Читать книгу Wanda und Wendelin - Gerti Gabelt - Страница 14
WIEDERSEHEN
ОглавлениеWanda steht vor dem ‚Board of Arrival Flight 8235 landed.’
Gedanken schießen durch ihren Kopf, denen sie nachgeben möchte, sie möchte weglaufen. Zu spät, Wendelin tritt durch die Schiebetüre und sogleich begegnen sich ihre Augenpaare.
„Wer ist dieser Wendelin, dass er mir so vertraut ist?“ – kurzer Gedankensprung, wirbelt durch Wandas Kopf. „Es ist gut, dass Du da bist.“
„Wie war der Flug? Hast du wenigstens unser Wetter vermisst?“
Sie gehen schweigend zum Auto. Als das Gepäck im Kofferraum verstaut ist und Wanda zur Autobahn heraus fährt, beginnt Wendelin zu sprechen.
„Wanda, zuerst einmal sorry, dass ich dir nicht mitgeteilt habe, dass ich nach London fliege. Es ging alles ziemlich schnell. Trotzdem, es ist keine Rechtfertigung. Ich versuche zu erklären, auch mir selber gegenüber, warum ich dich nicht informierte. Ich wollte zuerst Gewissheit haben, was wirklich geschehen war. – Ich bekam einen Anruf in der Nacht vom Police Department Headquaters in London, wobei man mir mitteilte, dass mein Sohn tödlich verunglückt sei. Ich glaubte kein Wort. Wie im Schock buchte ich den nächsten Flug nach London. Natürlich wäre mir Zeit geblieben, dich zu verständigen. Aber ich wollte keinen Menschen sehen. Nicht reden, nicht in Erwägung ziehen müssen, was, wenn … Ich wollte nur alleine sein.“
„Ja, ich verstehe. Wendelin, erzähle mir nur das was du möchtest und wann du es möchtest. Lass uns versuchen, eine Freundschaft auf dieser Basis entstehen zu lassen. – Ich würde nun gerne mit dir ein Café aufsuchen bevor wir ins Haus fahren. Was meinst Du dazu?“
„Ich erlebe ein Gefühl der Geborgenheit, jetzt, da ich mit dir zusammen bin.“
Im Café hat Wanda die Bestellung aufgegeben. Heute ist es so ganz anders als beim ersten gemeinsamen Treffen außerhalb des Hauses.
Wanda erzählt, wie sie den Nachmittag mit den Bewohnern verbracht hat. Sie hatte die Geschichte von den roten Schuhen erzählt und die Frauen waren wieder zurückversetzt in ihre Jugendzeit, waren wieder kleine Mädchen, Teenager geworden. Sie hatten ihre Bedürfnisse und Wünsche aus ihrer Kinderzeit neu empfunden. Nicht wenige der „Mädchen“ hatten den großen Wunsch gehabt, einmal rote Schuhe zu besitzen. Heute hatten sie ihre Gebrechen und Krankheiten vergessen. Die Gegenwart war für die Bewohner mit der Vergangenheit ausgefüllt worden. Alle ließen sich in eine Märchenwelt führen, die eigenen Träume neu erleben.
Niemand hat bemerkt, dass Wanda eigentlich egoistisch ‚Zeit füllen’ musste, um das Warten auf Wendelins Kommen zu verkürzen. Das alles erzählt Wanda nun. Mit keinem Wort berührte sie sein Erlebnis in London. Er lächelt sie an. Und das genügt.
Am Abend kommt Wendelin, wie damals, als Christian gestorben war, zu Wanda. Damals, das war vor zehn Tagen.
„Gibt es noch eine Flasche Wein für uns beide? Ich denke, der Anlass rechtfertigt einen guten Tropfen.“
Er hört sich selber reden, so als stände er außen vor. Das waren doch nicht seine Worte! Es klang so, als gäbe es etwas zu feiern! Wie absurd! Wie ein Echo hallt das Gesprochene in seinem Kopf, „rechtfertigt“, hatte er wirklich „rechtfertigt“ gesagt?
Wanda gibt Wendelin die Flasche zum Entkorken und stellt zwei Gläser bereit.
Als der Wein in den bauchigen Kelch fließt und ihn zu einem Drittel mit seinem warmen Rot füllt – durch den Schein der Kerze wird die Farbe noch um eine Nuance dunkler – beginnt Wendelin zu sprechen. Etwas Feierliches erfüllte den Raum.