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KAPITEL 8: FUN HOUSE

Scott Asheton: Nachdem unser erstes Album erschienen war, bekamen wir nicht sofort die große Aufmerksamkeit, und der Verkauf ging auch eher schleppend. Aber wir hatten einen Vertrag über drei weitere Alben, und Elektra hatte beschlos­sen, dass wir unser zweites Album in ihren Studios in L. A. aufnehmen sollten.

Auf unserem zweiten Album, Fun House, haben wir versucht, wieder wie die Originalformation von unserem ersten Album zu klingen – mehr freie For­men, mehr Improvisationen –, und außerdem holten wir den Saxofonisten Steve MacKay dazu. Im Grunde genommen war es ein im Studio aufgenom­menes Livealbum.

Love und Peace spielten keine so große Rolle bei diesem Album. Es war wirklich nicht unser Ding, dafür zu sorgen, dass sich auch alle glücklich fühl­ten. Uns ging es vielmehr um das, was wirklich abging, wie langweilig diese ganze Scheiße war und was man sich tatsächlich alles bieten lassen muss.

Der Song„Dirt“ ist der perfekte Beleg für unsere damalige Einstellung.Scheiß auf all den Scheiß, wir sind Dreck, uns geht das alles total am Arsch vorbei.

Iggy Pop: Im Anschluss an die Aufnahmen in Kalifornien sind wir im April oder Mai 1970 nach Detroit zurückgekehrt, wo sich die Dinge zwischenzeit­lich verändert hatten. Die Arbeitslosigkeit vertrieb die Leute aus Detroit, die ganze Atmosphäre hatte sich verändert, und wir fingen an, harte Drogen zu nehmen.

Kathy Asheton: Als ich eines Abends das Haus betrat, saß da plötzlich ein völlig fremder Mann. Dieser Typ war buchstäblich ins Fun House eingebrochen und saß einfach da und wartete auf die Stooges. Ich dachte, dieser Typ wäre ein Groupie. Er wusste viel über die Band und ganz offenbar auch, wo sie wohnte, und er hatte es sich fest in den Kopf gesetzt, bei ihnen mitzumachen.

Im Nachhinein betrachtet war James Williamson so etwas wie eine schwarze, sich herabsenkende Wolke.

Ron Asheton: Ich habe James Williamson kennen gelernt, als wir auf der High­school einen Gig lang zusammen gespielt haben. Sein Vater, ein früherer Oberst in derArmee,wollte James von diesem ganzen Rock ’n’Roll­Zirkus fern halten und schickte ihn deshalb nach New York auf eine Schule für schwer erziehbare Kinder, denen dort Disziplin beigebracht werden sollte. Der Oberst hasste lange Haare. Deshalb durften wir sein Haus nicht betreten – aber uns immerhin auf der Veranda aufhalten.

Ich habe James erst wieder gesehen, als wir im Chelsea Hotel unser erstes Album aufgenommen haben. Wir haben ein paar Tage zusammen verbracht, aber danach war er wieder verschwunden.

Nachdem Dave Alexander bei den Stooges rausgeflogen war, wurde unser früherer Roadmanager Bill Cheatham unser neuer Bassist, der allerdings über­haupt nicht Bass spielen konnte. Ich habe ihm ein paar rudimentäre Akkorde beigebracht. Nachdem er aber bei sechs Konzerten mitgespielt hatte, wollte er lieber wieder unser Roadmanager sein.

Also ließen wir Musiker vorspielen, und dann tauchte irgendwann James Williamson zum Vorspielen auf. Ich habe hauptsächlich Power­Akkorde und ähn­liches Zeug gespielt und er eher melodische Akkorde. Er hatte mir und meinem Stooges­Stil ein wenig was voraus. Das war also optimal – ich kannte ihn bereits, und er war ein sehr guter Gitarrist. Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass er in unse­rer Band mitspielen könnte, hat er als Erstes seinen Verstärker für siebenhun­dertfünfzig Dollar verkauft. Er sagte, er würde das Geld mit uns teilen, damit jeder Geld hätte, um sich etwas zu essen zu kaufen. Also hat er das Geld aufgeteilt, und ich dachte: „Wunderbar, jetzt habe ich ein bisschen Geld bekommen.“

Dann kam Iggy mit einer seiner glorreichen Ideen und meinte: „Ihr gebt mir alle euer Geld, damit ich dafür Heroin besorgen kann, von dem ich einen Teil weiterverdealen werde, und ihr bekommt dann das Doppelte von dem zurück, was ihr mir jetzt gebt.“

Ich antwortete: „Bei dir piept’s wohl!“

Aber er ließ einfach nicht locker, und schließlich willigte ich ein:„Hier hast du die verdammte Kohle, aber lass mich jetzt in Ruhe!“

Scott Asheton: Ich war mit einem der Roadies von MC5 befreundet und bin mit ihm zu einem „Free Concert“ von Parliament/Funkadelic gegangen. Wir haben hinter der Bühne rumgehangen und einen aus der Band gefragt, ob er Lust hätte, ein bisschen Haschisch zu rauchen.

Wir sind dann in den Lastwagen von Parliament geklettert, und dieser Typ holte diese kleinen Päckchen mit dem weißen Pulver hervor.

„Ist das Koks?“

„Nein, Mann, das ist Heroin!“

Ich hatte bereits hin und wieder ein paar Linien Koks geschnupft, aber ich hatte keine Ahnung, was Heroin ist.

„Willst du mal probieren?“

„Warum nicht?“

Ich kann mich noch erinnern, wie ich danach im strömenden Regen in irgendeinem Wald stand. Ich habe versucht zu pissen, es ging aber nicht, doch ich fühlte mich trotzdem ziemlich gut.

John Adams nahm überhaupt keine Drogen – er befolgte eine streng makrobiotische Diät, rauchte nicht und trank auch keinen Alkohol. Aber für uns war er trotzdem immer noch der ältere Typ mit der dunklen Vergangen­heit. Er war früher mal Junkie gewesen, und er hatte echt was von einem Gangs­ter. Er war siebenundzwanzig und somit wirklich alt.

Als ich wieder nachhause kam und nachdem ich all diese Geschichten aus Johns Vergangenheit gehört hatte, ging ich zu ihm und erzählte ihm, was ich gemacht hatte. Ich hatte das Gefühl, ich hätte schlafende Hunde geweckt, denn er wurde plötzlich ganz aufgeregt und wollte unbedingt aus dem Haus, um Stoff zu besorgen. Und Bruder Iggy wollte plötzlich auch was.

So fing alles an.

Ron Asheton: Unser Roadmanager John Adams war früher mal Junkie und wurde dann eines Tages wieder rückfällig und hat gleichzeitig Scotty und Iggy mit hineingezogen.

Als ich irgendwann einmal mit John allein im Fun House war, rief er mich zu sich in sein Zimmer. Also ging ich in sein Zimmer, das unten im Keller war. Auf seinem Tisch lag ein weißer, ungefähr babyfaustgroßer Pulverklumpen.

„Wow, ist das Koks?“

Er hatte sich mit seiner Nase ganz dicht darüber gebeugt und schaute auf den Klumpen, und ich hatte mich mit meiner Nase ebenfalls dicht darüber gebeugt. Wir starrten beide auf das Zeug, und er sagte: „Nein, Mann.“

„Das ist aber nicht etwa Heroin?“

„Doch.“

„O Mann, so was kannst du doch nicht machen!“

Ich war ziemlich wütend, aber John reagierte überhaupt nicht auf mich. Inzwischen waren auch die anderen nachhause gekommen, und an diesem Abend haben sie gemeinsam zum ersten Mal Heroin geschnupft. Ich habe nicht mitgemacht. Ich habe immer die Finger davon gelassen.

Sie nahmen dann ab und zu mal was von dem Zeug, indem sie es einfach schnupften, und irgendwann zeigte ihnen „The Fellow“, wie wir John Adams damals nannten, wie man sich Heroin spritzt. Sie machten das heimlich und hinter meinem Rücken, weil sie wussten, dass ich was dagegen hatte. So war ich plötzlich ein Außenseiter.

Kathy Asheton: Ich bin zum ersten Mal persönlich mit Heroin in Kontakt gekommen, als Iggy mich aus einer heruntergekommenen Absteige in Romulus anrief, einer ziemlich üblen Gegend von Detroit. Er bat mich, ihm etwas Grass vorbeizubringen, das er gegen Heroin tauschen wollte. Er gab mir seine Adresse, aber erst als ich mich langsam diesem merkwürdigen Viertel näherte, realisierte ich, dass ich zu dieser heruntergekommenen Absteige fuhr. Ich klopfte an die Tür, und Iggy machte mir auf. Mein Bruder Scotty war auch da und diese schwarzen Typen mit ihren Knarren. Ich war eine der ganz wenigen, die kein Heroin nah­men und die Iggy trotzdem in seiner Nähe duldete, was sehr ungewöhnlich war, denn soweit ich wusste, akzeptierten Junkies nur andere Junkies in ihrer Nähe.

Ron Asheton: Im Fun House setzten sie sich ihre Schüsse immer nur im Apart­ment meines Bruders. Es hatte ein Schlafzimmer und ein Badezimmer und war ein optimaler Ort, um sich Heroin zu spritzen. Es hatte dunkelgrüne Fliesen,einen großen runden Tisch und eine Zimmerdecke mit billigen weißen Styroporplatten, wie man sie aus Arztpraxen kennt.Typisch Fünfzigerjahre eben.Die Wände waren schon ziemlich braun, aber am schlimmsten sahen die Styroporplatten an der Zimmerdecke aus. Blutspritzer,wohin das Auge sah.Auch auf dem Fußboden und an den Wänden waren überall große Blutflecken, denn wenn man sich die Nadel aus dem Arm zieht, nachdem man sich einen Schuss gesetzt hat,gerät immer etwas Blut in die Spritze, was man nur dadurch wieder rausbekommt, dass man es raus­spritzt. Sie haben die Wände und die Zimmerdecke ziemlich voll gespritzt. Sprrrritzzz … Blut an der Decke, Blut an den Wänden, dicke, fette Tropfen, so, als hätte jemand mit einer Wasserpistole einfach Wasser da hinaufgespritzt. Das ging eine ganze Zeit so. Die Tropfen waren allerdings nicht mehr rot,sondern aus ihnen wurden mit der Zeit hässliche braune Flecken, aber oft waren die Flecken doch rot und frisch. Das Blut tropfte auf den Tisch und auf den Fußboden, wo sie ihre Wat­tebällchen hinwarfen. Das hatte etwas so Erniedrigendes.

Im Nachhinein wünschte ich mir, ich wäre damals so mutig gewesen und hätte Fotos gemacht. Das wären bestimmt Meisterschüsse geworden. Aber mich hat das einfach zu sehr angeekelt.

Danny Fields: 1971 haben sich die Stooges auf ihr drittes Album vorbereitet. Der ehemalige Stooges­Manager Jim Silver hatte die Band verlassen, weil er zwi­schenzeitlich mit Biofutter handelte, was sich als wesentlich profitabler her­ausstellte, als die Stooges zu managen, die sich als wahre Geldvernichtungs­maschine entpuppten. Nachdem er sich nach und nach von der Band distan­ziert hatte, wurde ich de facto der neue Manager der Gruppe.

Ich habe sie per Telefon gemanagt, da ich ja in New York für Atlantic Records arbeitete. Die Stooges hatten ihre Songs für ihr drittes Album, das Raw Power heißen sollte, fertig geschrieben, und ich liebte es heiß und innig. Ich war einfach total begeistert.

Also rief ich Bill Harvey, den Vizepräsidenten von Elektra, an, der mich damals gefeuert hatte. Wir hassten einander immer noch, aber ich musste trotz­dem mit ihm in Verbindung bleiben, weil die Stooges nach wie vor bei ihm unter Vertrag waren – und ich sagte ihm, es sei Zeit, sich zu entscheiden.

Ich glaube, er wollte ohnehin keinen Gebrauch von seinem Optionsrecht machen und hörte mir nur der Form halber zu.

Ron Asheton: Dann ist Iggy aus dem Fun House in die University Towers in der Innenstadt von Ann Arbor gezogen. Das Fun House lag für Iggy und Scotty zu sehr außerhalb der Stadt. Sie hatten beide kein Auto und mussten in der Stadt wohnen, damit sie näher an ihrer Drogenconnection waren.

Iggy konnte nicht Auto fahren, was schwer vorstellbar ist, wenn man an sein Koordinationsvermögen auf der Bühne denkt. Wir hatten diesen Leih­wagen, den wir eigentlich nur ein paar Tage behalten wollten, aber Iggy behielt ihn einen ganzen Monat. Die Bullen griffen ihn auf, als er die Sharon Street mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig entlangfuhr, weil er voll auf Quaaludes war und alles Mögliche umgepflügt hatte. Also zog Iggy in die University Towers, wo es auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Biff’s gab, ein Restaurant, das rund um die Uhr geöffnet hatte. In diesem verdammten Biff’s hingen sie bis drei Uhr morgens rum, um sich ihren Stoff zu beschaffen.

Wayne Kramer: Iggy und ich haben nebenbei ein bisschen mit Drogen gedealt. Ich habe ihn mit einigen meiner Connections in Detroit bekannt gemacht, und wir haben seine Connections in Ann Arbor benutzt, um selbst ins Drogen­geschäft einzusteigen. Es kamen jede Menge Kids zu Iggy in die University Towers und kauften ihren Stoff bei ihm. Ich selbst hatte auch ein paar Con­nections. Also legten wir ein paar hundert Dollar zusammen und haben dafür Dope gekauft, eine Menge, die ungefähr neun Schuss ergab. Aber dann musste ich mit den MC5 auf Tournee gehen.

Ron Asheton: Iggy hat sich die von seinen Eltern gemopsten Schecks bei Dis­count Records einlösen lassen. Scheiße, das waren mehrere tausend Dollar. Iggy wurde schließlich von den Bullen festgenommen, aber seine Eltern haben das ganze Geld zurückgezahlt.

Wayne Kramer: Ich hatte eigentlich erwartet, dass sich mein Geld verdoppelt haben würde, als ich wieder nachhause kam, und dass mein Heroin nach dem Pyramidenschema für achtzehn Schuss reichen würde. Das war unser typischer „Lass es uns verdoppeln“­Drogendeal. Das hat allerdings nur einmal funktio­niert. Als ich das zweite Mal auf Tournee gehen musste und dann zurückkam, fragte ich meine Freundin: „Und wo sind die Drogen?“ – „Ja weißt du, Iggys Venen sind kollabiert, und er musste ins Krankenhaus, und jetzt ist kein Geld mehr da und keine Drogen.“

Also bin ich in Iggys Wohnung gegangen, weil ich gehört hatte, es gäbe dort massive Probleme. In seiner Wohnung sah es immer katastrophal aus. Als ich diesmal in seine Wohnung kam, war aber alles sauber und aufgeräumt. Seine Mutter war da gewesen und hatte seinen Saustall ausgemistet und seine Kleider zusammengelegt. Iggy hat sich tausendmal wegen des Geldes entschuldigt und gesagt, ich wäre der Erste, der sein Geld zurückbekäme …

Danny Fields: Bill Harvey und ich sind zusammen nach Ann Arbor geflogen, damit er sich das neue Material der Stooges anhören könnte. Ich hatte gedacht, dass sie so gut vorspielen würden, dass Bill Harvey gar nichts anderes übrig bliebe, als zu sagen: „Yeah, diese Band hält einfach immer, was sie verspricht.“

Ich war einfach nur stolz und froh.

Ron Asheton: Ich habe Bill Harvey Ohrenstöpsel gegeben, die er sich reintun sollte, während wir gespielt haben. Er versuchte, nett und freundlich zu sein, aber er fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner Haut.

Danny Fields: Wir sind zurück in unser Motel in Ann Arbor, und ich strahlte förmlich und fragte: „Und?“ Bill Harvey antwortete: „Ich habe ehrlich gesagt überhaupt nichts gehört.“ Das war der Augenblick, in dem die Stooges von Elektra fallen lassen wurden.

Ich war entsetzt. Ich dachte, Raw Power wäre genial.„Search And Destroy“ war einer der besten Rock ’n’Roll­Songs aller Zeiten. Daran konnte man ein­fach nichts mehr besser machen.

Ich glaube, Bill Harvey wollte diese Band einfach nicht, weil er glaubte, sie wären nicht kommerziell genug. Womit er auch nicht Unrecht hatte – sie waren kommerziell nicht erfolgreich. Sie haben nie irgendwelche Platten verkauft. Ich dachte, sie würden die Investition um der Kunst willen machen. Ich dachte, dass das Publikum diese großartige Musik vielleicht eines Tages entdecken würde, wenn man einfach nur weiterhin ihre Platten produzierte und an sie glaubte. Und ironischerweise muss ich zugeben, dass er Recht hatte, denn mehr als zwanzig Jahre später klingt Raw Power immer noch sehr avantgardistisch.

Also musste ich Iggy mitteilen: „Sie haben euch von der Liste gestrichen.“

Er antwortete: „Das kann ich einfach nicht glauben. Wir haben so groß ­artig gespielt, und die Songs waren so großartig.“

„Das fand ich auch, aber was willst du machen? Sie wollen euch einfach nicht.“

Bill Cheatham: Ronny bekam einen Anruf von einem Typen von der Steuer­behörde, der ihm mitteilte, dass die Band noch eine Menge Steuerschulden hätte. Ronny antwortete: „Davon weiß ich nichts.“

Der Typ von der Steuer meinte, dass es dann wohl am besten sei, wenn sie der Sache einmal nachgingen.

Also sagte Ronny: „Hören Sie, Mann, wir sind alle drogenabhängig. Wir haben keine Ahnung, wo das Geld geblieben ist.“

Der Mann vom Finanzamt sagte nur: „Oh“, und legte auf. Die Stooges haben nie wieder was vom Finanzamt gehört.

Danny Fields: Iggy zu managen war die Hölle. Wir waren in New York und die Stooges in Detroit, und kein Mensch konnte mit Geld umgehen. Es war tat­sächlich überhaupt kein Geld da. Die Plattenfirma unterstützte sie nicht, Plat­ten verkauften sie auch nicht, und außerdem hatte Iggy ein Drogenproblem.

Die Alice Cooper Band und die Stooges traten mal zusammen in einer Show auf und kassierten pro Nacht eintausendfünfhundert Dollar. Kurz vor dem Auftritt suchten die Typen von Alice Coopers Band, professionell, wie sie waren, nach einem Spiegel, um sich die Augen zu schminken – und dann muss­ten wir Iggy suchen.

Als ich ihn fand, lag er vor der Kloschüssel und hatte eine Nadel im Arm. Ich musste die Nadel rausziehen, das Blut spritzte überallhin, und ich schlug ihm immer wieder ins Gesicht und rief: „Die Show fängt jetzt an!“

War das lustig? Und wie …

Dee Dee Ramone: Ich habe Iggy zum ersten Mal im Juni 1971 beim Stooges­Konzert im Electric Circus am St. Mark’s Place gesehen. Sie haben sehr spät angefangen zu spielen, weil Iggy keine Venen mehr finden konnte, um sich einen Schuss zu setzen, da seine Arme bereits total zerstochen waren. Er war stocksauer und wollte nicht aus der Toilette rauskommen. Also mussten wir warten.

Iggy Pop: Ich war hinter der Bühne und suchte eine Vene und schrie jeden an: „Verpisst euch! Verpisst euch!“ Sogar meine Freunde, die alle dachten:„O Gott, jetzt kratzt er ab.“ Bla, bla, bla.

Schließlich bin ich dann doch auf die Bühne, und sobald ich auf der Bühne rumlief, merkte ich, was los war – dass ich einfach nur kotzen musste. Ich wollte die Bühne trotzdem nicht verlassen, weil ich das Gefühl hatte, ich würde das Publikum im Stich lassen.

Dee Dee Ramone: Dann kam die Band schließlich auf die Bühne, und Iggy schien sehr aufgeregt. Er war am ganzen Körper mit silberner Farbe angemalt und trug nur eine Unterhose. Er war von Kopf bis Fuß angemalt, sogar die Haare. Seine Haare und Fingernägel waren golden. Und irgendjemand hatte ihn mit Glitzer besprüht. Sie spielten immer wieder den gleichen Song, der nur drei Akkorde hatte, und er sang immer wieder denselben Text: „I want your name, I want your number.“

Dann schaute Iggy ins Publikum und sagte:„Ihr Leute macht mich krank!“

Und dann musste er kotzen.

Leee Childers: Geri Miller saß wieder einmal in der ersten Reihe. Sie hatte diese schreckliche Piepsstimme, saß in der ersten Reihe und schrie immer wieder: „Kotz doch! Kotz endlich! Wann kotzt du endlich?“ Und dann tat er es! Er kotzte. Iggy hat sein Publikum eben niemals enttäuscht.

Iggy Pop: Es war alles sehr professionell. Ich glaube nicht, dass ich jemanden getroffen habe.

Russell Wolensky: Ich saß in der ersten Reihe und habe was von der Kotze abgekriegt. Iggy hat mich an der Schulter getroffen.

Ron Asheton: Ich war Iggys Kotzerei ja schon lange gewöhnt. Er ist normaler­weise immer hinter den Verstärker gegangen, um es vor dem Publikum zu ver­bergen, aber inzwischen wusste jeder, was er da tat. Es war so erniedrigend …

Ich habe es irgendwann aufgegeben, irgendwas zu sagen, weil mir ja sowieso niemand zugehört hat. Ich meine, kurz vor dem Gig haben sie meine original Prä­CBS­Stratocaster mit nach Harlem genommen und sie dort gegen Heroin im Wert von vierzig Dollar getauscht. Mir sagten sie, sie wäre geklaut worden. Das hat mir das Herz gebrochen, Mann. Jahre später hat mir mein Bru­der Scotty erzählt, was wirklich gelaufen ist. Und ich habe mir damals während unseres Gigs im Electric Circus gesagt, dass ich die Schnauze voll habe …

Danny Fields: Irgendwann begann meine Beziehung zu den Stooges total zu bröckeln. Ich musste sie aus Hotels auslösen und meinen privaten Bankkredit für sie aufs Spiel setzen. Ich konnte mir das einfach nicht mehr leisten. Bei mir kam kein Geld mehr rein. Es ging das Gerücht, dass sie am Wochenende Tank­stellen überfielen, damit sie wenigstens ihre Miete bezahlen konnten, dass ihr Haus bald abgerissen würde und dass dort, wo das Fun House stand, eine Auto­bahn gebaut werden sollte. Und dann kam morgens um vier dieser Anruf von den Stooges, die mir mitteilten, sie wären soeben in Ann Arbor mit einem vier Meter zwanzig hohen Lastwagen unter eine vier Meter hohe Brücke gefahren.

Ron Asheton: Die Washington Street Bridge – die hat so viele Laster gefres­sen. Scotty saß am Steuer. Er fuhr ungefähr sechzig Stundenkilometer – und RUMMS! Das hat glatt das Dach abrasiert … hat einfach das Dach vom Last­wagen abgeschält.

Ich war im Fun House, als das Telefon klingelte: „Waaaas?“

Ich bin sofort ins Krankenhaus, und man weiß ja, wie diese Kranken­schwestern an der Rezeption so sind. Die rücken einfach nicht raus mit der Sprache. Alles, was sie sagte, war: „Alle befinden sich in einem kritischen Zustand, mehr kann ich im Moment nicht sagen.“

„O Mann.“

Also bin ich zu der Brücke gegangen. Der Lastwagen war völlig hinüber. Dann bin ich ins Krankenhaus zurück. Da saßen sie, die beiden Roadies Larry und Jimmy und mein Bruder Scotty.

Sie sahen immer noch genau so aus wie drei Stooges – Larry hatte Zahn­lücken, mein Bruder eine genähte Zunge, und Jimmy war von oben bis unten bandagiert. Also bin ich mit Larry und Scotty nachhause gefahren, und plötz­lich sagte Larry: „Fahr mal zu der Brücke zurück!“

„Wie bitte, spinnst du? Okay …“

Als wir dort ankamen, sprangen sie aus dem Auto und fingen an, das Unkraut zu durchstöbern. In dem Moment fand ich heraus, dass sie Speed gefressen hatten und völlig high waren. Als die Bullen angerückt waren, hatten sie das Tütchen mit dem Amphetamin aus dem Autofenster geschmissen. Also mussten wir noch einmal zurück und das Zeug suchen.

Ich sagte nur: „Ihr Vollidioten habt ja wohl total den Verstand verloren.“

Scott Asheton: Mir hat keiner gesagt, dass der Laster drei Meter achtzig hoch ist und die Brücke nur drei Meter zwanzig. Ich wurde aus dem Lastwagen geschleudert und bin ungefähr zwei Meter weit geflogen. Einer ist auf das Arma­turenbrett geknallt und hat sich alle Zähne ausgeschlagen. Er war bewusstlos. Und der andere ist gegen die Windschutzscheibe geknallt und hatte ein riesiges Loch in seinem Kopf und ist blutüberströmt durch die Gegend gerannt. Und ich war mir ziemlich sicher, dass der andere Typ tot war.

Ich sagte immer nur: „O nein, o nein“, und wusste eigentlich immer noch nicht so genau, was passiert war, und dann drehte ich mich um und sah, dass der Lastwagen einfach nicht unter der Brücke durchgepasst hatte.

Also spielten sie ihren Gig an diesem Abend ohne mich. Sie haben mir mein Kinn mit sechs Stichen genäht, aber den Stich, den sie mir in meine Zunge verpasst haben, werde ich nie im Leben vergessen. Das war der schrecklichste Schmerz, den ich je erlebt habe. Ich dachte, ich drehe durch. Ich dachte, ich kratze ab. Wenn man sich diese Brücke heute anschaut, sieht man immer noch die Spuren. Die Brücke ist immer noch im Arsch.

Danny Fields: Sie haben den Laster zu Schrott gefahren, sie haben die Instru­mente, die wir nur gemietet hatten, zu Schrott gemacht, und sie haben die Brücke zu Schrott gemacht. Also wurden sie vom Lastwagenbesitzer verklagt, vom Besitzer der Instrumente und von der Stadt Ann Arbor. Und von mir woll­ten sie um vier Uhr morgens wissen, was ich jetzt unternehmen würde.

Was ich unternommen habe? Ich bin wieder zurück ins Bett gegangen.

Bill Cheatham: Irgendwann schuldete Scotty Asheton dieser Motorradgang einen Haufen Geld, und sie waren natürlich hinter ihm her. Scotty schuldete ihnen das Geld, aber wir rechneten auch damit, dass sie zu uns kommen und uns den Arsch aufreißen und unsere Instrumente klauen und die Bude verwüs ­ten würden.

Es herrschte eine Art Belagerungszustand, und wir haben das Fun House buchstäblich in eine Festung verwandelt. Die Fenster im Erdgeschoss haben wir mit Sperrholz zugenagelt, und wir haben uns bis an die Zähne bewaffnet. Wir hatten viele Waffen – Schrotflinten, Pistolen und Gewehre, wirklich alles.

In den ersten paar Tagen haben wir uns beim Wacheschieben abgewech­selt. Scotty hatte beschlossen, dass er im Moment nicht so gern in diesem Haus wohnen wollte. Er kam nur ab und zu zum Üben und dann verpisste er sich wieder. Aber die Sache war die, dass wir, um ins Haus reinzukommen, das Poli­zeischloss herausreißen und wieder neu montieren mussten, wenn wieder jemand reinwollte. Dadurch wurde die Tür mit der Zeit immer löchriger.

Nach ungefähr vier Tagen kam Scotty wieder zurück. Die Biker ließen sich niemals blicken, und uns juckte es irgendwie in den Fingern, endlich mal unsere Knarren zu benutzen.„Verdammt, ich würde dieses Ding zu gern mal benutzen.“

Wir saßen auf dem Sofa, und gegenüber vom Sofa hing ein Bild von Elvis. Scotty starrte ständig auf das Bild. Schließlich spannte er den Hahn seiner Schrotflinte und RRUMMSS, verpasste er Elvis ein Loch. Dann eröffnete auch ich das Feuer, und wir fingen an, die Wand zu durchsieben.

Plötzlich hörten wir diese lauten Schreie: „Hört auf zu schießen! Hört sofort auf zu schießen!“

Wir wussten nicht, dass John Adams unten im Keller war und geschlafen hatte. Er kam herauf, von unten bis oben in Gips, sah uns und fing an zu zetern: „Was zum Teufel geht hier ab?“

Nachdem wir herausgefunden hatten, dass die Stadt das Gebäude abreißen wollte, haben wir uns gesagt: „Ach, scheiß drauf“, und das Haus regelrecht zusammengeschossen.

Aber Ronny blieb bis zum bitteren Ende.

Ron Asheton: Nachdem wir bei Elektra rausgeflogen waren, kam Danny nach Ann Arbor zurück, weil er all diese schrecklichen Junkiegeschichten gehört hatte. Es war in meinem Apartment, als Danny John Adams gefeuert hat. Wir haben zu all dem nichts gesagt, weil wir ihn sehr gern hatten. Wir wussten aller­dings nicht, dass John Adams im ganzen Land mit Dope dealte. Ich hätte viel zu viel Schiss gehabt, um mit ihm zu fliegen. Und kurz nachdem er John raus­geschmissen hatte, sagte Danny, dass er am Ende wäre und nicht mehr weiter­machen könnte.

Danny Fields: Es wurde unhaltbar. Ich hatte die Sache nicht mehr im Griff. Sie waren stoned, ich wahrscheinlich auch, und ich sagte bloß: „Ich kann so nicht weitermachen.“

Mir wuchs das alles über den Kopf. Ich brauchte einen anständigen Job. Also fing ich an, für das Magazin 16 zu arbeiten.

Please Kill Me

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