Читать книгу Phillu - Günter Holschbach - Страница 5
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ОглавлениеMontag, 29. August 2039, 6:07 a.m.Airport Houston, Kontrollturm
„Wieso kommt der so dicht an die Sperrzone des Space-Centers? Ist der Flug genehmigt?“
Skeptisch schaute Fluglotse Robert Torres vor sich auf den Radarschirm.
„Ja, ja“, beruhigte ihn sein Kollege Dean Stefenson, der seinen Fluglotsen-Arbeitsplatz neben Robert hatte.
„Der war schon ein paar Mal in dem Bereich. Der dreht jetzt ab mit seiner Turboprop und wirft an der Stelle drei oder vier Paragleiter aus seiner Kiste. Angeblich soll in diesem Bereich bei Eintritt der Dunkelheit eine besonders interessante Thermik für Paragleiter entstehen.“
„Spinner“, entfuhr es Robert. „Wo soll denn an der Stelle eine besondere Thermik herkommen?“
„Lass sie glücklich sein in ihrer Einbildung. Es ist deren Geld, welches sie verpulvern.“ Robert zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder dem Radarschirm zu. Es gab nur wenig zu tun an diesem Abend.
Die Turboprop - eine recht große Propellermaschine, meist für private Flüge zu buchen und zugelassen für maximal acht Personen - drehte hart an der Sperrzone des Luftraums zum Space-Center-Bereich ab. Kurz nacheinander sprangen drei Leute aus dem Flieger. Robert zoomte sich die Szene näher auf seinem Monitor heran. Die Flughöhe der Maschine betrug etwa 2.500 Meter. Die drei Springer ließen sich auf etwa 1.000 Meter fallen und öffneten ihre Gleitschirme.
„Und wo ist da der Reiz der besonderen Thermik? Traumtänzer!“, murmelte Robert.
„Sprichst du mit mir?“, fragte Dean.
„Nein, eigentlich nicht. Ich beobachte die Traumspringer und weiß nicht, wie die an der Stelle in den Rausch einer besonderen Thermik kommen wollen“, meinte Robert verärgert.
„Womöglich sind die ein wenig berauscht vom Alkohol.“
Der Luftraum hatte sich langsam wieder gefüllt und lenkte die Aufmerksamkeit der Fluglotsen auf ihre Monitore.
Mittwoch, 31. August 2039, 6:36 p.m.Airport Houston, Kontrollturm
„Ah, unsere Traumspringer sind wieder unterwegs“, rief Dean. Er hatte an dem Tag gleichzeitig mit Robert Fluglotsendienst.
„Die wollen eine Genehmigung auf 4.000 Meter.“
„Naja“, meinte Robert etwas abwesend, weil er sich auf seinen Bildschirm konzentrieren musste, „wenn es der Luftraum zulässt und die sich an die bekannten Bedingungen für den Sperrzonenbereich halten, dann lass sie glücklich werden.“
Dean bestätigte die Anfrage des Piloten der Turboprop-Maschine. Diese schraubte sich dicht an der Grenze der Sperrzone zum Space-Center-Bereich auf 4.000 Meter Höhe.
Mit welchen Ambitionen es die Typen in den Bereich zieht, überlegte Dean, der um diese Uhrzeit für seinen zuständigen Luftraum wenig zu tun hatte.
Neben Deans normalen Radarbildschirm stand an diesem Arbeitsplatz ein modernes Raster-Scan-Scope zur Verfügung. Die ankommenden Radarinformationen werden auf diesem Bildschirm im Stile eines Fernsehbildes dargestellt. Die Datenanzeige ist völlig künstlich und beinhaltet nicht nur Entfernung und Richtung, sondern auch Höhe des Flugziels, geographische Informationen und viele weitere Zusatzinformationen.
Dean erkannte auf der Darstellung des Raster-Scan-Scops, wie gleich vier Springer die Turboprop verließen und sich direkt in die Sperrzone gleiten ließen. Bereits in 3.500 Metern Höhe öffneten alle vier Springer die Gleitschirme.
„Hallo Leute, habt ihr euch verirrt? Habt ihr eure Traumthermik zu tief eingeatmet?“, murmelte Dean.
„Mit wem sprichst du?“, fragte Robert etwas gelangweilt.
„Unsere Traumspringer haben offensichtlich die Orientierung verloren. Alle vier Springer gleiten tief in das Sperrgebiet“, berichtete Dean.
„Vier Springer?“, fragte Robert erstaunt zurück. „So viele waren das noch nie!“
„Ich rufe jetzt mal die Turboprop an.“
Dean schaltete das Kommunikationssystem ein und setzte sich das Headset auf.
„Tango-Delta-479 bitte melden!“
„Hier Tango-Delta-479.“
„Erbitte sofortige Info, warum Ihre Fallschirmspringer sich im gesperrten Luftbereich bewegen!“
„Sie hatten mir die Freigabe für 4.000 Meter gegeben. Die Gruppe habe ich bei 4.000 rausgeworfen. Alle Vorschriften wurden von mir beachtet. Mehr weiß ich nicht“, kam die Antwort.
„Danke. Ende.“
Dean sprang aus seinem Sessel auf. In dem für Robert zuständigen Luftraum bewegten sich in diesem Moment zwei Flieger, die gelotst werden mussten. Aus den Augenwinkeln erkannte Robert eine wachsende Nervosität in Dean aufsteigen.
„Hey, Dean, was ist los?“, rief Robert, während er sein Headset absetzte.
„Da ist etwas faul! Da stimmt was nicht! Der Pilot der Turboprop hatte angeblich nur den Auftrag, die vier Leute auf 4.000 zu schrauben und abzusetzen. Er hätte sich an alle Bestimmungen gehalten und mehr wäre ihm nicht bekannt.“ Dean rief nochmals den Piloten der Turboprop an und fragte nervös nach weiteren Infos.
Zwei der vier seien vom Aussehen und vom Namen her osteuropäische oder orientalische Typen. Die beiden anderen Springer seien Amerikaner. Nur mit ihnen hätte sich der Pilot unterhalten. Einer der beiden ließ sich mit Allan ansprechen und hätte einen Nordstaaten-Slang. Auffällig wäre, dass alle vier mit schweren Rucksäcken und Tandemausrüstung ausgestiegen seien.
Während Robert sprach, schauten beide gleichzeitig gebannt auf seinen Bildschirm.
„Wie hoch sind die jetzt?“
„Etwa 2.500 und alle steuern genau auf das Space-Center zu.“
„Das hört sich alles nicht gut an. Ruf sofort den Sicherheitsdienst im Space-Center an!“
Dean hatte bereits den Telefonhörer in der Hand und schaute gleichzeitig im bereitliegenden Verzeichnis der Kurzwahlnummern nach. Er drückte die Kurzwahltaste für die Verbindung zum Sicherheitsdienst im Space-Center. Robert sprang augenblicklich von seinem Arbeitsplatz auf und eilte die wenigen Schritte zu Deans Raster-Scan-Scope, um sich die Szene anzuschauen.
Zweimal, dreimal ging der Ruf durch.
„Verdammt, nimm endlich ab!“, rief Dean.
„Unter 1.800. Schau dir das an! Die Springer teilen sich jetzt.“ Robert zeigte aufgeregt mit Mittel- und Zeigefinger auf den Bildschirm. „Drei von ihnen ändern die Richtung.“
„Warum gehen die Idioten nicht ans Telefon!“, schrie Dean in den Telefonhörer. Endlich wurde abgenommen.
„Jetzt hören Sie genau zu!“, rief Dean in den Telefonhörer. „Geben Sie sofort Alarmstufe Rot. Hier ist die Flugsicherung Houston. Vier Gleitschirmspringer sind mit schwer beladenen Rucksäcken unterwegs zum Space-Center. Sie befinden sich jetzt in ca. 1.500 Meter Höhe und werden in wenigen Minuten landen oder irgendwo einschlagen. Wenn die Rucksäcke mit Sprengstoff beladen sind, dann helfe euch Gott. Tun Sie was!“
George Goldman vom Sicherheitsdienst hatte den Anruf angenommen. Er starrte auf das Telefon. Was war das? Was hatte der gesagt? Gleitschirmspringer? 1.500 Meter? Rucksäcke mit Sprengstoff? Aber hier ist doch alles in Ordnung. Goldman schaute nach oben und konnte nichts Außergewöhnliches wahrnehmen. Alarm auslösen, so ein Quatsch! Wissen die von der Flugsicherung überhaupt, was das bedeutet? Alarm auslösen ... dann wäre hier die Hölle los. Und ich soll das verantworten, wegen ein paar Gleitschirmspringern? Auslachen würde man ihn! Die Kollegen lachen schon genug über mich.
Er schüttelte leicht den Kopf und trottete in die Gemeinschaftsküche. Dort angekommen holte er aus dem dritten Schrank hinter den Cornflakes-Schachteln die Flasche Rum hervor, goss sich einen kräftigen Schluck in seine bereits halb mit Kaffee gefüllte Tasse, stellte die Flasche in ihr geheimes Versteck zurück und begab sich mit seinem angereicherten Kaffee wieder nach draußen.
Letztendlich kam ihm der Anruf der Flugsicherung dann aber doch etwas merkwürdig vor. Goldman beschloss, seinen Chef zu informieren. Damit hatte er seine Pflicht erfüllt. Er nahm das Smartphone aus der Smartphonetasche seiner Uniform und betätigte die Kurzwahltaste für die Verbindung zu seinem Chef, Mr Roth. Sein Chef meldete sich sofort.
„Hier ist Georg Goldman. Gerade hat die Flugsicherung angerufen. Es wären vier Gleitschirmspringer in 1.500 Meter Höhe, die sich auf das Space-Center zubewegen würden. Es soll ...“
Weiter kam er nicht mehr.
Später - bei der Rekonstruktion der Katastrophe - stellten Brandexperten der Feuerwehr fest, dass sich drei der abgesprungenen Paragleiter mit einer beachtlichen Sprengstoffmenge als lebende Bomben auf die drei in weiteren Abständen stehenden Raumschiffe stürzten. Der vierte Attentäter mit seiner mächtigen Sprengstoffmenge sprengte bei seinem Aufprall ein mit Raketentreibstoff gefülltes Zuleitungsrohr.
Der hochexplosive Treibstoff entzündete sich augenblicklich und die Feuerzündung raste durch das Rohr in den nahegelegenen, scheinbar sicheren Zwischentank mit Raketentreibstoff. Eine gewaltige Explosion riss den Tank aus der Verankerung und ließ die Tankdecke zerbersten. Die entstehende Feuerwalze vollendete das Werk der drei ersten Attentäter.