Читать книгу Cowboys und Revolvermänner: 3 Romane: Western Roman Trio Band 9 - Glenn Stirling - Страница 9

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Mike wandte sich von der Tür, blieb einige Minuten bei seinem Gaul stehen und stellte fest, dass dessen Futterkrippe gefüllt und fast leer gefressen war.

„Eh, wenigstens du hast zu fressen bekommen“, dehnte Mike, huschte davon, schnellte wie ein Schatten zu den niedrigen Fenstern, die bis auf eins alle verschlossen waren, Es war schmal. Er zwängte sich mit knapper Not hindurch. Vorsichtig ließ er sich in den dunklen Raum hinab, blieb in der Hocke sitzen und lauschte.

Nichts Verdächtiges war zu hören. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Er war in einem kleinen Raum gelandet, dessen Tür verschlossen war. Er biss sich auf die Lippen, strich sich den kalten Schweiß von der Stirn.

Mit Gewalt konnte er nichts erreichen. Jedes laute Geräusch würde Duffa auf den Plan bringen, würde ihn aus seinem Schlummer wecken, und dann würde es gewiss nicht gut für ihn.

„Eine Ranch für einen Revolver“, flüsterte er heiser vor sich hin, wollte sich wenden, als sein Blick auf die Regale an den Wänden fiel.

Sein Herzschlag setzte fast aus. Er konnte es kaum glauben, wischte sich über die Augen, trat einen Schritt vor und langte nach dem Rest des Truthahnbratens. Eine Keule und ein Teil des

Rückens waren noch vorhanden. Mike grinste, kaute, aß, genoss – hielt jäh inne, legte die Keule zurück und langte nach den Proviantsäcken, wuchtete sie hoch, riss die Bindfäden ab und schüttelte Mehl, Hirse – kurz alles, was an Vorräten aufgespeichert war, durchs Fenster hinaus. Warf Schinken und Würste, Speckseiten und Büchsen hinterdrein, verließ die leergeräumte Speisekammer auf dem gleichen Wege, lauschte, bediente sich ausgiebig und begutachtete eine ganze Menge.

Der Mond versteckte sich hinter Wolkenseglern.

Im Haus rührte sich nichts.

Eilig holte Mike seinen Gaul, versorgte sich mit den schönsten Leckerbissen, stopfte in die Satteltaschen hinein, was hinein ging, zog dann den Braunen zum Holzhaufen und schätzte ihn ab.

„Wirst keine Freude an meiner Arbeit haben, Mister“, murmelte er zufrieden, als er einige Scheite in Brand setzte. Der Wind fuhr in die züngelnde Glut, leise prasselten die Flammen. In absehbarer Zeit würde der ganze Stoß ein leuchtendes, sprühendes Riesenfeuerwerk sein.

„Für deinen Geiz, Mister“, zischte Mike, öffnete die Gartentür und warf sich in den Sattel.

„Vorwärts, Print!“, rief er den Wallach an, setzte die Sporen ein.

Der Gaul streckte sich, seine Hufe rumorten über die weichen Grasbüschel, donnerten einen buschwerkbesetzten Hang hinauf. Auf der Kuppe zügelte Mike seinen Lauf, warf sich im Sattel herum, blickte ins Tal zurück.

Neben dem Hause flammte der Holzstapel, stoben zuckende Flammenbündel zum Nachthimmel, erhellten weithin die Umgebung.

Print schnaubte erregt, spielte mit den Ohren.

„Wohl bekomm’s!“, grinste Mike, hob die Truthahnkeule und biss mit dem Appetit eines ausgehungerten Lofers hinein.

Eine Gestalt rannte vor den Flammen hin und her. Gebärdete sich wie toll, fuchtelte mit den Armen herum.

„Von dem Brennholz kann er nichts retten, Print“, murmelte Mike. „Für sein Haus braucht er nichts zu befürchten. Die Flammen können nicht überspringen. Eigentlich hätte man dem Kerl auch das Haus anstecken sollen. Was meinst du, Print?“

Print scharrte ungeduldig mit den Hufen, wollte weg, doch Mikes Neugier war noch nicht befriedigt, und das war gut so, denn wenige Augenblicke später sah er Tede Duffa auf einem hochgebauten Falben durch das Gartentor jagen.

„Es wird gemütlich, go on, Print!“

Holly gee! Es war die höchste Zeit, dass er aus der Reichweite Tede Duffas kam. Niemals würde sein Brauner es mit dem hochgebauten Falben aufnehmen können. Nicht in der Flucht lag die Rettung, sondern darin, so schnell wie möglich in ein Versteck zu kommen.

Bis zum nächsten Wald waren es einige Meilen. Hinter der Kuppe lag wohl ein welliges Tal, aber nur vereinzelte Büsche und Sträucher standen darin, waren wie verstreute Inseln anzusehen, aber nicht hoch genug, um einen Gaul und einen Reiter zu verbergen.

Jede Minute war kostbar. Es war nicht anzunehmen, dass Duffa ihm zu dem Feuerwerk gratulieren wollte. Wahrscheinlich würde er ihn mit heißem Blei begrüßen und eine Freifahrtkarte zur Hölle ausstellen, denn ein Mann wie Tede Duffa fragte nicht lange, wedelte auch nicht mit dem Eisen herum. Ein solcher Mann schoss erst und fragte dann.

Leider bekam er dann auch niemals eine Antwort, denn die Leute, mit denen er sich auf diese Weise unterhielt, konnten ihm nicht einmal mehr einen Gruß senden.

Yeah, es war bitter!

Print preschte den Hang hinunter, und Mike lehnte sich weit im Sattel vor, riss den Gaul bei den ersten Büschen auf die Hinterhand, zwang ihn in das Gesträuch hinein und sich zu legen. Warf sich über ihn und hielt ihm die Nüstern zu.

Der Gaul wollte hoch, schüttelte Mike durcheinander. Doch der setzte alle Kraft ein, um den Pferdekopf niederzuhalten, um Print am Schnauben, Prusten und Wiehern zu hindern.

Der Hunger, der lange Trail hatten ihn ausgehöhlt, seine Kräfte aufgezehrt, aber sie hatten es

nicht fertigbringen können, dass seine Gedanken weniger schnell und präzise arbeiteten. Immer wach und bereit waren sie, trotz des müden Ausdrucks der Augen, der gebeugten Haltung und der schmerzenden Glieder.

Mikes Hirn war leergefegt von allen trüben Gedanken. Er konnte Männer einschätzen und wusste nur zu gut, dass Duffa ein beutehungriger Lofer war, ein Kerl, der vor nichts zurückschreckte, der über Leichen ging und dazu giftig lächeln konnte.

Was er hinter sich hatte, reichte.

Duffa hatte mit ihm Schindluder getrieben, hatte auf seine Waffenlosigkeit und Unerfahrenheit gebaut, hatte das restlos ausgenützt.

Mikes flackernde Augen sahen den Reiter, sahen die verschmelzende Silhouette von Reiter und Pferd auf dem Hügelkamm gegen den hellen Nachthimmel sich abheben.

Klar und deutlich war das Bild. Duffa reckte sich hoch auf, lauschte in die Nacht … lauschte auf pochenden Hufschlag und machte sich bereit, die Kanonen anzulüften.

Unruhig war der Falbe unter ihm, hob den Kopf, warf ihn hin und her, schien von einem verzehrenden Eifer erfüllt.

Sekunden verhielt der Reiter und blickte ins Tal.

Mike konnte sich des verteufelten Gefühls nicht erwehren, dass der Killer geradewegs auf ihn

herabsah. Ein Würgen war plötzlich in seiner Kehle. Wieder empfand er die Hilflosigkeit eines waffenlosen Mannes, der auf den Zufall und die Gnade des Schicksals angewiesen war und nur hoffen durfte, nicht entdeckt, nicht aufgestöbert zu werden.

Seine Zähne knirschten leise, und seine Augen saugten sich an der drohenden Silhouette fest, die jäh verschwand.

Polternder Hufschlag wuchs zum donnerartigen Getöse an.

Mikes Herzschlag setzte aus. Keuchend ging sein Atem. Er lauerte geradezu auf das Aufblitzen eines Mündungsfeuers, auf das Dröhnen harter Detonationen.

Doch nichts geschah! Zwischen den lichten Ästen des Gebüschs sah er den wuchtigen Reiter nur wenige Yards an seinem Versteck vorbeigaloppieren. Gras und Sand flogen auf ihn nieder, dann war der Reiter wie ein Spuk vorbei, tauchte in die Nacht unter, und der Hufschlag seines Pferdes wurde leiser, verwehte. Die Stille der Nacht legte sich auf die Landschaft.

Mike zerrte an den Zügeln, ließ Print aufstehen. Seine Knie waren etwas weich.

„Das ging noch einmal gut, Print“, flüsterte er benommen. „Ein Mann ohne Eisen ist wohl so etwas wie eine Wanze, die jeder zerdrücken darf. Aber … auch Wanzen können unangenehm werden.“

Er reckte sich, schlug sich den Staub von den Chaperals, rückte den Stetson lässig zurecht, schwang sich in den Sattel, folgte der Fährte, die der Reiter hinterlassen hatte.

Sie führte nach Norden.

Im Norden lag Jasui. Hinter der Stadt musste der Grony-Creek in den Stitter-River fließen, und weit, weit im Norden lagen die Blauen Gründe der Semial-Mountains.

Blaue Gründe wurden die zerrissenen Berge genannt, weil sie blau und metallen schimmerten. Man mied sie, weil sie wild und schroff waren, weil Schluchten, Canyons und Abgründe sich ablösten, und weil dort wirklich nichts zu holen war, außer Durst und Tod.

Zwei Stunden war Mike wieder unterwegs. Was er geahnt hatte, bestätigte sich. Duffa war nach Jasui geritten. Das gab zu denken und hielt Mike davon ab, der unbekannten Stadt noch in der Nacht einen Besuch abzustatten.

Er schlug in einem windgeschützten Unterholz sein Nachtlager auf, schnallte die Decke ab, breitete sie auf dem weichen Waldboden aus, band Print an den tiefen Zweigen einer Tanne fest, holte aus einem flachen Creek Wasser, dann stillte er seinen nagenden Hunger von dem geraubten Proviant, legte sich auf die Decke, und sein Sattel diente ihm als Kopfkissen.

Durch das Laubwerk hindurch sah er die Sterne am Himmelsdom. Aus dem kleinen Wald drangen unbestimmbare Laute von nächtlichem Getier, Leise raunte der Wind, wisperte, raschelte.

Er schlief gut und wurde erst wach, als die ersten Sonnenstrahlen das Blattwerk vergoldeten.

Am nahen Creek reinigte er sich gründlich, ließ Print das köstliche Nass trinken, frühstückte, dann zogen sie weiter.

Er war wachsam wie nie zuvor.

Morgennebel stiegen aus den Tälern, hingen über dem Weideland. Er begegnete einem Rudel Mavericks, wich den Tieren aus und sah dann einen Reiter aus einer Bodenwelle kommen, der bei seinem Anblick seinen Gaul zum Halt zwang und scharf herüberspähte.

Auch Mike hielt zurück, erkannte, dass es ein Cowboy und nicht Duffa war.

Der andere hob die Hand, trieb sein Tier heran. Seine grauen Augen tasteten über den Jungen hinweg.

„Hallo, Cowboy!“, schnarrte es aus lückenhaften Zähnen.

„Hallo“, gab Mike grinsend zurück. Seine Augen wanderten über den Mann, der lässig im Sattel lehnte und kein Auge von ihm ließ, der mit seltsam verkniffenen Lippen, buschigen Augenbrauen und einem braunen, wie Leder gegerbten Gesicht vor ihm im Sattel hockte, der sich die grauen Haare nachdenklich aus der Stirn strich.

Der Cowboy lachte verbissen, deutete jäh auf seine Eisen.

„Die fehlen dir, Sonny“, krächzte er ohne Einleitung. „Du hast sie verdammt bitter nötig.“

Überrascht kniff Mike die Lider zusammen.

„Yeah“, brummte er. „Ich habe es schon erfahren müssen!“

„Kann es mir denken, Sonny. Ein Mann ist hinter dir her. Du passt auf die Beschreibung. Wenn ich du wäre, dann würde ich meinem Gaul die Sporen über die Flanken reißen und ununterbrochen reiten!“

„Das ist nichts für mich“, entgegnete Mike leise.

Der Cowboy hob beide Hände an, musterte ihn schnell, eindringlich, lachte dann rau, und seine Augen kniffen sich zusammen.

„Dann bist du ein Greenhorn. Eh, geh nicht gleich hoch, Sonny, aber für diese Gegend bist du es bestimmt. Ein Mann reitet hier nicht ohne Waffen, und keinem Manne würde es einfallen, ohne Waffen mit Tede Duffa zu reden. Er hat sich drüben im Hasait-Tal eine Festung gebaut. Heh, ist ein offenes Geheimnis, dass Duffa zur Josua-Bande gehörte oder vielleicht noch dazu gehört. Er zaubert mit den Eisen, Boy. Sage dir, wenn Duffa sich nach einem Mann erkundigt und wenn er dabei rote Augen hat, dann liegt dieser Mann bald einige Yards unter der Erde. Kein Gaul ist schnell genug und kein Eisen kommt so schnell aus den Holstern. Duffa sorgt dafür, dass seine Freunde Gänseblümchen pflücken. Heh, bist verdammt jung, Cowboy, nimm den Rat an, reite …“

„Mein Gaul ist nicht schnell genug, Buddy, und … ich bin hier am Ziel meines Trails.“

„Scheint mir auch so“, grinste der Cowboy. „Dein Trail endet hier, einige Yards unter der Erde. Well, kommen alle einmal dahin, mit ’ner Bleivergiftung ist eine andere Sache. Täte mir leid, Sonny!“

Er trieb seinen Gaul noch näher an Print heran, zischte: „Möchte nur wissen, weshalb du unbedingt schon unter die Erde willst. Ist verdammt keine Schande, vor Duffa auszureißen. Habe Männer mit schnellen Eisen gekannt, die vor ihm abzogen und denen es verdammt wenig ausmachte, ob sich das mit ihrem Ruhm vertrug. Goddam! Was hast du ihm zu knacken gegeben, dass er so scharf auf dich ist?“

„Habe seine Hunde gekitzelt, Buddy. Sie konnten das nicht vertragen und sind vor Lachen gestorben, waren zu empfindlich, die Biester!“, sagte Mike freundlich.

Ruckartig hob der Cowboy den Kopf, sah ihn unsicher an.

„Dein Ernst?“, zischte er.

„Yeah!“, murmelte Mike. „Die Hündchen sind gestorben!“

Der andere fuhr im Sattel hoch, hieb Mike die flache Hand auf die Schulter, krallte sie fest und schüttelte ihn hin und her.

„Sonny, damit hast du dein Todesurteil unterschrieben“, ächzte er. „Das hätte niemand gewagt! Wer zum Teufel bist du? Himmel, ich frage nicht gerne … aber wenn es knallen sollte, dann bin ich der Mann, der auf dein Grab Blumen legt, der ein Kreuz schnitzt und den Viechermord darauf verherrlichen wird!“

Mike sah den Oldtimer etwas geistesabwesend an.

„Das wäre dann auch für dich ein Todesurteil, Fellow?“, zog er in die Länge.

„Ah, ich bin alt und habe manches von Duffa schlucken müssen, Sonny. Ich reite für die Doppelring-Ranch und bin für verirrte Mavericks zuständig. Heiße Amb Trilyco, Sonny, und bin für die richtige Weidearbeit kaum noch zu gebrauchen. Meine Colts trage ich nur als Gewichtsausgleich, und dass ich zwei Eisen trage, ist eine Täuschung, die jeder Cowboy hier anerkennt. Niemandem würde es einfallen, mir vor die Füße zu springen, denn ich bin etwas kurzsichtig.“

„Aber wozu denn die zwei Eisen, Fellow?“, unterbrach Mike erstaunt, nagte dabei an den Lippen.

Der Alte lächelte seltsam. „Sonny … diese Eisen hat mir ein guter Freund auf dem Sterbebett vermacht, und der konnte damit umgehen. Irgendein Schuft hat ihm hinterrücks das Licht ausgeblasen. Well, war ein verdammt guter Freund von mir. War Rancher …“

Mike unterbrach. Krächzend kam es über seine Lippen: „Tom O’Kenna?“

Mit einem Schlag war Mike ein anderer. Hell und blitzend waren seine Augen, stählern, von einem unbändigen Willen erfüllt.

Das Gesicht des Alten verzerrte sich. Unruhig rutschte er im Sattel herum, beruhigte mit heiseren Kehllauten den nervösen, drahtigen Bronco.

„Seltsam“, murmelte er vor sich hin. „Seltsam.“

„Fellow, was ist seltsam?“

„Will es dir sagen, Boy. Gleich, als ich dich sah, kam mir dein Gesicht bekannt vor. Hast etwas an dir, was mich zu dir hinzog, ob ich wollte oder nicht.“

Er brach ab, nestelte an der Schnalle des Waffengurtes herum, öffnete sie, hielt Mike den Gurt mit einer schnellen Bewegung entgegen.

„Nimm sie!“, befahl er scharf.

„Ich?“

„Yeah, Boy! Du wirst sie nehmen müssen, denn du bist Mike O’Kenna, und es hat verdammt lange gedauert, bis du den Trail zu deinem Vater fandest. Verdammt lange, sage ich, denn dein Vater hat Tag für Tag nach Osten geblickt … und immer wieder war er enttäuscht.“

Es traf Mike wie ein Schlag. Er wurde bleich. Seine Fäuste krampften sich um das Sattelhorn.

„Du – du hast meinen Dad … gekannt?“, fuhr es aus ihm heraus. Es war wie ein Schrei. Wie das Aufstöhnen einer gemarterten Seele.

Monate war er auf dem Trail, und nun, da er am Ziel war, musste er es hinnehmen … war alles umsonst.

In der mageren Hand des Alten lag der Gurt, in Lederschlingen steckten zwei Eisen, großkalibrige Waffen mit teuflisch blickenden Mündungen. Das waren die Waffen seines Vaters mit glatten, abgewetzten, schwarzen Kolben. Keine Kerbe war darin eingeschnitten, denn man sagte Tom O’Kenna nach, dass er niemals soviel Kerben hätte hineinschneiden können, wie er Banditen und Verbrecher zur Strecke gebracht hatte.

Unsicher streckte Mike die Hand aus, fasste nach dem Gurt, hielt ihn in bebenden Händen. Ja, diese Waffen hatte er als Kind oft aus der Truhe geholt, hatte mit den ungeladenen Eisen gespielt, und sein Vater hatte neben ihm gesessen und ihn mit seltsam dunklen Augen angeschaut.

Kimme und Korn fehlten. Diese Waffen waren nur mit dem Daumen zu bedienen, waren nur in den Fäusten eines Könners todbringender Stahl.

„Schnall um, Mike“, hörte er wie aus weiter Ferne die Stimme des Alten. „Es war deines Vaters letzter Wunsch. Ich sollte die Eisen für dich aufheben, für dich bereithalten, und ich habe dir dein Erbe erhalten …“ Er stockte, lachte heiser. Die Grauaugen saugten die Bewegungen des Jungen, der sich den Gurt fast andächtig um die Hüften legte, in sich hinein.

„Yeah, dein Erbe, Mike O’Kenna, besteht nur noch aus Weideland, aus einer abgebrannten Ranch und einem Creek, Die Rinder sind fort und die Pferdeherden ebenfalls. Selbst Sturmwind, der graue Zuchthengst, ist von der Bildfläche verschwunden.“

„Wer hat Dad aus dem Hinterhalt ermordet?“, forschte Mike.

Amb Trilyco sah ihn aufmerksam an. „Lass uns reiten, Boy. Jetzt, da du die Waffen hast, ist mir merklich wohler. Hoffentlich kannst du auch damit umgehen … das wäre gut!“

„Yeah … ich weiß nicht!“

„Nicht? Himmel und Hölle! Dein Dad war überzeugt, dass du noch besser als er damit fertig werden würdest. Sollte er sich getäuscht haben?“

„Vielleicht“, gurgelte Mike. Beide setzten ihre Tiere in Bewegung, lenkten sie nach Osten.

„Ich kann es nicht zulassen, dass du Duffa in die Revolver reitest, Boy. Habe deinem Dad versprochen, auf dich zu achten. Well, mein Dienst auf der Doppelring ist erledigt. Ich werde nicht mehr nach Mavericks suchen, sondern neben dir bleiben und mit dir einen neuen Anfang auf der O’Kenna-Ranch machen. Schätze, dass wir das Vorwerk als vorläufige Unterkunft einrichten.“

„Und dann?“, schleppte Mike.

„Dann … Ah, das wird sich finden. Wenn du der Sohn deines Vaters bist, wirst du wissen, was du zu tun hast. Du wirst den Sheriff auf die Stiefel treten und ihn aushorchen, wer wohl der Mörder sein könnte, wo die Pferde und Rinderherden geblieben sind, und wer wohl den grauen Hengst entführt hat,“

„Der Sheriff wird es auch nicht wissen!“, keuchte Mike düster,

Amb lachte eigenartig. „Er ist der Sheriff, und es ist seine verdammte Aufgabe, durch die Gegend zu reiten, nicht nur den Orden spazierenzuführen. Well, Bill Runold ist ein Pfeffersack. Man weiß nicht, wo man mit ihm dran ist, aber das wirst du noch herausbekommen, Sonny. Früher war er Staatenreiter. Weiß nicht, weshalb sie ihn abgesägt haben, weshalb er sich dann mit dem Posten eines schäbigen Sheriffs zufrieden gibt. Das ist zu bedenken, Sonny. Ferner, dass die Josua-Bande verschiedene Mitglieder hier in der Gegend festsetzen konnte, ohne dass sie behelligt werden. Der Teufel mag das schlucken … ich nicht!“

Mike gab keine Antwort. In seinen hellen Augen war plötzlich eine düstere Traurigkeit, war etwas, was Amb fast den Atem verschlug. Immer wieder blickte er seinen Begleiter von der Seite an, nickte dann vor sich hin, stieß von Zeit zu Zeit ein belferndes Gekicher aus.

„Es ist faul hier, Boy, und es stinkt nach Aas, aber das wird dich nicht abhalten. Wir müssen jetzt nach links abbiegen, denn wenn wir weiterreiten, sind wir gleich in Jasui, und dort sitzt ein

Teufel, der nur darauf lauert, dich zur Hölle zu schicken.“

Er verstummte, denn Mike dachte nicht daran, seinen Gaul abbiegen zu lassen.

„Verdammt, sei kein Narr“, schrie Amb auf. „Dein Vater war es, denn sonst hätte er noch heute leben können …“

„Fellow, ich will dem Sheriff einen Besuch abstatten. Was man sofort erledigen kann, soll man nicht verschieben. Ich bin für klare Fronten und für ein sauberes Spiel.“

„Aber nicht hier, Sonny, nicht hier, Sie spielen alle mit verdeckten Karten und haben einen Joker im Ärmel. Du bist nackt ihnen gegenüber. Komm zur Ranch, und dann wirst du dich erst mit den Kanonen einschießen …“

„No, ich weiß, dass sie geladen sind. Das genügt!“, klang es fest. Der Junge wandte sich schnell dem Alten zu. Sah ihm mit schmalen Augen in das zuckende Gesicht.

Amb Trilyco konnte es nicht verhindern. Er bebte, zitterte, lachte scharf auf.

„Ich habe deinem Dad versprochen, dich nicht allein zu lassen. Sage dir, Sonny, was du tust, ist Selbstmord. Gegen Duffa anzugehen ist, als wolltest du den Teufel selbst packen. Wäre besser, wenn du dir den Kopf vor einen Felsen schmetterst oder dir selbst ’ne Kugel durchs Hirn jagst.“

„Abwarten, Fellow.“

„Yeah“, brummte es unwirsch zurück. „Das sagte dein Vater auch, aber er hat es nicht verhindern können, dass ihn eine Kugel erwischte. Sonny, lass uns die Stadt meiden!“

„No“, zischte Mike, „und wenn alle Teufel der Hölle dort hocken sollten. Es wäre mir gerade recht.“ Er klopfte mit einem bleichen Lächeln auf die tief geschnallten Eisen. „Habe hier ein Mittel, um selbst Teufel zu bändigen!“

„Kommt nur auf deine Hand an“, knirschte Amb, trieb seinen Bronco neben den Braunen.

Er gab es auf, Mike abzuhalten, ahnte, dass keine Macht der Welt den Jungen aus dieser verteufelten Situation herausbringen konnte.

Himmel und Hölle! Bald würde er ein frisches Grab schaufeln müssen. Es war nicht daran zu zweifeln.

Amb Trilyco blinzelte zum Himmel, starrte auf die ziehenden Wolken, ließ seine Augen über das Land wandern und atmete erregt.

Ein ganzes Jahr hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Immer wieder hatte er sich Mike O’Kenna vorgestellt, war aber nun erschüttert, als er den Burschen betrachtete. Mike entsprach ganz und gar nicht seiner Vorstellung. Er hatte einen Kerl mit mächtigen Schultern, riesigen Muskelwülsten und einem Stiernacken erwartet.

Mike war eher zierlich als starkknochig, eher schmal als breit, und sein Gesicht trug noch die weichen Züge der Jugend.

„Der Himmel möge dich bewahren“, murmelte Amb lautlos in sich hinein. „Höre, Mike“, sagte er dann laut, „vor einem Jahr fand ich deinen Dad nahe bei der Ranch. Er hatte nur noch wenige Minuten zu leben. Er gab mir seinen Gurt, trug mir auf, die Waffen für dich aufzubewahren, an deiner Seite zu bleiben, und … seine letzten Worte galten deiner Mutter. Er hat nie aufgehört, sie zu lieben!“

„So? Warum ging er dann von ihr fort?“, stammelte Mike, wandte den Kopf, sah den Alten aufmerksam an.

„Weil deine Mutter keinen Revolver an seiner Hüfte sehen konnte. Sie lockte ihn zum Osten. Aber ein Mann, wie dein Vater einer war, hat immer einige Sachen zu bereinigen. Er war ein scharfes, möchte sagen, heißes Eisen für Banditen und Desperados. Immer blieben ein paar Rechnungen offen, denn wenn er einem von ihnen aus den Stiefeln half, war gleich ein guter Freund da, der unbedingt seine Eisen an deinem Vater ausprobieren wollte. Verdammt, es war ein hartes Schicksal! Aber jeder Revolvermann macht es durch und viele gehen dabei zugrunde. Kann beschwören, dass dein Dad kein Killer war. Er gab jedem eine Chance, ganz gleich, um wen es sich handelte. Bevor er zum Osten trailte, schoss er in einem fairen Zweikampf den berüchtigten Slim Drewter, einen Kumpanen von Billy the Kid, ab. Slim war der Bandenboss der Silvertown-Bande, einer Horde rauer Burschen, die das Land terrorisierte, die vor keiner Gewalttat zurückschreckte, die in Texas und Montana arbeitete, die immer auf dem Trail und darum kaum zu fangen war. Sage dir, niemals zuvor hat das Land so geblutet.

Der Schuss deines Vaters löste einen Bann. Die Bande verfiel. Der Teufel selbst mag wissen, warum und wieso. Vielleicht haben sie sich gegenseitig umgebracht, aber Jack Drewter war der Bruder von Slim. Er suchte und fand die Spur deines Vaters, erwischte ihn im Osten, glaubte ihn tot, musste dann erfahren, dass er nicht tödlich getroffen hatte, und kehrte wieder zurück, um sein Werk zu vollenden. Er erwischte dich. Du warst damals noch ein Kind und … ah, komm her … Will dir die Streifschüsse zeigen. Dein Dad hat sie mir immer wieder beschrieben. Einen quer über den Kopf, einen an der Außenseite des rechten Ellenbogens.“

Unwillkürlich fasste sich Mike am Stetson, zerrte ihn von den Blondhaaren, fühlte über den Scheitel. Die Narbe war selbst im dichten Haar gut zu ertasten.

„Yeah“, murmelte er. „Es ist so. Was geschah dann? Hat mein Vater diesen Jack Drewter erwischt, hat er ihn vor seine Rohre bekommen?“

Es war mehr als eine Frage. Amb spürte es, finster zogen sich seine Brauen zusammen.

„Nein, Sonny. Er hat ihn nicht stellen können. Kann sein, dass Jack Drewter einen anderen Namen annahm, kann sein, dass ihm plötzlich das Grauen im Nacken saß, denn für die beiden Schüsse auf dich hätte dein Vater ihn wahrscheinlich bei lebendigem Leib zerrissen. Yeah, du musst wissen, dass nach diesen Schüssen dein Dad wie toll war. Man wusste lange nicht, ob du mit dem Leben davonkommen würdest. Deine Mutter wollte deinen Vater auch dieses Mal halten, doch er ging. Er suchte den Schuft. Es wurden Jahre draus, und er fand ihn nicht. Es trieb ihn weiter und weiter. Er vergaß, dass er eine Frau hatte und einen Sohn … aber tief in seinem Herzen konnte er nicht von seiner Familie lassen. Er sehnte sich nach ihr. Zweimal versuchte er, deiner Mutter klarzumachen, dass sie ihm folgen sollte. Sie kam nicht, sie ließ ihm keine Rechte auf das Kind, auf dich, Mike. Er litt schwer darunter, ließ sich dann hier nieder und baute seine Ranch auf, trieb Pferde- und Rinderzucht. Sein Stolz war der graue Hengst Sturmwind. Ein Pferd, das selbst der Präsident der Vereinigten Staaten nicht bezahlen konnte. Sturmwind war nicht käuflich. Niemals gab es ein schöneres Tier … Aber was erzähle ich dir alles? Ich komme vom Thema ab. Also er fand nichts, keinen Anhaltspunkt von Jack Drewter. – Schau dort, vor uns liegt das verkommenste Nest des Westens: Jasui!“

Er betonte den Stadtnamen eigenartig, hob die bebende Rechte, deutete nach rechts.

„Dort hinten liegt der Friedhof, Sonny. Er ist größer als die gesamte Stadt. Der Totengräber ist der bestbezahlte Mann dort, und die Kneipenwirte werden dort feist, rund und dick, weil sie es mit der Josua-Bande halten. Na, lüfte ruhig die Eisen schon etwas an.“

„Und du?“, schnappte Mike.

„Ich?“, grinste Amb. „Mach dir keine Sorge. Ich bin dein Schatten, und Schatten tragen nur Achselholster. – Noch eins: Lass dich weder durch schöne Augen vom Sheriff aufhalten noch ablenken. Denk an Duffa! Wenn du ihn triffst, schieß, ohne erst zu fragen. Duffa macht es genau so, also ist es Fairplay!“

„Hat der Sheriff die schönen Augen?“, grinste Mike.

„Zum Teufel! Nein! Du wirst es noch herausbekommen. By Jove, gäbe was darum, wenn ich etwas Ordentliches zu essen hätte. Kann leicht die Henkersmahlzeit sein!“

„Well, Fellow, kann dir helfen!“

„Du?“

„Yeah, habe Tede Duffas Proviantkammer leergeräumt und mir das Beste mitgenommen.“

„Himmel …. und du lebst? – Ich werd’ verrückt!“

Cowboys und Revolvermänner: 3 Romane: Western Roman Trio Band 9

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