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Hump Brecker befand sich auf dem Weg nach Torrance.

Neben dem Schecken, auf dem er müde hin und her schaukelte, liefen noch zwei braune Pferde.

Alle drei Tiere waren mittelgroß, struppig und sehr zäh.

Hinter dem Reiter verschwanden die Giebel der Kreuz Ranch, und damit versanken auch Humps Hoffnungen hinter dem Horizont. Ja, er war diese Stelle losgeworden; mit ihr verlor er auch achtzig Dollar Monatslohn, ein Dach über dem Kopf und täglich mehr oder weniger schmackhaftes Essen.

Und alles das wegen – ja, nur wegen Arleen, der Tochter des Ranchers.

Der Cowboy spuckte wütend in den Sand und biss sich auf die Lippen. Sein schmales, von Wind und Sonne ausgedörrtes Gesicht zuckte etwas. Er kniff die Augen zusammen und ließ einige Verwünschungen vom Stapel. Die Pferde spitzten die Ohren und liefen gleich Galopp. Doch als sie merkten, dass Hump offensichtlich Selbstgespräche hielt und sich im Übrigen kaum um sie kümmerte, gingen sie wieder im Schritt.

Die Augen meiner Cowboys haben sich aufs Vieh und auf die Weiden zu richten, hatte ihm der Rancher gesagt, und nicht auf meine Tochter! Gehen Sie zum Teufel, Brecker!

Ja, das hatte der Alte gesagt und ihm den Rest der Löhnung in die Hand gedrückt. Damit war diese Sache eigentlich erledigt. Aber bei Hump ging das alles nicht so schnell. Einmal hatte er einiges für Arleen übrig und dann ... Ja, dann war noch etwas. Das wollte er noch heute regeln.

Er brauchte vier Stunden, ehe er endlich in Torrance ankam.

Es war Spätnachmittag, und die Sonne warf schon lange Schatten. Die Santa Bianca Mountains leuchteten rot und schienen zu glühen. Vor den Adobebauten der Stadt tummelten sich Mestizen, dürftig bekleidete Indios und einige Weiße. Sie musterten den Cowboy, nahmen aber nicht allzu große Notiz von ihm. Die meisten kannten ihn kaum. Seine Stadtbesuche waren bisher sehr selten gewesen. Ihn hatte an Torrance bis zur Stunde nicht allzu viel ergötzt. Die Stadt war schmutzig, öde und genauso wie hundert andere in New Mexico. Ihr Bild wurde von den Mestizen bestimmt und vom Adobelehm, aus dem hier sogar die Hundehütten errichtet wurden. So graugelb wie die Häuser waren auch die Straße und der Staub, der bei jedem Huftritt hochwehte und sich sogar in die Ohren einschlich. Graugelb waren auch die Wagen der Frachtgesellschaft. Die Farbe hatte es in sich. Sie erlaubte es den Fahrern, ihre Wagen ewig ungewaschen zu lassen.

„Ein graugelbes Nest in graugelber Erde!“, brummte Hump mürrisch vor sich hin. Dann spuckte er zum soundsovielten Male heute aus.

Santiagos „End of the hell“ war Humps nächstes Ziel. Das „Ende der Hölle“ schien ihm sehr vertrauenerweckend; er hielt es für den einzigen Lichtblick in diesem Rindernest.

Die Pferde schienen sich noch mehr als Hump über den Aufenthalt zu freuen, denn sie schlabberten gierig am Tränketrog, den der beflissene Wirt vor seinem Haus angebracht hatte.

Hump stieg ab und band die Pferde an. Dann stelzte er steil in den kühlen Raum hinein, der durch einen Holzperlenvorhang von der Außenwelt abgeschlossen war.

Hump blickte sich in dem Dämmerlicht um und erkannte, dass er der erste Gast dieses Tages war. An der Theke putzte eine kleine Indianerin die Gläser vom Vorabend. Einige Hocker standen noch auf den Tischen. Dicht vor Hump türmte sich ein Dreckhaufen aus Schmutz und Zigarettenstummeln.

Der Cowboy stieg über den Dreck und setzte sich schnaufend auf den nächstbesten Hocker. „Ein Bier, Chica!“, rief er dem Indianermädchen zu. „Los, bisschen schnell!“

Die kleine Indianerin huschte ängstlich hinter der Theke hervor und verschwand durch die Hintertür. Nach einer Weile hörte Hump dort jemanden husten und mit stampfenden Schritten herbeikommen. Dann tauchte Santiago auf, ein beleibter Mestize mit einem Vollmondgesicht. Gutmütig grinsend winkte er Hump zu. „Hoho, du bist also wieder einmal in der Stadt, Hump!“, rief er und spie einen Strahl Tabaksaft auf den Lehmboden.

„Ich bin vorläufig immer hier, Santiago!“, brummte Hump und lehnte sich zurück. „Suche ’nen Job!“

„Hat er dich …“, wollte Santiago fragen und füllte ein Glas mit Bier. „Er hat dich ’rausgeschmissen? Wegen Arleen?“

„Woher weißt du das?“, wollte Hump wissen.

Der Dicke lachte, dass seine fetten Wangen auf und niederhüpften. „Das liegt auf der Hand, Hump! Ich hörte gestern von Franky, euerm Vormann, dass du hinter Arleen her bist. Franky war sehr traurig, weil er nämlich wusste, dass du fliegst, wenn der Alte etwas merkt. Nun, jetzt hat er es also gemerkt! Und du bist nicht der erste Boy, der wegen Arleen einen neuen Job sucht. Also, trinken wir einen darauf!“

Santiago kam mit einem Tablett und zwei Schnapsgläsern zu Hump an den Tisch und ließ sich keuchend auf einem Hocker nieder. „Arleen hat es in sich, Hump! Und an ihr scheitert noch eine ganz stattliche Anzahl, ehe der Alte sie heiraten lässt!“

„Was, zum Teufel, hat er an mir auszusetzen? Ich war nach Franky der bestbezahlte Reiter seiner Mannschaft!“, rief Hump wütend.

Santiago lachte. Wieder vibrierten die feisten Wangen. „Du kannst der beste Reiter der Staaten sein, Hump! Wenn du aber kein Geld hast ... Geld musst du nämlich bei dem Alten haben. Er war zwar auch so abgerissen wie du, als er einst hier ankam, doch davon will er heute nichts mehr wissen. Vergiss nicht, dass Arleens Vater der reichste Mann im County ist. Vergiss das nicht, Hump! An deiner Stelle ritte ich einige Meilen weiter. Er wird dich auch auf einer anderen Ranch im Umkreis nicht dulden. Und deshalb wird dich auch niemand hier einstellen!“

„Ich habe bei Cool nachgefragt. Er meinte dasselbe, was du eben sagtest!“, knurrte Hump verärgert. „Zufällig traf ich ihn gerade kurz vor meinem Wegreiten!“

„So wird es dir jetzt überall gehen. Wenn du irgendwo um Arbeit fragst, werden alle die Tür schließen. Denn wehe dem, der dich nimmt! Der alte Ralston lässt nicht eher locker, bis sie dich wieder entlassen. Sie haben alle Schulden bei ihm, und daran scheitert dein Plan!“

„Ich könnte dem Allen in das großspurige Gesicht spucken!“, schimpfte Hump wütend. „Jetzt sitzt man hilflos herum wie ein Bandit, und dabei habe ich nichts getan, was unfair ist!“

„Danach fragt dich kein Mensch, Hump!“, erklärte ihm Santiago weise. „Du hast deinen Job verloren, und darauf kommt es an! Warum? Das will keiner mehr wissen. Ob du nun dem Alten zehn Rinder gestohlen hast oder ihm ein Prachtpferd zuschanden rittest oder, wie es bei dir ist, vielleicht seiner Tochter schöne Augen machtest – es ist alles gleich. Niemand fragt dich danach! Wer bei Ralston den Job verliert, der hat keine Chance, hier in der Nähe wieder Arbeit zu finden!“ Zur Bekräftigung seiner Ansicht hieb Santiago mit der Faust auf die Tischplatte.

„Franky ist mein Freund. Dass ich von ihm getrennt werde, ärgert mich am meisten!“, sagte Hump.

„Ich kann’s mir denken! Aber Franky wird den schönen Job als Vormann nicht aufgeben wollen. Hundertvierzig Bucks im Monat haben und nicht haben, ist zweierlei ...“

Plötzlich trappelten draußen Hufe. Eines von Humps Pferden wieherte, und dann kam ein hochgewachsener Mann sporenklirrend in den Raum.

„Franky!“, riefen Santiago und Hump gleichzeitig. Hump sprang auf und schüttelte dem Freund die Hand, als hätte er ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.

Franky war etwas größer als Hump, aber etwa in dessen Alter, also Mitte der Zwanzig. Beide Freunde hatten dunkles Haar, trugen Cowboykleidung und den Waffengurt mit dem Colt. Frankys Anzug sah indessen viel besser aus als der Humps.

„Was tust du heute in der Stadt, Franky?“, ließ sich Santiago vernehmen.

„Draußen stehen meine Pferde!“, war die Antwort des Vormannes, und dabei blickte er verlegen grinsend auf Hump.

„Deine Pferde?“, wunderte sich Santiago. „Das heißt doch nicht ... Hast du aufgehört?“ Die letzte Frage schrie er fast heraus.

Franky grinste immer noch. „Sicher! Ich muss doch verhindern, dass mein Sorgenkind allein in die Wüste zieht und sich verläuft!“

„Mann, du bist des Teufels! So ’ne gute Stelle!“, schnaufte Santiago verblüfft.

Hump aber gab dem treuen Freund die Hand. „Das hättest du nicht zu tun brauchen!“, murmelte er gerührt.

Franky grinste nur. „Halt die Klappe! Jetzt trinken wir erst einmal! Schließlich habe ich fast dreihundert Bucks ausgezahlt bekommen. Weiß der Teufel, wer jetzt wird – mir ist’s egal!“

„So eine Stelle bekommst du nicht wieder, Franky!“, warnte Santiago. „Ralston zahlte dir mehr als irgendeinem Manne. Du warst Vormann über dreißig Cowboys; bei deinem Alter ist das eine Leistung! Das bietet dir hier keiner!“

Franky schien das gleichgültig zu sein. „Er hat meinen Freund wegen einer Bagatelle hinausgeworfen – nun, dann will ich auch nichts mehr mit ihm zu tun haben, klar?“

„Ihr müsst es ja wissen!“, keuchte Santiago und stapfte zur Theke.

Der Rächer reitet nachts

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