Читать книгу Please Kill Me - Legs McNeil, Gillian McCain - Страница 11
ОглавлениеKAPITEL 1: POETRY? YOU CALL THIS POETRY?
Danny Fields: Wenn ich nicht gerade anderswo eine Nummer schob, bin ich jeden Abend ins Max’s Kansas City gegangen. Das war ein Restaurant mit Bar und lag zwei Häuserblocks von meiner Wohnung entfernt. Dort konnte man den ganzen Abend verbringen und sich immer wieder Kaffee holen. Den gab es umsonst. Denn man unterschrieb immer die Rechnung, aber bezahlte sie nie. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich so zweioder dreitausend Dollar offen hatte. In den Sechzigerjahren war das eine Menge Geld.
Einige meiner Freunde unterschrieben ihre Rechnungen auch schon mal mit „Donald Duck“ oder„Fatty Arbuckle“. Dort war es jedenfalls einfach wundervoll, all die Kellnerinnen waren wundervoll … und erst recht die Aushilfskellner.
Denn all diese Aushilfskellner konnte man ficken. Ich meine, natürlich nicht gerade vor Ort, aber später. Man konnte alles ficken, was das Restaurant betrat, weil sowieso jeder nur ins Hinterzimmer wollte. Man brauchte bloß zu sagen: „Du fickst mich jetzt, und ich besorge dir hinterher einen guten Platz an einem Tisch.“
Es ging sehr freizügig zu, aber es war kein Schwulenlokal. Zum Glück. Schwulenlokale fanden wir zum Kotzen. Schwulenlokale? Wer wollte schon in Schwulenlokale? Im Max’s konnte man alles ficken, was hereinkam, und das war das Tolle an dem Laden.
Leee Childers: Danny war Konzernfreak bei Elektra Records. Sein Job war es, zwischen den Konzernfritzen dieser dämlichen Plattenfirma und der Straße zu vermitteln. Leute wie ihn nannte man damals tatsächlich „Konzernfreak“. Er bestimmte für die Firma, was gut war und was nicht, vor allem aber, was cool war. Heute sind die Plattenfirmen immerhin so schlau, zuzugeben, dass sie nicht cool sind. In den Sechzigerjahren mussten sie einräumen, dass sie keine Ahnung hatten. Deshalb haben sie Leute angestellt, deren Job es war, cool zu sein. Eine großartige Idee.
Danny Fields: Sie stellten jemanden zu einem niedrigen Gehalt ein, der Schlaghosen trug und Grass rauchte und im Büro LSD nahm – nämlich mich. Und ich habe in meinem Büro tatsächlich LSD genommen. Ich habe einfach nur rumgesessen und an dem Zeug geleckt. Meine Hände waren total orange.
Steve Harris: Ich arbeitete für Elektra und war mit Jac Holzman, dem Präsidenten von Elektra, in Kalifornien, als er die Doors zum ersten Mal in seinem Leben im Whiskey gesehen hat. Als wir uns hinterher trafen, sagte er: „Ich habe eine wirklich interessante Band gehört, und ich glaube, ich werde sie unter Vertrag nehmen.“ Und das tat er dann auch. Die Doors kamen dann nach New York und gaben ein Konzert im Ondine’s in der Achtundfünfzigsten Straße, da unten, unter der Brücke.
Danny Fields: Ich kann mich deshalb so gut daran erinnern, dass Morrison an diesem Abend „Light My Fire“ gesungen hat, weil es der einzige gute Song war.
Tom Baker: Ich saß mit Andy und seiner Entourage an einem langen Tisch in der Nähe der Bühne. Morrisons Freundin Pam Courson saß mir gegenüber und war total aufgeregt. Sie sagte: „Jim ist wirklich bestens vorbereitet auf das Konzert heute Abend.Vergiss diese Scheiße im Gazzari’s, heute Abend wirst du den wirklichen Jim Morrison erleben.“
Als ich Jim im Gazzari’s am Sunset Strip gehört hatte, war er zugedröhnt mit LSD gewesen und stockbesoffen. Sein Auftritt war völlig unspektakulär gewesen, bis auf den Moment, als er sich zu Beginn des Konzerts durch einen Song gestammelt hatte – und plötzlich aus tiefster Kehle einen markerschütternden Schrei ausgestoßen hatte. Pam war total sauer auf ihn gewesen und hatte ständig auf mich eingeredet, dass ich ihn eben nicht in bester Verfassung erlebt hätte. Ich sagte ihr, er wäre ein guter Typ, aber er sollte aufpassen, dass er seinen Job nicht verliert.
Aber als er sein Konzert im Ondine’s beendet hatte, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich schaute zu Pamela hinüber. Sie beugte sich zu mir vor und sagte: „Ich hab’s dir doch gesagt.“
Hinterher gaben die Doors eine Party in einem Club, um ihren Erfolg zu feiern. Nachdem die Party vorüber war, standen Jim und ich unten an einer Treppe, die zur Sechsundvierzigsten Straße hinaufführte. Es war schon spät, und in der Gegend wimmelte es von Bullen und allerlei merkwürdigen Gestalten. Plötzlich begann Morrison, leere Gläser die Treppe hinaufzuschmeißen.
Ich packte ihn am Arm und brüllte: „Bist du total übergeschnappt? Was soll der Scheiß?“ Aber er beachtete mich nicht, sondern schmiss einfach weiter Gläser die Treppe rauf und stieß dazu einen seiner markerschütternden Schreie aus. Ich hatte eigentlich erwartet, dass jetzt eine kleine Bullenarmee anrücken würde. Nach einem letzten Schrei und einem letzten Glas drehte sich Jim dann auf dem Absatz um und verschwand. Das hat mich ziemlich frustriert, weil ich ihm gern noch gesagt hätte, dass ich endlich jemanden getroffen hatte, der wirklich besessen ist.
Danny Fields: Ich musste am nächsten Tag sowieso in die Plattenfirma, also erzählte ich ihnen von diesem Song über Feuer und sagte: „Solltet ihr eine Single von den Doors planen, dann nehmt diesen Song.“ Aber sie meinten, der sei viel zu lang. Dann fingen noch andere Leute an, sie von dieser Idee zu überzeugen. Zuerst fanden sie, es wäre unmöglich, aber nachdem ihnen auch die Diskjockeys erklärt hatten, dass sie es mit einem potenziellen Hit zu tun hätten, allerdings ohne diesen prätentiösen Blödsinn in der Mitte, da wurden sie hellhörig. Es war ein echter Ohrwurm. Also schickten sie Paul Rothschild ins Studio und sagten ihm: „Paul, kürz den Song.“ Und Paul kürzte den Song. Man kann den Schnitt in der Mitte hören. Und es funktionierte und wurde ein NummereinsHit.
Steve Harris: Ich denke, Danny hatte Probleme mit Jim Morrison, weil Danny glaubte, er könnte Jim herumkommandieren. Im Castle in Kalifornien sind sie ziemlich aneinander geraten, als sich Jim an Nico ranmachte. Sie hingen im Castle rum, Jim war stockbesoffen und völlig stoned, und Danny hatte Angst, er würde sich zu Tode fahren, wenn er sich hinters Steuer setzte. Also nahm Danny die Schlüssel von Jims Auto an sich, und Jim hatte eine Mordswut auf Danny.
Danny Fields: Ich war in L. A. und wohnte im Castle, zusammen mit Edie Sedgwick und Nico, die aus irgendeinem Grund, an den ich mich nicht mehr erinnern kann, ebenfalls in Hollywood waren. Das Castle war ein zweigeschossiges Gebäude, das irgendeiner alten HollywoodTunte gehörte, die es an Rockbands vermietete. Alle waren schon mal dort – Bob Dylan, Jefferson Airplane und die Velvets. Der Besitzer hat den Schuppen vor allem an Rockbands vermietet, weil er in einem derartig baufälligen Zustand war, dass es wirklich keine Rolle mehr spielte, was darin passierte.
Kurz bevor ich in L. A. ankam, war ich in San Francisco gewesen, um die Doors im Winterland zu hören.Als ich nach dem Konzert hinter die Bühne ging, war Morrison von einem Haufen schlampiger und hässlicher Groupies umgeben. Ich fand, dass das seinem Image schaden würde. Deshalb beschloss ich, Morrison mit Nico zu verkuppeln. Es war ein „shiddach“, was Jiddisch ist und verkuppeln bedeutet. Ich wollte, dass er Nico kennen lernt und sich in sie verliebt und dass er lernen würde, mit was für Mädchen er seine Zeit verbringen sollte. Ich meine, für mich war das eine sehr nervenaufreibende Angelegenheit. Eigentlich war es wirklich nicht meine Aufgabe, mich in so was einzumischen, aber …
Ich habe Oliver Stone noch nie besonders respektiert, aber nachdem ich seine Version der Begegnung zwischen Morrison und Nico im DoorsFilm – „Hallo, ich bin Nico, möchtest du mit mir ins Bett gehen?“ – gesehen habe, muss ich sagen, dass der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Fiktion größer nicht hätte sein können.
In Wirklichkeit sind Morrison und ich uns in meinem Büro bei Elektra in Los Angeles begegnet, und er fuhr in seinem Leihwagen hinter mir her zum Castle. Morrison ging in die Küche. Nico war bereits da, und die beiden begannen einander zu umkreisen. Dann starrten sie auf den Boden,und keiner von beiden sagte einen Ton. Sie waren beide zu poetisch, um in einem solchen Moment irgendwas zu sagen. Es war etwas sehr Langweiliges, Poetisches und Ruhiges, was sich zwischen den beiden abspielte. Sie haben auf Anhieb einen mystischen Pakt miteinander geschlossen – ich glaube, Morrison zog an Nicos Haaren und fing dann an, sich fürchterlich zu betrinken, und ich fütterte ihn mit allem, was von meinem Drogenvorrat noch übrig war und was Edie Sedgwick mir noch nicht geklaut hatte.
Damals bin ich nie ohne mein gut bestücktes Drogenköfferchen gereist. Mein Vater war Arzt, so hatte ich Zugriff auf Reds, Yellows, Blacks, Tuinal – auf alles, was das Herz begehrt. Seit ich allerdings in New York mit Edie zusammenwohnte, wurde mir sehr schnell bewusst, was für eine raffinierte Kleptomanin sie war, besonders, wenn es um Drogen ging. Edie hatte einfach einen unbestechlichen Riecher für rezeptpflichtige Drogen. Also habe ich mich, sobald ich das Castle betrat und wusste, dass mir Edie den Rücken zukehrte – sie stand mit Dino Valenti in der Auffahrt und gab ihm Abschiedsküsse –, nach oben verzogen und meine Drogenvorräte sorgfältig an einem, wie ich annahm, sicheren Ort versteckt, nämlich unter einer Doppelmatratze im hinteren Zimmer.
Als ich später nachschauen ging, waren die Vorräte, wie nicht anders zu erwarten, natürlich enorm geschrumpft. Edie hatte alles entdeckt. Also nahm ich das bisschen Acid, das sie mir noch übrig gelassen hatte, und gab es Morrison. Innerhalb kürzester Zeit war er stoned und stockbesoffen, wollte aber unbedingt mit dem Auto wegfahren.
Also zog ich den Schlüssel aus dem Zündschloss und versteckte ihn unter der Fußmatte in seinem Wagen. Ich hatte Angst, er würde in seinem besoffenen Zustand Auto fahren und sich womöglich über eine Klippe zu Tode stürzen und dass ich meinen Job bei Elektra los wäre. Immerhin wurde ich von Elektra bezahlt, und es hätte keinen guten Eindruck gemacht, den Leadsänger zu verlieren, weil ein Firmenangehöriger ihn mit Drogen voll gepumpt hat.Also kidnappte ich ihn.
Da es im Castle kein Telefon gab, saß er praktisch in der Falle. Morrison wusste, dass ich ihm die Schlüssel weggenommen hatte, aber er war so stoned … und ich bin dann irgendwann ins Bett.
Kaum war ich eingeschlafen, kam Nico in mein Zimmer gestürmt und schrie: „Hilfe, er will mich umbringen! Er will mich umbringen!“
Ich sagte: „Au, Nico, lass mich doch in Ruhe! Ich versuche zu schlafen!“
Sie schluchzte. Sie verließ mein Zimmer, und dann hörte ich sie schreien. Ich schaute aus dem Fenster auf den Innenhof und sah, dass Morrison sie nur an den Haaren riss, und ging wieder ins Bett. Dann kam David Numan, der ebenfalls im Castle wohnte, in mein Zimmer gestürmt und rief: „Nun unternimm doch mal was!“
Ich bin dann also wieder aus dem Bett. Nico stand in der Auffahrt und heulte immer noch, während Morrison im Mondschein splitternackt auf den Dächern rumturnte. Er sprang von einem Ecktürmchen zum anderen, während Nico unten heulte.
Ich legte mich wieder ins Bett, und die Lage der Dinge war: Er zog sie an den Haaren, er rannte nackt in der Gegend rum, sie schrie wie am Spieß, und ich habe für ein oder zwei Tage seinen Autoschlüssel versteckt, während er sich von seinem Drogenexzess erholte.
Selbstverständlich hasste er mich von dem Moment an, als ich ihn gekidnappt hatte.
Nico: Ich stritt mit Jim. Er fragte mich, ob ich mit ihm auf dem Dach des Castle entlanglaufen würde. Ich fragte: „Wozu denn das?“ Aber Jim wusste keine Antwort.
Das war kein positiver Akt und auch kein destruktiver; es änderte nämlich überhaupt nichts. Warum sollte ich also etwas tun, was so dermaßen sinnlos war, einfach nur, um ihm zu folgen? Das war weder spirituell noch philosophisch. Er war nur ein betrunkener Mann, der sich produzierte.
Ronnie Cutrone: Ich liebte Jim wirklich über alles, aber mit Jim durch die Bars zu ziehen war alles andere als lustig. Ich war mit ihm fast ein Jahr lang jeden Abend unterwegs. Wenn Jim ausging, lehnte er sich an die Theke, bestellte acht Screwdriver, schluckte sechs Tuinal, und dann musste er pissen. Weil er aber die restlichen fünf Screwdriver nicht einfach so stehen lassen konnte, holte er seinen Schwanz raus und fing an zu pissen, und dann kam auch schon ein Mädchen und blies ihm einen, und dann trank er die restlichen Screwdriver, nahm die übrigen vier Tuinal und pisste sich in die Hose, und dann kam Eric Emerson und brachte ihn nachhause.
Das war eine typische Nacht mit Jim. Wenn er aber auf Acid war, dann sprühte er vor Witz und war einfach großartig. Aber die meiste Zeit war er nichts weiter als ein lausiger Pillenfresser.
Ray Manzarek: Jim war ein Schamane.
Danny Fields: Jim Morrison war ein gefühlloses Arschloch, ein obszöner, gemeiner Typ. Ich habe Morrison mit ins Max’s genommen, und er hat sich aufgeführt wie ein Monster. Wie ein Schwein. Und seine Poesie war echt Scheiße. Er hat den Rock ’n’ Roll als Literatur erniedrigt. Langweiliges Scheißgebrabbel. Vielleicht hatte er ein oder zwei gute Bilder.
Patti Smith war eine Poetin. Ich glaube, sie hat den Rock ’n’ Roll zur Literatur erhoben. Bob Dylan hat ihn zur Literatur erhoben. Morrison war dagegen kein Poet. Das war nur Müll, der als Teeniescheiße verpackt daherkam. Das war vielleicht guter Rock ’n’ Roll für Vierzehnjährige.
Ich denke, dass Morrison als Person wesentlich mehr Magie und Kraft hatte als seine ganze Poesie. Er war größer als das. Er hatte definitiv mehr Sex als seine Poesie – als Performer war er viel mysteriöser, viel komplizierter und viel charismatischer. Es musste schon einen Grund dafür geben, weshalb Frauen wie Nico und Gloria Stavers, die Herausgeberin der Zeitschrift 16, so heftig in ihn verliebt waren, denn er war Frauen gegenüber immer extrem obszön.
Aber das hatte ganz bestimmt nichts mit seiner Poesie zu tun. Nein, an seiner Poesie lag es bestimmt nicht. Er hatte einen großen Schwanz, und ich denke, das war der Grund.
Gerard Malanga: Ich lief die Achte Straße entlang und hörte, wie zwei Mädchen hinter mir tuschelten.„Ist das nicht Jim Morrison?“ Hahaha. Ich hätte am liebsten gesagt: „Nein, dazu habe ich einen viel zu kantigen Kiefer.“ Ich fühlte mich ein wenig unterlegen, aber im Grunde war es mir wirklich egal.
Danny Fields: Der ultimative Rockstar ist ein Kind. Wie kann man nicht von allem, was einem begegnet, verdorben werden? Was das Leben für die meisten Rockstars bereithält, ist im Grunde nichts als Verderbtheit, Herumgestoßenwerden, Ausbeutung, Verschleiß und Ruin. Und was passiert, wenn du Fett ansetzt, wie es Jim Morrison passierte? Dann siehst du nicht mehr hübsch aus in deinem Bühnenaufzug.
Als Jim Morrison im Winter 1966 das erste Mal hier auftauchte, sah er richtig gut aus. Und auch 1967, als das erste Album erschien, sah er noch blendend aus. Da war er noch in Hochform. Ein Jahr später wurde er zum Teenageridol und legte plötzlich massiv an Gewicht zu. Seine Gene hatten leider die unangenehme Eigenschaft, alles Gewicht in seine Backen zu verlagern, wodurch seine Augen, die sowieso nie sehr groß waren, fast komplett verschwanden. Dann ließ er sich einen Bart wachsen und wurde fett, alkoholabhängig und verschlampte.
Deshalb dachte ich nur: Schickt mir jemand Neues. Serviert mir den Kopf von diesem hier auf einem Tablett. Schickt mir einen Neuen.