Читать книгу Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck - Gisela von Mossen - Страница 65

- Blaye -

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ein mit seiner Zitadelle aus dem 17. Jahrhundert und einer imposanten gotischen Burg; ein hübscher Kontrast zu den verwitterten Festungsmauern, die den Ortskern umrunden, leuchtend rote Rosenpracht. Ein idealer Übernachtungsplatz direkt am Ufer der Gironde war schnell gefunden; zwischen den vorgelagerten kleinen grünen Inseln zogen noch einige Segler ruhig ihre Bahn, die leicht geblähten schneeweißen Segel leuchteten in der Dämmerung. Dieses Mal waren wir wieder zu fünft, d.h. vier Wohnmobile ließen sich noch in der Nähe nieder; in einiger Entfernung hatten sechs Caravane eine Art Wagenburg gebildet; kurz nach unserer Ankunft wurden wir von ihren Insassen umlagert, alt und jung, Männlein und Weiblein; es handelte sich um französische Nomaden, Zigeunern vergleichbar, unisono in bewunderndem Ton „Tabér, Tabér“ rufend. Erst allmählich dämmerte uns, dass es sich um die französische Aussprache des Herstellers unseres Mobis handelte, der Firma Tabbert, durch eleganten Schriftzug oberhalb der Frontscheibe und an den Seiten zu erkennen. Ihre Wohnwagen hatten sie über dieselbe Firma bezogen und standen jetzt zum ersten Mal einem Wohnmobil der von ihnen bevorzugten Marke gegenüber. Neugierig fragten sie nach allen Einzelheiten, Hände und Füße zu Hilfe nehmend; „très bon“ war ihre einhellige Meinung, eine bessere Beurteilung konnten wir uns nicht wünschen. Befriedigt zogen sie von dannen und wir uns zu einem leckeren Abendessen aus dem übervollen Kühlschrank zurück, dazu ein paar Gläschen wohlschmeckender roter Landwein, natürlich aus französischem Anbau, eine flackernde Kerze auf dem Tisch und ein hell leuchtender Mond am sternenübersäten Himmel, konnte das Leben schöner sein?!


Am Sonntagmorgen, heiter mit einigen Wölkchen, ging es weiter durch herrliche weite Weinfelder, dann wieder am Ufer der Gironde entlang, durch enge verwitterte Dörfer, sehr hübsch Talmont mit mächtiger Festungsmauer; danach ins Landesinnere abbiegend über Saintes, eine reizvolle alte Stadt; am Fluss Charente steht ein fast 2.000 Jahre alter Triumphbogen als eindrucksvolle römische Hinterlassenschaft, die Reste eines Amphitheaters zeugen noch von gewaltiger Größe. Spontan entschlossen wir uns, noch einmal an den Atlantik zurückzukehren und erreichten ihn am frühen Nachmittag in La Rochelle, der lebhaften Hafenstadt, die wir drei Tage zuvor auf dem Weg zum Fährhafen Royan nur kurz gestreift hatten. Am Sonntag waren jetzt noch mehr Menschen auf den Straßen unterwegs. Als wir gerade das sehenswerte Renaissancerathaus passiert hatten, bemerkten wir, dass irgendetwas mit dem Fahrzeug nicht stimmte, der Wagen zog dauernd nach links. Wild gestikulierende Passanten zeigten auf den hinteren Teil unseres Mobis. Als wir irritiert am Straßenrand anhielten, machte uns ein junger Franzose auf den kaputten linken Hinterreifen aufmerksam. Das hatte uns gerade noch gefehlt, da die Räder praktischerweise hinter den durchgehenden Verkleidungen angebracht und nur durch gänzliches Abschrauben derselben zu erreichen waren, konnten wir das Auswechseln in eigener Regie vergessen, brauchten also dringend eine Werkstatt, und das am Sonntagnachmittag!

Während der Suche, natürlich im Schleichgang, immer wieder wilde Gesten. Schließlich landeten wir auf einer kleinen Tankstelle, besetzt mit zwei Angestellten, der Chef, fein gemacht im sonntäglichen Anzug mit Schlips und Kragen, schaute gerade vorbei. Sofort entledigte er sich seiner Jacke und Binder, krempelte die Ärmel auf und machte sich mit seinen Leuten ans Werk. Die zum Teil rostigen Schrauben zu lösen, eine Heidenarbeit, und der Reservereifen unterhalb des Hecks war nur auf dem Rücken liegend, eng an den Boden gepresst, zu erreichen. Nach fast drei Stunden war das Kunststück vollbracht. Hocherfreut über einen fairen Preis trotz Sonntagsarbeit ließen wir unseren Tank noch randvoll füllen und zogen mit beiderseitigen guten Wünschen von dannen.


Inzwischen war es Zeit für die Stehplatzsuche; gleich direkt um die Ecke wurden wir fündig, eine naturbelassene Parkfläche, aufgelockert durch einzelne Baumgruppen, zwischen Hafeneinfahrt und mächtiger alter Festungsmauer war geradezu ideal. Ein in der Nähe befindliches Kartentelefon nutzte ich zunächst einmal für einige Anrufe bei den Lieben daheim, bei denen wir uns übrigens außer mit den üblichen Postkartengrüßen auf all unseren Fahrten in regelmäßigen Abständen per Telefon meldeten. Fünf Mobis und ein Caravan hatten es sich auf dem Platz bereits gemütlich gemacht. Wir reihten uns in eine etwas größere Lücke ein und beruhigten unsere knurrenden Mägen mit einem leckeren Abendessen an Bord; plötzlich am offenen Fenster ein dunkler Kopf: „Bella, bellissima“, ertönte es begeistert, wen oder was immer er damit meinte. Wir baten den Bewunderer herein, der sich als italienischer Schauspieler vorstellte und schon in der ganzen Welt herumgekommen war. Er stand mit einem kleineren, selbst ausgebauten Wohnmobil zwei Parkplätze weiter. Die Bitte, seiner französischen Ehefrau auch das Wageninnere zeigen zu dürfen, erfüllten wir ihm natürlich gern, ganz besonders hatte es den beiden unser „Bathroom“ angetan. Über eine Stunde saßen wir bei Rotwein und Knabbersachen in sehr angeregter, lustiger Unterhaltung beisammen, heraus kam ein herrliches Kauderwelsch in englisch, französisch, deutsch und italienisch.


Etwas später trafen noch vier junge Deutsche mit einem VW-Käfer ein, drei Mädchen und ein Junge als Hahn im Korb. Geschickt bauten sie hinter uns auf dem Rasen zwei kleine Zelte auf. Durch unser weit offen stehendes Heckfenster ergab sich auch hier wieder ein fröhliches Gespräch; mit einem Dosenöffner - ihrer hatte den Geist aufgegeben - und etwas Senf für ihre Würstchen halfen wir gerne aus. Ein sehr nettes, etwas älteres französisches Ehepaar, das nicht weit entfernt ebenfalls zeltete, kam auch noch auf einen Schnack vorbei, Themen von Napoleon bis in die Gegenwart; fehlten die Vokabeln, half eine deutliche Zeichensprache. So ging der Abend schnell vorüber, man zog sich zum Schlafen zurück, bis auf ein französisches Paar, das mit seinem Wohnmobil links von uns stand; bei sperrangelweit offener Tür dröhnte ihr Fernseher über den ganzen Platz, ihre Mitinsassen, zwei riesige deutsche Schäferhunde, denen das Programm nicht sonderlich zuzusagen schien, taten ihr Missfallen in kurzen Abständen durch lautes Bellen kund.


Da dieser Lärm auch um 23.00 Uhr noch nicht aufhörte, wurde es meinem Schatz zu bunt, er wälzte sich von seinem Bett, riss unsere Tür auf, und als der Nachbar nach kurzem Rufen auf der Bildfläche erschien, gab er ihm in „fließendem Französisch“ zu verstehen: „Is it possible to fermez la porte, it’s très laut?!!!“ „Comment???“ kam es verständnislos von drüben, bei dem Sprachengemisch kein Wunder. Völlig konsterniert packte man seine Siebensachen, warf den Motor an und verließ diese ungastliche Stätte. Das wollten wir zwar nicht unbedingt erreichen, aber es herrschte wenigstens endlich Ruhe.


Auf landschaftlich wieder sehr schöner Nebenstrecke, hügelauf und -ab durch weite, teilweise schon gepflügte Felder, dunkle Kiefern- und verwilderte Laubwälder, durch fast menschenleere verwitterte Dörfchen, erreichten wir mit der uralten Stadt Nantes wieder die romantische Loire. Das trutzige herzogliche Schloss der Herren de Bretagne aus dem 14. bis 16. Jahrhundert mit seinen vielen Türmen und einem den ganzen Komplex umfassenden Burggraben war mein erstes Fotomotiv des Tages; in diesem Gemäuer unterschrieb im Jahre 1598 König Heinrich IV. das in allen Geschichtsbüchern erwähnte Edikt, in dem er den Hugenotten u .a. Religionsfreiheit zusicherte. Nicht weit entfernt an einem verkehrsreichen Platz die mächtige spätgotische Kathedrale, Bauzeit vom 15. bis Ende des 19. Jahrhunderts; im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde sie bis 1971 restauriert, nach einem Brand ein Jahr später in mühevoller Kleinarbeit wieder rekonstruiert. Ein Parkplatz fast vor dem Hauptportal machte es uns möglich, auch den imponierenden Innenraum von über 100 Metern Länge und im rechten Querschiff das prachtvolle Renaissancegrabmal des letzten bretonischen Herzogs, Franz II., zu besichtigen. Die sehr schöne Altstadt mit ihren prächtigen Häusern aus dem 15. bis 17. Jahrhundert erkundeten wir, soweit die schmalen Gassen es erlaubten, wieder per Mobi. Sie wird durch einen breiten Straßenzug, der über einem ehemaligen Flussbett verläuft, in zwei Hälften zerteilt, eine mittelalterliche im Osten und eine barocke im Westen.


Auf herrlicher Strecke, fast immer direkt am Südufer der Loire entlang ging es weiter; nach fast 75 Kilometern durch überaus reizvolle, von üppig tragenden Weinbergen durchzogene Landschaft stießen wir in dem kleinen idyllischen Ort

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