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KAPITEL 07
ОглавлениеDas Mühlenhaus, Baikalsee – zwei Monate später
Marcus legte vorsichtig den Pinsel zur Seite, wischte sich die Hände an einem Lappen ab und trat dann einen Schritt zurück, um seine Arbeit zu bewundern. Er hatte einige Holzarbeiten ausgebessert und die Bodenleisten und Türblätter anschließend in Hellblau gestrichen, um sie hervorzuheben, weil er wusste, dass Sara diese Farbe liebte. Die Wände im Inneren waren in einem strahlenden Weiß gestrichen, und er hatte es außerdem geschafft, viele gute, stabile Antikmöbel zu kaufen, mit denen er das Haus bestückt hatte.
»Hm-hmm.« Er nickte zufrieden, weil ihm wirklich gefiel, wie alles zusammen harmonierte.
Die anderen Häuschen waren ebenfalls repariert und aufgewertet worden, und er besaß jetzt sowohl einen Hauptgenerator als auch ein Ersatzgerät, mit einem automatischen Transferschalter, sollte sich der erste aus irgendeinem Grund abschalten. In den Außenanlagen wuchs alles, während das Wetter schon ein paar Grad wärmer wurde. Der krönende Abschluss war natürlich das Mühlenhaus.
Er summte leise vor sich hin, als er sich im Zimmer umsah. Es gab hier zwei Häuser, in denen Sara viel Zeit verbringen würde, und beide mussten daher in einem Topzustand sein. Ihr eigentliches Zuhause und das Labor.
Das riesige Gebäude war vollständig entkernt worden und jetzt innen wie außen absolut makellos. Es verfügte über Strom und war mithilfe von bruchsicherem Glas in mehrere Räume unterteilt worden … in die Labors, ein Bruthaus, ein Bio-Labor, sowie mehrere Arbeitsräume. Außerdem verfügte es über eine Laderampe, die sowohl vom Land als auch vom Wasser aus erreichbar war.
Obwohl sie ein Bataillon von Handwerkern gehabt hatten, waren es Yuri und die einheimischen Jakut-Russen gewesen, die fast bis zur Erschöpfung gearbeitet hatten.
Es waren nur noch drei Wochen, bis Sara ankommen würde, und er fand, dass er nicht nur nach Zeitplan arbeitete, sondern ihm sogar schon ein wenig voraus war.
In den nächsten Wochen würden allerdings noch ein paar äußerst wichtige Dinge ankommen, und zwar die erwachsenen Beluga-Störe sowie zweihundert Pfund befruchtete Eier. Am wichtigsten war aber der anstehende Besuch der Ministeriumsbeamten, die sich davon überzeugen würden, ob er und sein Betrieb wirklich einsatzfähig waren. Er war allerdings überzeugt davon, dass er diesen Test mit Leichtigkeit bestehen würde, also sollte ihm eigentlich nichts mehr im Weg stehen.
Draußen hörte er nun einen Geländewagen näherkommen. Er nahm an, dass es sich dabei um eine weitere Lieferung handelte, die einer der Jungs bestellt hatte. Die Hupe ertönte nun lang gezogen und laut.
»Geschafft.« Er knüllte den Lappen zusammen, warf ihn auf das Laken, auf dem seine Dosen mit Farben und Pinseln standen, und stand auf. Er drehte sich langsam im Kreis und bewunderte noch einmal die gesamte Arbeit. Er grinste. Sara würde das Haus lieben, und er hatte gerade genug unfertig gelassen, damit sie dem Ganzen ihren eigenen letzten Feinschliff verpassen konnte.
Sein Tagtraum wurde jäh unterbrochen, als die Hupe erneut erklang, dieses Mal noch länger und nachdrücklicher. Er warf einen Blick über die Schulter.
»Kommt schon, Jungs, einer von euch muss sich darum kümmern«, rief er.
Als die Hupe kurz darauf wieder ertönte, schüttelte Marcus den Kopf und brummte.
»Ach, verdammt noch mal.«
Er sprang die Stufen hinunter und öffnete die Tür. Ein einzelner großer und neu aussehender Geländewagen parkte in der Nähe. Vier Männer standen um ihn herum, und ein weiterer kleinerer und besser gekleideter Mann befand sich vor dem Wagen.
Yuri, Pavel, Nikolai, Dimitri und Leonid standen allesamt in einer Reihe davor, als ob sie auf eine Ansprache des Schuldirektors warten würden. Marcus sah Yuri an, der ihm einen intensiven Blick zuwarf, der eine stumme Warnung sein könnte. Marcus war sofort auf der Hut.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er argwöhnisch.
»Mr. Marcus Stenson?« Offensichtlich bemüht, Freundlichkeit zu vermitteln, grinste der elegant Gekleidete breit, wobei er ein fleckiges Paar Vorderzähne präsentierte, wirkte dabei aber wie ein Barrakuda in einem schicken Anzug. Er streckte die Hand aus.
Marcus gab vor, sie nicht zu bemerken, und schob seine eigenen Hände beiläufig in seine Taschen. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er erneut.
Der Mann nickte, während er seine Hand sinken ließ. Er blickte aufmerksam über das Grundstück. »Sie haben wirklich gute Arbeit hier geleistet. Keiner hat erwartet, dass dieser alte Ort je wieder etwas anderes sein würde als ein Schlafplatz für Eulen und vielleicht die Heimat von ein paar Bären.«
Er grinste nun breiter und präsentierte dabei einen goldenen Seitenzahn. »Doch jetzt ist alles fast fertig und sobald Ihre Fische und Fischeier ankommen …« Er verstummte, um wieder zu grinsen, und um Marcus Gesicht während seines scharfsinnigen Vortrags zu studieren, ehe er fortfuhr: »… wird das Geschäft bestimmt florieren, nicht wahr?«
»Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns, Mr. …?« Marcus sah ihn fragend an.
»Ah, natürlich. Ich bin ja so unhöflich. Diese ganze Vorstellerei …« Er drehte sich halb um, um auf seine riesigen und boshaft grinsenden Kollegen zu zeigen.
»Mr. Drago, Mr. Volodin und die beiden großen Hässlichen sind Borja und Egor Orlov … Sie sind Zwillinge, aber sie ähneln sich nicht besonders, finden Sie nicht auch?« Er tippte sich auf seine Brust und verneigte sich dann leicht. »Und ich bin Arkadi Tushino, Manager und Abgesandter von Mr. Gennadi Sjuganov, dem Bereichsleiter für … Geschäfte.«
»Leiter …« Marcus schnaubte. »… der Bratwa?«
»Nein, nein, nein.« Tushino behielt sein Grinsen bei. »Wir sind echte Profis, die Dienstleistungen für viele Unternehmen anbieten. Garantierte Produktauslieferung, Arbeitskräfte und selbstverständlich auch Sicherheit.« Er sah ihn von unten herauf an. »Wissen Sie, es gibt hier viele böse Menschen und wir garantieren Ihnen, dass diese Sie niemals belästigen, wenn sie uns engagieren.«
Marcus lachte leise auf. »Was Sie nicht sagen.«
»Doch, doch, es stimmt.« Tushino schien der Sarkasmus in seiner Stimme offenbar entgangen zu sein.
»Wissen Sie, fürs Erste kommen wir hier gut allein klar.« Marcus trat einen Schritt vor. »Aber wenn Sie mir Ihre Karte hierlassen, dann rufe ich Sie an, falls wir Ihre Dienste doch einmal benötigen, okay?«
Tushinos Lächeln fiel jetzt in sich zusammen und er wirkte ein bisschen überrascht. Dann schwenkte er den Arm über den gesamten Komplex.
»Dieser Ort war früher einmal eine Papiermühle und hat das Wasser sehr schmutzig gemacht. Wie ich höre, könnten manche dieser Chemikalien noch immer hier sein … und sie könnten sogar wieder in den See zurückgelangen. Das wäre natürlich sehr schlecht.« Tushino drehte sich, um Marcus mit seinem kalten toten Blick zu fixieren. »Wenn das passieren würde, würde alles vernichtet werden, jeder Fisch, jede Robbe, einfach alles.« Er grinste süffisant. »Ich glaube, Ihr Geschäft würde es ebenfalls vernichten.«
Da haben wir es!, dachte Marcus bitter. Er reckte herausfordernd das Kinn. »Hören Sie mal, Freundchen. Ich gehe gerade echt auf dem Zahnfleisch und werde in den nächsten fünf Jahren keinen Cent verdienen. Kommen Sie von mir aus danach wieder.« Er begann, sich umzudrehen.
Doch Tushino ließ nicht locker. »Ich glaube, Sie werden in fünf Jahren nicht mehr hier sein … vielleicht nicht mal mehr in fünf Monaten.«
Marcus blieb stehen und drehte sich langsam wieder um. Der Russe neigte den Kopf.
»Sie sind nicht hier aus der Gegend, Mr. Stenson.« Tushino atmete tief ein und seine Brust schwoll an, während sich seine Mundwinkel nach unten verzogen. »Fremde bekommen hier nicht viel Hilfe von der Polizei. Manchmal werden solche Verbrechen nicht einmal gemeldet. Ohne entsprechende Security setzen Sie alles aufs Spiel, wofür Sie so hart gearbeitet haben.« Sein Grinsen kehrte jetzt zurück. »Wann, sagten Sie, kommt Ihre hübsche Frau hier an?«
Marcus' Kiefer verspannte sich und er straffte die Schultern. Yuri richtete sich ebenfalls auf, Tushinos Schläger allerdings auch. Die Anspannung war jetzt plötzlich so groß, dass sie wie ein lebendes Wesen wirkte.
Yuri brach schließlich den Bann, indem er dröhnend lachte und in die Hände klatschte, doch Tushino und Marcus starrten sich weiterhin wütend an.
»Wir werden in Ruhe über Ihre Vorschläge nachdenken, okay?« Yuri rieb seine großen Hände aneinander. »Da waren ein paar gute Ideen dabei, vielen Dank.« Er schüttelte nun jedem einzelnen Mafioso die Hand. »Danke, dass Sie gekommen sind.« Er nahm Tushino am Arm und führte ihn zu seinem Auto zurück. »Wir werden es Sie wissen lassen, wenn wir uns entschieden haben. Keine Sorge. Überlassen Sie mir das, wir überlegen uns schon was.«
Tushino und seine Männer kletterten tatsächlich wieder in ihren Geländewagen. Dann glitt das Fenster des Mannes herunter, damit er sich hinausbeugen konnte. Er sah an Yuri vorbei und sagte: »Mr. Stenson, Sie leisten eine Menge harter Arbeit. Eine große Menge. Riskieren Sie deshalb nichts.« Er grinste. »Wir hören hoffentlich von Ihnen … bald.« Er zog seinen Kopf zurück. Sein Grinsen war nun verschwunden und in seinem leeren, starren Blick lag eine deutliche Warnung.
Als das Auto weggefahren war, entspannte sich das Team sichtbar, und Marcus stieß den angehaltenen Atem aus. Yuri kam zu ihm und zog eine Augenbraue hoch.
»Danke. Das hätte hässlich werden können, was?«, fragte Marcus.
»Vielleicht nicht dieses Mal.«
»Was tun wir denn jetzt? Glaubst du ihm, wenn er sagt, dass die Polizei Verbrechen hier draußen ignorieren würde?« Marcus wollte die Antwort eigentlich gar nicht hören.
Yuri zog die Schultern hoch. »Manche Menschen bezahlen die Bratwa, andere werden von der Bratwa bezahlt. Ich für meinen Teil würde nicht rausfinden wollen, auf welche Seite sich die Polizei stellt, wenn hier draußen ein Verbrechen passiert und es von einem Fremden gemeldet wird.«
»Na, ganz toll.« Marcus setzte sich auf einen alten Baumstumpf, der vor hundert Jahren vielleicht mal gestutzt worden und jetzt verwittert und grau war. »Was wollen sie denn … oder besser gesagt … wie viel wollen sie?«
Yuri schnappte sich einen alten Holzstuhl, der neben der Feuergrube gestanden hatte, und setzte sich schwerfällig darauf. Er breitete die Hände aus. »Das Problem ist, dass für sie alle Amerikaner reich sind, also …«
»Und alle stammen aus Hollywood, richtig?«, spottete Marcus. »Also werden sie eine große Summe verlangen.« Er seufzte schwer. »Wir haben so etwas aber nicht eingeplant. Wir werden bankrottgehen, bevor wir auch nur einen einzigen Dollar oder Rubel verdient haben.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch seine kurzen blonden Haare. »So eine Scheiße!«
Yuri hielt eine Hand in die Höhe. »Ich werde mich mit ihnen treffen und ihnen erklären, wie die Dinge hier stehen. Vielleicht kann ich ja eine sehr kleine Zahlung mit ihnen vereinbaren, eventuell eine monatliche, und hoffentlich erst in ein paar Jahren, wenn du tatsächlich etwas Geld verdienst.«
»Und wenn wir einfach nicht bezahlen?« Marcus beugte sich vor. »Ich würde nämlich lieber zusätzliche Security anheuern, als bei diesen Arschlöchern klein beizugeben.«
Yuri schüttelte den Kopf. »Die meinen es wirklich ernst. Wenn er sagt, dass deine Fische vergiftet werden könnten, dann glaube ich ihm das. Vielleicht wird auch das Haus niedergebrannt, die Mühle oder die Boote.« Er sah Marcus fest in die Augen. »Oder jemand wird verletzt werden. Schwer verletzt.«
Marcus winkte sein Team zu sich, das sich gerade aufgeregt untereinander unterhielt. »Pavel, Nikolai, Leonid, Dimitri, was meint ihr dazu? Bitte sprecht offen mit mir. Habt ihr diese Typen schon mal gesehen?«
Die vier sprachen noch ein paar Sekunden lang miteinander, bevor sich Nikolai zu ihm wandte.
»Diese speziellen Männer nicht, aber sogar in Listvyanka gibt es die Bratwa. Es gibt dort auch viele, die für die Bratwa arbeiten und sie über alles informieren. Es passiert hier nichts, ohne dass sie es erfahren.«
Marcus schnaubte. »Sie verlangen eine Bezahlung, bei uns nennen wir so etwas Schutzgeld. Das ist doch Abzocke.«
Nikolai nickte. »Ja, das stimmt. Aber nicht jeder bezahlt.«
»Ich frage euch noch mal: Was passiert, wenn wir nicht darauf eingehen?«, wollte Marcus wissen.
Nikolai drehte sich um, um kurz in leisem Russisch mit seinem Vater zu sprechen, und Pavel rieb nachdenklich sein Kinn, während er zuhörte. Dann antwortete er langsam, Nikolai nickte und sah wieder Marcus an. »Mein Vater sagt, es gab mal einen Mann in der Stadt, einen Ladenbesitzer, der es sich nicht leisten konnte, zu bezahlen. Als Reaktion haben sie sein Geschäft niedergebrannt … und zwar mit ihm darin.« Er lächelte kläglich. »Danach hat jeder bezahlt.«
»Töte ein Huhn, um den Affen zu erschrecken – so kapieren es alle anderen auch.« Marcus atmete tief ein und aus. »Okay, Yuri, dann triff dich mit ihnen und finde heraus, was das Wenigste ist, mit dem wir davonkommen können … und ich meine wirklich das absolute verdammte Minimum.«