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ОглавлениеWanda und Wendelin
SENIORENRESIDENZ
Wanda und Wendelin gehören dazu. Sie bilden mit den Anderen eine Gruppe. Aber eigentlich fallen sie ständig auf, so dass sie doch nicht dazu gehören. Sie fallen durch das Raster, sie sprengen die Gesetze.
In Wanda erzeugt es ein heimliches Lächeln, nicht zu „gehorchen“, nicht angepasst zu sein.
‚Ich bin anders. Mich könnt ihr nicht zähmen. Auch wenn ihr denkt, die Alte ist sonderlich, vielleicht schon leicht dement? Glaubt es nur. Aber wundert euch nicht, wenn ihr eines Tages feststellen müsst, dass ihr es seid, die sich fragen müssen, wer war denn nun wunderlich, wer war im Irrtum? Diese Dame – ja ihr hört ganz recht – ich bin eine nicht mehr ganz junge Dame, fordert euch heraus. Zumindest eure Anerkennung, vielleicht auch eure Bewunderung. Dieses liegt wiederum an eurer geistigen Beweglichkeit. Es liegt an eurer Intelligenz, euch diesem Reichtum an Einfällen und Spiritualität zu öffnen. Aber es geht noch ein Stück weiter. Ihr werdet sehen. Na, das alles überlasse ich euch.’
Ein bekannter Psychologe schrieb, hütet euch vor den Normalen! Sorgt euch also nicht um mich, ich bin anders.
Natürlich erfordert das Leben in einer Gemeinschaft eine bestimmte Strategie, ein strukturelles Vorgehen, um ein harmonisches – wie die Direktorin meint – Miteinander zu gewährleisten. Da bleibt für das Individuum in seinem Handeln und Sein wenig Raum. Die Grenzen sind gesteckt. Kommen und Gehen, Schlafen und Wachsein, Essen und Schlafen, alles bewegt sich innerhalb dieser vorgegebenen Grenzen.
Die Menschen würden hier in einer langweiligen Eintönigkeit zur Passivität verdammt sein, wenn es nicht einzelne Bewohner gäbe, die aus dem Rahmen fallen – wer hat sie eigentlich in den Rahmen gestellt? – und somit die Lebendigkeit in der Enge des Tagesablaufs noch wahrnehmen.
Wanda hat sich Spiritualität bewahrt. Mit wachem Geist gestaltet sie ihren Alltag und so sagt sie sich:
‚Sicher gebe ich häufig Anlass zur Kuriosität. Und ich lebe von dem Echo meiner Kuriosität. Meine Heiterkeit beflügelt mich zu immer neuen Taten. Das heißt nicht, dass ich auch die Gegenseite dieser Tugend, nämlich Aggressivität kenne und lebe. Früher war es für meine Umgebung direkt anstrengend – nur früher? – meine Unausgeglichenheit zu ertragen. Aber wir alle leben in der Polarität. Eine interessante Frau ist keine langweilige Frau. Und für einen Mann ist es gut, nie ganz sicher zu sein, was wohl als nächstes geschehen mag. Ein kleines Geheimnis gehört zur Diplomatie der Frau und hält überdies die Spannung in der Partnerschaft.’