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7. Die Begegnung

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Nach seinem anstrengenden ersten Tag gestern auf der Insel erwachte Alexandros frisch und ausgeruht. Als er am Abend zuvor in der Höhlenwohnung angekommen war, die Nikodimos in Ia auf Zeit gemietet hatte, war er nur noch ins Bett gefallen und eingeschlafen. Er hatte es nicht einmal geschafft, seinen Koffer zu öffnen. Nach den Entdeckungen, mit denen er direkt nach seiner Ankunft zu tun bekam, und den Strapazen der Reise war er in einen komaartigen Tiefschlaf gesunken.

Es war Ende Juni. Schon seit dem frühen Morgen erwärmten Sonnenstrahlen die engen Gassen von Ia und begleiteten den Professor und seinen ehemaligen Studenten auf dem Bummel zu ihrem morgendlichen Kaffee. Schon bei seinen ersten Schritten durch die gepflasterten Dorfgassen lief Alexandros der Schweiß herunter. Er hatte sich für ein Hemd aus einem etwas dickeren Stoff entschieden, beinahe ein Winterhemd. Auf die hohen Temperaturen, denen sie ausgesetzt waren, sobald sie aus dem Haus traten, war er nicht vorbereitet. Er war mit den besonderen Eigenschaften, die die traditionellen Höhlenhäuser von Santorin auszeichnen, noch nicht vertraut.

Diese Gebäude bilden die älteste und einfachste Hausform auf der Insel. Sie bestehen aus einem lang gestreckten Raum, der wie eine Höhle aus dem Felsen gehauen wird, mit einer kuppelförmigen Decke und einer schmalen Frontseite. Es ist überliefert, dass die ersten Höhlenhäuser von Schiffsbesatzungen gebaut wurden, die es, um zu überleben, trotzig mit den steilen, rauen Felsen aufnahmen. Diese eigenwillige Architektur bewirkt, dass sich in den Häusern das ganze Jahr über eine niedrige, beinahe konstante Temperatur um die 18 Grad Celsius hält, da die Höhlenwände die Wärme aufsaugen und dauerhaft dieses Gefühl von Kühle erzeugen.

Ohne die besonderen Baumerkmale des Hauses zu kennen, hatte sich Alexandros von dem frischen Raumklima täuschen lassen, das im Zimmer herrschte. Zum Glück gab es zwischendurch auf der Strecke genügend schattige Stellen, und bis zu ihrem Ziel war es nicht weit. Der Professor führte ihn in eines der Touristencafés des Dorfes am Rand des Kliffs. Der Blick auf die beeindruckende Caldera von Santorin war auch der Grund dafür, dass der Kaffee in diesem Lokal das Doppelte des normalen Preises kostete. Nikodimos ging schnellen Schritts als Erster hinein und steuerte auf seinen Lieblingsplatz in der rechten Verandaecke zu. Alexandros folgte ihm, ohne den Tischen ringsum besondere Beachtung zu schenken, als er plötzlich seinen Namen hörte.

„Alexandros, bist du’s?!“

Überrascht wandte er den Blick in die Richtung, aus der die vertraute Frauenstimme kam. Die Morgensonne, noch tief am Himmel, traf ihn direkt ins Gesicht. Er hielt sich die Hand über die Augen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen. Mit Mühe konnte er erkennen, wer nach ihm rief, aber sein Herz begann allein schon beim Klang der Stimme doppelt schnell zu schlagen. Sie stand auf, damit er sie leichter sehen konnte. Dann schob sie ihren Stuhl zur Seite und legte den ganzen Weg zwischen den Tischen zurück, der zwischen ihnen lag, umarmte ihn und küsste ihn auf die Wange.

Er suchte angestrengt nach den richtigen Worten zur Begrüßung. Doch er brachte keinen Ton über die Lippen, genau wie in den Albträumen, die er als Kind hatte, wenn er mit ganzer Kraft schreien wollte, ihn aber niemand hörte. Er brauchte einige Sekunden, um sich wieder zu fangen. Afroditi stand leibhaftig vor ihm. Fast zwei lange Jahre hatten sie sich nicht gesehen. Ihre Neuigkeiten erfuhr er gelegentlich über die wenigen gemeinsamen Freunde, zu denen er jedoch selten Kontakt hatte. Er hatte sich unzählige Male ihre Begegnung ausgemalt und dutzendfach mögliche Dialoge ausprobiert, die seine Gefühle verbergen würden. Doch ohne Erfolg, die vielen Proben hatten offenbar nichts gebracht ...

„Jetzt sag bloß nicht, dass du mich schon vergessen hast?“, übernahm sie, wie immer, die Zügel bei der Gesprächsführung, da die Verwirrung ihres früheren Freundes überdeutlich war. „Gut siehst du aus, wenn auch ein bisschen blass für Santorin. Wahrscheinlich bist du noch nicht so lange auf der Insel.“

Die ersten Wörter formten sich zögerlich in seinem Mund. Zum Glück funktionierten seine Stimmbänder doch noch!

„Ja, genau ... gestern bin ich angekommen ... gerade erst ...“

„Ich freue mich ja so, dich zu sehen! Kommt, setzt euch zu uns, ich will hören, was es Neues bei dir gibt, natürlich nur, wenn dein Freund nichts dagegen hat.“ Afroditi wies mit einer leichten Kopfbewegung in Nikodimos’ Richtung.

Der Professor nahm die Einladung der charmanten jungen Frau freudig an, vor allem aus Neugier, welcher Art ihre Beziehung zu Alexandros war. Dessen unterkühltes und ungeschicktes Verhalten ihr gegenüber hatte er wohl bemerkt. Afroditi führte sie an ihren Tisch.

„Darf ich vorstellen: Takis, mein Verlobter, und sein Cousin Dimitris. Und hier ist Alexandros, ein guter, alter Freund von mir und Herr ...“ Afroditi wandte sich an Alexandros, wobei sie höflich ihre Hand auf den Rücken des Professors legte. „Du hast uns deinen Freund noch nicht vorgestellt, wie heißt er denn?“

Alexandros war zur Salzsäule erstarrt. Er stockte bei seinem Versuch zu antworten. Seine Zunge war wie gelähmt. Dass er Afroditi so überraschend getroffen hatte, damit wurde er ja noch fertig. Doch die neue Information über die Verlobung war der Knock-out für ihn. Der Professor bemerkte Alexandros’ aufgewühlten Zustand und stellte sich eilig selbst vor.

„Nikodimos, ich bin Alexandros’ alter Archäologieprofessor von der Uni und mittlerweile ein guter Freund von ihm. Vielen Dank für die freundliche Einladung an Ihren Tisch. Machen Sie Urlaub auf der Insel?“

Er setzte sich neben Afroditi und begann ein lockeres Gespräch, um Zeit zu gewinnen, bis sich sein Schüler wieder gefangen hatte. Das Wort ergriff der blonde Mann mit der dicken Zigarre, den die junge Frau kurz zuvor als Takis vorgestellt hatte.

„Wir sind Unternehmer. Ich habe eine Hotelkette in Ia, Imerovigli und Fira. Angeregt durch die verschiedenen Namen, die die Insel im Laufe der Jahre angenommen hat, habe ich die Hotels Santorini Palace, Thera Palace und Calliste Palace genannt. Es handelt sich um die besten und teuersten Anlagen auf der Insel.“

Er machte eine Pause, um einen tiefen Zug aus seiner imposanten Zigarre zu nehmen. Afroditi versuchte, zum Gespräch beizutragen.

„Ja, Takis’ Familie stammt von der Insel. Er hatte das Glück, sein erstes Hotel zu errichten, als der Tourismus hier gerade richtig einsetzte ..." Ihr Verlobter unterbrach sie wenig galant.

„Nicht Glück, mein Schatz. Kompetenz und Weitblick! Das, was jeder große Unternehmer braucht, um erfolgreich zu sein.“ Afroditi sackte auf ihrem Platz in sich zusammen, und er fuhr unbeirrt fort: „Für Amateure ist die Insel ein hartes Pflaster. Es braucht Geschick und Talent, um eine Firma wie meine aufzubauen. Unsere Hotels bekommen Empfehlungen von den exquisitesten Reiseführern und erzielen jedes Jahr den höchsten Reingewinn. Alle berühmten Schauspieler, Reeder und Millionäre kommen zuerst zu uns. Mein Managementkonzept ist dem der größten Hotelketten weltweit ebenbürtig. Ich habe zum Glanz der Insel beigetragen, und die Lokalmatadore von Santorin bitten mich darum, an ihren politischen Events teilzunehmen.“

Der Professor unternahm einen Versuch, dem Gespräch eine leichtere Note zu geben.

„Wahrscheinlich haben Sie vergessen, dass es noch einen weiteren Namen für diese Insel gibt. Die älteste bekannte Bezeichnung war laut Herodot ursprünglich Strongyle, also die Runde, vermutlich wegen ihrer Form. Später wurde sie Kalliste, die Schöne, genannt. Damals siedelten sich hier die Phönizier an. Nach den Phöniziern wurde sie von den Spartanern kolonisiert, die ihr den Namen des ersten Siedlers gaben, nämlich Thera. Die jüngste Bezeichnung, also Santorin, setzte sich bei den venezianischen Eroberern im Mittelalter durch. Es handelt sich um eine Verballhornung des Namens „Santa Irene“, einer katholischen Kirche, die es damals auf der Insel gab. Nach der Befreiung Griechenlands wurde Thira als offizieller Name eingeführt, die neugriechische Form von Thera. Auf ausländischen Landkarten wurde sie allerdings weiterhin als Santa Irene verzeichnet. Daraus machten die Einheimischen dann mit einer kleinen Abwandlung Santorin, was sich schließlich einbürgerte.“

„Eine super Idee. Hörst du, Dimitris?“, der Großunternehmer wandte sich an seinen Cousin. „Unser nächstes Luxushotel werden wir Strongyle Palace nennen!“

Afroditi versuchte noch einmal, das Gesprächsthema vom Business ihres Verlobten abzulenken.

„Aber in den letzten Jahren, Herr Professor, werden von staatlicher Seite konzertierte Anstrengungen unternommen, den antiken griechischen Namen der Insel wieder aufleben zu lassen. Das ist auch der Grund, warum in allen offiziellen Broschüren und bei allen Fahrplänen für die Schiffe und Flugzeuge der Name Thira erscheint. Leider ist es aber anscheinend für die Insel sehr schwierig, den ausländischen Namen abzulegen, der ihr aufgestülpt wurde ...“

„Was soll’s, Thira oder Santorin, lauter unwichtiges Zeug, mit dem wir uns hier abgeben. Hauptsache, die Touristen kommen und lassen die Kasse klingeln. Dann können sie die Insel meinetwegen nennen, wie sie wollen“, unterbrach Takis das für ihn belanglose Gespräch und beendete es mit einem gelangweilten Gähnen.

Alexandros traute seinen Ohren nicht. Nur mit Mühe unterdrückte er seinen ersten spontanen Impuls, eine abfällige Bemerkung über Takis’ abstoßendes, rüpelhaftes Verhalten gegenüber Afroditi zu machen. Die Unterhaltung setzte sich im gleichen Takt fort. Jedes Mal, wenn Afroditi versuchte, mit Alexandros zu sprechen oder das Thema zu wechseln, wurde sie von ihrem Verlobten auf geradezu unverschämte Art unterbrochen. Der anmaßende Typ riss das Gespräch an sich. Er lobte sich selbst und sein Unternehmen ständig, wobei er keine Gelegenheit ausließ, die Frau an seiner Seite herabzuwürdigen. Der Professor fügte sich aus Respekt vor Alexandros’ Bekanntschaft in die Lage. Er ertrug die Geschwätzigkeit seines Gesprächspartners, nickte stoisch mit dem Kopf oder stimmte dem Gesagten einfach schweigend zu. Er wusste sehr gut, dass es zu nichts führte, Personen dieses Schlages Kontra zu bieten.

Das Schauspiel, das sich hier bot, war nicht normal und hatte Alexandros aufgebracht. Wie konnte sich die junge Frau, die er so sehr geliebt hatte, dermaßen verändert haben? Während er sie beobachtete, verglich er die Beziehung der beiden in Gedanken unbewusst mit einem weithin bekannten astronomischen Phänomen.

Die Sonne ist in unserem Planetensystem die Quelle des Lebens und damit auch des Menschen selbst. Sie ist sogar noch viel größer als Jupiter, der größte Planet in unserem Sonnensystem. Der Mond wiederum ist der einzige Satellit der Erde, er besteht aus Felsen, und sein Einfluss auf das Leben in unserem Planetensystem ist eine zu vernachlässigende Größe. Bemerkenswert ist, dass diese beiden Himmelskörper für einen einfachen Beobachter auf der Erde so aussehen, als hätten sie am Himmel genau die gleiche Größe. Während der Mond vierhundert Mal kleiner ist als die Sonne, befindet er sich durch einen enormen Zufall in einer Distanz zur Erde, die genau vierhundert Mal geringer ist als die der Sonne. Das führt dazu, dass sich der Mond an bestimmten Tagen zwischen Erde und Sonne schiebt und dabei die Sonne vollständig verdeckt, wodurch er für die Zeit der Sonnenfinsternis alles ins Dunkel taucht.

Daran erinnerte Alexandros die Beziehung des Paars, das neben ihm saß. Takis, ein unbedeutender felsiger Himmelskörper, dem es durch Umstände, die er nicht begreifen konnte, seltsamerweise gelungen war, einen strahlenden Stern wie Aphrodite, griechisch für Venus, zu verdunkeln.

Er fasste sich ein Herz und traute sich, den geschwätzigen Redefluss ihres Verlobten kurz zu unterbrechen. Er war sich nicht sicher, ob der Professor seinen Vorschlag gutheißen würde, aber sein Bedürfnis, noch einmal für wenige Augenblicke mit Afroditi allein zu sein, ließ sich nicht unterdrücken. Er mochte sich bei Mutproben nicht besonders hervortun, aber er war genial darin, sich bestimmte Konstellationen auszudenken. Sein Herz schlug wie verrückt, sein Mund war trocken, aber er nahm sich zusammen, um sich mit dem sachlichen Ton des professionellen Archäologen auszudrücken. Er sprach zögernd, suchte nach unpersönlichen Formulierungen und war sparsam mit seinen Worten.

„Afroditi, der Professor und ich sind wegen einer archäologischen Forschung hier, die auch einige geologische Funde in Akrotiri umfasst und deren genauere Untersuchung uns nicht möglich ist. Deine Erfahrung und deine wissenschaftliche Qualifikation auf diesem Gebiet wären für uns sehr wertvoll. Könntest du vielleicht ein wenig Zeit erübrigen, um uns zu helfen?“

Die junge Frau war von dem unerwarteten Angebot überrascht. Doch bevor sie antworten konnte, kam ihr der stämmige Freund an ihrer Seite zuvor.

„Aber ja, natürlich, eine schöne Gelegenheit ... Mein Afroditchen fängt nämlich an, sich bei all den Annehmlichkeiten und dem Luxus meiner Hotelsuite in Imerovigli zu langweilen. Das wäre eine gute Gelegenheit für sie, etwas Nützliches zu tun!“

Alexandros’ Herz schlug wieder in einem schnellen, unregelmäßigen Takt, dieses Mal aber vor lauter Wut und Ärger über das unmögliche Verhalten, das dieser Typ gegenüber der Liebe seines Lebens an den Tag legte. Als er aber gleichzeitig Afroditi anschaute, erkannte er ein kaum merkliches zufriedenes Lächeln, das ihn im letzten Moment davon abhielt, sich in ein Wortgefecht zu verwickeln. Für die Dauer eines Herzschlags, nur für einen unendlich winzigen Moment, trafen sich ihre Blicke. An ihren ausdrucksvollen Augen konnte er ablesen, dass auch sie versuchte, ein Wiedersehen mit ihm einzufädeln.

Er erinnerte sich an die einmalige Art ihres Blickkontakts, als sie noch ein Paar waren. Es steckt dem Menschen im Blut, schon fast sofort vom Beginn seines Lebens an mit den Augen zu kommunizieren. So ist es kein Zufall, dass das Erste, worauf ein Säugling bei allen Reizen aus seiner Umgebung reagiert, die Augen sind. In den ersten sechs Monaten rufen bei einem Baby vor allem die optischen Kontakte Reaktionen hervor und normalerweise auch das erste Lächeln. Beinahe von dem Moment an, als er Afroditi kennenlernte, bildeten die bedeutungsvollen Blicke zwischen ihnen die Grundlage ihrer Beziehung.

Der Professor verabschiedete sich rasch von der Runde, sobald er bemerkt hatte, dass das Ziel erreicht war, und schob als kleine Entschuldigung seine Arbeit vor. Alexandros vereinbarte – so formell und professionell er nur konnte – mit der jungen Geologin, sich mit ihr in zwei Stunden am Eingang zur archäologischen Stätte von Akrotiri zu treffen.

Nikodimos konnte es sich auf keinen Fall verkneifen, eine Bemerkung zu dieser Begegnung zu machen, sobald sie sich dem Ausgang des Lokals näherten. Er wusste genau, wie er mit kleinen Sticheleien Antworten hervorlocken konnte.

„Eine nette junge Frau, diese Afroditi, schade, dass sie mit so einem Typen zusammen ist.“

Alexandros war noch ganz durcheinander und lief wie ein Schlafwandler neben ihm her; er hatte sich von der Intensität der Augenblicke, die er gerade erlebt hatte, noch nicht erholt.

„Ja ... ja, sehr schade ...“

Mit der leicht abgewandelten mäeutischen Methode, der sogenannten Hebammenkunst des Sokrates auf dem Weg zur Erkenntnis, setzte der Professor seine Befragung fort, um zur erwünschten, aber auch erwarteten Schlussfolgerung zu gelangen.

„Ihr beiden wart bestimmt einmal sehr gute Freunde. Sie scheint eine besonders interessante Persönlichkeit zu sein, auch wenn es ihr dieser Neandertaler an ihrer Seite nicht erlaubt hat, bei unserem Gespräch heute auch nur einen Satz zu Ende zu führen.“

„Sie ist wirklich eine sehr begabte junge Wissenschaftlerin, mit einem bemerkenswerten Engagement für ihr Fachgebiet.“

„Und sehr hübsch ...“

Es würde nichts bringen, sich weiter zu verstecken. Die frivole und gleichzeitig freundliche Miene seines Mentors zeigte ihm, dass er die Art seiner Beziehung zu Afroditi bereits durchschaut hatte. Es war eine Gelegenheit, sich von der Bürde zu befreien und mit einem vertrauten Freund zu sprechen.

„Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, als ich dieses Treffen so unbefangen ausgemacht habe. Es ist doch verrückt, die Frau ist schließlich verlobt. Ich habe von dieser Verabredung nichts zu erwarten außer sehnsüchtigen Erinnerungen und Enttäuschungen. Außerdem wird sie die Lüge, die ich ihr als Vorwand aufgetischt habe, um sie ein wenig allein zu sehen, sofort durchschauen. Ich mache mich noch mehr zum Affen als ihr Verlobter. Keine Ahnung, wie ich unser Treffen begründen soll. So einen Schwachsinn habe ich schon immer gemacht ... Was für ein unreifes Verhalten. Wenn ich mit dieser Frau zusammen bin, weiß ich nicht mehr, wo es lang geht!“

Es brach wie ein Sturzbach aus ihm hervor, kritisch und streng gegen sich selbst. Der Professor machte diesem Wortschwall rasch ein Ende.

„Was meinst du denn für eine Lüge? Aber selbstverständlich brauchen wir die Kenntnisse deiner jungen Freundin.“

Alexandros blieb wie versteinert stehen, starrte ihn mit offenem Mund an und wartete auf seine nächsten Worte wie auf das Manna in der Wüste. Der Professor fuhr ungerührt fort:

„Um meine Theorie zu stützen, brauchen wir einen Geologen, der sich mit Platons Landschaftsbeschreibungen beschäftigt und sie mit dem möglichen morphologischen und geologischen Bild sowohl des heutigen Thira als auch mit der Insel in der minoischen Zeit vergleicht.“

„Stimmt auch wieder! Aber wie soll ich denn jetzt diese Verabredung in Akrotiri begründen?“

„Ich hatte sowieso vor, dich zu den Ausgrabungen zu schicken, damit du dort ein paar Messungen durchführst. Die beste Art und Weise, unsere Forschung zu begreifen, bevor deine Freundin mit uns zusammenarbeitet, ist ein gemeinsamer Besuch an dieser bedeutsamen archäologischen Stätte.“

Erleichtert verabschiedete sich Alexandros von seinem Retter auf dem Hauptparkplatz von Ia am Ausgang des Dorfes. Für heute würde der Professor bei seiner Grabung im Keller allein weitermachen, in der Hoffnung, noch eine neue Tafel freizulegen. Er selbst wollte zurück nach Hause gehen, um sich dort in der Bibliothek umzusehen. Nikodimos versicherte ihm, dass er dort unter anderem die Übersetzungen der Platonischen Dialoge Kritias und Timaios finden würde. Er musste alle geografischen Angaben und Beschreibungen zusammentragen, die Atlantis betrafen, um sie mit dem neuen Mitglied ihrer Forschungsgruppe zu teilen.

Wenn Afroditi einverstanden wäre, aktiv an der Forschung teilzunehmen, dann würden sie täglich viele Stunden gemeinsam verbringen. Auf der ganzen Strecke bis nach Hause musste er sich immer wieder in den Arm kneifen, um zu sehen, ob er träumte. Er schwebte auf einer Woge des Glücks. Denn er träumte nicht, er würde wirklich mit Afroditi zusammenarbeiten, und das bei einer der vielleicht größten Entdeckungen der Geschichte!


Atlantis wird nie untergehen

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