilotprojekt und den Partner für die mediale Vorbereitung. Er filterte zwei Adressen heraus. Rostock eignete sich hervorragend als Testmarkt. Für die bürgernahe Vorbereitung sollte die OstseeZeitung gewonnen werden. Für eine weiterführende erhöhte Aufmerksamkeit danach sollte in der TV-Sendereihe GesünderLeben das Thema der Wasserversorgung aufgegriffen werden. Die Produktionsfirma der TV-Sendereihe GesünderLeben gehörte einem guten Bekannten eines Parteifreunds, der auch zu dem Gespräch in dem Hotel am Rhein geladen war. Ferdinand war überzeugt, dass das Wasserthema dort aufgegriffen werden würde.
Sven Hansen, Chefredakteur der OstseeZeitung, fuhr mit beiden Händen über seine dunkelblonden glatt gegelten Haare und versuchte seinen Blick von den Dokumenten auf seinem Schreibtisch abzulenken. Es waren die jüngsten Umsatzstatistiken und betriebswirtschaftlichen Auswertungen des Verlages. Der Trend war klar. Die Printausgabe schwächelte und die Aktivitäten im Internet brachten nicht genug Geld ein. Er erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und ging in seinem Büro auf und ab. Immer wenn er nervös wurde, fingen seine Augenlider an, hektisch zu zwinkern. Seine blassblauen Augen schienen feuchter zu werden. Er war unsicher, wie er die weitere Existenz der Redaktion würde erhalten können. Das passte gar nicht zu seiner hageren Figur, die seine Mitschüler seinerzeit zum Anlass nahmen, ihn den Langen zu nennen. Die buschigen Augenbrauen verdeckten einen Teil seiner Augen. Er pflegte sie mit Daumen und Zeigefinger zu zwirbeln, um sein Sichtfeld zu erweitern. Diesmal tat er es ohne Sinn. Hansen war sichtlich nervös. Das Gespräch mit Naschneiner hatte ihn mitgenommen. Er hatte um eine kurze Denkpause gebeten, um den Vorschlag seines Gesprächspartners zu prüfen.
Er überdachte dessen Vorschlag, eine tendenziöse Artikelserie über die Wasserversorgung zu lancieren. Wenn ich das richtig verstanden habe, steht hinter dieser Serie etwas anderes. Naschneiner hatte sein wahres Motiv nicht genannt. Vielleicht hat er mit der Privatisierung der Wasserwerke zu tun, darüber war ja zu lesen. Es geht gegen meine Ehre, den Standpunkt der neutralen Berichterstattung zu verlassen. Ich würde mich glatt erpressbar machen. Andererseits wäre es auch eine Sache der Ehre, dafür zu sorgen, dass die Redaktion erhalten bleibt. Er erwartet meine Stellungnahme zu seinem Vorschlag. Ich darf keine Zeit verlieren.
Ferdinand Naschneiner nahm den Hörer ab.
„Herr Hansen, Sie haben sich meinen Vorschlag überlegt?“
„Sie wissen, dass die OstseeZeitung nur publizieren will, was sie auch selbst recherchiert hat.“
„Das verstehe ich vollkommen. Wenn Sie in die einschlägigen Pressemitteilungen, die sie ja kennen, schauen, werden Sie schnell herausfinden, dass die Wasserproblematik ein riesiges Thema für die Zukunft sein wird.“
„Damit haben Sie recht, aber Sie wissen auch, dass die Wasserwerke Rostock vor nicht allzu langer Zeit technisch überholt wurden und eine der modernsten Installation sind.“
„Das mag ja sein, aber das geht doch an meiner Intention vorbei. Ich möchte die Aufmerksamkeit für das Thema allgemein erhöhen.“
„Das verstehe ich nicht ganz.“
„Herr Hansen, ich habe Sie um einen Gefallen gebeten. Der ist mit Sicherheit mit einer umfangreichen Anzeigenschaltung verknüpft. Ihr Haus weist nicht gerade die besten Zahlen aus. Ich habe da meine Informationen.“
„Welchen Tenor soll die Artikelserie genau haben?“
„Sie haben doch einen freien Mitarbeiter, der für Sie recherchiert und arbeitet. Der wird sich doch sicherlich um die Details kümmern, mit denen wir beide uns nicht beschäftigen sollten. Ihm könnte ich über Sie die wesentlichen Informationen zukommen lassen.“
„Das ist eine gute Idee, aber letztlich stehe ich für die Inhalte gegenüber den Leserinnen und Lesern im Wort.“
„Herr Hansen, zieren Sie sich nicht so. Der Schuch, den meinen Sie doch auch, wird namentlich erwähnt werden. So ist es doch sein Geschäft.“
„Sie fordern mich auf, meine Verantwortung aufzuweichen.“
„So können Sie es sehen, Herr Hansen. Hätten Sie damals, als Sie ihre Diplomarbeit anfertigten, wirklich Ihre eigenen Gedanken niedergelegt, hätten Sie Verantwortung gehabt.“
„Wie? Was meinen Sie?“
„Ich kenne Ihre Vita. Ihre Diplomarbeit ist größtenteils kopiert. Man würde aus auch als Plagiat bezeichnen können. Ich kann das sofort vergessen.“
„Ich habe verstanden. Senden Sie mir Ihre Konzepte. Mit welchem Anzeigenvolumen kann ich rechnen?“
„Sie werden zufrieden sein. Sie beauftragen Erik Schuch für die Serie!“
„Unmittelbar nach Erhalt Ihrer Dokumente.“
„Ich gehe davon aus, dass dieses Gespräch nicht stattgefunden hat, sonst müsste ich eine andere Veröffentlichung initiieren.“
„Es ist verstanden.“
Die beiden Herren wurden handelseinig. Gegen das Erscheinen einer kritischen Artikelserie über die Wasserversorgung würde die FN-Holding dafür sorgen, dass eine angemessene Anzahl von Anzeigen verschiedener Firmen in der OstseeZeitung erscheinen würde. Ferdinand beauftragte die Presseabteilung seines Konzerns mit der Anzeigenplanung für einige Firmen, an denen die FN-Holding beteiligt war. Eine Anzeige über die Kanzlei Naschneiner war nicht vorgesehen.