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2. DREI STUNDEN ZUVOR …

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Und wieder bebte die Erde. Dieses Mal durch eine noch stärkere Explosion. In ihrer Todesangst bäumten sich die Pferde auf und wieherten laut. Die Vulkanasche fiel wie Schnee auf sie herab. Die Luft roch nach Tod.

„Herr, die Pferde sind nicht mehr zu halten …” Die Stimme des schweißüberströmten Soldaten war nur noch ein Krächzen, unterbrochen von keuchendem Husten. Der seltsame schwarz-weiße Rauch bedeckte inzwischen die ganze Gegend.

Der hochgewachsene, stattliche Offizier an der Spitze des Trupps warf einen forschenden Blick in die Umgebung. Beißender Schwefelgeruch drang ihm in die Nase. Er wusste, dass seine Soldaten und wohl auch die Pferde ebenso unter Kopfschmerzen und Übelkeit litten wie er. Alles geschah so schnell, dass er gar nicht dazu kam, sich zu fürchten oder zu begreifen, mit welchen Mächten sie es zu tun hatten. Waren die Menschen zu völliger Bedeutungslosigkeit verurteilt? Mussten sie sich endgültig dem unbegreiflichen Willen der Natur unterwerfen? Rasch wägte er die Lage ab. Es war ihm klar, dass sie ihren Auftrag unmöglich erfüllen konnten. Die Ladung würde ihren Bestimmungsort nie erreichen. Der Soldat hatte recht.

„Spannt die Pferde aus und bringt die Tafeln in die Höhle dort rechts.” Als Anführer der Gruppe musste er sofortige, durchgreifende Entscheidungen treffen. „Es hat keinen Sinn. Mit der ganzen Last der Tafeln schaffen wir es nie rechtzeitig bis zum Hafen von Akrotiri“, fügte er laut mit fester Stimme hinzu.

Er hatte sich bemüht, dem Befehl des Königs Folge zu leisten und das wertvollste und bedeutendste Schriftgut aus der Hauptbibliothek des Palastes vor der Zerstörung zu bewahren. Doch der zweite Teil des Befehls erschien ihm ungleich wichtiger. Die Vorstellung, dass ihn die Prinzessin verzweifelt im Hafen erwartete, verbot ihm jeden Gedanken an weitere Versuche, die Schrifttafeln zu retten.

„Wenn sich Mutter Erde wieder beruhigt hat, kommen wir zurück, um die Tafeln in Sicherheit zu bringen.“

Das sagte er nur, um sein eigenes Gewissen zu beruhigen. Die sechs verbliebenen Soldaten beachteten seine Worte gar nicht. Erleichtert hatten sie schon damit begonnen, den Ballast in die Höhle zu verfrachten. Ihr Überlebenswille war schließlich genauso stark wie jener der Tiere. Vor einigen Stunden hatten die letzten Bilder von der Zerstörung der Stadt sie bis ins Mark erschüttert. Mut und Selbstvertrauen, Eigenschaften, die bei seinen Soldaten stets im Überfluss vorhanden waren, hatten sich in Luft aufgelöst.

„Stapelt die Tafeln zu gleichen Teilen in den drei Höhlenöffnungen.” Es war ein letzter Versuch des Offiziers, die Aussichten für die Rettung der Schriften zu erhöhen.

In der letzten Woche waren fast alle Bewohner von Strongyle zu den Küstenhäfen geflohen, um sich von dort aus auf den nächstgelegenen Inseln in Sicherheit zu bringen. Doch wahrscheinlich war der Beschluss zur Räumung der Insel zu spät gekommen. Die wichtigsten Hafenanlagen im Inneren der Insel waren zusammen mit einem großen Teil der Flotte gänzlich zerstört worden. Der Vulkan hatte ihnen keine Zeit gelassen, etwas zu unternehmen. Die Gestalt der Insel hatte die Zerstörungen noch begünstigt. Der Meeresring, der das Inselinnere umgab und dem das Gedeihen und die Sicherheit des Reiches hauptsächlich zu verdanken waren, hatte sich in eine tödliche Falle verwandelt. Der einzige Zugang zum offenen Meer war nicht groß genug, um einen Austausch mit kälterem Wasser zu erlauben und die Hitze innerhalb des Ringes zu senken. Das Brodeln des Meeres mit seinen rötlich und gelblich gefärbten Schaumkronen war das erste Anzeichen des nahenden Unheils gewesen. Wenige Minuten später waren bereits die meisten Schiffe gesunken und alle Hafenanlagen zerstört. Im kochenden Meer, das die Fische tot an Land spülte, hatten auch die Schiffe kein besseres Schicksal zu erwarten. Auf der gesamten Oberfläche des Meeresrings brannte das Wasser wie Öl im Feuer. Die Schiffsrümpfe barsten auseinander und sanken innerhalb von Sekunden, begleitet von den Schreien ihrer Besatzungen. Der Tod der Seeleute war langsam und qualvoll. Anfänglich versuchten sie, an die nächstgelegene Küste zu schwimmen, doch schon nach den ersten Armbewegungen löste sich ihr Fleisch von den Knochen. Dann verschwanden sie einfach in den siedend heißen Wassern und Dämpfen. Nur den wenigen Glücklichen, deren Schiffe neben den Landungsstegen ankerten, gelang es, an Land zu springen und sich zu retten.

Eine neue Eruption warf zwei Soldaten zu Boden, wobei die Tafel, die sie trugen, einem von ihnen auf den Knöchel fiel und entzweibrach. Sein Schrei ging im Krach der Explosion unter, doch sein Gesicht war schmerzverzerrt.

„Beeilt euch, helft dem Verletzten auf sein Pferd und macht weiter mit dem Abladen.“ Die Zeit war nicht auf ihrer Seite, das wusste der Anführer genau. Einzig seine innere Stimme konnte ihnen noch den Weg zur Rettung weisen.

Das Schauspiel im Inselinnern ließ erkennen, dass die Naturgewalten nun völlig entfesselt waren. Unheimliche, grellrote und gelbe Blitze flackerten immer wieder durch die Luft. Die schwarze Rauchglocke, die über der Stadt hing, breitete sich unaufhörlich weiter aus. Der Wind, der von dort herüberwehte, war heiß und nahm ihnen den Atem. Bei jeder Eruption wurden immer höhere Feuerzungen emporgestoßen. Dann verschwanden sie in den Wolken, begleitet vom Krachen gegeneinanderprallender Felsbrocken, die durch die Luft geschleudert wurden.

Hastig brachten die Soldaten die letzte Tafel in die Höhle. Im Ascheregen, der nach jeder Explosion dichter wurde, erkannte der Anführer die Prophezeiung, die in die Tafel geritzt war. Direkt darunter stand sein Name: Andrion. Er war kürzlich zur Sicherheit am Ende der Tafel hinzugefügt worden. Welch eine Ironie …, dachte er. Die Prophezeiung hat mich hergeführt, und nun begleitet sie mich bei meinem Abschied.


Atlantis wird nie untergehen

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