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Kapitel 3 Das Golfturnier

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Als sie Dazu zum ersten Mal sah, das kurze Aufblitzen in deren Augen bemerkte, als diese ihren Mann ansah, da spürte sie sofort eine gewisse Spannung zwischen den beiden. Irgendwann zuvor, so ganz nebenbei, hatte er erwähnt, dass da eine Frau aus dem Businessclub beim Golfturnier der Kategorie Spaß mitspielen würde. Und ganz zufällig, ganz beiläufig fügte er noch ein gemurmeltes „eine verheiratete Frau“ zu.

Da es Susanne eigentlich egal ist, wer mitspielt, maß sie seiner beiläufig hingeworfenen Bemerkung keine weitere Bedeutung bei. Ohne Argwohn, fast naiv war sie, als der Tag des Turniers kam. Wie immer richtete sie die Brote und Getränke, er packte die Schläger ins Auto. Im Gegensatz zu sonstigen Aktivitäten am Wochenende war er diesmal guter Laune. Als sie den Platz erreichten, sah sie in der Ferne eine etwa gleichaltrige Frau stehen.

„Da ist sie schon!“, sagte er freudig erregt und deutete in die Richtung eines strahlenden Gelbtons.

Susanne nickte irritiert und folgte seinem Blick. Die Frau war bereits auf der Driving Range und wärmte sich auf. Während sie sich ihr näherten, spürte Susanne, wie ein immer größeres Unbehagen ihren Mann beschlich. Er wurde sichtbar nervös und fing an herum zu hampeln wie ein Kind vor der Bescherung am Heiligen Abend.

Dazu trug eine gelbe, hautenge Hose, darüber ein ebenso enges Top in gleicher Farbe. Ziemlich sexy das Ganze. Man konnte Einzelheiten ihrer Figur gut erkennen – ob man wollte oder nicht. Ansonsten hatte diese Frau in Gelb eine freundliche, sympathische Ausstrahlung. Sie warf einen Blick auf ihren Mann. Was war bloß mit ihm los? Er benahm sich wie ein unreifer Pubertierender, eine leichte Röte trat in sein Gesicht. Völlig verunsichert, nicht wissend, was er tun sollte, stellte er die beiden Frauen einander vor.

Susanne begrüßte die Frau höflich, aber kühl. Denn jetzt war es nicht mehr zu übersehen. Da war etwas zwischen dieser Frau und ihrem Mann, etwas Aufregendes, Schönes, sogar etwas Hoffnungsvolles. Sie erkannte es daran, wie die beiden sich aufführten, es zeigte sich ihr mit jedem Blick und jeder Geste. Und noch während sich ihr dies alles in brutaler Klarheit offenbarte, tat sich unter ihr auch schon der Boden auf. Gleichzeitig begann die Erde zu beben und ein Hurrikan schickte seine ersten Windböen. Sie glaubte, ganz langsam in den Schlund der Hölle gezogen zu werden, fühlte, wie die züngelnden Flammen der Hölle ihr entgegenschlugen, während das Beben der Erde ihr das Gleichgewicht zu nehmen schien. Der Hurrikan begann an ihren Armen zu zerren, sie dieser Hölle aber nicht preisgeben zu wollen. All das fühlte sie in einem einzigen Moment. Sie wollte gleichzeitig lachen, weinen, kreischen. Sie tat es aber nicht. Kein Lachen, kein Weinen, kein Kreischen kam über ihre Lippen. Stattdessen hörte sie Dazus Worte wie aus weiter Ferne, nickte nur freundlich und suchte sich eine Stelle, um sich einzuschlagen.

Später, in den E-Mails, zwischen ihrem Mann und Dazu, abgelegt in der Ordner-Kategorie „Dazu“, werden sie über Susannes Unwissenheit lachen. Werden sich damit brüsten, wie toll sie sich doch damals auf dem Golfplatz beherrschen konnten, und nicht vor lauter Begierde im Gebüsch übereinander hergefallen sind. Sie haben sich sicher gefühlt. Doch das war ein Fehler. Sie haben sich ausgemalt, wie aufregend es wohl wäre, mit ihr, der Gehörnten, gemeinsam an einem Golfturnier teilzunehmen. Welch ein Affront! Welch eine Demütigung!

Brav wollte Dazu sein, ihn nicht mit schmachtenden Blicken anschauen. Was bildet die sich ein, was, denkt die empfindet eine Ehefrau wohl, deren Mann seit Monaten nichts mehr von ihr wissen will, und die dann beide – den Mann und die offensichtliche Geliebte – zusammen sieht? Susanne hätte noch so blind sein können, die Auswirkungen der Hormone, die die beiden nicht mehr unter Kontrolle halten können, würde sie aus drei Kilometer Entfernung riechen. Sie hat die Frau gesehen, hat gesehen, wie es ihrem Mann vor Begierde fast aus dem Mund tropfte. Sie hätte wirklich gerne zugeschlagen. Stattdessen gefror sie in ihrem Innern. Nachdem der Höllenschlund sich geschlossen, das Beben der Erde aufgehört und der Hurrikan sich verzogen hatte, kehrte die Eiszeit ein.

Als das Turnier dann vorbei war, trafen alle nach und nach im Clubhaus zur Siegerehrung ein. Ihr Mann setzte sich neben Susanne. Alibi. Dazu hatte schräg gegenüber von ihnen Platz genommen. So saß die Geliebte sowohl in seinem, als auch in ihrem Blickfeld. Susanne versuchte sich zusammenzureißen, aber ihre Laune besserte sich nicht. Sie saß zwischen ihrem Mann und einem der Jungs aus ihrem Team. Es muss die Katastrophe schlechthin für ihn gewesen sein, da sie zu allem, nur nicht zu Small Talk, aufgelegt war. Links von Dazu saßen Frauen, die fröhlich das Turnier durchhechelten und sich über ihre eigenen misslungenen Schläge und die ihrer Gegnerinnen und Gegner prächtig zu amüsieren schienen.

Wie gerne hätte sie die beiden abgeschossen. Sie oder ihn. Oder mit einem Bandenschuss gleich beide hintereinander. Susanne beobachtete Dazu und ihren Mann ununterbrochen. Zu ihrem Glück spielten sie in verschiedenen Teams. ‚Ein Golfschläger eignet sich nicht ausschließlich zum Golfspielen. Hätte ich einen Hang zur Gewalttätigkeit oder würden meine Blicke töten können, ich schwöre euch, ihr wäret augenblicklich umgefallen und längst nicht mehr am Leben‘, dachte Susanne, während sie Dazu auf der einen, ihren Mann auf der anderen Seite im Auge hatte.

Aber nichts von alledem geschah, ihre Blicke töteten nicht. Ihre Miene blieb wie versteinert. Sie stellte zu allem Übel auch noch verärgert fest, dass Dazu im Gegensatz zu ihr selbst total braun gebrannt war. Dieser dauernde Blickkontakt der Anderen mit ihrem Mann machte Susanne schier verrückt, obwohl Dazu sich bemühte, dies nicht allzu auffällig zu tun. Aber es gelang ihr nicht ganz. Kurz nach der Preisverleihung hatte er seinen Platz neben seiner Frau dann einfach verlassen und sich neben Dazu gesetzt. Er schob als Grund vor, dass er mal fragen wolle, ob ihr das Turnier gefallen hätte.

Er war zu ihr gegangen. Er hatte ihre Nähe gesucht. Er hat sie berührt, wie zufällig, für andere außer Susanne kaum wahrnehmbar. Für seine Frau war das offensichtlich. Da war was. Sie fühlte nur noch blankes Entsetzen.

Und um diesem Nachmittag noch die Krone aufzusetzen, gingen sie dann auch noch zu dritt gemeinsam zu ihren dicht beieinander geparkten Autos und plauderten ein wenig über völlig belangloses Zeug. Was hätte Susanne auch anderes tun sollen? Beiden eine Eifersuchtsszene erster Güteklasse hinlegen, vor allen Leuten, wo doch zu diesem Zeitpunkt noch rein gar nichts bewiesen war, alles nur auf erfühlter Wahrheit und Spekulation beruhte?

Sie hatte es nicht getan, hat es unterlassen. Auch im Auto, mit ihm allein, machte sie ihm keine Vorhaltungen und sprach ihren Verdacht nicht aus. Hätte er sich zu ihr bekannt? Oder hätte er, wie so gerne in ausweglosen Situationen, mal wieder an ihrem Verstand gezweifelt? Es geleugnet? Keine Ahnung, sie wollte es auch nicht wissen. Stattdessen fragte er sie auf der Rückfahrt auch noch mit äußerst unschuldiger Miene:

„Na, wie findest du sie so?“

Sie bebte vor Wut. Wie konnte er sie das fragen. Hatte er nicht mehr alle Tassen im Schrank?

„Was soll ich sagen? Ich habe ja kaum mit ihr gesprochen“, gab Susanne kalt zurück.

Sie fühlte sich verraten. Er hatte sich selbst entlarvt. Durch seine eigene Unsicherheit. Hatte er denn überhaupt keine Skrupel, sie unter einem fadenscheinigen Vorwand mit dieser Frau zusammenzubringen? Was dachte er sich dabei? Was dachte sie sich dabei? Hatten die beiden überhaupt kein Gewissen der Betrogenen gegenüber? Und hatte die Andere nicht selbst einen Mann?

Hätte ihr Mann diese Frau wie eine gute alte Bekannte begrüßt, mit einer herzlichen Umarmung, dann hätte sie sich nichts dabei gedacht, keinen Verdacht gehegt. Sie selbst begrüßte ihre engsten männlichen Freunde so. Durch sein albernes Rumgehüpfe hatte er sich offenbart. Sie ahnte, dass sich da etwas angebahnt haben könnte und diese Frau sogar der Grund seiner Abstinenz in ihrem Ehebett war. Susanne fühlte sich allein und verlassen.

Trotzdem hatte sie es geschafft, das Golfturnier zu verdrängen. Ihr eigener Schutzmechanismus gaukelte ihr vor, dass sie sich das alles nur einbildete. Sie war wohl, trotz der vielen Ehejahre, eifersüchtig, oder die Wechseljahre haben bei ihr enorm früh eingesetzt, und ihre Gefühle sind den Stimmungsschwankungen zuzuschreiben.

Sie hatte viele Vorwände gefunden, um sich nicht einzugestehen, dass ihr Mann eine andere Frau hatte.

Ihr Blick fällt auf das Bild, das ihre drei Kinder zeigt. Im Dunkel des Wohnzimmers kann sie es zwar nicht wirklich sehen, kennt aber jedes darauf abgebildete Detail, weil sie es immer und immer wieder anschaut.

„Mein Gott, was werden die Kinder sagen, wenn sie erfahren, dass unsere Ehe zu Ende ist?“, flüstert sie in die Stille der Nacht. Tom der Älteste, ist behindert. Er lebt seit einiger Zeit in einer Einrichtung, in der er sich sehr wohl fühlt. Tom ist ein erwachsener Mann, wird aber für immer ein Kind bleiben. Er ist unglaublich groß, und Susanne amüsiert sich immer prächtig, wenn er sich von oben zu ihr hinunterbeugt und sie in den Arm nimmt, wobei sie fast vollständig unter ihm verschwindet. Helena, Susannes erste Tochter, ist ebenfalls hochgewachsen und deutlich größer als ihre Mutter. Sie kleidet sich stets modisch, manchmal etwas schrill, und würde lieber tot umfallen, als ungeschminkt das Haus zu verlassen. Mit ihren glatten Haaren, die dicht und fest sind, hat sie so ihre Probleme. Gerne würde sie sie gegen die Locken ihrer Schwester eintauschen. Helena genießt alles, was sie tut, bricht nie in Panik aus und scheint immer die Ruhe selbst zu sein. Hannah, das Nesthäkchen, das einige Jahre nach ihren Geschwistern geboren wurde, ist das Gegenteil ihrer Schwester, temperamentvoller und viel schneller aus der Ruhe zu bringen. Allerdings kann Susanne sich nicht erinnern, dass sie ihre Jüngste jemals hat schnell laufen sehen. Äußerlich versucht sie nicht aufzufallen, ist aber keineswegs eine graue Maus. Zu den Kindern hat sich nun auch noch Helenas Freund Luca gesellt. Die beiden werden, sobald sie etwas Geeignetes gefunden haben, in ihre eigene Wohnung ziehen. Dann ist nur noch Hannah im Elternhaus. Susanne wird kein Interesse daran haben, einen Keil zwischen die Kinder und ihren Vater zu treiben. Warum auch? Sie sind erwachsen und treffen ihre Entscheidungen selbst.

Susanne schaut auf die Uhr. Es ist Zeit schlafen zu gehen. In diesem Moment hört sie das Bett oben quietschen, das Schnarchen verstummt endlich. Kurz darauf sind, einem Erdbeben gleich, Schritte zu hören. Nach einer Weile vernimmt sie die Klospülung, dann wieder Tritte und das Quietschen des Bettes. Sie weiß, dass er jetzt auf der Seite liegt und nicht mehr schnarcht. Sie geht nach oben, legt sich ins Bett und schläft bald darauf ein.


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