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Prolog

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Sie nannten ihn den Krumenbub, weil er der Sohn des Bäckers und weil er schwach war, er hatte keine Kruste, an der Luft gelassen, hätte er Schimmel angesetzt, nicht einmal für die Brotsuppe hätte er getaugt, nicht einmal als Hühnerfutter.

Er stand aufrecht mitten in dem Wald, der die Mauern des Ortes umgab, ein dunkler Wald, wo Cane sich versteckte, wenn der Regen Blitz und Donner mit sich führte, ein kleiner Wald, klein wie sie, die sie Nadeln im Heuhaufen waren.

Die Bäume reckten ihre Blätter in den Wind, glutheiße Luft stieg von den Feldern auf, das Ende des Sommers klebte einem am Leib. Nicola, das war sein Name, zitterte und schwitzte, Angst troff ihm von der Stirn.

Hier zählten die Menschen nicht, hier herrschte die Erde, denn die Erde blieb, während die Menschen fortgingen, und einer wie er, geboren inmitten der Felder mit weichen, zarten und blassen Armen, war zu überhaupt nichts nutze.

Sicher fühlte Nicola sich nur in dem Schatten, den die Dinge hinter sich warfen, leicht fiel ihm nur, sich in abgelegene Winkel zu verziehen, unters Bett zu kriechen, sich in hohlen Baumstämmen zu verstecken.

Als Nicola das Gewehr auf seinen Bruder Lupo richtete, dachte er, er müsse ein Versprechen einlösen.

Lupo und sein Rabenblick, reglos wie eine Gewissheit, waren eine Herausforderung für seinen Willen. Niemals würde er nachgeben und sich rühren.

Nicola schaute den großen Bruder an und sah alles, was Lupo gewesen war und was er nicht mehr sein würde, er sah sein Leben fortlaufen, ein Rinnsal Süßwasser, er sah den Jungen mit dem Tiernamen, den Gotteslästerer, den Rebellen.

Bevor Nicola schoss und damit die Vögel im Unterholz des Waldes aufscheuchte, sagte er: Entschuldige.

Mach nicht so ein Gesicht, das ist nichts anderes, als ein Kaninchen zu töten, entgegnete Lupo.

Der Große Krieg war auch bis hierher in diese Hügel gekommen, über die Schlossmauern, vorbei an den Wachtürmen, durch die Tore, an den Rebstöcken und den Olivenbäumen entlang, hatte Getreide und Seidenraupen eingesackt, hatte die Jungen in Uniformen gesteckt, die Frauen zum Arbeiten geschickt, nur Kinder, Gebrechliche, Priester und Nonnen waren noch da, um Serra de’ Conti zu bewachen, die Wasser des Misa, die Schotterstraße, die zum Friedhof führte, seine Felder, die seit den Zeiten des Kirchenstaats keiner von ihnen je besessen hatte.

Ein Ort der Habenichtse, der Halbpächter, der Schuster und Tagelöhner und all derer, die mittlerweile in den Krieg gezogen waren.

Nicola hatte noch nie ein Kaninchen getötet, trotzdem schoss er.

Ein Tag wird kommen

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