Читать книгу Ausgewählte Reden - Gregor von Nyssa - Страница 18

5.

Оглавление

Warum lassen wir uns also durch solche Erzählungen nicht zur Besinnung bringen? Warum betreiben wir nicht jenes schöne Handelsgeschäft, welches der Apostel anräth? „Euer Überfluß“, sagt er, „soll ihrem Mangel abhelfen, damit der Überfluß ihres Trostes im späteren Leben auch euch zum Heile genüge.“25 Wenn wir also etwas Gutes erlangen wollen, so wollen wir zuvor es gewähren; wenn wir später Trost empfangen wollen, wollen wir jetzt Trost gewähren; wollen wir später von ihnen in die ewigen Zelte aufgenommen werden,26 so wollen wir sie jetzt in die unsrigen aufnehmen; wollen wir Heilung für die Wunden der Sünden, so wollen wir das selbst den Leibern der Unglücklichen erweisen. Denn „selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“.27

Aber vielleicht wird Jemand sagen, daß das Gebot für später gut sei, hütet sich aber jetzt vor einer Mittheilung und Ansteckung der Krankheit und glaubt, um nichts Unerwünschtes zu erdulden, die Annäherung an Solche vermeiden zu müssen. Das sind Redensarten, Vorwände und Ausflüchte und gleissende Beschönigungen der Gleichgültigkeit gegen die Gebote Gottes. In Wahrheit ist es aber nicht so. Denn die Erfüllung des Gebotes kennt keine Furcht. Niemand suche ein Übel durch ein anderes zu heilen. Denn wie Viele kann man sehen, die sich von der Jugend bis in’s Greisenalter mit der Pflege dieser Menschen beschäftigen und von dem natürlichen Wohlbefinden des Leibes durch eine solche Beschäftigung Nichts einbüßen! Und es ist auch nicht wahrscheinlich, daß so Etwas geschehe. Da nämlich einige Krankheiten, wie das Auftreten der Pest und alle, die in ähnlicher Weise von einer äusseren Ursache abhängen, wenn sie aus dem Verderbniß von Wasser oder Luft entspringen, bei der Menge Verdacht erregen, als ob sie von Denen, die davon zuerst ergriffen wurden, auch auf Die übergingen, welche mit ihnen in Berührung kommen, ― obschon nach meiner Meinung auch hier nicht durch Mittheilung die Krankheit in den Gesunden verpflanzt wird, sondern vielmehr der gemeinsame Anfall die gleiche Krankheit herbeiführt, ― so beschuldigte man die Krankheit, daß sie von Denen, die sie zuerst ergriffen hat, auf die Übrigen übergeht. Und da hier die Entwicklung eines solchen Leidens von innen geschieht und das Blut durch die Beimischung verderbender Säfte ein Verderbniß erleidet, so bleibt das Leiden auf den Kranken beschränkt. Und daß sich Das so verhält, kann man auch aus Folgendem sehen. Geht etwa der bessere Zustand von den Gesunden auf die Kranken über, mögen sie noch so beharrlich ihnen Pflege gewähren? Gewiß nicht. So kann auch umgekehrt nicht wohl die Krankheit von den Kranken auf die Gesunden übergehen.

Wenn also der Nutzen des Gebotes so groß ist, daß uns dadurch das Himmelreich zu Theil wird, für Den aber, welcher den Kranken pflegt, kein körperlicher Nachtheil erwächst, was steht der Ausübung des Gebotes der Liebe im Wege? Aber du sagst, es ist beschwerlich, den natürlichen Eckel, den die Mehrzahl gegen solche Dinge hat, zu bezwingen? Ja wohl, ich stimme bei, daß es beschwerlich ist. Läßt sich aber von irgend einer andern tugendhaften Handlung nachweisen, daß sie keine Mühe macht? Viel Schweiß und viele Mühen hat das Gesetz für die himmlischen Hoffnungen vorgeschrieben und hat gezeigt, daß der Weg zum Leben für die Menschen schwer zu wandeln sei, und hat ihn von allen Seiten durch mühevolle und rauhe Geschäfte eingeengt. „Denn eng“, heißt es, „und schmal ist der Weg, der zum Leben führt.“28 Wie also, werden wir deßhalb gegen jene Hoffnung des Guten sorglos sein, weil wir es nicht mit Leichtigkeit erwerben können? Fragen wir die Jugend, ob die Enthaltsamkeit ihr nicht mühevoll oder die schamlose Befriedigung der Begierden nicht viel begehrenswerther als ein mäßiges Leben dünke. Wollen wir nun deßhalb nach dem Angenehmen und Leichten streben, vor der rauhen Tugend aber zurückschrecken? Nicht so denkt der Gesetzgeber des Lebens, der den flachen, abhängigen und weiten Weg im Leben untersagt. Denn er sagt: „Gehet ein durch den engen und schmalen Weg.“29 Wollen wir also auch hier für eine der Thaten, die mit Mühe vollbracht werden, Das halten, daß wir das aus dem Leben entschwundene Gebot zur Gewohnheit machen und den natürlichen Abscheu der Gesunden durch Ausdauer beseitigen. Denn die Gewohnheit hat eine große Kraft, auch Das, was unangenehm scheint, durch Ausdauer mit einigem Vergnügen zu umgeben. Es sage also Niemand, daß die gute That mühevoll, sondern daß sie Denen nützlich ist, welche sie vollbringen. Und da der Gewinn groß ist, so muß man wegen des Gewinnes die Mühe nicht scheuen. Es wird aber mit der Zeit, was bisher mühevoll war, durch die Gewohnheit angenehm werden.

Wenn man aber auch Dieß zum Gesagten hinzufügen soll, so ist auch in diesem Leben das Mitleid mit den Unglücklichen den Gesunden nützlich. Denn für die Verständigen erscheint es als ein guter Vorrath von Barmherzigkeit, den man in den Mißgeschicken eines Andern sich hinterlegt hat. Da nämlich eine und dieselbe Natur in der ganzen Menschheit sich geltend macht und Niemand ein sicheres Unterpfand besitzt, daß sein Glück beständig dauern werde, so muß man beständig der Ermahnung des Evangeliums eingedenk sein, welches uns räth, Das zu thun, was wir wollen, daß uns die Menschen thun. So lange also deine Fahrt glücklich ist, reiche dem Schiffbrüchigen deine Hand. Gemeinsam ist das Meer, gemeinsam die Brandung, gemeinsam der Aufruhr der Wogen. Die Klippen und Felsen unter dem Wasser und was es sonst gibt, flößen den Schiffenden die gleiche Furcht des Schiffbruches im Leben ein. So lange dir Nichts widerfahren ist, so lange du ohne Gefahr das Meer des Lebens durchschiffest, gehe nicht unbarmherzig an Dem vorbei, der gestrauchelt ist. Wer leistet dir Bürgschaft für beständige glückliche Schifffahrt? Du hast noch nicht gelandet im Hafen der Ruhe, du stehst noch nicht ausserhalb der Wogen, dein Leben ist noch nicht zum Stillstand gekommen.

Noch segelst du durch das Meer des Lebens. Wie du dich gegen den Unglücklichen zeigen wirst, solche Schiffsgenossen wirst du dir bereiten. Aber mögen wir alle im Hafen der Ruhe landen, indem wir durch den heiligen Geist die gegenwärtige Schifffahrt des Lebens unter glücklichem Wetter vollenden. Es möge uns beistehen die Vollziehung der Gebote und das Steuerruder der Liebe. Unter dieser Leitung laßt uns das Land der Verheißung gewinnen, in dem sich die große Stadt befindet, deren Baumeister und Gründer unser Gott ist, dem Ehre und Macht sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.IV. Rede gegen die Wucherer.

Ausgewählte Reden

Подняться наверх