Читать книгу Cowboys und Revolvermänner: 3 Romane: Western Roman Trio Band 9 - Glenn Stirling - Страница 8

1.

Оглавление

Tede Duffa liebte keine Störungen. Vor Jahren hatte er sich ein kleines Blockhaus im Hasait-Tal gebaut, etwas abseits der Trailwege, einige Meilen von der dürftigen Stadt Jasui entfernt. In besinnlicher Ruhe lebte er sonst hier. Jetzt bellten seine beiden großen Tigerhunde erregt, rasten draußen im Hof am Zaun hin und her, waren wie toll.

Tede ließ die Truthahnkeule sinken, wischte sich mit dem Ärmel seiner schäbigen Weste das Fett aus den Mundwinkeln und schritt zum Fenster.

Groß, breit, wuchtig füllte seine derbe Gestalt die Öffnung aus. Er hob die Keule, riss mit den starken Zähnen einen Fetzen Fleisch herunter, betrachtete aus zusammengekniffenen Augen den Reiter, der etwas geduckt im Sattel saß, über den Zaun spähte und leise vor sich hin lachte.

„Hallo, Cowboy!“, rief Tede Duffa, winkte mit dem Braten, deutete damit nach Osten, „solltest deinen Ritt besser nicht unterbrechen, sondern weiter trailen!“

Das war ganz und gar nicht der Sitte des Westens entsprechend. Man wies keinen Fremden von seiner Tür fort.

Tede Duffa hätte es sich auch überlegt, wenn der Bursche dort am Zaun einen anderen Eindruck gemacht hätte.

Er kaute emsig, ließ keinen Blick von dem kleinen, schläfrig wirkenden, müde im Sattel hängenden Cowboy, der ihn mit gierigen Augen betrachtete.

„Hast wohl Hunger, wie?“, brummte Duffa ärgerlich.

Der junge Bursche verging vor Hunger, und seine Worte kamen zögernd.

„Yeah, ich will gerne für eine gute Mahlzeit arbeiten. Habe seit drei Tagen nichts mehr zu beißen gehabt. Es ist mir speiübel“, stieß er schleppend heraus.

Tede Duffa schluckte einen Bissen herunter, ehe er antwortete: „Eiya, Satteltramps wird es immer übel ergehen, Sonny“, grinste er dann etwas anzüglich, beobachtete den Burschen scharf. Aber der schluckte es, nahm die Anschuldigung hin, ohne aufzubrausen.

Er musste sehr müde sein, hatte wohl einen verteufelt weiten Weg hinter sich, und auch der braune Wallach unter ihm war abgetrieben, ließ den Kopf hängen, ließ sich durch das wütende Belfern der Tigerhunde nicht aus der Lethargie reißen. Seine Mähnen und Schweifhaare waren hell, von einem verwaschenen Gelb. Auf der Stirn trug der Braune eine Blässe und an den Fesseln helle Stulpen.

„Yeah, Arbeit, das wollen sie alle“, meckerte Duffa, kaute, schluckte dabei, sah wieder zu dem Gaul hin. „Heh, ein fremder Brand in dieser gesegneten Gegend, aus welcher Ecke der Welt kommst du?“

Auch das war, streng genommen, eine Beleidigung. Man fragte nicht nach dem „Woher“ und dem „Wohin“.

Tede Duffa störte das nicht. Er hatte erkannt, dass der junge, verstaubte Cowboy keinen Gurt trug, und das machte ihn überheblich, ließ eine Idee in seinem Hirn aufkommen. Heh, mit so einem Burschen ohne Eisen konnte man nach Gutdünken umspringen. Auf so einen Cowboy hatte Tede doch eigentlich nur gewartet.

„Arbeit willst du? Well, sollst du haben, so viel du willst. – Bessie! – Isabell! – kusch!“

Die Tigerhunde duckten sich, rasten davon und kniffen die Ruten ein. Duffa verschwand vom Fenster, trat wenig später aus der Tür, schlenderte heran. Bei jedem Schritt wackelte sein Doppelkinn, wackelte der pralle Bauch mit der blitzenden Uhrkette. Auch jetzt hielt er den Braten in der Faust, wedelte damit so herum, dass dem jungen Burschen die Augen zu flackern begannen.

„Sonny, treib deinen Gaul an! Steig ab!“

Der Cowboy setzte sein Tier in Bewegung, ritt durch das Gartentor, das Duffa vor dem Tier aufriss, glitt aus dem Sattel, stolperte, wäre beinahe gefallen.

„Siehst nicht danach aus, als könntest du arbeiten“, knurrte Duffa kühl.

Der junge Cowboy gab keine Antwort, duckte sich unter dem Holm hindurch und band seinen Braunen fest.

Die Schläfrigkeit wich nicht, wurde nur unterbrochen, wenn die hellen Augen des jungen Mannes die Truthahnkeule trafen.

„Mister, was kann ich tun?“

Er hatte eine weiche, melodische Stimme. Sie passte zu seinem jungenhaften, weich geschnittenen Gesicht mit den verschlafenen Augen, dem lichten Blondhaar, das sich unter der Stetsonkrempe zeigte.

Duffa baute sich in seiner ganzen Größe vor ihm auf. Deutlicher konnte er den körperlichen Unterschied nicht herausstellen. Wie ein Zwerg wirkte nun der Kleine, ließ den Kopf auf die Brust fallen, stand etwas unsicher, stieß mit der Stiefelspitze einen Stein fort.

„Du hast Hunger?“

„Yeah!“

„Du willst dir das Essen verdienen?“

„Sicher, Mister!“

„Dann komm.“

Gewichtig drehte sich Duffa auf seinem Absatz, schloss das Tor sorgfältig, legte den Riegel vor, hörte, wie der Bursche hinter ihm stehenblieb.

„Komm nur.“

Er führte ihn hinter das Haus, deutete auf einen Riesenstapel Holz, auf ein Beil.

„Fang an.“

„Yeah, und das Essen?“

„Will dir was sagen, Boy. Kerle von deiner Art bekommen erst etwas, wenn die Arbeit erledigt ist. Fang an.“

„Und – wenn ich nicht …“

„Du wirst“, erklärte Duffa spöttisch, lächelte eigenartig, beglückwünschte sich innerlich zu seinem Fang, stiefelte davon und ließ den Cowboy allein.

Mike O’Kenna stand einige Sekunden beklommen da, atmete verbissen, riss sich den Stetson von den Haaren, zog sich die verstaubte Lederweste aus, warf sie auf den Stapel, spuckte in die Hände und fasste das Beil.

Wütend begann er mit der Arbeit.

Drei Stunden hackte er ununterbrochen. Die Holzsplitter flogen durch die Luft. Der Kleinholzstapel vergrößerte sich zusehends.

Es wurde Mittag. Die Sonne prallte herab, laugte ihn noch mehr aus.

Erschöpft ließ Mike O’Kenna das Beil sinken, wischte den Schweiß von der Stirn, sah, dass Tede Duffa ihn hämisch grinsend hinter den Gardinen beobachtete.

„Hallo, Mister … habe Durst!“

„Zuerst die Arbeit, Cowboy!“

„Zum Teufel!“, fuhr Mike auf. „Da soll mich der und jener …“ Mit einem harten Schwung warf er das Beil von sich, wollte sich erheben.

„Arbeite, Cowboy!“, krächzte es aus dem kleinen Fenster.

Mike wirbelte herum, sah in die drohende Mündung eines Revolvers.

„Na?“

Dieser Aufforderung war nicht zu widerstehen. Mike hackte, und Duffa sah noch eine Weile zu. „Wenn man durch diese Gegend reitet, Boy, sollte man immer ein Eisen und Munition bereithalten!“, knurrte er bissig.

„Werde es mir merken“, keuchte Mike. Er behielt das Fenster im Auge, und als Duffa zurücktrat, hielt auch er mit der Arbeit inne, stierte auf seine Hände, die voller Blasen waren.

In diesem Moment hörte er hinter sich drohendes Knurren, Instinktiv packte er das Beil. Sofort verstummten die beiden Tigerhunde. Aber sie wichen nicht, strichen in einiger Entfernung um ihn herum, benahmen sich anständig, wenn er das Holz spaltete, und wurden wild, sobald er auch nur den Versuch machte, eine Pause einzulegen.

Der Kleinholzhaufen schwoll an, und Mikes Kräfte nahmen ab.

Immer wieder schaute er zum Haus hin. Niemand ließ sich sehen.

Seine Kehle war ausgedörrt, und die Zunge lag wie ein aufgeblasener Schwamm im Rachen. Der Schweiß ätzte seine Haut, brannte in den Augen.

„Mister! Heh, Mister!“, gellte sein Ruf. Seine Stimme wurde heiser, rau, brüchig.

Es wurde Abend.

Die tintigen Schatten der Nacht fielen über das Land, und Mike O’Kenna hackte immer noch Holz für Tede Duffa.

Die Tigerhunde bewachten ihn, ließen ihn nicht aus den Augen. Die gelb-grünen Lichter der Bestien begannen zu glimmen. Geifer lief ihnen an den Lefzen herunter.

Hinter dem Haus erklang das Wiehern des Braunen, verstummte. Vor Mikes Augen begannen rote Nebelschleier auf und nieder zu wallen.

Hatte der Teufel vor, ihn die ganze Nacht Holz zerkleinern zu lassen?

Es sah danach aus.

Einmal wurde ein Fenster geöffnet, die Hunde verschwanden für einen Augenblick, und als sie zurückkehrten, hatten sie zwischen ihren Reißern die zarten Knochen eines Truthahns.

Mike wandte sich ab. Hunger und Durst und Zorn wühlten in seinem Innern. Er biss die Zähne aufeinander, war versucht, den widerlichen Tieren mit dem Beil ans Leder zu gehen. Aber auch das verwarf er sofort, als sie zu knurren begannen.

Die Dämmerung flog vorbei, und die Nacht zog auf. Der Mond lugte hinter ziehenden Wolken hervor.

Mike O’Kenna spaltete Holz für Tede Duffa.

Die Tigerhunde hatten sich nur wenige Yards hinter ihm niedergelassen, ihre grünen Lichter funkelten böse, wachsam.

Bisher hatte Mike seinen Grimm und seine Wut an dem zähen Holz ausgelassen. Jetzt wusste er, dass er im Höchstfälle noch eine Stunde durchhalten, dann aber in sich zusammensinken würde. Diese Erkenntnis gab den Ausschlag.

Er hatte die Hoffnung begraben, dass Tede Duffa sich heute noch um ihn kümmern würde, wusste nun, wozu jener die Hunde abgerichtet hatte.

Tede Duffa war ein Kerl mit üblen Ansichten, einer, der sich keine Gedanken machte, was daraus wurde, und Mike O’Kenna war in seine Falle geraten.

Drei Monate war er auf dem Trail, und kurz vor seinem Ziel musste ihm dieses hier passieren. Wenn er jetzt nicht bald handelte, nichts unternahm, dann würde er niemals die Ranch seines Vaters sehen, sondern ewig Holz hacken und hungern.

Damned!

Vor drei Monaten war er aus Kansas aufgebrochen. Genau an dem Tag, an dem er einundzwanzig Jahre alt wurde, hatte seine Mutter ihm erklärt, dass sie geschieden sei und sein Dad in Oregon eine Ranch besitze.

Well, nie zuvor hatte die Mutter vom Vater gesprochen. Als Junge war er immer der Ansicht

gewesen, dass sein Vater tot war. Nun, da er die Wahrheit erfuhr, ließ er sich nicht halten, hörte nicht auf das Drängen seiner Mutter, blieb nicht bei ihr in dem kleinen Store.

Mike O’Kenna wollte seinen Vater sehen, und wie vor drei Monaten hörte er die warme Stimme der Mutter. „Wenn du gehen willst, mein Junge, dann versprich mir in die Hand, dass du keinen Colt trägst. Ein Mann ohne Colt kommt nicht in Versuchung zu schießen, Mike. Ich habe dir nicht gesagt, weshalb ich mich von deinem Vater trennte. Nun muss ich es sagen. Dein Vater war ein Mann, der zwei Waffen trug, überall, wohin er kam, sprangen ihm Männer vor die Stiefel, wollten seine Colts ausprobieren. Er war schneller als alle. Viele starben. Ich flehte, bat, drohte. Ich war bereit, mit ihm das Land zu verlassen und mit ihm zusammen irgendwo im Osten ein neues Leben zu beginnen. Wir zogen zum Osten, aber er verfiel, wurde mutlos, unsicher, nichts wollte ihm glücken. Er beschwor mich, wieder zum Westen zu ziehen. Sagte immer wieder, dass er die Luft hier nicht atmen könnte. Ich lehnte ab, lachte, wenn er davon anfing.

Dann schien es, dass er sich langsam gewöhnte. Er trug keine Revolver mehr. In einer Truhe lagen sie verpackt, und eines Tages brachten Cowboys ihn ins Haus. Man hatte ihn angeschossen, obwohl er keine Waffen trug. Irgendeiner soll es gewesen sein, der mit Dad noch eine Rechnung offen hatte und der ihm zum Osten folgte. Vater lag lange Zeit krank. Ich fragte ihn nach dem Vorfall, und er gab nur ausweichende Antworten. Das machte mich stutzig. Wieder beschwor ich ihn, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten, beschwor ihn, alles zu vergessen und nicht mehr die Eisen zu ergreifen. Ich sagte ihm auch, dass ich mich für immer von ihm trennen würde, wenn er es doch täte. Er genas, war blasser, wortkarger denn je. Ich merkte ihm an, dass es an ihm nagte und zerrte, sah ihn oft, wie er zum Westen starrte und wie seine Blicke in die Ferne wanderten. Oft fand ich ihn bei dir sitzen, aber er spielte nicht mehr wie früher mit dir. Alles, was er tat, wirkte gezwungen, marionettenhaft.

Und dann kam der Tag, an dem ich Schüsse nahe beim Haus fallen hörte. Ich fand dich … Ich glaubte dich tot, hob dich auf. Dein Vater stand plötzlich neben mir. Niemals werde ich sein Gesicht vergessen. Es war schrecklich! Am anderen Morgen fand ich seinen Brief. Seine Eisen hatte er aus der Truhe genommen. Er war fort, und kam nicht mehr zurück. Später hörte ich, dass er sich in Oregon eine Ranch aufgebaut hat. Darum hasse ich alle Männer, die sich mit der Waffe durchs Leben schlagen. Ich war immer stolz, dass du keine Eisen anrührtest. Ein richtiger Mann kommt auch ohne sie aus!“

Yeah, das hatte die Mutter ihm gesagt, und er konnte ihr nicht widersprechen, konnte ihr unmöglich sagen, dass er in seinen Freistunden hinter den Silbiaks-Hills sämtliche alten und neuen Waffen, die der Store der Mutter anzubieten hatte, ausprobierte. Nein, er wollte ihr keinen Kummer zufügen und wusste, dass seine Kameraden schwiegen.

Mike O’Kenna hatte eine glänzende Schule mit den Eisen hinter sich, hatte sich dennoch dem Wunsch seiner Mutter gefügt und ging waffenlos auf den Trail nach Oregon.

Drei Monate brauchte er das nicht zu bereuen, war ohne Eisen glänzend ausgekommen, hatte oft die erstaunten Blicke von Weidereitern, Ranchern, einsamen Reitern auf sich gefühlt. Es gab sogar Cowpuncher, die ihn gutmütig verspotteten und ihm ein Eisen anboten. Er hatte abgewinkt und war weiter getrailt.

Ja! Gerade weil er ohne Eisen ritt, hatte er unterwegs so manche Freundschaft schließen können. Es gab Langreiter, die ihn über Meilen hinweg begleiteten, die ihn aufforderten, an ihrem Campfeuer Platz zu nehmen, und die ihren Proviant mit ihm teilten.

Keiner fragte nach seinem Namen, niemand, wohin er ritt, woher er kam. Er war ein Namenloser im großen Heer der Rastlosen, die von Ost nach West und von Süd nach Nord, immer auf der Suche, auf der Jagd nach dem Glück, auf der Flucht vor anderen oder vor dem eigenen Gewissen durch die Staaten zogen.

Keiner sprach über sich, keiner über das, was er vom Leben erwartete. Es waren ohne Ausnahme harte Männer, und was sie sagten, was sie taten, war alles knapp bemessen.

Mike lächelte etwas kläglich in sich hinein.

Damny! Jetzt, fast am Ziele, sollte er wegen einer fehlenden Kanone zum ewigen Holzhacker werden?

In ihm kochte es. Seine Zähne begannen zu knirschen.

Er stand auf, hörte hinter sich das drohende Knurren und wirbelte herum, umklammerte die langstielige Axt mit beiden Händen, sah in zwei grüne Lichter, sah den mächtigen Körper des Hundes sich zum Sprung ducken. Die zweite Bestie spannte ebenfalls den kurzen, gedrungenen Rumpf, bleckte die Reißer, die wie spitze Dolche im Mondlicht schimmerten.

Im Bruchteil einer Sekunde erfasste er das alles. Wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab, und er wollte es auch nicht.

Der langgestreckte Körper des Hundes flog wie von einem Katapult geschossen auf ihn zu.

Mike holte aus, sprang vor. Pfeifend presste sein Atem. Seine Muskelstränge waren dem Zerreißen nahe.

All die Wut, die in ihm während des Tages angewachsen war, legte er in seine Arme, in den furchtbaren Schlag, der durch die Luft zischte.

Lautlos war dieser Kampf, gefährlich.

Neben ihm plumpste es zu Boden. Er spürte, dass in wenigen Sekunden etwas geschehen konnte, was das ganze Leben umkrempelte, neu gestaltete, und der nächste Axthieb traf das Rückgrat des zweiten Hundes, als dieser sich um die eigene Achse drehte und nach Mike schnappte.

Schwer atmend richtete er sich auf. Eine seltsame Öde war in ihm, aber der Grimm war noch nicht verraucht. Er dachte daran, was er alles hatte schlucken müssen, was man aus ihm gemacht hatte.

Mikes Augen wanderten über die Hundekadaver. Jäh wandte er sich ab, schritt dem Hause zu.

Die Tür war abgeriegelt, von innen verschlossen. Nochmals drückte er behutsam die Klinke herunter … nichts. Tede Duffa wünschte keinen Besuch.

„Fellow, werde dir jetzt das Fell über die Ohren ziehen, und sollte ich dabei aus den Stiefeln fahren. Ich will meinen eigenen Stetson fressen, wenn ich nicht in den Bau hinein kann“, murmelte Mike O’Kenna grimmig.

Cowboys und Revolvermänner: 3 Romane: Western Roman Trio Band 9

Подняться наверх