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Kapitel 8 Der Plan

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Es brodelt in Susanne. Eine nie gekannte Wut macht sich in ihr breit. Es ist gerade einmal etwas über eine Woche vergangen seit der unheilvollen Entdeckung. Sie hat das Gefühl, einen Zustand erreicht zu haben, den man als „unberechenbar“ bezeichnen würde. Sie ist mittlerweile wild entschlossen, die Andere auf ihr Terrain zu locken, wo sie sich sicher fühlt. Sie schaut sich um. All das, was sie und ihr Mann sich angeschafft haben, hatte bisher Bedeutung, war ein Zeichen der Gemeinsamkeit. Die abgenutzte Sitzecke, der alte Schlafzimmerschrank. All das ist für Susanne nun in Frage gestellt. Er will gehen, seine Familie, das Haus verlassen. Einzig der Hauch einer Erinnerung würde bleiben. Wie auch immer, sie hat Heimvorteil und den wird sie nutzen.

Um auf dem Laufenden zu bleiben, liest sie nun wieder täglich die E-Mails der beiden. Auch die alten.

Er: Guten Morgen, Darling! Es sind schon mehrere Teilnehmer angemeldet. Du warst die Erste. Ich freue mich riesig! Da bei Loch 4 gibt es übrigens ein dichtes Tannenwäldchen … Ob ich es schaffen werde, dir keine schönen Augen zu machen? Ich hab ganz, ganz, ganz schrecklich viel Lust auf dich! Viel Liebe, viele Küsse, viele Knutscher, viel Streichler, viele Krauler … Wie ekelhaft, so was würde noch nicht einmal in einem billigen Schundroman stehen!

Sie: Heißt das, ich werde deine Frau kennenlernen? Keine Angst. Ich werde mich zu benehmen wissen: kein Kuss, kein sehnsüchtigen Blick, keine Streichler. Ich flirte einfach mit anderen Männern. Bis später dann. Ja, du hast mich kennengelernt und ich garantiere dir, dass du mich in nächster Zeit besser kennenlernen wirst, als dir lieb ist!

Sie läuft in den Keller, holt den Hammer und findet sich mit zum Schlag ausholendem Arm vor seinem PC wieder. Mitten in dieser Bewegung hält sie inne. Ihre Arme beginnen zu zittern, sie schließt ihre Augen, presst ihre Lippen fest aufeinander und lässt den Hammer sinken. Das könnte sie ihrem Mann schlecht erklären. Nein, das ist nicht der Sinn des Spiels. Sie weiß, sie muss sich beherrschen. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf geht Susanne wieder nach oben an ihren Laptop.

Es ist noch einige Zeit hin, bis sie ihrem Mann ihre hübsche Adventsidee mitteilen kann. So etwas muss gut vorbereitet werden.

Das Telefon klingelt. Sie schreckt aus ihren Gedanken auf. Es ist Anna. Welch Ironie, denkt Susanne, gerade jetzt ruft sie an, da sie nun Schicksalsgefährtinnen sind. Vor etwas mehr als einem Jahr hat Anna sie völlig aufgelöst angerufen und ihr erzählt, dass sie eine fast leere Packung Viagra-Pillen in der Hosentasche ihres Mannes gefunden hatte, als sie seine Jeans gerade in die Waschmaschine stopfen wollte. Und da sie selbst nie in den Genuss des kleinen blauen Wundermittels gekommen war, bedeutete dies, dass sie fortan nie wieder Kontakt mit seiner Wäsche hatte.

„Und, Anna, wie läuft’s bei dir? Was gibt es Neues?“

„Ach nichts, er nervt mich immer noch. Immer und immer wieder findet er etwas, das noch zu klären ist. Warum fragst du?“

„Ach, weißt du, mir geht es momentan auch nicht viel besser … Wie ich seit Kurzem weiß, betrügt mich mein Mann auch schon seit Monaten mit einer anderen Frau.“

Auf der anderen Seite der Leitung tritt Stille ein.

„Bist du noch da?“, fragt Susanne leise und beginnt sich schon zu sorgen.

Aber Anna schweigt beharrlich, und Susanne weiß genau, woran diese denkt: an das noch lange nicht verblasste Gefühl, wie es ist, Hörner aufgesetzt bekommen zu haben.

„Ich habe es auf andere Art und Weise erfahren als du. Du warst ja damals ganz schön konsequent, als du seinen Schlafanzug in einer Plastiktüte an die Haustür der anderen gehängt hast. Wer hatte dir noch mal verraten, wo er gerade nächtigte? Ach ja, das war Barbara.“

„Jo, und geklingelt hab ich bei der LAG, äh bei der Lebensabschnittsgefährtin auch noch. Und dann bin ich abgerauscht.“

„War ganz schön hart, als er gleich darauf nach Hause kam.“

„Natürlich war es das. Der hatte das über ein Jahr lang voll durchgeplant. Sein Abgang war von A bis Z organisiert, nur nicht für diesen Tag. Er hat vorgesorgt bis zur letzten Socke“, witzelt sie.

Obwohl die Freundin sehr beherrscht wirkte und es längst geahnt hatte, hatte sie das damals doch ziemlich umgehauen, erinnert sich Susanne. Es folgten wochenlange Grabenkämpfe. Sie seufzt und macht eine längere Pause.

„Bist du da wirklich sicher, ich meine, dein Mann ist ja nicht gerade der Feger!“

Susanne hört, wie ihre Gesprächspartnerin sich eine Zigarette anzündet, an ihr zieht, den Rauch inhaliert und die Luft langsam wieder herausströmen lässt.

„Ich habe alles schwarz auf weiß“, fährt sie fort.

„Wie? Du hast alles schwarz auf weiß?“, hustet Anna los.

„Nun, ich habe den gesamten Mailverkehr zwischen ihm und der Anderen auf seinem Computer gefunden und ihn auf meinem Laptop gesichert“, antwortet Susanne.

„Was hast du? Ist das auch wirklich wahr? Mein Gott, so bescheuert kann doch keiner sein! Nein, mal ehrlich, das ist doch jetzt ein Witz, oder? Nicht dein Mann. Jeder andere, nicht deiner.“

„Doch, meiner auch.“

„Und, meinst du, es ist was Ernstes? Oder nur eine Art Midlifecrisis?“

Susanne überlegt lange, doch sie kann keine Antwort finden, die auch sie selbst überzeugt.

„Anna, ich hab keine Ahnung. Ich weiß nicht, was es ist, aber du kannst dir sicher sein, dass ich alles dafür tun werde, dass es bald vorbei ist!“

Susanne sitzt bei abgedunkeltem Licht am Esszimmertisch. Sie fühlt sich plötzlich auf eine ganz neue Art mit ihrer Freundin verbunden. Damals, als sie geheiratet hatte, war sie stolz darauf zu sagen, dass sie nun eine Ehefrau war. Sie stellte ihren Mann gern als „ihren Mann“ vor, fühlte sich aufgenommen in einen ganz exquisiten Club. Nun gehört sie zum Club der Betrogenen. Sie flucht innerlich und beschließt, ihre ungewollte Mitgliedschaft in diesem Club so schnell wie möglich wieder zu kündigen. Sie ist allein und kann Anna ungestört in ihren Plan einweihen. Je öfter sie diesen Plan laut ausspricht, desto mehr glaubt sie an sein Gelingen.

„Also, hör gut zu. Ich werde dich aus taktischen Gründen nicht zum Adventskaffee einladen. Du bist meine Notfallversicherung, falls etwas schief läuft und ich vielleicht nachher erst mal irgendwo anders unterkommen will.“

Anna kann sehr gut verstehen, dass Susanne etwas tun muss, aber mit der Art und Weise ihrer Vorgehensweise hat sie anscheinend ihre Probleme.

„Kannst du das auch wirklich durchhalten? Wär mir ’ne Nummer zu abgedriftet. Ich könnte das nicht.“

„Also hör mal, so wie du das angegangen bist, hätte ich dir mehr zugetraut! Keine Bange, das schaffe ich schon. Also abgemacht?“

„Na gut, überredet. Ich steh dir natürlich bei! Was tut frau nicht alles für andere …“

„… Gehörnte!“, beendet Susanne das Gespräch.

Sie muss sich irgendjemandem anvertrauen, sonst erstickt sie daran. Sie möchte es ihren Freundinnen als Erste erzählen, bevor sie es zufällig aus anderer Quelle erfahren. Sie möchte den Bekanntenkreis auf ihrer Seite wissen, nicht diejenige sein, die nach dem Spiel allein dasteht. Dann hat sie Angst um ihren guten Ruf. Warum eigentlich? Es heißt doch: ‚Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich‘s gänzlich ungeniert!‘ Ob er es gedanklich schon mehrfach durchgespielt hat, wie er Dazu irgendwann in den gemeinsamen Freundeskreis einführen könnte? Der Adventskaffee böte sich ihm da sogar als gute Gelegenheit an. Soll er sie haben. Sie ist vorbereitet.

Rosenspiel

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