Читать книгу Der Fluch des Bierzauberers - Günther Thömmes - Страница 15
7.
ОглавлениеZwei Tage und Nächte lang schlief Knoll durch.
Er merkte nicht, dass ihm zwischendurch heiße Suppe eingeflößt wurde.
Er merkte nicht, wie er ausgezogen, gewaschen und gepflegt wurde.
Er merkte nicht, wie er in seinen Alpträumen sein Leid hinausschrie.
Er schrie von Blutgerichten, geschändeten Frauen und toten Kindern, vom Fegefeuer und Zerstörung, vom Weltende und der ewigen Verdammnis. Als er endlich erwachte, hatte sich seine Familie bereits in Sorge um ihn versammelt. Der Geruch der herzhaften Suppe und des frisch gebackenen Brotes war unbeschreiblich köstlich und erweckte ihn wieder zum Leben. Die Kinder hatten sich erstaunlicherweise am schnellsten erholt, Suppe und Brot wirkten bisweilen wahre Wunder. Auch Magdalena war körperlich ziemlich rasch genesen, obwohl sie die kleine Lisbeth die meiste Zeit mittragen musste. Sie hatte, da sie durch jahrelange Teilnahme am Kriegswesen mit einem robusten Gemüt ausgestattet war, die erlittenen und mit angesehenen Scheußlichkeiten am besten verarbeitet. Außer den ausgefallenen Zähnen war allen Dreien auf den ersten Blick kaum mehr etwas anzusehen.
»Wo bin ich? Wo sind wir?«, waren Knolls erste Fragen.
»Im Hospiz in Bitburg«, antwortete Magdalena. »Weil wir eine Bürgerfamilie sind, haben sie uns Einlass in die Stadt gewährt. Und uns sogleich ins Hospital überwiesen.« Wie zum Zeichen, dass nun alles besser würde, hielt sie ihm einen großen Krug Bier hin, das erste richtige Bier seit langer, langer Zeit. Knoll trank mit Genuss. »Hier ist auch alles knapp. Aber es sind gute Menschen. Und Bier gibt es nur noch für die Schöffen und das Hospiz.«
Beinahe musste er grinsen, obwohl er gerade erst dem Tod von der Schippe gesprungen war. »Das wäre wahrhaftig ein Grund, noch länger hier zu bleiben.«
Nach zehn Tagen bereits verließ die Familie das Hospital. Gestärkt und sogar gebadet, sah man ihnen die erlittenen Strapazen bei genauerem Hinsehen aber doch noch deutlich an. Der Stadtschreiber, ein umständlicher Bürokrat namens Dietrich, wies ihnen vorläufig eines der fünf kleinen Häuser zu, die neu angesiedelten Familien vorbehalten waren. Zuerst gab er beiden Kindern einen Apfel, für Lisbeth Magdalena war es der erste ihres Lebens, aber auch Ulrich hatte keine Erinnerung mehr an frisches Obst. Nach überschwänglichen Dankesbezeugungen gingen sie zum Haus.
Magdalena konnte es genauso wenig fassen wie Knoll und die Kinder: »Ein Steinhaus! Ich habe noch niemals in einem Haus aus Stein gewohnt.« Sprachlos vor Erstaunen öffnete sie die Eingangstür und die mit Ölpapier ›verglasten‹ Fenster immer wieder. Sie hatte große Freude daran, wie ein Kind an einem neuen Spielzeug, an dem es sich nicht satt sehen kann. Auch die Kinder waren beeindruckt, obwohl der kleine Ulrich sich noch dunkel an Türen und die bleigerahmten Butzenscheibenfenster in ihrem Haus in Magdeburg erinnern konnte. Lisbeth Magdalena, auf dem Arm ihrer Mutter, schaute hingerissen durch das Fenster und klopfte mit ihren kleinen Fingerchen dagegen. Noch nie hatte sie so etwas gesehen.
»Wir haben in den letzten Jahren einige Neubürger bei uns angesiedelt«, erklärte der Stadtschreiber. »Und da war die Schatulle der spanischen Habsburger auf einmal weit offen, um hier frisches Blut hineinzubringen.«
Dankbar bezogen sie die bescheidene Behausung, die keinem Vergleich mit Knolls Magdeburger Bürgerhaus standhielt, aber weit besser war als alles, worin sie in den vergangenen vier Jahren gehaust hatten.
Magdalena sagte prophetisch: »Mein halbes Leben lang schon sitzt der Hunger mit am Tisch und der Tod am Bett. Ist das jetzt endlich vorbei?«
War dies der Ort des Neubeginns? Würden sie in Bitburg in Frieden leben können?
Die Stadt Bitburg mit ihren knapp eintausend Einwohnern lag im Luxemburger Land, im äußersten südöstlichen Ausläufer der spanischen Niederlande, und gehörte somit ins Lager der Habsburg-Loyalen und Katholiken. Landesherr war also de facto der Spanier Philipp IV. Das Umland aber, sogar das direkt um die Stadt gelegene, gehörte bereits größtenteils zu dem mächtigen und bedeutenden Kurtrier. Bis vor Kurzem war auch Trier der Allianz der Katholiken zugehörig gewesen. Der derzeitige Kurfürst aber war der bereits achtundsechzig Jahre alte Philipp Christoph von Sötern. Er regierte seit zwölf Jahren, dies jedoch mittlerweile nicht mehr unbedingt im Einverständnis mit den Trierer Bürgern. Von Sötern hatte zu Beginn seiner Regentschaft den gleichen Kurs der Rekatholisierung eingeschlagen wie der Kaiser. Diese Politik, zusammen mit einer offen betriebenen Günstlingswirtschaft und rigiden Steuerauflagen zur Finanzierung seiner Bautätigkeit, hatten nicht nur Widerstand in der Bevölkerung, sondern auch im Domkapitel hervorgerufen. Endloser Zank hatte ihn so schließlich ins Lager der reformierten Kräfte getrieben. Von Söterns gutes Verhältnis zu Frankreich war dann so lange als Neutralität ausgelegt worden, bis mit Kardinal Richelieus Hilfe Frankreich ebenfalls, zuerst passiv, ab 1635 dann aktiv, in den Krieg eingegriffen hatte. Die Bürger Triers hatten den Kaiser in Wien um Hilfe gebeten, der hatte spanische Truppen geschickt, die 1630 Trier erobert hatten. Daraufhin hatte von Sötern 1631 mit Schweden und Frankreich einen Neutralitätspakt abgeschlossen, was ihn aber nicht daran gehindert hatte, sich ein Jahr darauf Trier von den Franzosen zurückerobern zu lassen. Zum Dank dafür hatte von Sötern dem achtzehn Jahre jüngeren Richelieu seine Nachfolge auf dem Trierer Bischofsstuhl versprochen. Und damit hatte er das Fass zum Überlaufen gebracht! Denn in diesem Fall hätte Armand-Jean du Plessis, Duc de Richelieu, ein französischer Kardinal, tatsächlich Mitsprache- und Mitwahlrecht bei der deutschen Kaiserwahl gehabt; und die verschiedenen Teile des Habsburgerreiches wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auseinandergefallen. Nur die Tatsache, dass von Sötern Richelieu um zehn Jahre überlebte, verhinderte Jahre später Schlimmeres.
Und so verliefen bei Trier und Bitburg bei Knolls Ankunft dort gleich mehrere Grenzen: Grenzen der Konfession, der Politik und der militärischen Allianzen, aber alle diese quer durcheinander, hin- und herwechselnd. Zu Verwüstungen und Plünderungen durch die wild gewordene Militärmaschinerie, wie es anderswo geschehen war, war es bislang nicht gekommen, zu sehr hatte die Politik hier noch die Fäden des Geschehens in der Hand. Zum Teil lag das auch an der Geiselnahme von Söterns, der bei der erneuten Eroberung Triers, 1635, durch habsburgische Truppen verhaftet worden war und seither in Linz in Haft saß – diese sollte zehn lange Jahre andauern; in den Augen vieler hatte erst die Festsetzung des Trierer Bischofs den Grund für den Kriegseintritt Frankreichs geliefert. Mit Genehmigung des Kaisers hatte mittlerweile das Domkapitel die Regierung des Trierer Kurfürstentums übernommen. Das war die politische Situation in der Region.
Das größte Ärgernis dort waren jedoch holländische Freibeuter, die, ohne mit dem Krieg wirklich etwas zu tun zu haben, seit dem Abfall der nördlichen Provinzen der Niederlande vom spanischen Habsburg raubend und plündernd durch das Luxemburger Land zogen, und dies bereits seit über vierzig Jahren taten, lange bevor der große Krieg begonnen hatte. Die Bitburger nannten diese Freibeuter die Staatischen. Man versuchte, mit allen Seiten so gut wie möglich auszukommen und ließ sogar Protestanten in die Stadt, wenn keine Gefahr von ihnen ausging. Auch wenn Bitburg keine Insel der Seligen inmitten dieses Krieges darstellte, so hatte die Stadt doch allein dadurch, dass sie bislang nicht geplündert oder erobert worden war, ihren bescheidenen Wohlstand halbwegs aufrechterhalten können. Bei schlechten Ernten mussten alle den Gürtel enger schnallen, aber verhungert war hier – bislang – immerhin noch niemand.
All dies konnte Knoll nicht wissen, als er und Magdalena gemeinsam zum Stadtrichter Erasmus Oetz vorgeladen wurden, der auch Bürgermeister war und, gemeinsam mit den adeligen Schöffen, die Stadt regierte. Nachdem die Neuankömmlinge mithilfe von Spenden der Bürger neu eingekleidet worden waren – Hosen und Hemden aus grobem Leinen sowie ein einfaches Kleid für Magdalena, sogar für hölzerne Pantinen hatte es gereicht –, gingen sie hinüber zu Oetz’ Haus am Kirchplatz. Es glich mit den vielen Anbauten – Tenne, Hof und Stall, einer offenen Feuerstelle nebst Herd sowie einem kräftig vor sich hin dampfenden Misthaufen – eher einem Bauernhof als einem Bürgerhaus, geschweige denn dem Haus des Bürgermeisters. Den Wohlstand, sogar inmitten des Krieges, erkannte man jedoch an den Nahrungsmitteln: Knoblauch, Lauch, Erbsen und Bohnen standen in Schüsseln auf dem großen Tisch in der guten Stube. Ein Stück Käse nebst einem großen Kanten Speck ließ Knoll das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es roch nach Wurst und Rindfleischsuppe. Unvergleichlich gut …
Den Stadtrichter trafen sie an, als er gerade mit dem Schöffen, Johann von Esch, vor einem großen gusseisernen Ofen beisammen saß und über die Kriegslage debattierte.
Oetz war klein, untersetzt und trug eine prachtvolle Knollennase im Gesicht. Mit seinem schütteren, weißen Haar sah er so aus, wie sich die Leute den alten griechischen Philosophen Sokrates vorgestellt hätten. Nur mit dem einen Unterschied, dass Sokrates kein prächtiges, gold-grünes Wams mit roter Schärpe und gleich drei goldenen Ketten über dem Bauch getragen hätte. Hinter der gemütlichen Erscheinung mit dem Kugelbauch und dem verschmitzten Lächeln steckte jedoch ein hellwacher Verstand voller Esprit, an dem Knoll in den kommenden Jahren, in denen der Stadtrichter ein guter Freund werden sollte, noch viel Freude haben würde. Oetz war verheiratet mit der ältesten Tochter des Schöffen Laudolfe aus einer der ältesten Adelsfamilien der Stadt. Diese Verbindung hatte ihm den Weg nach ganz oben in der Bitburger Politik geebnet. Er saß auf einem thronähnlichen Stuhl, etwa einen Fuß höher als der kräftig gebaute, hagere Schöffe von Esch, der seine Vollglatze zur Schau stellte und gegenüber dem Stadtrichter in seiner einfachen Alltagskleidung geradezu unscheinbar wirkte. Fast so auffällig wie Eschs fehlende Haarpracht waren seine langen, gelben Zähne, die an die eines Wolfs erinnerten.
»So, Ihr wollt ein Brauherr sein, der halb verhungert bei uns angeklopft hat?« Knoll, der immer noch, wie während ihrer Irrfahrt durch das Kriegsgebiet, vollbärtig und zottelhaarig dastand und Magdalena, die mehr Wert auf ihr Äußeres legte und sich deswegen ein Band ins Haar geflochten hatte, nickten unterwürfig. »Sagt an, welcher Konfession gehört Ihr an?«
»Katholisch natürlich, Herr Stadtrichter«, antwortete Magdalena schnell, bevor Knoll etwas erwidern konnte.
»Nicht dass es für uns noch einen Unterschied machte. Die Staatischen sind auch Katholiken und machen uns das Leben schwerer als alle anderen.« Oetz schien in großmütiger Laune zu sein. Knoll mochte ihn auf Anhieb. Und hatte das Gefühl, als würde dies auf Gegenseitigkeit beruhen. »Wo ist denn Euer Geburtsbrief? Ohne den werdet Ihr ja Euer früheres Heim nicht verlassen haben.«
Knoll wusste nicht, ob sich das Inferno von Magdeburg bis ins Luxemburger Land herumgesprochen hatte, sagte deshalb erst einmal nur: »Ich hatte ein Brauhaus in Magdeburg. Wir sind im Mai 1631 von dort geflohen.« Schrecken und Verständnis in einem zeichnete sich auf den Gesichtern ab.
»Und Ihr habt überlebt? Da könnt Ihr Euch glücklich schätzen, dass Ihr mit dem nackten Leben davongekommen seid!« Damit war die Frage nach seinem Geburtsbrief erledigt, und das ohne eine erneute Glaubensfrage, war doch Magdeburg bekanntermaßen reformiert gewesen.
»Was habt Ihr seither getrieben?« Die nächste Frage kam vom Schöffen Esch. Der stand auf, erst jetzt sah Knoll, dass dieser Oetz um fast zwei Köpfe überragte. Cord Heinrich Knoll erzählte seine Geschichte. Als er von der Kakushöhle sprach, schüttelten die beiden Bitburger Ratsherren erstaunt die Köpfe.
»So wisst Ihr gar nicht, wie der Krieg seither weiterging?«
»Nein, nur dass er noch nicht vorbei ist, das haben wir am eigenen Leib bitter erfahren müssen.«
Der gut informierte Stadtrichter und sein Schöffe erzählten Knoll und Magdalena nun so viel sie von den Ereignissen der letzten drei Jahre wussten; immer wieder unterbrochen von überraschten Zwischenfragen der ehemaligen Höhlenbewohner.
»Dass die Schweden in den Krieg eingetreten sind, habt Ihr noch mitbekommen?«
»Wenn sie früher eingetreten wären, wäre uns und Magdeburg die Zerstörung erspart geblieben«, knurrte Knoll.
»Also, das Schlachtenglück schwankte hin und her. Fortuna hatte niemals einen Liebling in diesem Krieg. Erst siegte Tilly«, bei Nennung des verhassten Generals verfinsterte sich Knolls Gesicht, »vor dreieinhalb Jahren bei Bamberg über die Schweden. Die wiederum belagerten und eroberten Donauwörth. Dann schlugen sie bei Rain am Lech das Heer der Katholischen Liga. Dabei wurde Tilly schwer verwundet.«
»Und, was geschah mit Tilly?«, fragte Knoll.
»Der starb zwei Wochen nach der Schlacht.«
Knolls Miene hellte sich auf.
»Freut Euch nicht zu früh. Noch im gleichen Jahr erlitt der Schwedenkönig bei Nürnberg seine erste Niederlage. Wallensteins Mannen waren zu stark für ihn.«
»Wallenstein? Den hatte der Kaiser doch längst entlassen.« Knoll verstand die Welt nicht mehr.
»Nachdem das Schlachtenglück so schlecht geriet, hat er ihn 1632 wieder eingesetzt«, erwiderte von Esch lakonisch.
»Also, welcher Partei ist denn derzeit die Gunst des Kriegsgottes hold?«
»Das Jahr war ja noch nicht zu Ende. Im November kam es zur großen Schlacht, die fand bei Lützen statt. Im Sachsen-Anhaltinischen kämpften achtzigtausend Soldaten sieben Stunden lang. Und am Ende war der Schwedenkönig tot.«
Knolls Kinnlade fiel herab. König Gustav Adolf war tot?
»Aber auch Pappenheim zog sich eine tödliche Verletzung zu«, ergänzte Oetz. »Er starb am Tag nach der Schlacht.«
»Und wer hat denn jetzt gewonnen?« Knoll wurde ungeduldiger.
»Beide – und niemand!« Oetz schüttelte den Kopf. »Seit Lützen geht alles drunter und drüber. Alle wollen die Schlacht gewonnen haben. Die Schweden hatten plötzlich eine sechsjährige Königin, Gustav Adolfs Tochter Christina. Dennoch kämpft Schweden weiter, deren Reichskanzler Oxenstierna will es so.«
»Und weiter?« Knoll wollte alles wissen.
»Dann, 1633, haben die Schweden den Heilbronner Bund gegründet, als Gegengewicht zur Katholischen Liga. Hat denen aber nicht mehr Fortune gebracht. Und nachdem die Schweden geschwächt schienen, hat der Kaiser in Wien Wallenstein wieder entlassen und ihn gleich darauf ermorden lassen.«
»Auch Wallenstein weilt nicht mehr unter den Lebenden?«
Knoll zählte kurz durch: Wallenstein, Tilly, von Pappenheim – alle drei tot, die Mörder von Magdeburg, gefallen oder ermordet. Ein Gefühl tiefer Befriedigung machte sich in seiner Seele breit. »Zu siegen verstehst Du, oh Hannibal, den Sieg zu nutzen verstehst Du nicht«, schlug er leise murmelnd eine historische Brücke vom alten Karthago bis zu den Generälen der Habsburger Kaiser. Dann lauter: »Wie ging es weiter?«
»Und im letzten Jahr haben die Schweden dann bei Nördlingen endgültig den Marsch geblasen bekommen und sind mit eingezogenem Schwanz aus Süddeutschland abgehauen.« Nun war es an Oetz und von Esch, etwas Befriedigung zu zeigen.
»Nachdem seit diesem Jahr aber die Franzosen im Krieg mit dabei sind, geht es wieder retour. Das größte Übel ist meiner Meinung nach mittlerweile der Kardinal Richelieu. Der ist im Hintergrund ein stiller Teilhaber aller Koalitionen gegen Habsburg.«
Von Esch setzte hinzu: »Ein Meister des kalten Krieges ist er. Und der verdeckten Intrigen. Wenn das so weitergeht, dann wird es eine richtige Feindschaft zwischen unseren Völkern geben, dem deutschen und dem französischen. Bislang tragen das nur die Armeen aus; das Volk leidet unter allen Heeren gleich.«
Oetz seufzte. »Man hätte den Krieg jetzt gut beenden können, ohne Sieger. Jedoch, irgendwer will immer weiterkämpfen. Solange der Krieg den Krieg ernährte, ging das noch halbwegs. Wenn wir uns indes jetzt das Land anschauen …«
Er schüttelte bekümmert den Kopf. Das brauchte er Knoll nicht zu erzählen. Der hatte es am eigenen Leib erfahren. Doch Knoll war noch nicht am Ende mit seinem Wissensdurst.
»Und wer ist sonst noch gestorben während der Zeit?«
»Friedrich V. von der Pfalz, die hundsföttige Hundsnase, die elende, die den ganzen Krieg hier überhaupt erst mit angezettelt hat, schmort auch schon seit drei Jahren in der Hölle!«
Da fiel Knoll noch eine andere Hauptfigur dieses unseligen Krieges ein: »Was ist mit dem Kaiser?«
»Der erfreut sich bester Gesundheit, ist aber durch den Krieg weich geworden«, wusste Oetz bestens Bescheid. »Er hat nach Nördlingen den Prager Frieden geschlossen, um zumindest ein bisschen Ruhe ins Reich zu bringen.«
»Was sagt der Prager Frieden denn aus?«
Allein das Wort ›Frieden‹ klang zu verlockend.
»Der Kaiser hat Frieden mit den deutschen Reichsständen geschlossen, mit der Reformation.«
»Aber, dann ist der Krieg ja vorbei!« Knoll glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Nun verstand er auch, warum die Bitburger so aufgeschlossen waren in Glaubensdingen. Es gab einen neuen Religionsfrieden.
»Ihr vergesst die Schweden und die Franzosen«, dämpfte Oetz sogleich die Erwartungen. »Die kämpfen nach wie vor gegen unseren Kaiser. Und zwar auf deutschem Boden. Und es gibt noch zehntausende ehemaliger Söldner, überwiegend Krüppel und Invaliden, die das Land heimsuchen. Da wird einiges auf uns zu kommen. Wir müssen weiterhin wachsam sein und unsere Stadt verteidigen.«
Das Gespräch steuerte seinem Ende entgegen.
»Nun, ich bin dankbar für die Neuigkeiten, die Ihr mir präsentiert habt. Jetzt bin ich sicher, dass das Leben weitergeht, jeder Krieg ein Ende findet und die Sonne sich weiterhin brav um unsere Erde dreht.«
»Bei Letzterem wäre ich nicht mehr so sicher!« Von Esch hatte sich bereits zum Abschiedsgruß erhoben, bleckte die Zähne zu einem Grinsen und fügte noch im Gehen an: »Da gibt es einen Mann in Italien, einen sogenannten Sterndeuter namens Galilei. Der behauptet nämlich, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.« Er lachte schelmisch.
»Es soll mittlerweile viele Menschen geben, die das auch glauben. Und um dem erst einmal einen Riegel vorzuschieben, hat die Heilige Inquisition Galilei verurteilt und unter Hausarrest gestellt. Er hat schon widerrufen. Also, passt auf mit Behauptungen, die Ihr nicht beweisen könnt.« Wieder lachte er. »Gehabt Euch wohl.«
Knoll und Magdalena waren allein mit dem Stadtrichter Oetz.