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KAPITEL 5: THERE’S A RIOT GOING ON

Danny Fields: Der Abend, an dem MC5 im Fillmore East gespielt haben, war in der Geschichte des Rock ’n’ Roll und der Alternativkultur ein historischer Augenblick. Das war kurz nachdem „Kick Out The Jams“ erschienen war.

Damals hat diese radikale Gruppierung aus dem East Village, Mother­fuckers, von Bill Graham verlangt, ihnen einmal in der Woche das Fillmore East zu überlassen, da es Teil der „Community“ sei. Mein absolutes Lieblingswort: „the Community“. Sie wollten dort für sich kochen und ihre Babys in die Sessel pissen lassen. Sie waren wirklich ein ziemlich übles Pack. Sie waren bärtig und fett und hatten diesen Mutter­Erde­Spleen, sie waren böse und streitlustig und alt und hässlich – kurz: die totalen Versager. Und sie waren unerbittlich.

Bill Graham und das Fillmore gerieten durch die Forderung, dieser Com­munity und diesen radikalen Subjekten aus der Lower East Side das Theater zu überlassen, natürlich unter massiven Druck. Mittlerweile war auch das MC5­Album erschienen, und Jac Holzman überlegte, ob es nicht eine gute Idee wäre, die Band im Fillmore als „Volksband“ zu präsentieren und die Eintrittskarten gratis abzugeben! Dadurch würde das Fillmore angeblich viel Publizität erlan­gen, und wir könnten die Show im Radio promoten, und alle wären glücklich und zufrieden!

Also haben sie den Laden für Donnerstag gebucht, und um die Commu­nity in Schach zu halten, sollten die Motherfucker fünfhundert Eintrittskarten gratis bekommen, um sie an ihre fetten, stinkenden und hässlichen Anhänger zu verteilen. Später fanden wir heraus, dass die Eintrittskarten in Kit Cohens Schreibtischschublade weggesperrt waren! Die Show sollte gerade beginnen, und die Community wurde immer unruhiger und wütender, weil sie immer noch keine Eintrittskarten bekommen hatten. Und da MC5 mittlerweile den Status einer Legende hatten, weil sie als einzige Band 1968 in Chicago gespielt hatten, setzte sich das Publikum aus den führenden Köpfen der amerikanischen Antikriegsbewegung zusammen, aus Leuten wie Abbie Hoffman und Jerry Rubin. Das war Underground auf allerhöchstem Niveau.

Und dann habe ich vielleicht das Dümmste getan, was ich hätte tun kön­nen. Ich saß in meinem Büro bei Elektra, rauchte Zigaretten, fraß mein Acid, rauchte mein Grass und fragte mich, ob ich diese Band in Manhattan auftreten lassen sollte. Und wie ich da am besten vorgehe.

Also rief ich beim ABC­Limousinen­Verleih an. Wir kamen am Fillmore an, als die Motherfucker gerade wie wild an die Eingangstür hämmerten, damit sie umsonst in den Laden kommen konnten. Und genau in diesem Moment kam das Symbol des schweinischen Kapitalismus schlechthin vorgefahren, diese fette Stretchlimousine, und die MC5 stiegen aus. Die Motherfucker begannen sofort zu krakeelen: „VERRÄTER! VERRAT! IHR SEID WELCHE VON IHNEN, NICHT VON UNS!“

Und die MC5 fragten sich, was sie falsch gemacht hätten. Vielleicht hätte ich ihnen einen Jeep vorbeischicken sollen oder einen VW­Bus. Darauf war ich leider nicht gekommen. Aber ich konnte ja auch nicht ahnen, wie so eine Limousine auf diese abscheulichen Typen wirken würde, obwohl man eigent­lich nicht viel Fantasie braucht, um sich vorzustellen, wie sich Leute aufführen, die sich selbst als „Motherfucker“ bezeichnen.

Wayne Kramer: Bob Tyner hatte manchmal ein unglaubliches Talent, von einem Fettnäpfchen ins andere zu treten. Er wurde nervös und wollte unbe­dingt Stellung beziehen, aber er sagte natürlich prompt das Falsche. Als er auf die Bühne des Fillmore ging, sagte er dem Publikum, dass wir nicht nach New York gekommen seien, um politische Botschaften zu verkünden, sondern um Rock ’n’ Roll zu spielen! Klar, dass die Motherfucker stocksauer wurden. Im Fill­more war sofort der Teufel los. Sie fingen an, unsere Anlage zu zertrümmern. Ich stand hinter dem Vorhang und konnte beobachten, wie der Vorhang mit einem Messer aufgeschlitzt wurde.

Dennis Thompson: Man hatte uns gewarnt, dass dort echte Revolutionäre ihr Unwesen treiben würden – und das taten sie dann auch. Sie zertrümmerten unsere Anlage, steckten die Sitze in Brand und lauerten uns hinter dem Vor­hang auf. Dann packten sie uns und schleiften uns in die Mitte des Theaters. Wir waren von ungefähr fünfhundert Motherfuckers umzingelt, hahaha. Dann folgte ein Schlagabtausch von all diesem revolutionären Gequatsche. Ein Typ bautesichvorunsauf undsagte:„IhrWichserpredigtdieRevolution,entweder ihr steht dazu, oder ihr haltet die Klappe! Es wäre höchste Zeit, damit anzu­fangen, findet ihr nicht auch?“

Wir konnten nur stammeln: „Ja aber, hm, aber, wir wollen doch gar nicht, ähm, bla bla bla, wir wollen doch nur, bla bla bla.“

Dann meldete sich ein anderes Arschloch zu Wort. „Was seid ihr nur für seichte Wichser! Seichte Wichser, das ist alles, was ihr seid. Es ist höchste Zeit für eine Revolution. Entweder ihr entscheidet euch, oder wir machen euch kalt!“

Es wurde immer bedrohlicher – sie ließen uns nicht viel Zeit, irgendwas zu antworten –, und dann blitzte plötzlich dieses Messer auf und war direkt auf Wayne Kramers Rücken gerichtet.

Jesse Crawford griff nach der Hand von diesem Typen mit dem Messer, und es gelang ihm, diesem das Messer zu entreißen, doch wir verloren langsam die Kontrolle, weil es immer brutaler wurde. Ich schnappte mir Wayne, und wir bahnten uns irgendwie unseren Weg durch all diese Leute, und ich rief nur: „LAUF!“

Wayne Kramer: Wir rannten nach draußen, und da stand diese Limousine und wartete, und all diese Motherfucker mit ihren Frauen standen um die Limou­sine herum und kreischten und krakeelten. Wir haben schnell ein paar Gratis­schallplatten verteilt, und sie hatten nichts Besseres zu tun, als unsere Limou­sine damit zu bombardieren und zu brüllen: „IHR HABT UNS VERARSCHT! IHR HABT UNS TOTAL VERARSCHT!“

Dennis Thompson: Alle fielen über das Auto her und sprangen darauf herum und schlugen mit den Fäusten darauf ein und warfen mit Steinen und Flaschen. Wir hatten das Gefühl, wir wären in einem lateinamerikanischen Land, wo alle über ein Auto herfallen, sobald sich ein Politiker sehen lässt. Wir sind dann ein­fach losgefahren, und all diese Affen purzelten herunter.

Schließlich konnten wir doch noch entkommen. Wir waren völlig erleich­tert und sagten uns: „Scheiße, das war knapp! Und wie jetzt weiter? Scheiß auf diese Revolutionskacke. Wären wir bloß in Detroit geblieben.“

Danny Fields: Die Leute haben Ketten geschwungen. Bill Graham hat eins auf die Nase bekommen und hinterher behauptet, es wäre Rob Tyner gewesen. Der Gedanke, dass der arme Rob Tyner irgendjemandem irgendetwas um die Ohren hauen könnte, ist einfach völlig absurd. Das muss schon jemand anders mit demselben Afrolook gewesen sein.

Bill Graham hat ihnen das nie verziehen. Er hat MC5 kaltgestellt. Er hatte die Macht dazu, weil er den ganzen Markt kontrolliert hat. Außerdem hat er landesweit all die anderen Promoter vor MC5 gewarnt: „Nehmt euch vor die­ser Band in Acht. Lasst euch weder mit ihnen noch mit ihresgleichen ein.“

Dennis Thompson: Auf unserer ersten Tournee haben wir Janis Joplin gekid­nappt. Wir sind mit ihr zusammen bei einer dieser Shows in San Francisco auf­getreten und haben sie hinterher in unseren Kombi gezerrt. Sie hatte ein paar Kisten Bier dabei, und Fred Smith sagte zu ihr: „Los, du Miststück, du kommst jetzt mit mir mit.“

Für Janis war das unerhört, schließlich war sie diejenige, die jeden kon­trollierte. Aber Fred wollte unbedingt das Bier. Einen Kasten gab er uns, und er und Janis verschwanden mit dem anderen. Sie wurden so etwas wie ein Paar, was wirklich schön war, denn Fred und Janis passten perfekt zusammen.

Sie waren ein Jack­Daniel’s­Traum auf der ganzen Linie. Sie konnten sich gegenseitig unter den Tisch saufen, und Fred kriegte immer noch einen hoch. Ich glaube, dass Janis so etwas an einem Mann geliebt hat.

Steve Harris: Als ich eines Tages mit Jac Holzman zum Mittagessen verabredet war, klingelte sein Telefon, und es war jemand von unserem Vertrieb in Detroit am Apparat. Er teilte mit, dass Hudson’s, eine Ladenkette aus Detroit, sämtliche Schallplatten, die bei Elektra und Nonesuch Records erschienen waren, aus den Regalen nehmen und nie wieder auch nur eine Platte aus dem Haus Elektra ver­treiben würde. Der Grund für diese Entscheidung war die Weigerung von Hud­son’s, das MC5­Album zu verkaufen, weil im Text hinten auf dem Plattencover das Wort „Motherfucker“ vorkam. Daraufhin hatten MC5 in einer Under­ground­Zeitschrift eine ganzseitige „Fuck Hudson’s“­Anzeige geschaltet, für die sie das Elektra­Logo verwendeten. Bei Hudson’s dachte man natürlich, dass Elek­tra hinter dieser Anzeige stecke, und sah rot. Das war dasselbe, als würde Tower Records sagen, sie würden deine Platten nicht mehr verkaufen.

Danny Fields: Es hatte bereits früher wegen der Zeile „Kick out the jams, motherfuckers“ Stress gegeben, woraufhin die Band eingelenkt und die Zeile zu „Kick out the jams, brothers and sisters“ abgeändert hatte. Sie hatten eingese­hen, dass man „motherfucker“ nicht in einem Song verwenden konnte.

Die Band hatte begriffen, dass das, was Radiosendungen anging, ihren Selbstmord bedeuten würde. Was sollten sie schon sagen – das Wort „fuck“ bleibt auf der Platte? Ich meine, das war 1968. Wenn es ein anständiges Wort gewesen wäre und man im Radio ständig hätte „fuck“ sagen können, wozu hätte es dann noch eine Revolution gebraucht? Dann hätten wir bereits gewonnen, und ein Kampf wäre nicht mehr nötig gewesen.

Sie aber haben die Platte mit dem Wort „fuck“ im Text auf dem Platten­cover rausgebracht, woraufhin Hudson’s sich weigerte, die Platte in ihr Ange­bot aufzunehmen. Also haben MC5 in ihrem eigenen Blatt eine ganzseitige Anzeige für ihre neue Platte geschaltet. Ich glaube, sie hatten einfach ein Foto von Rob Tyner genommen und „Fuck Hudson’s“ geschrieben. Außerdem hat­ten sie das Elektra­Logo, das E, verwendet.

Hudson’s war natürlich überhaupt nicht begeistert und weigerte sich, auch nur ein Produkt aus dem Haus Elektra zu verkaufen, weder Judy Collins noch die Paul Butterfield Blues Band, noch Theodore Bikel mit Songs vom Jiddischen Theater. Bei Elektra war man natürlich alles andere als glücklich, weil Hudson’s ein substanzieller Vertriebskanal war. Wir mussten der Band erklären, dass man die Parole „Fuck Hudson’s“ zwar im Namen von MC5 ausgeben könnte, es aber nicht anging, sie im Namen von jemand anderem zu veröffentlichen.

Steve Harris: Ich glaube, das war das Lustigste, was ich je gehört habe. Aber Jac war sehr ungehalten über diese Geschichte, weil es immerhin um sehr viel Geld ging. Außerdem litt ja der Verkauf unseres gesamten Sortiments darunter. Und immer wieder bekamen wir von anderen Interpreten zu hören: „Warum wer­den unsere Platten nicht verkauft? Das ist nicht fair.“

Der Vorfall mit Hudson’s markierte den Anfang vom Ende von MC5. Ich glaube, wir haben das Problem dadurch gelöst, dass wir dem Geschäftsführer oder Besitzer von diesem Laden original Coverentwürfe von Nonesuch Records geschenkt haben. Er war ein Klassikfreak, und unser Geschenk stimmte ihn einigermaßen versöhnlich.

Andererseits war das Problem bei MC5 eigentlich immer, dass sie nie den richtigen Durchbruch geschafft haben. Sie hatten natürlich immer genug Presse, und jeder dachte, sie wären eine wirklich gute Band, aber all das wirkte sich nie positiv auf die Verkaufszahlen aus.

Danny Fields: Das Album schaffte es ungefähr auf Platz dreißig der Billboard­Charts, was vor allem der Publicity zuzuschreiben war. Sie haben es zwar auf das Cover vom Rolling Stone geschafft, aber trotzdem nicht viele Platten ver­kauft. Sie wurden nicht im Radio gespielt und waren für viele ein zu heißes Eisen. Also hat Elektra sie in die Wüste geschickt.

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