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KAPITEL 3: THE MUSIC WE’VE BEEN WAITING TO HEAR

Steve Harris: Mit dem Erfolg der Doors­Single „Light My Fire“ trat Elektra Records in einen regelrechten Wettbewerb ein, weil wir dadurch genügend Ein­fluss hatten, auch andere Bands unter Vertrag zu nehmen. Wir waren plötzlich nicht mehr das kleine feine Folklabel.

Danny Fields: Bob Rudnick und Dennis Frawley hatten im East Village Other eine „Kocaine Karma“ betitelte Kolumne, und die beiden überhäuften mich gnadenlos mit ihrer Werbung für diese Band aus Detroit, MC5, was „The Motor City Five“ bedeutete.

Rudnick und Frawley lagen mir ständig in den Ohren:„Du musst dir unbe­dingt diese Band anhören! Du musst diese Band unter Vertrag nehmen! Das ist die großartigste Band! Sie sind unglaublich populär! Die verkaufen den Grande Ballroom aus! Die verkaufen den gesamten Mittleren Westen aus! Das ist nicht einfach nur eine Band, das ist ein Lebensstil!“

Und MC5 wurden tatsächlich zur Legende, weil sie als einzige Band wäh­rend der Ausschreitungen der Democratic National Convention in Chicago gespielt haben. Sogar Norman Mailer hat über sie geschrieben.

Wayne Kramer: Als die jungen Gauner, die wir damals waren, haben wir von MC5 schon sehr bald geschnallt, dass dieses Hippiezeug einiges bewegen würde. Und dass es was Großes würde, weil all diese Kids aus den Vorstädten nach Detroit kamen und angezogen waren wie Hippies auf einem Wochenendaus­flug. Uns war klar, dass wir es nur schaffen konnten, diese Hippies für uns zu begeistern, wenn es uns gelingen würde, auch den Oberhippie zu begeistern, und dieser Oberhippie war John Sinclair.

Sinclair hatte sechs Monate wegen Drogenbesitz in einer Besserungsanstalt in Detroit abgesessen, und seine Knastentlassungsparty wurde das kulturelle Sommerereignis schlechthin. Wir waren auch eingeladen und mussten den gan­zen Tag auf unseren Auftritt warten. Zuerst waren diese ganzen dichtenden Dichter und tanzenden Tänzer dran, deshalb konnten wir erst um vier Uhr morgens auftreten. Und dann drehten wir unsere Einhundert­Watt­Verstärker auf volle Lautstärke und dröhnten all diese Hippies und Beatniks voll. Denen war es scheißegal, was man gespielt hat – die Hippies tanzten zu was auch immer. Und dann, mitten in einem Set, als wir einen Song zu Ehren von John Sinclair gespielt haben, kam seine Frau und stellte uns einfach den Saft ab.

Unsere Beziehung zu John hatte also auf einer üblen Note begonnen. Er hatte eine Kolumne in einer lokalen Underground­Zeitschrift und schrieb in seinem Artikel über uns:„Was ist bloß los mit diesen Jive­Rock ’n’Rollern? Wieso hören die keine vernünftige Musik? Zum Beispiel von Sun Ra oder John Coltrane?“ Das habe ich mir entschieden verbeten. Ich bin zu ihm nachhause gegangen und hab ihm gesagt: „Hey, Mann, was soll dieser Blödsinn? Wir gehö­ren auch zu dieser Gemeinschaft, und wir wissen sehr wohl, wer John Coltrane ist, und wir brauchen einen Platz zum Üben. Können wir den Artist Workshop nicht auch benutzen?“ Also rauchten wir einen Joint, und die Sache war geritzt.

Danny Fields: 1968 hatte sich die Stimmung im Land sehr verändert. Ich habe meinen Ohren nicht getraut, als Präsident Lyndon B. Johnson am Abend ver­kündete: „Ich will nicht suchen, ich will nicht weglaufen.“ Ich meine, wen sollte man denn jetzt noch hassen? Klar, danach formierte sich die Chicago Demo­cratic National Convention …

John Sinclair: Wir haben darauf bestanden, dass wir 1968 beim Festival of Life während der Democratic Convention in Chicago auftreten konnten. Wir waren diese erfolgshungrige Band aus Detroit – wir wollten bekannt werden, wir woll­ten Aufmerksamkeit, wir wollten einen Schallplattenvertrag, um es auf den Punkt zu bringen.

Gleichzeitig wollten wir aber dazugehören, weil sich all das absolut mit unserer eigenen Weltsicht deckte. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, sagten wir uns: Wenn wir dort auftreten, können wir Teil des Festival of Life sein und treffen sogar möglicherweise noch irgendwelche Journalisten, die über uns schreiben. Vielleicht wird ja sogar Norman Mailer auf uns aufmerksam!

Wayne Kramer: Ungefähr eine Stunde vor unserem Auftritt kamen ein paar Typen auf uns zu und boten uns Haschischplätzchen an: „Esst aber bitte nur eines, sie sind nämlich sehr stark.“ Deshalb aßen wir natürlich jeder nur eines, aber irgendwann haben wir uns alle vier oder fünf von diesen Dingern geteilt: „O ja, lass mich auch noch mal abbeißen, ich merke nämlich überhaupt nichts, merkst du was? Nein, überhaupt nichts. Ich brauch noch mehr.“

Als es dann Zeit für unseren Auftritt war, merkte ich plötzlich, wie mir das Zeug einfuhr. Ich war total stoned. Ich glaube, wir spielten gerade unseren Song „Starship“ und waren mitten in dieser Spacemusik drin und redeten über den Krieg und den menschlichen Rasenmäher und so weiter, und auf einmal ratter­ten die Chicagoer Polizeihubschrauber über unseren Köpfen.

Sie kamen immer tiefer, direkt auf uns zu, und das Geräusch der Hub­schrauber passte perfekt zu meinem Gitarrenspiel – ja, Mann, das war wirk­lich perfekt, waaaaahhhhh!

Im Publikum gab es jede Menge Agents provocateurs von der Polizei, und die fingen plötzlich an, Schlägereien anzuzetteln und die Leute rumzuschubsen – Typen in diesen Armyjacken mit kahl rasierten Schädeln und Sonnenbrillen. Das sorgte sofort für schlechte Vibes. Und diese ganze Aktion machte für mich absolut Sinn.

Stoned, wie ich war, machte es für mich absolut Sinn. Das passte perfekt ins Bild.

Dennis Thompson: Als ich all diese Bullen sah, ging mir nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: Herr im Himmel, wenn das hier die Revolution sein soll, sind wir aber verloren. Ich dachte, das war’s jetzt wohl. Ich schaute über meine Schulter und sah keinen einzigen Bus von den anderen Bands.„Hey, John Sinclair, wo sind denn all die anderen?“

Das war wie Custer und die Indianer – „Wo ist die Kavallerie?“ Es war keiner da! Ich dachte, außer uns wären noch andere Bands hier! Wo ist Janis Joplin? Sie sollte doch auch hier sein, sie wollte uns doch das Bier mitbringen … Au, Scheiße!

Es müssen an die vier­oder fünftausend Kids gewesen sein, die da im Lin­coln­Park rumsaßen. Wir haben ungefähr fünf oder sechs Songs gespielt, und plötzlich kam berittene Polizei mit Schlagstöcken in den Park gestürmt. Der gesamte Park war von Polizisten umstellt. Im wahrsten Sinn des Worts umstellt – mit Helikoptern und allem, was dazugehört.

John Sinclair: Abbie Hoffman stieg auf die Bühne, schnappte sich das Mikro­fon und stimmte eine Art Rapgesang an über „die Schweine“ und „die Belage­rung Chicagos“.

Ich sagte: „Nein, meine Lieben, das verheißt nichts Gutes“, und irgendwie versuchte ich den anderen zu signalisieren:„Lasst uns verdammt noch mal zuse­hen, dass wir hier wegkommen.“

Die Roadies begannen fieberhaft, alles einzupacken, alles, außer dem Mikro­fon, das Abbie benutzte. Schließlich sagten sie: „Also, Abbie, tut uns leid, aber es geht leider nicht anders … wir sollten ganz schnell von hier verschwinden.“

Wayne Kramer: Wir sind mit unserem Transporter einfach direkt an die Bühne gefahren und haben die ganze Scheiße hineingeschmissen. Ich war total bekifft und wusste, dass in der Minute, in der wir zu spielen aufhören würden, die Kra­walle losgehen würden. Das hatten wir bereits mehr als einmal beobachten kön­nen – wir wussten, dass die Menge jetzt nichts mehr hätte, worauf sie sich hätte fokussieren können, sobald wir aufhören würden zu spielen, und dass im Hand­umdrehen die Krawalle losgehen würden. Und so war es dann auch.

John Sinclair: Ich drehte mich um und sah, wie dieses Heer von Polizisten auf das Publikum losstürmte. Wir sind mit unserem Transporter quer über die Wiese gefahren und haben uns nicht um irgendwelche Wege gekümmert, weil wir einfach nur so schnell wie möglich zum Ausgang wollten.

Dort stand der Wagen der Gruppe Up, die aus Ann Arbor angereist war, und wir sagten ihnen, dass sie so schnell wie möglich wieder umkehren müssten.

Wir konnten zum Glück entkommen, hahaha. Wir sind schnurstracks nachhause gefahren. Aber danach gehörten wir irgendwie dazu.

Aber trotzdem war ich immer froh, dass wir aus Chicago flüchten konnten und unsere Instrumente heil geblieben sind, weil wir ja schließlich weiterhin Musik machen mussten – wir hatten ja nicht vor, in den nächstbesten Flieger zu steigen, um im nächsten College für fünftausend Dollar eine Rede zu halten, sondern wir fuhren zurück nach Michigan, um für zweihundert Dollar in irgendwelchen Teenieclubs aufzutreten.

Dennis Thompson: Chicago hätte eigentlich ein Ort der Solidarität sein sollen, verdammt noch mal. So was schimpft sich also Alternativkultur? Das kann ja wohl nicht sein. Wo waren denn all die anderen Bands?

Außer uns hat sich dort niemand blicken lassen. Das war’s, was mich am meisten angekotzt hat. Mir war klar, dass die Revolution in diesem Augenblick vorüber war – ich schaute über meine Schulter, und keine Sau war da! Wir waren diejenigen, die an den Galgen geliefert werden würden. Ich sagte: „Das war’s denn wohl. Es gibt keine Revolution. Die existiert nicht. Das ist alles Blöd­sinn. Die Bewegung ist tot.“

Danny Fields: Am ersten Herbstwochenende 1968 habe ich mich auf den Weg gemacht, um die Jungs von MC5 zu treffen. Sie haben mich am Flughafen abge­holt, und dann sind wir zu ihnen nachhause gefahren. Ich war einfach nur ver­blüfft. So etwas hatte ich vorher noch nicht erlebt. John Sinclair, der Manager von MC5, sprühte vor Charme, Energie und Intellekt. Und dann sein Aussehen und seine Statur – er war einer der beeindruckendsten Menschen, die mir je begegnet sind. Und dann dieses Haus!

Wayne Kramer: Kurz bevor die Krawalle in Chicago losgingen, sind wir 1967 wegen der Rassenunruhen in Detroit nach Ann Arbor umgezogen. Es war wirk­lich beängstigend. Ich lebte in einer Wohnung an der Ecke Second und Alexan­drine, und die ersten Morde passierten direkt in der Nachbarschaft. Die gingen allesamt auf das Konto der Polizei. Die Bullen sind einfach durchgedreht und haben eine Woche in der Gegend rumgeballert – und dabei vierzig oder fünf­zig Leute abgeknallt.

Danach war die Scheiße ziemlich am Kochen. Ein paar unserer Freundin­nen wurden vergewaltigt, und uns wurden ein paarmal unsere Instrumente geklaut. Immer wenn wir in unseren Übungsraum gegangen sind, war die Tür bereits aufgebrochen, und es waren drei Gitarren weniger da. Also sind wir in zwei Studentenwohnheime in Ann Arbor gezogen.

Danny Fields: In diesen Studentenwohnheimen ging es zu wie in einer Wikin­gerkommune. In jedem Haus gab es ungefähr einhundert Schlafzimmer, und jedes dieser Schlafzimmer war von seinen Bewohnern auf fast schon psyche­delische Art ausgestattet worden. Matratzen auf dem Fußboden, indische Tücher von den Decken, eben der typische Sechzigerjahre­Scheiß. Der Keller war gerammelt voll mit Druckerpressen, es gab Designstudios, Workshops und Dunkelkammern. Eine Menge Propagandaplakate wurde unten in der Drucke ­rei hergestellt. Und überall lagen rote Bücher herum. Mao­Bibeln, wohin das Auge sah. Ohne Mao­Bibel warst du nur ein halber Mensch. Es gab sie in allen Größen. und sie waren überall im Haus verstreut.

Wayne Kramer: In diesem Haus floss die Selbstgerechtigkeit in Strömen. Und tatsächlich war „Gerechtigkeit“ ein Begriff, den alle bei allen Gelegenheiten in den Mund nahmen.„Das ist nicht gerecht, Mann … Nein, das ist wirklich nicht gerecht, Mann …“

Uns kam dieses Wort total ätzend vor, und wir wollten uns da in nichts hin­einziehen lassen. Wir wollten etwas anderes, vor allem wollten wir nicht in aller Herrgottsfrühe aufstehen, und wir wollten auch keinen richtigen Job.

Es war immer dasselbe. „Dies ist ätzend, das ist ätzend, dies ist komisch“ oder „Das macht aber überhaupt keinen Spaß“. Bei einer Burger­Kette wie Big Boy zu arbeiten machte überhaupt keinen Spaß, in einer Band zu spielen machte Spaß, zu Dragster­Rennen zu gehen machte Spaß, mit dem Auto durch die Gegend zu heizen und Bier zu trinken machte Spaß. Es spielte sich irgend­wie alles auf einer gefühlsmäßigen Ebene ab – das war die Ebene unserer Poli­tik –, wir wollten für unser Dasein andere Wege einschlagen.

Unser politisches Programm bestand folglich aus Drogen, Rock ’n’ Roll und Sex im Freien. Das war unser ursprüngliches politisches Dreipunkteprogramm, das sich später auf ein Zehnpunkteprogramm ausweitete, als wir vorgaben, seriös zu sein. Dann riefen wir die White Panther Party ins Leben, was ursprünglich der MC5­Fanklub war. Ursprünglich nannte der sich The MC5’s Social and Ath­letic Club. Dann hörten wir von den Black Panthers und dass die Revolution dem Untergang geweiht war, deshalb dachten wir: „Oh, dann sollten wir das in White Panthers umbenennen.“ Also waren wir fortan die White Panthers.

Danny Fields: Auf der einen Seite existierte eine Politik aus Revolution und Gleichheit und Freiheit, auf der anderen Seite gab es die Frauen, die den Mund nicht aufmachten und lange Kleider trugen und den ganzen Tag am Herd stan­den, um Riesenfleischmahlzeiten zuzubereiten, die dann den Männern gebracht und serviert wurden – die sie dann allein aßen.

Männer und Frauen aßen nie zusammen an einem Tisch. Die Männer aßen entweder vor oder nach einem Gig. Wenn sie nachhause kamen, schlugen sie mit der Faust auf den Tisch wie die Höhlenmenschen. Und die Frauen ver­hielten sich ruhig. Man erwartete auch keinen Protest von ihnen. Man erwar­tete von den Frauen, dass sie ihre Männer stillschweigend bedienten.

Kathy Asheton: John Sinclair war ein Schwein. Er hat MC5 buchstäblich in Beschlag genommen und sie für seinen politischen Müll missbraucht. Sie sind wirklich in diesen ganzen Bruder­und­Schwester­Scheiß hineingezogen wor­den, was zwar gut war für irgendwelche Liveauftritte, aber ansonsten …

Ich konnte das nie ernst nehmen. Meine Brüder und Iggy ebenso wenig, und es hat sich sehr bald gezeigt, dass sich zwischen den Stooges und den MC5 eine Kluft gebildet hatte. MC5 waren zwar immer noch eine gute Band, aber sie waren längst nicht mehr so witzig wie früher. Sie waren regelrecht chauvinis­tisch geworden. Ich hatte mit diesem Leben als Dienstmagd definitiv nichts am Hut, aber das war genau das, wovon sich alle so angezogen fühlten. Ich habe um all diese Mädchen vom Trans­Love einen riesengroßen Bogen gemacht. Diese Mädchen waren alle dermaßen unterwürfig, dass einem das Kotzen kommen konnte. Bei mir hingegen war das Partyfieber ausgebrochen, und ich habe mich immer aufgebrezelt für die Nacht, während diese Mädchen auf ihren Knien rumrutschten und die Fußböden schrubbten. Meiner Meinung nach waren sie ziemlich krank im Kopf, dass sie so etwas mit sich machen ließen.

Wayne Kramer: Wir waren sexistische Bastarde. Wir waren nicht die Spur poli­tisch korrekt. Wir haben nur ständig die entsprechende Rhetorik angewendet und behauptet, dass wir revolutionär, modern und anders wären, aber in Wirk­lichkeit ging es uns nur darum, dass die Jungs die Mädchen ficken konnten und dass die sich hinterher nicht beklagten.

Und falls sich die Mädchen hinterher doch beklagten, wurden sie als bour­geoise und konterrevolutionäre Hexen abgestempelt. Wir haben uns wirklich wie die Arschlöcher aufgeführt.Wir haben es mit der freien Liebe ausprobiert,und als das nicht funktioniert hat, haben wir wieder den traditionellen Weg eingeschla­gen:„Nein, Liebling, ich habe unterwegs mit niemandem gevögelt. Und übrigens, ich muss zu einem Arzt für Geschlechtskrankheiten.“ Was das anging, war ich in unserer Band der Vizeweltmeister. Ich glaube, ich habe mir neunmal einen Trip­per eingefangen. Aber Dennis hat mich geschlagen – er hatte zwölfmal einen.

Danny Fields: Klar, ich dachte, diese Männerbündnisse wären sexy. Das war eine Welt, die ich vorher nicht kannte. Sicher, es gab da diesen Mythos, der durch den Beatles­Film Help entstanden war, wo man dachte, sie würden alle zusammen in diesen miteinander verbundenen Häusern wohnen. Bei unserer Band war es aber tatsächlich der Fall!

Also dachte ich, das wäre total verwegen. Ich dachte nur, sie wären die ero­tischsten Typen, die mir je begegnet sind. Ich dachte einfach nur, das ist ziem­lich verschroben! Ich meine, es gab da einen Verteidigungsminister, der mit einem Gewehr rumlief! Und der so ein Kugelding trug – einen Patronengurt! Mit echten Kugeln drin! Ich habe vorher noch nie einen Mann gesehen, der einen Patronengurt trägt. Sogar die Mädchen trugen so ein Teil. Und meinten es vollkommen ernst!

Wayne Kramer: Eines Tages lief ich auf unser Haus zu und ich hörte nur KABUMM! Und kurz darauf dieses Sirenengeheul nur ein paar Häuserblocks entfernt. In diesem Augenblick kam John Sinclairs Freund Pun auf seinem Fahr­rad angefahren und umarmte seine Freundin Genie auf zünftig revolutionäre Art.

Pun war ein harter Bursche. Er war gerade wegen Drogenbesitz aus dem Knast entlassen worden und war auch sonst ziemlich ruppig. Pun benutzte stän­dig diese Linke­Flügel­und aktuelle Ersatzpolitik­Rhetorik. Er wurde der Ver­teidigungsminister der White Panther Party.

Ich fragte Pun: „Was hast du da gerade in die Luft gejagt?“ Er flüsterte:„Die CIA.“

„Mach nur weiter so! Alle Macht dem Volk!“

Er hatte eine Bombe in das Rekrutierungsbüro der CIA in der University of Michigan geschmissen. Getötet wurde niemand. Die Bombe hatte nur ein Loch im Bürgersteig und viele verstörte Leute zurückgelassen.

Iggy Pop: John Sinclair sagte immer: „Man muss sich mit den Leuten zusam­mentun!“ Es war immer dasselbe. AAAACH, DIE LEUTE? O Mann, was soll der Scheiß? Hau bloß ab mit so einem Blödsinn! Die Leute scheißen drauf.

Aber Sinclair sagte dauernd: „Wir wollen die Jugend politisieren!“ Doch die Kids sagten bloß: „WIE BITTE? Gib mir lieber was zu Kiffen.“ Ihnen ging das am Arsch vorbei. So sah das nämlich in Wirklichkeit aus.

John Sinclair: Lumpenhippies. So sahen unsere Leute aus. So war die White Panther Party. Wir waren das Sprachrohr der Lumpenhippies, genauso, wie die Blank Panther Party das Sprachrohr des Lumpenproletariats war – besser gesagt: das Sprachrohr der Arbeiterklasse ohne Arbeit.

Meine Texte, die ich damals verfasste, waren haargenau auf die Lumpen­hippies zugeschnitten, bis zu dem Punkt, wo meine Arbeit von den etwas bele­seneren Arschlöchern, die aus dem SDS kamen, lächerlich gemacht wurde. In deren Augen waren wir die letzten Hampelmänner.

Iggy Pop: In puncto Selbstironie gingen MC5 sogar noch einen Schritt weiter. Sie waren nämlich eine Parodie. Sie führten sich nämlich auf wie schwarze Schlägertypen mit Gitarre. In Detroit war es der Traum der weißen Kids, ein schwarzer Schlägertyp mit Gitarre zu sein und auch wie einer zu spielen.

Die Stooges waren ja genauso – ein ziemlich niederträchtiges Pack, das aber sehr gut miteinander umging. Ich kann nicht beurteilen, wie politisch engagiert MC5 tatsächlich waren, aber möglicherweise habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Mich interessierte viel mehr, ob sie ihre Erdnussbutter mit mir teilen würden.

Ja.

Und manchmal musste ich drei oder vier Kilometer zu Fuß zum Trans­Love­Haus latschen, um mir dort ein Sandwich zu organisieren, und da habe ich nie zu hören bekommen: „Lass die Finger von unseren Sandwiches.“ Und ihre Freundinnen haben mir sogar meine Hosen geflickt.

Das waren wirklich sehr angenehme Zeitgenossen – ein Haufen netter Menschen, deren Gesellschaft man sehr schätzte und die das örtliche Rekru­tierungsbüro der CIA in die Luft sprengten.

Danny Fields: Ich weiß nicht, was die erwartet haben oder gegen wen sie sich zur Wehr setzen mussten, aber sie hatten für jeden Scheiß einen Minister. Einen Propagandaminister und einen Verteidigungsminister. Natürlich haben sie sich deshalb White Panther Party genannt, weil all ihre Vorbilder, sowohl in politi­scher wie auch musikalischer Hinsicht, radikale schwarze Politiker und Musiker waren. Bobby Seale und Huey Newton und Eldridge Cleaver waren ihre politi­schen, Albert Ayler, Sun Ra und Pharoah Sanders ihre musikalischen Helden.

Man konnte das als eine vom Mittleren Westen geprägte Anarchieversion bezeichnen. Reißt die Mauern ein, verbannt die Regierung aus unserem Leben, raucht viel Dope, habt viel Sex und macht viel Krach.

Wayne Kramer: Der offiziellen Parteilinie der Black Panther Party in Oakland zufolge waren wir „psychedelische Clowns“. Ihrer Meinung nach waren wir Idioten, mit denen sie absolut nichts zu tun haben wollten. Aber wir sind mit dem Black­Panther­Ableger in Ann Arbor bestens ausgekommen. Das waren Typen aus der Nachbarschaft, die immer zu uns kamen, um sich die Zeit zu ver­treiben und mit uns Schießen zu üben.

Wir hatten alle diese M1 und Pistolen und Gewehre mit abgesägtem Lauf und sind immer in den Wald hinter das Haus gegangen und haben auf alles geballert, was uns in die Quere kam. Zack, zack, peng, peng, peng, bumm, bumm, bumm.

Danach haben wir immer dieses Gesöff getrunken, das die Black Panthers als „Bitter Motherfucker“ bezeichnet haben. Es bestand aus einer halben Fla­sche Rose’s Lime Juice, die in eine Flasche billigen Portwein gekippt wurde. Wir hockten zusammen, haben Grass geraucht und dieses Zeug gesoffen und mit unseren Gewehren rumgeballert. Ich glaube, wir haben gedacht, eines Tages kommt es zu einem Kampf mit denen an der Macht, wenn wir uns mit diesen Schweinen eine Schießerei liefern.

Vielleicht würden wir eines Tages auch umzingelt und nach draußen brül­len: „WIR WERDEN UNS NIEMALS ERGEBEN, BULLE, IST DAS KLAR? KKR! KKR! KKR! NIMM DAS, DU SCHWEIN! POW­POW­POW! ALLE MACHT DEM VOLK! KKR­KKR­KKR! DAS HIER IST FÜR DICH, DU UNTERDRÜCKERSCHWEIN!“

Danny Fields: Natürlich haben die MC5 an dem Abend, als ich ihr Konzert besucht habe, den Grande Ballroom bis auf den letzten Platz gefüllt. Ihre Auf­machung war sensationell. Sie trugen alle Satin – und wirbelten wie die Derwi­sche umher. Es war ein grandioser Auftritt, aber sie haben die Grenzen des Rock ’n’ Roll trotzdem nicht gesprengt. Sie spielten einen angenehmen, bluesigen Rock ’n’ Roll. Da gab es nichts zu meckern. Ihre Energie war unbeschreiblich, und Wayne Kramer, geschäftstüchtig, wie er war, musste irgendwas gemerkt haben, denn am nächsten Tag sagte er zu mir: „Wenn dir unsere Musik gefallen hat, dann wird dir auch unsere Bruderband Iggy and the Stooges gefallen.“

Ich glaube, er konnte meine eigenen musikalischen Vorlieben intuitiv ergründen. Also bin ich eines Sonntags, es war der 22. September 1968, auf den Cam­pus der University of Michigan gegangen, weil Iggy and the Stooges dort für die Studentenvereinigung ein Konzert gegeben haben. Was ich dort auf der Bühne gesehen habe, war einfach umwerfend. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der sich so bewegen und tanzen kann wie Iggy. Ich hatte noch nie erlebt, dass ein ein­ziger Mensch mit einer derart explosiven Energie geladen ist. Er war von der Musik getrieben, wie nur richtige Tänzer von Musik getrieben sein können.

Das war die Musik, auf die ich mein ganzes Leben gewartet hatte.

Iggy Pop: Wir waren fast am Ende unserer Show, und ich lief einfach nur auf der Bühne rum. Ich trug dieses Umstandskleid und hatte ein weiß geschmink­tes Gesicht und machte ziemlich unanständige Sachen, wie zum Beispiel auf die Leute spucken.

Danny Fields: Ich ging auf Iggy zu, als er gerade die Bühne verließ, und sagte: „Ich bin von Elektra Records.“ Er sagte nur: „Yeah?“

Er glaubte mir nicht. Er dachte wohl, ich wäre einer von diesen Hausmeis­tern oder sonst ein Idiot, weil vorher noch nie jemand zu Iggy gesagt hat: „Ich komme von einer Plattenfirma.“ Also sagte Iggy zu mir:„Dann solltest du mei­nen Manager kennen lernen.“ Das war der Beginn unserer Beziehung.

Iggy Pop: Dieser Typ, dieser Danny Fields, sagte also zu mir: „Du bist ein Star!“ Das war fast wie im Kino. Er sagte, er würde für Elektra arbeiten. Ich hatte aber viel eher geglaubt, er wäre der Hausmeister, der den Dreck wegputzt. Ich glaubte ihm einfach nicht und dachte nur: Hey, Mann, lass mich bloß in Ruhe.

Danny Fields: An diesem Montagmorgen rief ich in New York an. Ich war in der Küche von MC5. John Sinclair und Jim Silver, der Manager der Stooges, waren ebenfalls in der Küche, während ich mit Jac Holzman in New York tele­fonierte und ihm sagte: „Ich bin in Ann Arbor und habe mir diese MC5 ange­hört. Ich habe dir bereits von ihnen erzählt. Die werden noch ganz groß raus­kommen. Sie haben Samstagabend viertausend Eintrittskarten verkauft, das Publikum war völlig aus dem Häuschen, und die Leute standen bis auf die Straße. Außerdem sind sie die professionellste und spontanste Gruppe, die ich je gesehen habe.“

Und dann fügte ich hinzu: „Und außerdem haben sie noch eine Bruder­gruppe. Die nennt sich Iggy and the Stooges. Die machen die unglaublichste und fortschrittlichste Musik, die ich je gehört habe. Und ihr Leadsänger ist ein absoluter Star – er ist total faszinierend.“

Und Jac Holzman antwortete: „Was willst du mir damit sagen?“

„Ich denke, wir sollten beide Gruppen unter Vertrag nehmen.“

„Dann sieh zu, ob du die große Gruppe für zwanzig und die kleine für fünf Riesen unter Vertrag nehmen kannst.“

Ich legte meine Hand auf die Sprechmuschel und fragte John Sinclair: „Wärt ihr mit zwanzig Riesen einverstanden?“

Sinclair wurde weiß wie eine Wand und musste sich erst einmal setzen. Und dann fragte ich Jim Silver: „Wärt ihr mit fünftausend einverstanden?“

Die beiden brauchten erst mal einen Stuhl, damit sie sich setzen konnten und wieder zu sich kamen. Das war der Deal, und beide Gruppen waren unter Vertrag.

Please Kill Me

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