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Der Rancher Jack Ralston stützte seinen Kopf in die Fäuste. Nachdenklich starrte er auf das Treiben draußen im Hof. Das Fenster war nur angelehnt, so dass er hören konnte, was draußen gesprochen wurde. Grimmig verfolgte er mit seinem Blick die langsamen, betont gemütlichen Bewegungen seiner Cowboys. Er ahnte sehr wohl, dass sie sich jetzt gegen ihn stellten, weil er Hump Brecker entlassen hatte und weil nun auch Franky, der Vormann, gegangen war.

Ein neuer Vormann wurde gebraucht. Ralston sann darüber nach, wer für diesen Posten in Frage käme.

Der Rancher war kein junger Mann mehr. Sein Haar schimmerte weiß, das Gesicht war faltig und abgezehrt. Er ging auch nicht mehr so straff wie einst; die Gicht plagte ihn. Ober dem linken Auge befand sich eine Narbe, die seinem Gesichtsausdruck etwas Spöttisches, Überhebliches gab, weil die linke Augenbraue nach oben gezogen war. Die breiten Schultern und starken Unterarme verrieten Kraft und Zähigkeit. Hornschichten an den Handflächen bewiesen, dass der Rancher in seinem Leben hart gearbeitet hatte.

Ralston war sich klar darüber, dass Franky nicht sofort zu ersetzen war. Es ärgerte ihn, dass er den Vormann verloren hatte. Und doch musste es weitergehen.

Ächzend erhob er sich und humpelte, weil ihn die Gicht wieder einmal so plagte, in den Hof.

Die Cowboys hatten sich in zwei Parteien geteilt: jene, die bedingungslos für Ralston waren und die anderen, die Humps und Frankys Weggang nicht verwinden konnten und wollten. Letztere waren stark in der Überzahl. Ralston erkannte das sofort an den verschlossenen Gesichtern der Männer. Wie er wusste, waren es gerade die Männer, die er als seine besten Reiter kannte.

„Hört mal her!“, rief der Rancher und wartete, bis sich alle Boys in seiner Nähe versammelt hatten.

Die Cowboys schienen eine Strafpredigt für ihr spätes Aufstehen heute Morgen zu erwarten und blickten den Rancher finster an. Doch daran dachte Ralston jetzt nicht, oder er wollte nicht daran denken.

„Wer will Vormann werden?“, fragte er die Männer.

Niemand meldete sich. Keiner wollte sich zu großem Diensteifer nachsagen lassen.

„Henry!“, rief der Rancher.

Ein großer junger Bursche mit rötlichem Haar und magerem Gesicht trat vor.

„Du machst den Vormann! Mal sehen, wie du dich anstellst!“, bestimmte der Rancher.

„Nein, ich mag nicht!“, knurrte der Lange und blickte Ralston finster an.

„Dann scher dich zum Teufel!“, brüllte Ralston los. Seine Adern schwollen gefährlich an.

„Dann gehen wir alle!“, riefen die Männer, die Franky und Hump nachtrauerten. „Kommt, Jungens!“

„Das könnt ihr nicht tun!“, schrie Ralston. „Ich stehe vorm Round-up! Niemand wird euch noch beschäftigen, wenn er erfährt, dass ihr mich kurz vorm Round-up sitzenließet!“

„Wir finden Arbeit!“, sagte ein untersetzter Cowboy. „Wir sind nicht darauf angewiesen, Ihnen die Stiefel zu lecken, Rancher!“

Ralston musste es erleben, dass sich einundzwanzig Männer umdrehten und zum Korral gingen. Die übrigen zögerten zum Teil oder hofften sich jetzt beim Rancher in ein gutes Licht zu rücken. Es nützte nichts. Ralston tobte und ballte die Hände, aber die Männer ritten mit ihrer Habe von dannen. Er konnte ihnen noch nicht einmal den Lohn verweigern, denn dann hätten sie noch Radau angefangen. Nach der durchzechten Nacht war mit ihnen nicht gut Kirschen essen.

Nicht an den zurückgebliebenen Cowboys ließ der Rancher seine Wut aus, sondern an seiner Frau.

Mrs. Ralston schien früher einmal sehr hübsch gewesen zu sein, eine Geistesgröße war sie jedoch nie. Immerhin war sie sehr reich gewesen und hatte das viele Geld, ohne zu überlegen, ihrem Mann nach der Hochzeit überschrieben. Ralston nahm das Geschenk, legte es gut an und wachte wie ein Luchs darüber, dass es Früchte trug. Seine Frau aber interessierte ihn fortan nicht mehr sehr. Sie war nur dann sein Prellbock, wenn etwas schiefgegangen war. Dann musste er jemanden haben, an dem er seine Wut auslassen konnte. Ralston war dann gemein und brutal. Niemand auf der Ranch war schlimmer dran als Mrs. Ralston, wenn ihr Mann seihen schlechten Tag hatte.

Noch jemand litt unter Ralstons Herrschsucht: Arleen, seine Tochter. Sie war gerade zwanzig Jahre alt. Sie besaß die Schönheit der Mutter, aber auch den Ehrgeiz des Vaters. Ralston jedoch sah in seiner hübschen blonden Tochter ein Kind. Er bevormundete sie, kommandierte sie wie ein Schulmädchen herum und verlangte von ihr, was kein Mensch mehr von seinen Kindern in dieser Zeit forderte: Arleen durfte nie allein ausreiten. Es war ihr verboten, mit jungen Burschen zu tanzen. Wehe, wenn sie einem Cowboy verliebte Augen machte. Ralston hatte sie geprügelt wie einen Hund, als er hinter ihr Verhältnis mit Hump kam. Dabei war das durchaus harmlos gewesen. So aber war die Folge, dass Arleen ihren Vater hasste. Da sie aber von ihm abhängig war, musste sie gehorchen. Sie litt darunter fast so wie die Mutter.

In den nächsten Tagen versuchte Ralston, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Er übernahm die Arbeit des Vormannes selbst und ließ die Ranch Hands, junge Mestizen und Indianer, Cowboyarbeit verrichten. So gelang es ihm, die riesigen Herden zu bewachen und die Ordnung in seinem Betrieb aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig kündigte er allen Ranchern der Umgebung an, dass er ihnen den Kredit entzöge, falls sie einen Reiter seiner entlassenen Mannschaft aufnähmen und einstellten. Dann aber erfuhr er durch einen reisenden Händler etwas, das ihn in Zorn brachte: Franky und Hump sollten angeblich das Mescalero Valley besetzt und dort eine Ranch gegründet haben. Der entlaufene Teil der übrigen Mannschaft half ihnen angeblich dabei. Die neue Rinderherde sollte aus eingefangenen Mavericks – Tieren ohne Brandzeichen – bestehen. Wie der Händler weiter berichtete, zählte die Herde jetzt schon über sechshundert Tiere.

Ralston wusste, dass es in den Santa Bianca Mountains Mavericks gab. Doch dass es so viele sein sollten, konnte er sich nicht vorstellen. Er glaubte vielmehr daran, dass Franky und Hump Vieh gestohlen hatten, das sie einfach umbrändeten. Um der Sache auf den Grund zu gehen, ließ er sich seinen Fuchs satteln und ritt allein in Richtung Mescalero-Tal davon. Bezeichnend war, dass er sich zwei Revolver umgeschnallt hatte.

Kaum war Ralston verschwunden, als Arleen ihr Pferd sattelte und die Ranch verließ.

Der Rächer reitet nachts

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