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„Was ist da los?“ fragte Howarth Green seine Frau, die offensichtlich ebenfalls wach in ihrem Bett lag. Gähnend schaute Howarth auf die Leuchtziffern der Digitaluhr. Sie zeigten 11:19 p.m. an.

„Da sind mindestens zehn Feuerwehrautos die Straße hinuntergefahren“, wisperte sie verschlafen und undeutlich in die Bettdecke.

„Jetzt höre ich schon das elfte und zwölfte Feuerwehrauto“, gähnte Howarth.

„Wo kommen die alle her?“

„Keine Ahnung. Schließ bitte das Fenster, sonst ist an Einschlafen nicht mehr zu denken.“ Lena drehte sich auf die andere Seite und zog die Bettdecke über die Ohren.

„Das offene Fenster bringt zumindest ein wenig natürliche Kühle. Ich werde dann bedauerlicherweise die automatische Kühlanlage wieder einstellen müssen“, murrte Howarth.

Lena streckte missmutig den Kopf aus der Bettdecke: „Wir könnten jetzt darüber diskutieren, ob wir lieber vor Wärme nicht einschlafen werden oder wegen dem ständigen Tatü-Tata.“ Sie sog die Luft tief durch die Nase ein, um ihrem Unmut Nachdruck zu verleihen. „Howarth, ich will jetzt nicht mitten in der Nacht über Tatü-Tata und Fenster auf oder zu diskutieren. Bitte schließ das Fenster. Das ist ja kaum noch auszuhalten.“ Mit beiden Händen zog sich Lena jetzt gähnend die Bettdecke über den Kopf.

Einen Moment noch blieb Howarth liegen und hörte bereits die nächsten Feuerwehrautos mit ihren markanten Signalhörnern näherkommen.

Etwa 150 Meter die Straße hinunter regelten Ampeln den Verkehrsfluss. Sie zeigten nachts solange rotes Licht, bis ein Auto sich ihnen näherte. Die Ampel reagierte verzögert, um die Autofahrer zum Abbremsen zu zwingen und schaltete erst dann auf Grün.

Schon oft hatte sich Howarth über diese Ampelschaltung geärgert und der Stadt die seiner Ansicht nach verschwenderische Investition vorgehalten. Immer wieder kam es meist tagsüber in der Höhe von Greens Haus zu starken Bremsmanövern der Autofahrer, wenn sie die Straße hinunterfuhren und die für gewöhnlich rot geschaltete Ampel erblickten.

Die mit zunehmender Beliebtheit auf den Straßen fahrenden computergesteuerten, autonomen Fahrzeuge bremsten rechtzeitig sanft ab. Sie empfingen weit im Voraus vor den Ampeln zusätzlich ausgesandte Signale. Die Steuerung des Bordcomputers konnte entscheiden, ob der Bremsvorgang eingesetzt werden musste oder ob das Auto die Ampel bei Grün erreichte.

Die sollen sich mal anstrengen und auch Einsatzfahrzeuge rechnergesteuert dem Straßenverkehr übergeben, dachte Howarth. Das wäre doch eine technische Herausforderung! Ja, diese Entwicklung konnte man sich bis Anfang der 20er Jahre dieses Jahrhunderts nur vage vorstellen. Jetzt, Mitte der 30er Jahre, fahren manuell gesteuerte Autos zunehmend seltener.

Im Grunde wurde die Straße vor dem Haus der Greens vorwiegend während der Rushhour als Schleichweg beansprucht. In der restlichen Zeit nutzten überwiegend Anlieger diese Straße. Die Feuerwehrautos leitete man wahrscheinlich gewollt auf diese Route, damit sie schneller vorankamen, überlegte Howarth. Die Fahrer sehen die rote Ampel und der Tatü-Tata-Zirkus beginnt in Höhe unseres Hauses.

Nun erschien es ihm doch sinnvoll, das Fenster zu schließen. Räuspernd stieg er aus dem Bett und trottete die wenigen Schritte zum Fensterflügel. Dort angekommen schaute er in das nächtliche Dunkel von Pasadena, um gegebenenfalls einen Brandherd auszumachen.

Die Häuser hier im Viertel standen angemessen weit auseinander. Die meisten der Einfamilienhäuser waren umgeben von üppigem Grün. Teilweise versperrten dichtes Strauchwerk und hohe Hecken die Aussicht von der Straße zu den Häusern. Manche Hausbesitzer hatten den Eingangsbereich zu ihren Heimen mit hellen Spots angestrahlt. Das Häuserviertel der hier recht gut betuchten Hauseigentümer lag auf einem leicht ansteigenden Hügel am nördlichen Rande von Pasadena.

Die Greens ließen ihr Haus vor fast sieben Jahren auf dem höchsten Punkt des Hügels erbauen. Es war kurz nach der Zeit als Howarth im riesigen Areal des Johnson-Spacecraft-Centers im Süden von Houston einen der Verantwortungsbereiche für die wieder entstandene Mondfahrt übertragen bekam. Sein ehemaliger Chef Frank Random setzte sich für ihn ein und sicherte Howarth die Position. Ein üppiges Gehalt hatte man ihm beschert.

Howarth schaute vom Fenster aus über die Zeilen der tiefer gelegenen Häuser. Ein Feuerschein war nicht erkennbar. Auch einen Brandgeruch vernahm er nicht. Vielleicht brennt es in Pasadena oder weiter draußen, überlegte er und wollte vom Fenster wieder zurücktreten, um noch ein paar Stunden Schlaf zu finden, als er weit in der Ferne am nächtlichen Himmel einen roten Fleck erkannte.

„Merkwürdig. Das sieht aus, als würde es irgendwo in der Gegend des Space-Centers brennen“, murmelte er vor sich hin.

„Hast du etwas gesagt?“, fragte Lena verschlafen, die sich die Bettdecke wieder vom Kopf gezogen hatte, weil ihr nun doch zu warm darunter wurde.

„Ja“, erwiderte Howarth nachdenklich, „ganz weit hinten spiegelt sich eine rote Stelle am Himmel. Es könnte ein Feuerschein sein. Und der liegt genau in Richtung Space-Center.“

„Da werden bestimmt Raketentriebwerke getestet“, meinte Lena halb im Schlaf.

„Im Space-Center werden keine Raketentriebwerke getestet“, belehrte sie Howarth.

„Und wenn du als Nächstes vermutest, es könnte ein Raketenstart sein, dann muss ich dich auch enttäuschen. Denn das müsste ich ja schließlich wissen.“

Von Lena kam keine Reaktion mehr. Sie schlief.

Howarth setzte sich auf die Bettkante und überlegte, ob er einfach im Space-Center anrufen sollte. Unruhe hatte ihn gepackt. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, was dort ein größeres Feuer auslösen sollte. Das einzig Brennbare wären Kabel. Das kam hin und wieder vor. Durch die in allen sensiblen Bereichen installierten Sprinkleranlagen war ein aufkeimendes Feuer in kurzer Zeit unter Kontrolle und gelöscht.

Die Ungewissheit festigte sich in ihm. Er stand von der Bettkante auf, verließ das Schlafzimmer und eilte in sein geräumiges Büro. Er setzte sich in den Ledersessel an seinen Schreibtisch, als im gleichen Moment das Telefon klingelte. Howarth erschrak. Hastig drückte er die Taste für die Freisprechanlage und meldete sich mit seinem Namen.

„Hier ist Roman, hallo Howarth, Sie waren erstaunlich schnell am Telefon.“

„Ja, ich wollte gerade im Space-Center anrufen. Bis vor zehn Minuten sind hier ständig Feuerwehrautos an unserem Haus vorbeigefahren. Und in der Ferne sah ich vom Fenster aus vermutlich einen Feuerschein. Wenn es ein Feuerschein ist, der sich in den Wolken spiegelt, dann liegt er ziemlich genau über dem Space-Center.“

„Ja, so ist es“, meinte Roman Dickson nervös und gleichzeitig mit müder Stimme. „Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde ein Attentat auf das Raketengelände verübt. Lunar 3 ist auf der Abschussrampe explodiert. Lunar 4 und 5 stehen mitsamt der Montagehallen in einer gewaltigen Feuersbrunst.“

„Um Himmels Willen. Das ist ja eine Katastrophe!“, stieß Howarth mit Entsetzen in der Stimme und weit aufgerissenen Augen hervor. Alle Farbe verlor sich aus seinem Gesicht. Tausend Gedanken jagten ihm durch den Kopf.

„Howarth, Sie müssen sofort kommen. Es gibt sehr viel zu tun. Ich weiß im Moment nicht, wo mir der Kopf steht. Auch ein kleinerer Bereich der Verwaltungsgebäude wurde teilweise durch Feuer zerstört. Die zentrale Verwaltung ist nicht betroffen und damit ist unser Gebäudetrakt verschont geblieben.“

„Selbstverständlich komme ich sofort!“, rief Howarth.

„Denken Sie an Ihren Firmenausweis. Das Gebiet hier ist inzwischen weiträumig von Militär und Polizei abgeriegelt. Mitarbeiter mit Firmenausweis kommen nur nach bestätigter Rückfrage aufs Gelände. Lassen Sie Ihr Auto vor der Absperrung stehen. Ein Polizei- oder Militärfahrzeug bringt Sie zum Space-Center. Schalten Sie das Autoradio auf der Fahrt nach hier ein.“

„Roman, was wird jetzt aus unseren ...?“. Roman Dickson hatte bereits die Verbindung unterbrochen.

„Was ist passiert, Howarth?“ Lena stand im Türrahmen und starrte in sein aschfahles Gesicht.

„Ich muss zum Space-Center. Eine Katastrophe!“

„Was ist passiert? Sag doch was!“ Verängstigt schaute Lena in die entsetzte Miene von Howarth.

„Vermutlich ist die gesamte Lunar-Raketenserie durch ein Attentat vernichtet worden“, presste er hervor.

„Oh, mein Gott! Was wird jetzt aus unseren vier ...?“

„Ich weiß es nicht“, unterbrach sie Howarth nervös.

Er erhob sich eilig aus seinem Schreibtischsessel und hastete mit schnellen Schritten in Richtung Schlafzimmer. Im angrenzenden Bad öffnete er die Duschkabine, drehte eiskaltes Wasser auf und hielt seinen Kopf unter den Duschstrahl. Mit einem Handtuch rubbelte er sein dichtes, dunkles, an einigen Stellen leicht ergrautes Haar trocken. Eilig zog er seine Bürokleidung an.

„Ich weiß noch nicht, wann ich wieder zurück bin“, rief er seiner Frau beim Verlassen der Wohnung zu. „Ich rufe dich an.“

Phillu

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