Читать книгу DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte - Glenn Stirling - Страница 27
Оглавление23. Kapitel
Clint lehnte an der rauen Balkenwand und blickte auf seinen Freund nieder, der auf einem Stapel Fellen hockte und lächelnd zu ihm aufsah. Er hatte eine neue Hose an und seine Füße siedeten in kräftigen warmen Stiefeln. Die Augen in dem schmalen Gesicht funkelten schon wieder vor Lebenslust und Entschlossenheit.
»Es kommt mir wie ein Wunder vor, Hal«, sagte Clint. »Wie kommst du denn bloß hierher? Und noch dazu zu Fuß?«
»Well!«, sagte Hal Wyman mit einem breiten Lächeln. »Du wirst dich wundern, Amigo.«
Er erhob sich und stand noch etwas unsicher auf seinen Füßen. Er tastete sich zu dem Stuhl, über dem seine dicke Pelzjacke hing. Wortlos kramte er in den Innentaschen und zog dann etwas hervor. Dann wandte er sich, noch immer lächelnd, zu Clint um. In seinen kohlschwarzen Augen glitzerte ein triumphierendes Funkeln. Er hielt einen prallgefüllten, großen Lederbeutel in der Rechten und sah sich dann kurz und misstrauisch um. Aber sie waren allein in diesem Raum.
»Sieh1 her!«, sagte Hal und schnürte den Beutel auf.
Blanke Goldkörner schimmerten Clint entgegen, der sich vorgebeugt hatte. Manche waren größer als eine Nuss.
»Das ist noch nicht alles!«, erklärte Hal. »Ich habe noch zwei solche Beutel in meiner Jacke. Was sagst du nun?« In seinen Augen funkelten Lichter.
»Donnerwetter!«, nickte Clint anerkennend. »Du hast großes Glück gehabt, old fellow! Mehr Glück als mancher andere Digger.«
»Jaaa«, sagte Hal leise und träumerisch. »Ich bin ein reicher Mann, Clint. Ein verdammt reicher Mann! Jetzt werde ich nach Missouri zurückkehren, verstehst du? Denkst du noch an das Mädel, von dem ich dir erzählte? Jetzt wird sie meine Frau werden, Clint! Wir werden zusammen die glücklichsten Menschen der Welt sein!« Die Begeisterung und Freude brachen in seinen Worten durch.
»Ich gönne es dir, Hal«, lächelte Clint ernst. »Wahrhaftig, ich gönne es dir von ganzem Herzen! – Aber wie hast du das geschafft?«
Hal Wyman verstaute den goldgefüllten Lederbeutel wieder in seiner Mackinshaw-Jacke und setzte sich dann mit einem tiefen Aufatmen auf den Fellstapel, der ihm als Lager diente.
»Das ist bald erzählt, Clint«, lächelte er mit leuchtenden Augen. »Anfangs hatte ich so wenig Glück, wie die meisten Goldgräber auch. Ich besah drüben auf der anderen Seite des Pikes Peak ein großes Claim in einem Camp, das sich Happy Town nannte. Aber es war keine glückliche Stadt, wie der Name besagte. Am wenigsten für mich. Ich fand nicht das kleinste Goldkörnchen in dieser verfluchten Erde. Wochenlang schuftete ich wie ein Verrückter. Dann hatte ich es satt. Ich verließ Happy Town und zog weiter nach Westen – über den Verlorenen Canyon hinaus.«
»Das ist tiefstes Indianerland«, warf Clint ein. »Haben dir die Utahs keinen Kummer gemacht?« »Das sagten die anderen Digger auch, als ich Happy Town verließ. Aber damals begann mein Glück. Ich war allein, verstehst du? Die Roten sahen in mir keine Gefahr. Und nachdem ich einem Häuptlingssohn in einem mörderischen Nahkampf mit einem gewaltigen Grizzlybären beistand, brauchte ich mir um die Rothäute keine Sorgen mehr zu machen. Well, um es kurz zu machen: ich kam an einen Fluss, den die Utahs ›Towanatchi‹ nannten. Ich weiß nicht, was der Name bedeutet. Aber jedenfalls holte ich dort das Gold aus der Erde, das ich dir vorhin zeigte.
Es wird mich zu einem reichen und glücklichen Mann machen.«
Freude und Erstaunen waren in Clint Farrox, während er den Worten des jungen Mannes lauschte. der in Thunderville sein Freund geworden war und mit ihm gegen Shunter und Reanow gekämpft hatte.
»Wie kommt es, dass du mitten im Winter hier zu Fuß durch die Gegend läufst?«
Hal runzelte die Stirn. »Well, das ist eine andere Sache. Es war schon tief im Herbst, als ich mein Claim am Towanatchi verließ. Ich hätte es noch geschafft, vor Winteranfang in eine besiedelte Gegend vorzustoßen – wenn nicht mein Gaul einem Puma zum Opfer gefallen wäre. Es nützte dann auch nichts mehr, dass ich dem verwünschten Vieh eine Kugel in den Pelz brannte. Ich versuchte, mich zu Fuß nach Happy Town durchzuschlagen, um dort ein Pferd zu erhalten. Ich kam auch dort noch rechtzeitig an. Aber die Digger waren alle fortgezogen. Happy Town ist zu einem Geisterlager geworden. Well, und dann kam eben der erste Schneefall, und ich war auf der Suche nach einer geschützten Stelle, an der ich überwintern konnte. Dabei geriet ich dann in diesen verfluchten Blizzard, der mir beinahe das Leben gekostet hätte, wenn ich nicht zum guten Schluss doch noch der Glücksgöttin leidgetan hätte.«
Hal lächelte wieder: »Es wäre auch wirklich schade um die schönen Nuggets gewesen, die ich mit mir herumschleppe.«
»Das kann man wohl sagen!«, nickte Clint trocken.
Hal Wyman legte sich zufrieden auf die Felle zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Well, Clint, ich denke, dass nicht nur ich eine Story zu erzählen hatte. Es interessiert mich brennend, welcher Wind dich hierher geblasen hat.«
»Ja, das ist wahrhaftig ein langer und aufregender Song«, bestätigte Clint mit einem ernsten Lächeln. »Jedenfalls kam ich nicht hierher, um dann als reicher Mann zu einem Mädel in Missouri zurückzukehren, wie du, Amigo. Aber sei beruhigt, ich werde dir alles der Reihe nach berichten.«
Er zog sich einen Stuhl heran, holte eine Pfeife aus der Innentasche seiner Lederjacke und dazu einen Tabakbeutel. Während er dann gemächlich rauchte und draußen der Blizzard um die festgefügten Balkenwände heulte, erzählte er alles, was seit jenem Tag geschehen war, an dem sie in Fort Fulton voneinander Abschied genommen hatten.
Hal Wyman lag still und lauschte aufmerksam. Und allmählich verlor sich das glückliche Lächeln aus seinem etwas abgespannten Gesicht. Als Clint schließlich geendet hatte, richtete er sich halb auf.
»Das war eine ziemlich harte und bittere Story. Aber du hast etwas Großartiges geleistet, Clint! Und ich habe so die Ahnung, dass sich deine Idee hier im New-Hope-Valley verwirklichen wird. Und dann hat eine Mange Menschen dir eine prächtige Zukunft zu verdanken.« Er machte eine Pause und fragte dann: »Willst du tatsächlich wieder reiten, wenn der Frühling kommt?«
»Ja, das werde ich! Ich werde abermals nach Perry Shunter suchen. Und – nun, ich denke, ich werde auch einen Abstecher nach Thunderville machen.«
»Ah, ich verstehe!«, lachte Hal leise auf. Dann wurde er wieder ernst. »Ich denke schon, dass Richter Longfield recht hat, wenn er behauptet, dass dich dieses Tal braucht. Du bist zum Kämpfer geworden, Clint, der auf der Seite des Rechtes steht. Du wärest ein guter Mann für dieses Tal. – Übrigens, denkst du nicht, dass diese Banditenbraut, das Mädchen, mit dem Madding hierherkam, ihre Worte wahr machen wird? Diese Lady – ich weiß ihren Namen nicht – muss ja schlimmer als eine Tigerin sein.«
»Das allerdings!«, nickte Clint. »Ich habe noch keine zweite Frau getroffen, die so war wie Betty Loudson.«
Er hatte vorher bei seinem Bericht den Namen des Mädchens nicht erwähnt. Und er war verblüfft über die Reaktion, die Hal zeigte, als er diesen Namen nannte. Hal fuhr empor, als habe er sich auf eine Klapperschlange gesetzt.
»Betty Loudson?« Er schrie es fast. Dann war er auf den Füßen und stand dicht vor Clint.
»Betty Loudson, sagst du?«
Er packte den großen Texaner an den Schultern und rüttelte ihn, als habe er seinen ärgsten Feind vor sich. Sein tiefbraunes Gesicht war aschfahl geworden. In seinen kohlschwarzen Augen loderte ein wildes Feuer.
»Was ist mit dir, Hal?«, presste Clint hervor und schob den Freund zurück. »Ja, sie hieß Betty Loudson.«
»Mein Gott!«, stieß Hal hervor.
Jäh verließ ihn die heftige Wildheit. Seine Schultern sanken nach vorne. Eine brennende, ausweglose Verzweiflung malte sich auf seinem Gesicht ab. Um seine Mundwinkel kerbten sich dunkle Linien, und seine Augen zeigten einen fiebrigen Glanz.
Clint trat auf seinen Freund zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und fragte leise: »Hal, bist du krank? Was ist denn?«
Hal starrte ihn an, als sehe er ihn nicht. Dann schüttelte er mit einem wilden Ruck die Hand Clints ab und drehte sich ab. Sein verzweifeltes Auflachen erfüllte den dämmrigen Raum mit greller Unheimlichkeit.
»Betty Loudson!« Er lachte noch immer sein unheimliches, fast irres Lachen. »Betty Loudson!« Immer wieder stieß er diesen Namen heftig hervor. Dann wurde er plötzlich schlagartig ruhig. Doch eine merkwürdige Starre war in ihm, als er sich langsam zu Clint Farrox umdrehte. Sein schmales Gesicht war wie aus Stein gemeißelt, und seine Lippen bildeten einen harten Strich.
»Clint!«, sagte er tonlos. »Betty Loudson – sie ist das Mädchen aus Missouri! Sie liebte ich, zu ihr wollte ich heimkehren und sie glücklich machen! Für sie habe ich geschuftet und geschwitzt und wäre beinahe in diesem Blizzard umgekommen! Alles für sie! Und nun…«
Er sprach nicht zu Ende, senkte den Kopf und drehte sich wieder ab. Er stand wie eine Steinfigur und starrte zu Boden. Clint rührte sich ebenfalls nicht, brachte kein Wort hervor. Seine Gedanken jagten einander, verwirrten sich und schienen in einen undurchdringlichen grauen Nebel zu geraten, der sich um sein Gehirn gelegt zu haben schien. Allmählich nur wich die Verwirrung von ihm. Und sie machte einer gewaltigen Erschütterung Platz.
Er begriff plötzlich, wie grauenhaft seinen Freund die Erkenntnis getroffen haben musste, dass alles umsonst war, was er auf sich genommen hatte. Alle seine Pläne und Hoffnungen waren zusammengestürzt wie ein Kartenhaus. Eine Welt musste für ihn zusammengebrochen sein.
Zögernd trat er von hinten auf ihn zu, wollte etwas sagen – etwas, das ihm helfen sollte, das ihn trösten sollte in seiner Verzweiflung. Aber ehe er die Lippen öffnen konnte, fuhr Hal Wyman herum.
»Clint! Ich brauche ein Pferd! Ich werde es bezahlen!«
»Es ist unmöglich bei diesem Wetter loszureiten. Es wird dein Verderben sein, Hal. Höre auf mich! Ich…«
»Ich brauche ein Pferd, Clint!« Die Worte klangen fast wie eine Drohung.
»Was hast du vor, Hal? Es ist doch sinnlos, in diesen Blizzard hineinzureiten!«
»Well!«, sagte Hal Wyman hart und ohne auf Clints Einwände zu hören. »Dann werde ich mir eben selbst eines besorgen.« Er nahm seine dicke Pelzjacke von der Stuhllehne und zog sie an. Alle Müdigkeit und Erschöpfung war von ihm gewichen. Er stülpte die Biberfellmütze auf den Kopf, schnallte den Waffengurt außen über die Mackinshaw-Jacke und schob die Fäuste in die pelzgefütterten Handschuhe. Dann verließ er hastig und ohne ein Wort zu sagen den kleinen Raum, der in dieser Blockhütte Clints Schlafgemach bildete. Gleich darauf hörte Clint schwer die Blockhaustür hinter Hal zuschlagen. Für einen Moment war das gellende Jaulen des Sturmes in aller Wildheit zu vernehmen, dann wurde es wieder gedämpft, als sich die Tür schloss.
Da wusste Clint, dass nichts mehr seinen Freund hier halten konnte.
Eine halbe Stunde später klopfte es wieder an die Blockhaustüre. Clint öffnete und sah seinen Freund reisefertig draußen im tobenden Schneesturm stehen. Hinter ihm schnaubte ein hochbeiniger Apfelschimmel unruhig gegen den treibenden Schneewirbel.
»Ich habe ihn von einem der Männer hier gekauft«, erklärte Hal unbewegt. »Ich reite jetzt!«
Clint wollte etwas sagen, um seinen Freund zurückzuhalten. Der Blizzard fegte noch immer mit unverminderter Heftigkeit vom Pass herab und füllte das New-Hope-Valley mit einem brodelnden Gischt von Schnee. Die eisige Kälte im Freien ließ alles erstarren. Clint wusste, wie gefährlich dieser Schneesturm war, wusste, dass er Reiter und Pferd das Leben kosten konnte. Und das war es, was er seinem dunkelhaarigen Freund sagen wollte. Doch das unheimliche Glühen in den schwarzen Augen Hal Wymans warnte ihn. Diese Stunde hatte in Hal etwas zerbrochen, hatte ihn zu einem anderen Menschen gemacht – und Clint ahnte, dass er auf eisige Ablehnung stoßen würde.
Hal Wyman war kein unerfahrener Mann. Er wusste selber ganz genau, welche Gefahren dieser mörderische Blizzard barg.
Fest drückte er die Hand, die ihm der in Pelz gehüllte Mann entgegenstreckte. Die Stimme Hal Wymans verriet keine Gefühlsbewegung. Sie war ruhig und kalt, und Clint begriff, dass es den Hal Wyman, den er gekannt hatte, niemals wieder geben würde.
»Ich wünsche dir viel Erfolg und Glück in diesem Tal, Clint«, sagte Hal ohne besondere Betonung. »Und nun – fare well!«
»So lang, Amigo!«, raunte Clint Farrox heiser.
»Gott schütze dich, Hal Wyman!«
Aber diese bewegten Worte konnte der Reiter, dem sie galten, nicht mehr hören. Das Brausen des Sturmes hatte ihn aufgenommen, und der wehende Schleier des wirbelnden Schnees verhüllte allmählich seine schlanke, dunkle Gestalt…