Читать книгу Schwiegermutteralarm - Gisela Sachs - Страница 17
Оглавление11. Kapitel
Europameisterqualifikation 2014/15. Heute spielt Deutschland gegen Polen und ich habe meine Fußballkumpels zu mir nach Hause eingeladen: Alex, Domi, Thomas, Adrian, Hebbe, Lutze, Martin, Mike, Bernd, Dennis und Dalibor, unseren Trainer. »Geschickt, dass das Spiel an einem Samstagabend stattfindet. Sehr geschickt sogar« meint meine Schwiegermutter. »Dann mache ich halt zwei, drei Schüsselchen Kartoffelsalat mehr«
Bei uns gibt es jeden Samstagabend Kartoffelsalat und Würstchen, dazu Besenbrot. Gisela liebt Traditionen. Und Samstagabende sind für sie schon immer besondere Abende gewesen. »Der Abschluss für eine Arbeitswoche. Das Sich-Los-Lösen der Wochenpflicht. Raus aus dem Stress und Erfüllung der Muße. Familie genießen« meint sie.
Ich hole unsere Festzeltgarnitur aus dem Keller, stelle sie im Wohnzimmer auf. Gisela poliert die Biergläser und Schnapsgläser, legt Deckchen auf den Tisch, verteilt Blümchen, brennt Lavendel-Duft-Teelichter an.
»Treib‘s mal halb lang, Gisela. Wir sind doch nicht beim Kaffeeklatsch im Altenheim«
Meine Schwiegermutter lacht laut auf: »Scherzkeks« Sie zündet ein Kerzchen nach dem anderen an.
»Ich meine das ernst, Gisela. Räume deine albernen Deckchen und Blümchen ab«
Ich werde laut. »Es ist mein Besuch. Männerbesuch«
Ich reiße die Fenster auf: »Hier riecht es wie in einer Leichenhalle«
»Lavendelduft beruhigt die Nerven, lässt die Seele aufatmen und das Herz frei werden! Aber wenn du lieber Orangenduftoder ApfelduftTeelichter haben willst, Olli? Ich habe auch noch Rosenduft-Teelichter und …
Mein Hals wird eng und enger. »Deckchen weg, Gisela!« sage ich heiser.
»Das wird ein Megasieg heute, Bub«
»Wenn du da nur mal Recht hast« sage ich entnervt.
»Du zweifelst doch nicht etwa an unserer Mannschaft, Olli?«
»Die Polen spielen super, wie du weißt«
»Deutschland hat noch nie gegen Polen verloren, das solltest du eigentlich wissen, Olli«
Sie hockt den ganzen Abend lang bei uns, trinkt ein Pils nach dem anderen, dazwischen immer wieder ein Schnäpschen. Sie fiebert mit, feuert die Spieler an, schreit während des Spiels lauter als meine Kumpels. Dann springt sie auf, reißt ihren Stuhl mit um, klatscht sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Mein Gott, was war das doch wieder für eine Chancenverschwendung. Das ist doch nicht zu fassen! Ich frage mich nur, für was die lahmen Burschen so viel Geld einstreichen«
Sie klopft dermaßen wütend mit der Faust auf den Tisch, als der Ball neben das Netz trifft, dass die Schnapsgläser hüpfen, grabscht nach ihrem Glas und kippt den Zwetschgenschnaps in einem Zug runter. Dann schnappt sie nach dem Glas von Hebbe, der neben ihr sitzt.
»Wie man auch so mit seinen Chancen umgehen kann. Die spielen ja schlechter als die Feuerbacher F-Jugend«
»Jetzt reg dich doch mal wieder ab«
»Ist doch auch wahr, Olli«
Urplötzlich fängt sie zu singen an, fuchtelt dabei wild mit den Armen, reißt sie in erschreckender Geschwindigkeit in die Höhe und lässt sie wieder fallen. »Auf geht‘s Deutschland, schieß ein Tor, schieß ein Tor«
»Gisela« mahne ich. Die Jungs werfen sich belustigte Blicke zu.
»Lang lebe König Fußball. Oheo, Oheo!« grölt Gisela. Sie schwebt mit der anmutigen Bewegung einer orientalischen Bauchtänzerin in die Küche, kocht Kaffee, serviert ihren schwäbischen Hefezopf mit Nussfüllung und Mandelsplittern obenauf. »Greift zu, Jungs«
Und meine Fußballfreunde langen so zu, als hätten sie die ganze Woche über noch kein Krümele in ihre Mägen gebracht.
»Gut, gell? Der Zopf muss einen Tag durchziehen, dann schmeckt er am besten. Deswegen backe ich ihn ja auch schon freitags. Wenn ihr das Rezept haben wollt? Also ihr nehmt 500 Gramm Mehl, am besten Type
550. Einen Würfel Hefe, Trockenhefe geht aber auch, da müsst ihr dann aber zwei Päckchen nehmen, sonst wird das nichts und …
»Gisela« mahne ich.
»Is was, Olli?«
Sie tobt. »2:0 für Polen. Das ist doch unglaublich! Ein torloses Spiel! So eine Schande aber auch! Ausgerechnet gegen Polen zu verlieren. Dieser Lewandowski, da war doch mal was mit der Vereinsführung von Borussia Dortmund? Und dieser Szozesny, der hat doch mal …
»Jetzt gönn« den Polen doch mal einen Sieg gegen Deutschland, Gisela«
Sie stürmt kopfschüttelnd vorbei an mir. »Gönnen. Gönnen. Wenn ich das Wort schon höre. Ich gönne jedem wirklich alles, aber hier geht es um Fußball, Olli«
Sie verschwindet in der Küche, klappert mit Geschirr. Laut, wie alles, was sie tut.
»Es gibt eine Mitternachtssuppe. Was Feuriges. Mit Riebele. Das mögt ihr Jungs doch so gerne« flötet Gisela.
Sie frohlockt in die Runde: »Es gibt Netzbrot dazu. Selbstgebackenes natürlich«
»Ahhh« rufen meine Kumpels gleichzeitig, wie aus einem Mund. Sie stellt den Brotkorb auf den Tisch: »Ich habe es gestern schon gebacken, damit es heute schnittfest ist. Frisches Brot lässt sich nicht gut schneiden, müsst ihr wissen. Zudem bekommt man davon Magenkrämpfe. Und das wollen wir ja auf keinen Fall, gell«
Sie sieht auf die Mattscheibe und verdreht die Augen wie ein geisteskranker Hund, brüllt auf wie ein verletzter Stier. »2:0 für Polen. So eine Schande aber auch«
Sie eilt in die Küche zurück und rührt wie eine Wilde mit dem Holzkochlöffel in dem Aluminium-Kochtopf: »Das gibt‘s doch nicht«
Alex, Domi, Thomas, Adrian, Hebbe, Lutze, Martin, Mike, Bernd, Dennis und Dalibor klatschen mir beim Abschied auf die Schultern.
»Wenn ihr das Rezept für das Brot noch haben wollt? Also ihr nehmt 800 Gramm Mehl, Type 1050«
Ich sehe meine Kumpels hilfesuchend an. Sie beachten mich nicht.
»10 Gramm frische Hefe, Trockenhefe geht auch, da müsst ihr aber …
»Du hast eine tolle Schwiegermutter« sagt jeder einzelne. Beneidenswert«
»Bis Dienstag dann, Jungs« verabschiedet meine Schwiegermutter meine Freunde. »Ich bin gespannt, was die Holländer so drauf haben«
12. Kapitel.
»Drei Wochen lang einen Mutter-Tochter-Urlaub machen zu wollen, ist wirklich ein Unding, wie ich meine. Ein Wochenende in einem WellnessHotel hätte auch gereicht. In Baden-Baden vielleicht, oder im Allgäu. Ihr hättet in den Schwarzwald reisen können, Dani. An den Chiemsee. Oder ins Elsass«
Ich klopfe mit der Faust auf den Küchentisch. »Aber nein, meine verehrte Frau Schwiegermutter muss in die Vereinigten Arabischen Emirate«
»Sie hat noch nie eine Flugreise gemacht, Olli« sagt Dania mit trotzigem Gesicht.
»Ich auch nicht«
»Meine Mama hat ihr ganzes Leben lang nur gespart«
»Ich auch«
»Und sie hat schon immer davon geträumt, einmal eine Wüstensafari zu machen, Olli«
»Na dann«
»Mit Delphinen zu schwimmen«
»Ach, Dania«
»Luxus zu genießen«
»Und dann muss es gleich Dubai sein?«
»Ach, Olli«
»Und eines der teuersten Hotels der Welt?«
»Es ist ihr Traumurlaub«
»Wie wäre es mit der Türkei? 0der Tunesien vielleicht? Ägypten? Da ist es erheblich billiger«
»Meine Mama will aber nach Dubai«
»Jetzt streiten wir uns schon wieder wegen deiner Mutter. Die Frau macht mich echt ganz meschugge mit ihren blöden Ideen. Und wenn ich an das viele Geld denke …
»Es ist ja nicht dein Geld, Oliver Sven«
»Nein, das ist es nicht, aber …
»Du gönnst meiner Mama die Reise nicht« sagt Dania leise. Und sie sieht mich so unendlich traurig an, dass ich es kaum ertragen kann.
»Du hast ihr auch die goldene Handtasche nicht gegönnt«
»Du meine Güte, Dania. Für was braucht deine Mutter eine goldene Handtasche? Kannst du mir das einmal erklären, bitteschön?«
»Weil sie Freude daran hat. So einfach ist das! Wer weiß, wie lange wir die Mama noch haben werden«
Dania verlässt das Schlachtfeld, kurz darauf das Haus. Und meine Schwiegermutter fängt zu kochen an. »Es gibt Rostbraten, Spätzle und Kartoffelsalat, Bub«
Noch in der gleichen Stunde bestelle ich bei Ebay die passende Geldbörse für ihre goldene Handtasche.
Gisela kreischt auf wie eine kaputte Kreissäge, als sie mein Geschenk auspackt.
»Echtes Rindsleder« murmelt sie dann.
»139 Euro« murmele ich.
»Auch von Michael Kors. Wie mein Handdäschle. Ach, Olli. Mein Schwiegersohn, mein Guter«
Auch Dania freut sich. Ihr Blick sieht wie eine Belohnung aus. Sie fällt mir um den Hals, knabbert an meinem linken Ohrläppchen, flüstert:
»Mein Schatz«