Читать книгу DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte - Glenn Stirling - Страница 26
Оглавление22. Kapitel
Wie ein gewaltiges Ungeheuer fauchte und heulte der Sturm um die massive Blockhütte, kratzte an den Balkenwänden und schüttelte den Schnee auf das Dach, als wolle er es dadurch zum Einsturz bringen. Das ganze weite Tal war erfüllt vom Jaulen und Tosen des Blizzards.
Drinnen in der Blockhütte brannte auf dem Tisch eine niedrige Talgkerze und warf einen unsicheren gelben Lichtschein über die rauen Balkenwände und den harten Bretterboden. Um den Tisch herum saßen vier Männer.
Old Tom Price und der kräftige Shorthill würfelten miteinander. Richter Allan Longfield blätterte in seinem verschlissenen Gesetzbuch, das er immer mit sich führte. Und Clint Farrox war damit beschäftigt, seinen Colt zu reinigen. Er hatte ihn auseinandergenommen und säuberte nun die einzelnen Teile mit größter Sorgfalt, um sie dann leicht mit Öl einzureiben.
»Der erste Blizzard in diesem Winter«, murmelte der graubärtige Tom Price vor sich hin… »Und ich denke, es wird nicht der letzte sein.«
»Abgesehen davon«, warf Jack Shorthill hin, »liegt dieses Tal verhältnismäßig geschützt. Ich möchte nicht wissen, wie es draußen auf der Prärie oder auf einem der vielen Hochplateaus aussieht.«
»Du liebe Zeit!«, seufzte Old Tom Price auf. »Ich kann euch nicht sagen, wie sehr ich schon auf das Frühjahr warte.«
Auch der alte Tom war früher Rindermann gewesen. Drunten in New Mexiko hatte er eine kleine Ranch bewirtschaftet, ehe er dann dem Ruf des Goldes gefolgt war und an dem großen Silberrun in Nevada teilgenommen hatte.
»Ja, das Frühjahr«, nickte Shorthill nachdenklich. »Es wird eine neue Wende für uns alle bringen.«
»Es hat sie schon gebracht, Männer!«, hob der Richter den Kopf und ließ das dicke, verschlissene Buch sinken. Er wandte sich mit einem ernsten Lächeln an Clint Farrox.
»Was werden Sie tun, Mister Farrox, wenn der Winter vorüber ist?«
»Es ist noch lange hin«, antwortete Clint nachdenklich. »Aber ich werde wahrscheinlich wieder reiten.«
Vor seinen Augen stand wieder das Bild von Carroll Keeney und auch das Perry Shunters.
»Oh!«, sagte der Richter bedauernd. »Ich hatte gehofft, Sie würden bleiben. Das Tal braucht einen Mann wie Sie, Mister Farrox. New Hope wird wachsen. Wir werden einen Sheriff wählen. Und da habe ich an Sie gedacht.«
»Einen Sheriff?«, fragte Clint und begann, den Colt wieder zusammenzusetzen. »Es gibt hier keinen Gouverneur, der die Wahl eines Sheriffs bestätigen oder einen Sternträger einsetzen könnte.«
»Ich weiß!«, nickte Allan Longfield ernst. »Aber es ist trotzdem erforderlich, dass auch weiterhin für Recht und Ordnung im New-Hope-Valley gesorgt wird. Wir müssen eben einen provisorischen Sheriff einsetzen – einen Mann, der aber tatsächlich bemüht ist, das Gesetz ordnungsgemäß zu vertreten. Vergessen Sie nicht, dass ich Richter bin. Ich weiß in solchen Dingen Bescheid.«
»Ja!«, sagte Tom Price eifrig. »Er hat recht, Farrox. Und meiner Meinung nach wird es vielleicht gar nicht mehr so lange dauern, bis auch dieses Land zu einem Staat der Union wird.«
Clint sah nachdenklich vor sich hin.
»Ich werde trotzdem reiten, Männer!«, erklärte er schließlich ruhig. »Vielleicht komme ich eines Tages zurück. Dann ist immer noch Zeit, über diese Sache…«
Er brach ab und fuhr hoch.
»Was war das?«
Auch die anderen horchten zur Tür hin, an der trotz des wild heulenden Schneesturms ein leises Scharren zu hören war. Jack Shorthill griff nach seiner Rifle, die hinter ihm an der Wand lehnte, und stand auf.
»Vielleicht ein Stück Wild, das der Blizzard ins Tal getrieben hat«, vermutete er etwas unsicher.
Er näherte sich langsam und vorsichtig der Tür und hielt die langläufige Rifle schussbereit in den Fäusten. Auch der Richter und der graubärtige Price waren aufgestanden. Was sie jetzt hörten, zeigte ihnen ganz deutlich, dass es kein Wild war, das sich draußen vor der Tür befand. Es war deutlich das hastige, schwache Pochen einer Menschenfaust, die gegen die dicke Balkentür schlug. Die vier Männer in der Blockhütte tauschten einen raschen Blick miteinander.
»Vielleicht eine Rothaut«, brummte Tom Price verwundert.
Jack Shorthill war inzwischen bei der Tür angelangt und riss sie auf. Der Schneesturm jagte heulend und mit eisiger Kälte einen Flockenwirbel in die Wärme des Raumes. Und mit dem Schnee drängte ein Mann herein.
Shorthill schlug sofort die Tür wieder zu, und das ohrenbetäubende Orgeln des Blizzards wurde für die Menschen in dem Blockhaus in seiner Heftigkeit gemildert. Der Fremde stand unsicher und taumelnd auf den Füßen und war über und über mit Schnee bedeckt. Er trug nach der Art der Trapper eine Bibermütze auf dem Kopf und hatte diese weit über die Ohren und die Stirn herabgezogen. Den Kragen seiner dicken Pelzjacke, die bis zu den Oberschenkeln hinabreichte, hatte er hochgeschlagen. Aber die lederne, fransenbesetzte Hose war an verschiedenen Stellen zerfetzt und aufgerissen. Die Haut darunter schimmerte blau und erfroren, war an manchen Stellen aufgeplatzt und blutverschmiert. Er trug keine Stiefel an den Füßen, sondern indianische Mokassins. Auch diese waren zerfetzt, und die beißende Kälte, die draußen herrschte, hatte sicherlich bereits seine Zehen und Fersen angegriffen.
Der Mann wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort über die blaugefrorenen, aufgesprungenen Lippen. Er sah das flackernde Feuer in dem offenen Kamin und taumelte darauf zu. Dort riss er die dicken Pelzhandschuhe von den Fäusten und streckte die Hände wärmend über die rotzüngelnden Flammen. Der Schnee löste sich langsam von seiner Kleidung und bildete eine Wasserlache zu seinen Füßen.
»Ah, das tut gut!«, brach es schließlich rau aus seinem Mund. »Ich habe schon gedacht, nie mehr die Möglichkeit zu bekommen, einem Menschen zu begegnen.«
Er fing plötzlich zu wanken an. Clint sprang hinzu und fasste ihn an den Schultern.
»Schätze, ich werde gleich in die Knie gehen«, grinste der Fremde schwach und sank langsam zusammen, während Clint ihn festhielt. Dann öffneten sich plötzlich die dunklen Augen in dem von Kälte und Anstrengung verzerrten Gesicht. Der Mann wollte sich nochmals hochstemmen.
»Clint!«, stieß er hervor. »Mein Gott, Clint, du bist…«
Da erkannte Clint Farrox, wer da in seinen Armen in eine tiefe Bewusstlosigkeit hinüberglitt.
»Hal!«, rief er. Freude und Fassungslosigkeit vermischten sich in seiner Stimme. »Hal Wyman!«