Читать книгу Das neue Meditationshandbuch - Geshe Kelsang Gyatso - Страница 17

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FÜR DIE MEDITATION ERFORDERLICHES HINTERGRUNDWISSEN

Die Meditationen dieses Buches setzen voraus, dass wir an Wiedergeburt oder Reinkarnation und Karma oder Handlungen glauben. Deshalb ist eine kurze Erläuterung über den Vorgang Tod und Wiedergeburt und über die Bereiche, in denen wir wiedergeboren werden können, sicher hilfreich.

Der Geist ist weder körperlich, noch ist er ein Nebenprodukt körperlicher Prozesse. Er ist ein formloses Kontinuum, eine vom Körper getrennte Wesenheit. Wenn der Körper zum Zeitpunkt des Todes zerfällt, hört der Geist nicht auf zu existieren. Unser oberflächlicher, bewusster Geist vergeht zwar, aber nur, weil er sich in eine tiefere Bewusstseinsebene, in den sehr subtilen Geist, auflöst. Das Kontinuum des sehr subtilen Geistes ist ohne Anfang und ohne Ende. Es ist dieser Geist, der sich, wenn er vollständig gereinigt ist, in den allwissenden Geist eines Buddhas umwandelt.

Jede Handlung, die wir ausführen, hinterlässt eine Prägung in unserem sehr subtilen Geist. Jede dieser Prägungen führt früher oder später zu entsprechenden Auswirkungen. Unser Geist ist wie ein Feld und unsere Handlungen sind wie Samen, die wir in dieses Feld säen. Tugendhafte Handlungen setzen Samen zukünftigen Glücks. Nichttugendhafte Handlungen setzen Samen zukünftigen Leidens. Die Samen, die wir in der Vergangenheit gesät haben, ruhen, bis die für die Keimung notwendigen Bedingungen da sind. Dies kann manchmal erst viele Leben nach der ursprünglichen Handlung eintreten.

Sehr wichtig sind die Samen, die zum Zeitpunkt unseres Todes reifen. Sie bestimmen die Art unserer nächsten Wiedergeburt, die wir annehmen. Welcher Samen genau im Moment des Todes heranreift, hängt von dem Geisteszustand ab, in dem wir sterben. Sterben wir mit einem friedlichen Geist, wird ein tugendhafter Samen angeregt und wir werden eine glückliche Wiedergeburt annehmen. Sterben wir jedoch mit einem unfriedlichen Geist, zum Beispiel in einem Zustand der Wut, so wird ein nichttugendhafter Samen angeregt und wir werden eine unglückliche Wiedergeburt erlangen. Dies ist vergleichbar mit Albträumen, die durch einen unruhigen Geist kurz vor dem Einschlafen ausgelöst werden.

Diese Analogie ist nicht zufällig gewählt, denn der Vorgang von Schlafen, Träumen und Aufwachen gleicht dem Vorgang von Tod, Zwischenzustand und Wiedergeburt. Wenn wir einschlafen, sammeln sich unsere groben inneren Winde und lösen sich nach innen auf. Unser Geist wird zunehmend subtiler, bis er sich in den sehr subtilen Geist des klaren Lichts des Schlafes umwandelt. Wenn sich das klare Licht des Schlafes manifestiert, befinden wir uns im Tiefschlaf und mögen anderen wie tot erscheinen. Endet das klare Licht, dann wird unser Geist zunehmend gröber und wir durchlaufen die verschiedenen Ebenen des Traumzustandes. Schließlich erlangen wir wieder unser normales Erinnerungsvermögen, sowie die Fähigkeit der geistigen Kontrolle und wachen auf. Zu dieser Zeit verschwindet die Traumwelt und wir nehmen die Welt des Wachzustandes wahr.

Zum Zeitpunkt unseres Todes geschieht etwas sehr Ähnliches. Wenn wir sterben, lösen sich unsere Winde nach innen auf. Unser Geist wird zunehmend subtiler, bis sich der sehr subtile Geist des klaren Lichts des Todes manifestiert. Die Erfahrung des klaren Lichts des Todes ist der Erfahrung des Tiefschlafs sehr ähnlich. Nachdem das klare Licht des Todes endet, erleben wir die Stadien des Zwischenzustandes oder Bardos auf Tibetisch. Dies ist ein traumähnlicher Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt. Nach einigen Tagen oder Wochen endet der Zwischenzustand und wir werden wiedergeboren. So wie die Traumwelt beim Erwachen aus dem Schlaf verschwindet und wir die Welt des Wachzustandes wahrnehmen, so enden mit der Wiedergeburt die Erscheinungen des Zwischenzustandes und wir nehmen die Welt unseres nächsten Lebens wahr.

Der einzige bedeutsame Unterschied zwischen dem Vorgang des Schlafens, Träumens und Aufwachens und dem Vorgang des Sterbens, des Zwischenzustandes und der Wiedergeburt besteht darin, dass nach der Beendigung des klaren Lichts des Schlafes die Verbindung zwischen unserem Geist und unserem gegenwärtigen Körper bestehen bleibt, während sie sich nach dem klaren Licht des Todes auflöst.

Im Zwischenzustand haben wir verschiedene Visionen, die aus den karmischen Samen entstehen, die unmittelbar vor dem Tod angeregt wurden. Wurden negative Samen aktiviert, dann sind die Visionen alptraumhaft. Das Aktivieren positiver Samen führt zu überwiegend angenehmen Visionen. In jedem Fall zwingen uns die karmischen Samen, sobald sie genügend ausgereift sind, zu einer Wiedergeburt in einem der sechs Bereiche Samsaras.

Die sechs Bereiche sind wirkliche Orte, an denen wir wiedergeboren werden können. Sie entstehen durch die Kraft unserer Handlungen oder Karma. Es gibt drei Arten von Handlungen: körperliche, sprachliche und geistige Handlungen. Unsere körperlichen und sprachlichen Handlungen haben ihren Ursprung in unseren geistigen Handlungen. Deshalb werden die sechs Bereiche letztlich durch unseren Geist erschaffen. Ein Höllenbereich ist zum Beispiel ein Ort, der als Ergebnis schlimmster Handlungen, wie Mord oder außerordentliche geistige oder körperliche Grausamkeit, entsteht. Derartige Handlungen hängen ihrerseits von am stärksten verblendeten Geisteszuständen ab.

Um uns die sechs Bereiche bildhaft vorzustellen, vergleichen wir sie mit den Stockwerken eines großen, alten Hauses. In dieser Analogie ist das Haus Samsara, der Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, dem alle gewöhnlichen Wesen ohne Wahl oder Kontrolle unterworfen sind. Es besteht aus dem Erdgeschoss, dem ersten und zweiten Stockwerk und drei Untergeschossen. Verblendete fühlende Wesen sind wie die Bewohner dieses Hauses. Sie sind in ständiger Bewegung, gehen nach oben und nach unten. Manchmal wohnen sie in den oberen Stockwerken und manchmal in den Untergeschossen.

Das Erdgeschoss entspricht dem menschlichen Bereich. Über diesem, im ersten Stockwerk, befindet sich der Bereich der Halbgötter. Halbgötter sind nichtmenschliche Wesen, die andauernd in kriegerische Auseinandersetzungen mit den Göttern verstrickt sind. An Kraft und Wohlstand sind sie den Menschen überlegen. Sie sind jedoch so besessen von Neid und Gewalt, dass ihr Leben wenig spirituellen Wert hat.

Im obersten Stockwerk leben die Götter. Die niederen Klassen der Götter, die Götter des Begierdebereiches, leben in Saus und Braus, frönen dem Müßiggang und verbringen ihre Zeit mit Vergnügungen und der Befriedigung ihrer Wünsche. Obwohl sie in einer paradiesischen Welt weilen und eine sehr lange Lebensspanne haben, sind sie dennoch nicht unsterblich. Früher oder später fallen auch sie in niedere Bereiche zurück. Da ihr Leben von Ablenkungen erfüllt ist, bringen sie kaum die nötige Motivation für die Praxis des Dharma, Buddhas Lehre, auf. Aus spiritueller Sicht ist deshalb ein menschliches Leben weitaus wertvoller.

Höher als die Götter des Begierdebereiches stehen die Götter des Form- und formlosen Bereiches. Die Götter des Formbereiches haben alle sinnlichen Begierden überwunden, verweilen in einer verfeinerten Glückseligkeit meditativer Versenkung und haben Körper aus Licht. Die Götter des formlosen Bereiches transzendieren selbst diese subtilen Formen und verweilen ohne Form in einem subtilen Bewusstseinszustand, der dem unendlichen Raum ähnelt. Innerhalb Samsaras besitzen sie zwar den reinsten und erhabensten Geist; dennoch haben sie die Unwissenheit des Festhaltens am Selbst, die Wurzel Samsaras, noch nicht überwunden. Und so endet schließlich auch ihr Leben. Sie werden, nachdem sie viele Äonen lang in Glückseligkeit weilten, dennoch wieder in einem der niederen Bereiche Samsaras geboren. Wie die anderen Götter erschöpfen sie ihre in der Vergangenheit angesammelten Verdienste oder ihr Glück und machen nur geringe oder gar keine spirituellen Fortschritte.

Die drei oberen Stockwerke werden die «glücklichen Bereiche» genannt. Die Lebewesen, die in diesen Bereichen wohnen, machen vergleichsweise angenehme Erfahrungen, die aus tugendhaften Handlungen entstanden sind. In den Untergeschossen befinden sich die drei niederen Bereiche. Sie sind das Ergebnis negativer Handlungen von Körper, Rede und Geist. Im Tierbereich, der dem ersten Untergeschoss entspricht, sind die Erfahrungen am wenigsten schmerzhaft. Dieser Bereich umfasst alle Säugetiere, außer den Menschen, sowie Vögel, Fische, Insekten und Würmer – das ganze Tierreich. Der Geist der Tiere ist durch äußerste Dummheit gekennzeichnet. Sie haben nicht das geringste spirituelle Bewusstsein und ihr Leben ist voller Angst und Gewalt.

Im nächsten Untergeschoss leben die hungrigen Gespenster oder hungrigen Geister. Die hauptsächlichen Ursachen für eine Wiedergeburt in diesem Bereich sind Gier und durch Geiz motiviertes negatives Handeln. Die Folge solcher Handlungen ist extreme Armut. Die hungrigen Geister leiden für lange Zeit unter Hunger und Durst und dies ist für sie sehr schwer zu ertragen. Ihre Welt ist eine riesige Wüste. Finden sie zufällig doch einmal einen Tropfen Wasser oder Essensreste, lösen sie sich wie eine Luftspiegelung auf oder verwandeln sich in etwas Abstoßendes wie Eiter oder Urin. Erscheinungen dieser Art sind Auswirkungen ihres negativen Karmas und eines Mangels an Verdiensten.

Das unterste Kellergeschoss ist der Höllenbereich. Hier erleiden die Wesen endlose Qualen. Einige Höllen bestehen aus einem Meer von Flammen, andere sind trostlose, in ewige Dunkelheit getauchte Eiswüsten. Furchterregende Monster, durch den Geist der Höllenwesen herauf beschworen, fügen ihnen schreckliche Qualen zu. Unbarmherzig scheinen die Leiden bis in alle Ewigkeit fortzudauern. Doch schließlich erschöpft sich das Karma, das die Geburt in einem Höllenbereich verursacht hat. Die Höllenwesen sterben und werden anderswo in Samsara wiedergeboren.

Dies ist ein allgemeines Bild von Samsara. Seit anfangsloser Zeit sind wir in Samsara gefangen. Ohne Freiheit oder Kontrolle irren wir ohne Sinn in den verschiedenen Bereichen umher, von den himmlischen Gefilden bis zu den tiefsten Höllen. Manchmal weilen wir bei den Göttern in den oberen Stockwerken, manchmal leben wir in einer menschlichen Wiedergeburt im Erdgeschoss. Die meiste Zeit jedoch hausen wir in den Kellergeschossen und müssen schreckliche körperliche und geistige Qualen erdulden.

Obwohl Samsara einem Gefängnis gleicht, gibt es ein Tor, durch das wir fliehen können. Dieses Tor ist Leerheit, die endgültige Natur der Phänomene. Schulen wir uns in den spirituellen Pfaden, die in diesem Buch erklärt sind, werden wir schließlich den Weg zu diesem Tor finden. Wenn wir hindurch schreiten, werden wir feststellen, dass das Haus nur eine Illusion war, eine Schöpfung unseres unreinen Geistes. Samsara ist kein äußeres Gefängnis. Es ist ein Gefängnis, erschaffen von unserem eigenen Geist. Samsara wird niemals von selbst aufhören. Nur wenn wir gewissenhaft den wahren spirituellen Pfad praktizieren und dadurch unser Festhalten am Selbst und andere Verblendungen beseitigen, können wir unser Samsara beenden. Haben wir selbst Befreiung erlangt, dann können wir anderen den Weg zeigen, wie sie ihr geistiges Gefängnis durch Beseitigung ihrer Verblendungen zerstören können.

Praktizieren wir die in diesem Buch vorgestellten einundzwanzig Meditationen, dann überwinden wir allmählich unsere verblendeten Geisteszustände, die uns in Samsara gefangen halten. Zudem werden wir alle Eigenschaften entwickeln, die wir brauchen, um die volle Erleuchtung zu erlangen. Die ersten sechs Meditationen führen vor allem zu Entsagung, dem Entschluss Samsara zu entkommen. Die zwölf darauffolgenden Meditationen helfen uns, tiefempfundene Liebe und Mitgefühl für alle Lebewesen zu entwickeln. Sie führen uns zu der Erkenntnis, dass wir andere Lebewesen nur aus Samsara befreien können, wenn zuerst wir selbst Erleuchtung erlangen. Das hauptsächliche Hindernis, das uns davon abhält Befreiung und Erleuchtung zu erlangen, ist das Festhalten am Selbst, eine tief verwurzelte, falsche Vorstellung davon, wie die Dinge existieren. Die hauptsächliche Funktion der nächsten beiden Meditationen besteht darin, dieser falschen Vorstellung entgegenzuwirken und sie schließlich zu zerstören. Und die letzte Meditation ist die Methode, unsere Erfahrungen der vorherigen zwanzig Meditation zu vertiefen.

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