Читать книгу Schwiegermutteralarm - Gisela Sachs - Страница 7

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1. Kapitel

Es war an Silvester. Kurz vor Mitternacht fasste ich den Entschluss, zu heiraten. Nüchtern, wohlgemerkt. Ich fiel meiner Traumfrau vor die Füße, blinzelte mich von ihren Jeansbeinen über ihren Blusenausschnitt hoch zu ihrem tomatenroten Schmollmund, suchte ihren Blick und fragte: »Willst du mich heiraten, Dania?«

Dania sah ratlos auf mich herab. Sie wusste nicht so recht, was sie jetzt tun oder sagen sollte. Und erst, als die Freunde um uns herum grölten und begeistert in die Hände klatschten, hauchte sie ein leises »Ja‚ zu mir herunter. Erleichtert stand ich von den kalten Steinfliesen auf, nahm meine Herzensdame in die Arme und küsste sie.

Schon am ersten Tag im neuen Jahr, am späten Nachmittag, so gegen fünf Uhr, wurde ich bei meiner zukünftigen Schwiegermutter vorstellig. Mit Blumenstrauß von der Tankstelle, ganz so, wie es sich gehörte. Ich hatte das in einer Illustrierten beim Notarzt gelesen. In der Regel lese ich keine Illustrierten. Nur beim Arzt oder beim Friseur. Was soll man in der langen Wartezeit auch sonst tun? Und wenn das Zeugs ohnehin schon da liegt.

Ich spiele Fußball. In jeder freien Minute. Im letzten Spiel habe ich mir den linken Haxen verrenkt, einen Zahn ausgeschlagen. Dennis, der Blindfuchs, hatte mich angerempelt, bevor er ein Eigentor schoss. Schon das zweite Eigentor in dieser Saison! Und mit diesem Missgeschick meines Sportkollegen fing alles an. Man brachte mich in die chirurgische Notambulanz ins Stuttgarter Klinikum.

Ich saß schmerzgekrümmt im Wartebereich, es dauerte ziemlich lange, bis ich ins Sprechzimmer gerufen wurde, so blätterte ich in irgendeiner Illustrierten. Dabei stieß ich auf den Beitrag »Der Schwiegermutter vorstellig werden.«

Die nächsten Tage war mein Kopf gedankenschwer. Als guter Verdrängungskünstler, der ich schon immer war, schob ich dann die Sache mit dem Heiraten weit nach hinten auf der Landkarte meines Gehirns. Und dann drängte sie sich plötzlich nach vorne, wollte raus aus mir, ließ mich in der Silvesternacht auf den kalten Steinfliesen niederknien und Worte sagen, die ich eigentlich gar nicht vor hatte zu sagen. Ich machte noch weitere Dinge, von denen ich nie geglaubt hätte, dass ich sie irgendwann einmal tun könnte.

An dem Tag, an dem ich bei meiner zukünftigen Schwiegermutter vorstellig wurde, trug ich sogar Stoffhosen und richtige Schuhe. Keine Jeans und Turnschlappen, wie sonst, habe mich mit viel Mühe in die schwarze Stoffhose meines Konfirmandenanzugs gequetscht, das weiße Hemd mit den albernen Biesen und Wäscheknöpfen dazu angezogen, sowie die schwarzen Lackschuhe von Salamander, die mir Oma Klärchen damals aufgequatscht hatte. Meine Oma ist dickköpfig, sie hätte mir den Führerschein nicht bezahlt, wenn ich die Lacklatschen und das alberne Hemd nicht angezogen hätte.

Eigenartigerweise passen die Schuhe noch, meine Füße sind seit meiner Konfirmation nicht mehr gewachsen, sehr wohl aber mein Bauchumfang. Den Reißverschluss der Hose bekam ich auch mit viel Luftanhalten nicht zu, trug das Hemd deshalb über der Hose. Ich kam mir ganz schön blöd vor damals. Auf meine Army Cap habe ich aber trotz Einspruch meiner Oma nicht verzichtet. Was genug war, war genug!

Und dann stand sie vor mir. Die Frau, die meine Schwiegermutter werden sollte. Gisela Kammerberger. Mir war ziemlich flau im Magen. Richtig schlecht, um genauer zu sein. Sauschlecht, um ehrlich zu sein. Meine zukünftige Schwiegermutter musterte mich von Kopf bis Fuß und wieder zurück, bevor sie die Tür frei gab und sagte: »Komm rein«

Das Verhör fand in der guten Stube statt. Und erst danach hat sie mir einen Kaffee angeboten. »Oder ein Wasser vielleicht, junger Mann?« fragte sie mich süffisant. Ich wusste damals noch nicht, wie ich mit ihr dran war, entschied mich vorsichtshalber mal für Wasser, obwohl ich einen Klaren ganz gut hätte brauchen können.

Das Wasser blieb mir dann fast im Hals stecken. Ich solle in zwei Tagen wiederkommen, meinte die Mutter meiner zukünftigen Frau. Und, dass es da noch einiges zu klären gäbe. Und dass ich zu dem Date meine Kontoauszüge mitbringen solle, ebenso meine Versicherungs-Policen und meine Sparbücher.

So hatte ich das mit dem »Der Schwiegermutter vorstellig werden« nicht in Erinnerung. Aber die Illustrierten haben ja auch nicht immer Recht. Meine Traumfrau stand neben ihrer Mutter. Sie lächelte mir vielversprechend zu. Ihr Blick wirkte wie eine Belohnung für zukünftige Taten. Irgendwie wurde mein Hals eng, mein Magen noch flauer. Aber es wird schon seine Ordnung haben, dachte ich damals!

Meine Oma hatte mir dann aus der Patsche geholfen, mir ihren Sparstrumpf zum Vorzeigen ausgeliehen. Als Gegenleistung musste ich meiner Oma eine kirchliche Hochzeit versprechen. Mit allem Gedöns! Mit der ganzen verratzten Verwandtschaft, feinem Anzug, Blumenkindern und Orgelspiel. Stundenlang stand sie bei Nacht und Nebel vor dem schäbigen Mietshaus, in dem die Kammerbergers damals wohnten, fror sich den Arsch ab, um ihr selbst gestricktes Strümpfchen wieder in Empfang zu nehmen. Danach war sie für drei Tage platt. Omas Plan aber ging auf, ich besitze jetzt zwei schwarze Anzüge und zwei Paar schwarze Lackschuhe von Salamander.

Meine damals zukünftige Schwiegermutter war sehr beeindruckt vom Inhalt aus Oma Klärchens blauem Strickstrumpf mit dem Zopfmuster. Und wie sich später heraus kristallisieren sollte, auch von meiner Oma. Sehr sogar! Aber das ist eine andere Geschichte. Sie nahm mich, nachdem sie äußerst gewissenhaft die Geldscheine durchgezählt hatte, in die Arme, drückte mich ganz fest an ihre dicken Brüste und flüsterte bewegt: »Mein Schwiegersohn«

Für meine Traumfrau, die als uneheliches Einzelkind aufgewachsen ist, war es eine Selbstverständlichkeit, dass sie weiterhin mit ihrer Mutter zusammen wohnen würde. Dania erklärte mir wortreich, dass die Zwei-Zimmer-Maisonette-Wohnung in Stuttgart-Berg aber viel zu klein für drei Personen sei.

Ich nickte zustimmend. Die Wohnung ist wirklich zu klein für drei Personen. Meine Traumfrau hatte damals allerdings etwas missverstanden. Sie fiel mir um den Hals, knabberte an meinem linken Ohr, flüsterte:

»Mein Schatz«

Wir suchten also nach einer größeren Wohnung. Für meine Traumfrau, meine zukünftige Schwiegermutter und mich. Was in Stuttgart allerdings eine schwierige Angelegenheit ist. Und erschwerend kommt dazu, dass »Mann« nicht den passenden Geldbeutel dafür hat.

Ich hatte meinen Chef schon des Öfteren um eine Gehaltserhöhung gebeten. Aber er hatte nie wirklich darauf reagiert. Gut, der Mann muss auch zusehen, wo er bleibt, das sehe ich ja ein. Die Heizungskosten sind enorm gestiegen und die Temperatur des Schwimmbeckens im Erdgeschoss seiner Stadtvilla auf der Gänsheide darf nicht unter 30 Grad fallen. Seine Angetraute mag nicht in kaltem Wasser planschen. Auch das sehe ich irgendwie ein. Aber halt nur irgendwie. Wer hat schon ein Schwimmbecken in seinem Haus?

»Du hast doch Bausparverträge, Oliver Sven« sagte meine zukünftige Schwiegermutter eines Abends beim Fernsehen. Sie sah mich an wie ein Tiger vor dem Sprung. »Ja?« antwortete ich zögernd. Wenn sie mich mit vollem Namen anspricht, dann wird es brenzlig für mich werden, das hatte ich schnell kapiert.

Der Tiger setzt zum Sprung an. Dann die Attacke. »Dann bauen wir doch ein Haus, Oliver Sven«

Irritiert sah ich auf den Mund, der diese Worte ausgespuckt hatte, blinzelte mich über die Nase bis zu den Augenbrauen hoch. Sie meint es ernst, wurde mir schlagartig klar.

Ich sah ratlos auf meine Traumfrau. Dania lächelte mir verheißungsvoll zu. Und aus meinem Mund kommen zukunftsschwere Worte.

»Dann bauen wir doch ein Haus« wiederholte ich den Satz meiner zukünftigen Schwiegermutter.

Ich konnte wirklich nicht anders handeln, wäre mir wie ein Schwein vorgekommen, wenn ich, ach Scheiße …

Danach flüchtete ich zu Oma Klärchen.

»Dann bauen wir halt ein Haus, Olli!« sagte meine Oma nach dem zweiten Glas Zwetschgenschnaps. Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durch ihre dauergewellten Haare, schob ihre Nickelbrille Richtung Stirn und zupfte an ihrer blau geblümten Kittelschürze herum. »Ich hab da noch ä Bausparverträgle, Bub« sagte Oma verschmitzt.

Schwiegermutteralarm

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