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Kapitel 4 Der Tag danach

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Verdammt, sie hatte das alles nicht geträumt. Ihr Mann hatte tatsächlich eine Geliebte – ¬Dazu. Sie hatte sich das auf dem Golfplatz, so sehr sie es sich gewünscht hätte, also nicht eingebildet. Seit Monaten nun turteln sie herum, flirten, sehnen sich nach einander, machen es miteinander, belügen und betrügen sie, die gehörnte Ehefrau.

Das waren gestern Nacht ihre letzten Gedanken und sind heute ihre ersten beim Aufwachen. Ihr wird klar, dass sie einen Fehler gemacht hat.

Anstatt ihm gestern nachzufahren und dabei fürchterlich zu frieren, hätte sie besser die Beweise sichern sollen. Sie geht hinunter und schaut in der Diele in ihren Zauberspiegel, denn sie braucht Gewissheit, ob ihre Hörner noch zu sehen sind. Den Schlafzimmer- und den Badspiegel hat sie extra gemieden. Könnte ja sein, dass da doch keine sichtbar sind. Trügerische Hoffnung, denn sie sind noch da. Grinsen sie an, amüsieren sich köstlich über ihre naive Annahme, sie könnten über Nacht verschwunden sein.

‚Hörner, wie lange bleibt ihr? Werde ich euch für den Rest meines Lebens tragen, oder verschwindet ihr langsam, jetzt da ich euch entdeckt habe?‘, überlegt Susanne, während sie ihr Spiegelbild betrachtet. Es ist keine Veränderung festzustellen. Sie sind nicht kleiner geworden, ziehen sich nicht zurück. Ob es wohl bei allen Betrogenen so ist? Sie stellt sich eine Veranstaltung mit mehreren Hundert Menschen vor, deren Hörner auf ein Fingerschnippen hin schlagartig sichtbar werden. Viele wären schockiert darüber, dass auch sie welche haben, und ihren Partnern wohl auf der Stelle eine Szene machen. Ob die Stärke und Länge der Hörner die Intensität und Anzahl des Betruges anzeigt? Oder richtet sich das einfach nach dem Habitus des Trägers? Sähe es nicht witzig aus, trüge ein gestandener Mann nur zwei kleine Futzelchen, während eine zierliche Frau unter ihrem Gewicht fast kopfüber umzukippen drohte?

Hörner zu tragen, ist keine besondere Auszeichnung. Lange genug läuft man unwissentlich damit herum, manchmal sehr zur Freude gemeiner Mitmenschen, die sich hinter vorgehaltener Hand an der Unwissenheit der Gehörnten geradezu ergötzen. Immerhin sieht man sie erst, wenn man es weiß. Ihre Entdeckung ist zweifelsfrei Ursache entstehender Rachegedanken, aus denen dann handfeste Rachepläne werden können. Von der Rache der Gehörnten wurde so manch einer hart getroffen. Es gibt unendlich viele Varianten: Telefonterror bei der oder dem Geliebten ausüben. Beide in flagranti erwischen und diese Szene richtig auskosten. Vielleicht auch noch im eigenen Heim, in das man von einer Dienstreise früher als geplant zurückkehrt. Wie viele Hörnende sich wohl panisch im Schrank oder nackt auf der Straße wiedergefunden haben, die nachgeworfenen Kleidungsstücke einzeln im Schein der Laterne vom dunklen Asphalt einsammelnd? Die Autoreifen zerstechen oder den Lack nachhaltig beschädigen, auch das sind beliebte Taten, vor allem, wenn in seiner ganz persönlichen Rangfolge nach der Geliebten erst das Auto und irgendwo weiter unten die Ehefrau vorkommt. Körperliche Gewalt anwenden oder gleich ermorden, auch das findet sich auf der unendlich langen Palette der Rachepläne wieder. Fazit: Es gibt eine Rache, die die Hörnenden sofort trifft, schmerzlich und direkt. Es gibt aber auch eine Rache, die sich sanft, aber unaufhaltsam, in einem schleichenden, zerstörerischen Prozess entwickelt.

Susanne kocht Kaffee, trinkt erst einen Schluck und geht dann wie jeden Samstag Brötchen kaufen. Dann setzt sie sich an den Tisch und frühstückt. Allein, wie immer. Alle aus ihrer Familie schlafen noch, sie würden sicher auch Brötchen holen gehen, wachten sie früher auf. Einzig ihr Mann geht auch dann keine Brötchen holen, wenn er mal vor ihr wach ist. Heute ist sie geradezu begierig darauf etwas zu essen. Denn sie kann mit knurrendem Magen nicht so gut nachdenken. Die Ruhe im Haus nutzt sie, um ihren Gedanken nachzugehen.

Was soll sie nun tun? Sich geschlagen geben und ihm die Koffer vor die Tür stellen? Oder um ihn kämpfen und dann erst die Koffer vor die Tür stellen? Vielleicht um ihn kämpfen und ihn dann behalten? Sie weiß es einfach nicht. Sie weiß nicht mehr, was sie für ihn empfindet, wie sie überhaupt noch zu ihm steht.

Als sie mit ihrem Frühstück fertig ist, hat sie immer noch keine Lösung gefunden. Vielleicht wird sie nichts von alledem tun und erst einmal alles so belassen, wie es ist.

Sie verspürt einzig das Bedürfnis, ihrem Mann irgendwie aus dem Weg zu gehen. Sie hat den Wunsch, sich wieder zu finden und sich über ihre verwirrte Gefühlslage klar zu werden.

Sie spielen mit ihr. Und Susanne denkt darüber nach, erst einmal ein wenig mitspielen. Ob sie jemals auch nur einen einzigen Gedanken an sie verschwendet haben? Sie wundert sich über sich selbst: Sie schreit nicht, sie heult nicht, sie fühlt sich noch nicht einmal verzweifelt, nur verletzt und leer. Gestern wie heute. Sie sollte sich von ihm trennen, hat aber keine Lust auf einen Rosenkrieg. Doch den hätten sie, würden sie sich jetzt scheiden lassen. Sie will keinen Rosenkrieg, nicht jetzt. Mitspielen will sie, als dritter Mitspieler in deren infamen Spiel. Kein Rosenkrieg, ein Rosenspiel. Das ist es, was sie will: das Rosenspiel!

Der Gedanke daran trägt sie jetzt, in ihrer Vorstellung reift ein Plan heran. Ja, ein Rosenspiel. Dieser Entschluss stimmt sie fast heiter, zaubert ein Lächeln auf ihr Gesicht, ein Gesicht, das eben im Spiegel noch wirkte, als wäre es über Nacht um Jahre gealtert.

Nach dem Frühstück geht sie wie immer ins Bad. Nur nicht zu erkennen geben, dass sie etwas weiß. Arme Dazu, irgendwie tut sie ihr jetzt schon leid. Susanne selbst weiß es, aber die beiden Betrügenden wissen es nicht, ja ahnen noch nicht einmal, dass sie alles weiß.

Möge das Spiel beginnen.


Rosenspiel

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