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KAPITEL 09
Оглавление15 Kilometer außerhalb von Listvyanka
»Geschafft.« Marcus beendete sein Telefonat. Wie er gehofft hatte, gab es in Listvyanka kaum Probleme mit dem Empfang, ganz anders als im Mühlenkomplex. Es war ihm gelungen, ein frühes Treffen mit Mikhail Ivanov von der Föderalen Behörde für Fischerei und Bestandserhaltung zu vereinbaren.
Allein schon den Termin mit dem ranghohen Moskauer Bürokraten zu bekommen, verbesserte seine Laune aus irgendeinem Grund immens. Zur Abwechslung lief endlich mal etwas richtig. Das wird aber auch Zeit, dachte er.
Marcus machte es sich auf seinem Sitz gemütlich. Er hatte den Waggon, der leise ratterte und bedenklich wackelte, während er auf sein Ziel zuraste, momentan ganz für sie allein. Draußen vor dem Fenster war es pechschwarz und als er seinen Kopf dagegen lehnte, konnte er nichts außer seinem eigenen Spiegelbild sehen – er wirkte müde und auch ein bisschen besorgt.
Die Zugfahrt würde noch viele weitere Stunden dauern und das rhythmische Schaukeln und das Klappern der Stahlräder auf den Eisenschienen machte ihn ungeachtet des Rüttelns immer schläfriger.
Seine Augenlider wurden jetzt unfassbar schwer und er begann, einzuschlafen. Er lächelte, als er Sara in seinem Traum vor sich sah. Dieser handelte wieder von dem Mal, als sich der kleine grüne Vogel, der ganz benommen gewesen war, nachdem er gegen eines ihrer Fenster geflogen war, in ihre Hände geschmiegt hatte. Er sah hinab, als sie ihre gewölbten Hände öffnete und ihm das kleine Tier zeigte, das dort saß und zu ihm aufschaute. Das Tier schüttelte sich kurz und machte es sich dann wieder gemütlich. Es schien instinktiv zu spüren, dass es in ihren Händen sicher war.
Der Zug wurde jetzt langsamer und hielt schließlich an. Marcus schreckte hoch, runzelte die Stirn und sah verwirrt aus dem Fenster. Sie waren nicht in der Nähe eines Bahnhofs, daher schätzte er, dass gerade irgendjemand ein- oder ausstieg.
Seltsam, dachte er. »Sibirien halt.« Er schnaubte. Lächelnd richtete er sich auf und dachte: Sei doch kein Idiot, verschwende nicht den kostbaren Empfang und pfeif auf die Kosten. Er wählte die Nummer seines Zuhauses und wartete dann ungeduldig, während es endlos lang klingelte.
»Hallo?«
Er stieß den angehaltenen Atem aus. Allein schon ihre Stimme zu hören, ließ ihn warm ums Herz werden. »Hallo meine Schönheit.«
»Marcus!« Sie schrie beinahe ins Telefon. »Wie läuft es in der Mühle? Wie ist das Wetter? Wie geht es dir?«
Er lächelte und schloss die Augen, während er sich mit hochgezogenen Schultern vorbeugte, um leise zu sprechen, obwohl er allein im Waggon war. »Ach, weißt du, ein paar Kinderkrankheiten, aber nichts, was eine Woche auf einer tropischen Insel nicht kurieren könnte.«
»Ich kann gar nicht erwarten, zu sehen, was du schon alles gemacht hast.« Sie sprach jetzt sehr schnell. »Ich habe in der Zwischenzeit ein paar tolle neue Techniken für die Zuchtprogramme entwickelt, und außerdem ein synthetisiertes Futter, das das Wachstum fördern wird. Bald habe ich hier alles geregelt, also komme ich in Kürze.«
»Du bist meine Heldin, und ich vermisse dich so sehr.« Er lachte leise. »Aber vielleicht solltest du noch ein paar Wochen warten. Nur solange, bis ich ein paar kurzfristig aufgetretene Wogen geglättet habe.«
»Was? Nein! Ich kann dir doch helfen.« Ihr Tonfall wurde nun ernst. »Um was geht es denn? Was ist los?«
Als er hörte, wie die hintere Tür des Waggons aufgeschoben wurde, hob er den Kopf. Dann erklang das Geräusch von Schritten, als ein Mann mit einem Handy am Ohr vorbeiging, ihm einen flüchtigen Blick zuwarf, weiterlief, und durch die Tür in den nächsten Waggon ging. Marcus dachte sich nichts dabei und drehte sich wieder in Richtung Fenster.
»Es ist nichts Ernstes. Nur eine unerwartete vertrackte Situation, was leider typisch in Sibirien ist.« Er lachte leise. »Reine Bürokratie. Nichts, mit dem ich nicht klarkommen werde.«
»Geht es um die Fisch- und Laich-Lieferungen? Die Gehege-Standorte? Oder den Komplex? Kann ich von hier aus irgendwie helfen?«, fragte sie ihn.
»Dass du so bist, wie du bist, ist alles, was ich momentan brauche.« Es waren genau diese Momente, in denen er sie besonders vermisste. Er reiste viel, und auch wenn er Sara immer vermisste, wurde dieses Gefühl förmlich unerträglich, wenn etwas schieflief oder wenn er traurig war. Gerade jetzt vermisste er ihren besonnenen Verstand, ihr Gesicht, ihren Körper, ihren Geruch, ihre Liebe und alles andere an ihr. Er wünschte sich, sie wäre jetzt hier bei ihm.
Obwohl, wenn er genauer darüber nachdachte, war er eigentlich ganz froh, dass sie so weit weg war, solange er diesen ganzen miesen Scheiß noch nicht in Ordnung gebracht hatte. Trotzdem brauchte er sie.
»In Ordnung, aber ich spüre ganz genau, dass da irgendwas im Busch ist«, erwiderte sie.
Die rückwärtige Tür des Waggons öffnete sich jetzt wieder, und dieses Mal erklangen mehrere Schritte. Er wollte sich gerade umdrehen, als sich die vordere Waggontür ebenfalls öffnete und der Mann, der vor ein paar Minuten erst hindurchgegangen war, wieder auftauchte. Dieses Mal schloss er sie jedoch sorgfältig, stellte sich mit dem Rücken zur Tür, und blockierte sie auf diese Weise mit seinem Körper. Er sah Marcus beinahe amüsiert an.
»Ach du Scheiße. Die Bratwa«, flüsterte er. Jetzt wusste er auch, wer vor einer Weile mitten während der Fahrt den Zug bestiegen hatte.
»Was?« Ihre Stimme klang scharf. »Marcus, was ist passiert?«
Sofort schrillten sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf los und er wirbelte hastig herum. Sein Herz rutschte ihm endgültig in die Hose, als er Tushino und seine Schergen entdeckte, die kichernd in den Sitzen ein paar Reihen hinter ihm gesessen hatten.
»Hallo, Mr. Stenson. Die Welt ist klein, was?« Tushino stand jetzt auf und setzte sich Marcus gegenüber. »Wer hätte gedacht, dass wir beide zur gleichen Zeit nach Moskau fahren würden, hmm?«
»Wer ist das?«, hörte er Sara fragen, als er das Handy langsam vom Ohr nahm. Er sah die Männer an, wobei er sich um eine ausdruckslose Miene bemühte. »Ja, da bin ich wohl ein Glückspilz.«
»Ein Glückspilz, das stimmt.« Tushino beugte sich vor. »Wo geht es denn heute hin, Mr. Stenson? Vielleicht Verwandte besuchen?« Er lachte leise und drehte sich dann zu seinen Männern um. »Vielleicht hat er ja eine kleine alte Babuschka in Moskau versteckt.«
Seine Männer wieherten vor Lachen, doch Tushinos Gesichtsausdruck wurde nun ernst. »Oder haben Sie vielleicht einen Freund in der Behörde für Fischerei und Bestandserhaltung kontaktiert?« Er zeigte auf das Handy. »Sprechen Sie gerade mit ihm?«
Marcus schüttelte den Kopf und realisierte, dass Sara immer noch in der Leitung war. Er nahm an, dass ihm in Kürze eine deftige Abreibung oder eine Tracht Prügel drohte. Er wollte nicht, dass Sara das mitbekam. Er war schon früher in Schlägereien verwickelt gewesen, und auch wenn sie ihm zahlenmäßig überlegen waren, würde er diese Arschlöcher verdammt noch mal wissen lassen, dass sie es hier mit einem echten Gegner zu tun hatten.
»Nur mein Buchhalter.« Er hob das Handy wieder ans Ohr und sagte: »Okay, Lenny, ich ruf Sie später wieder an.«
»Marcus … Marcus …«
Er schnitt Sara das Wort ab, indem er hastig auflegte.
Gott, er wünschte, sein Bruder wäre jetzt hier. Er und Carter würden den Boden mit diesen Typen aufwischen … zweifach sogar.
Er würde ihnen nichts verraten und sich so benehmen, als hätten sie noch eine Chance, ihr Schwarzgeld zu bekommen. »Ich muss nur ein paar Lieferungen persönlich abholen. Laborausrüstung und solche Sachen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gespielt locker zurück.
»Wirklich?« Tushino zog seine buschigen Augenbrauen hoch. »Das Lustige an Russland ist, dass jeder hier ein bisschen Extrageld gebrauchen kann. Ob es nun der Postbote, der Ladenbesitzer, der Polizeichef oder der Politiker ist. Mein Boss, Mr. Gennadi Sjuganov, kennt sogar Menschen im Fischereiministerium, und diese haben erwähnt, dass Sie ein dringendes Treffen mit dem leitenden Wissenschaftler vereinbart haben.« Seine Brauen wanderten noch höher. »Das alles nur wegen einer Lieferung?«
»Ja.« Marcus gähnte gespielt. »Ich bin sehr müde und würde gern noch ein paar Stunden schlafen, bis wir ankommen. Sie erlauben?«
Tushino schüttelte langsam den Kopf. »Heute Nacht gibt es keinen Schlaf für Sie, fürchte ich.« Er griff in seine Tasche und zog ein gefaltetes Dokument heraus. »Das ist der Vertrag, der Mr. Sjuganov ein Kontrollpaket von einundfünfzig Prozent an Ihrer Firma zusichert.« Er strich ihn sorgfältig glatt und holte einen teuer aussehenden Füller heraus. »Sie müssen ihn nicht lesen, ist nur lauter juristisches Zeug.« Er hielt ihm dem Stift hin. »Unterschreiben Sie, dann steigen wir an der nächsten Haltestelle wieder aus, und wir alle bleiben Freunde.«
Marcus machte keine Anstalten, ihn entgegenzunehmen. Sein Verstand arbeitete rasend schnell, während er versuchte, sich irgendetwas einfallen zu lassen, was den Kerl dazu bringen würde, noch eine Weile die Füße stillzuhalten. Denn im Moment war er allein, in der Unterzahl und überlistet worden.
»Auf diese Art schließen wir Amerikaner keine Verträge. Lassen Sie mich das Dokument zu meinem Anwalt bringen, der es überprüft, und dann sehen wir, ob wir zu einer Übereinkunft kommen können. Ich kann Ihnen garantieren, dass ich bei dem Treffen, das sie für nächste Woche anberaumt haben, eine Antwort haben werden.«
Tushinos Grinsen war wieder zurück. »Es ist mir vollkommen egal, wie ihr Amerikaner Verträge abschließt. Denn Sie sind jetzt nicht mehr in Amerika. In Russland werden Geschäfte auf russische Art geregelt.« Er atmete theatralisch aus. »Das ist das Problem mit der amerikanischen Arroganz. Ihr glaubt immer, dass ihr überall das Sagen habt. Selbst, wenn ihr gar nicht in eurem eigenen Land seid.«
Wird schon schiefgehen, dachte Marcus beklommen. Er schüttelte den Kopf. »Sorry, Kumpel, aber heute unterschreibe ich gar nichts.«
Tushinos Augen wurden schmal. »Wenn Sie heute unterschreiben, werden uns einundfünfzig Prozent Ihrer Firma gehören, wenn Sie morgen unterschreiben, werden es einundsechzig sein, übermorgen einundsiebzig. Sie verstehen, wie das Ganze läuft? Besser also, Sie unterschreiben direkt heute.« Tushino hielt ihm den Füller und den Vertrag hin.
Marcus zuckte mit den Achseln. »Ich kann diesen Vertrag so oder so nicht heute unterschreiben, denn die Firma läuft sowohl auf meinen Namen als auch auf den meiner Frau. Selbst unter russischem Recht wäre es also notwendig, dass wir beide etwas so Bedeutendem zustimmen.«
Tushinos Blick huschte kurz zu einem der Männer hinter Marcus, bevor er es sich in seinem Sitz bequem machte. Er schien einen Moment lang darüber nachzudenken. »Es wäre besser, wenn man nur mit einer Person verhandeln müsste.«
Plötzlich kam Marcus ein schrecklicher Gedanke. »Vergessen Sie es! Meine Frau kommt im Moment nicht hierher. Also haben Sie es mit mir zu tun, und nur mit mir.«
Tushino neigte den Kopf. »Aber ihre Frau wird herkommen. Ich denke, sobald Sie Moskau erreichen, werden Sie ihr vielleicht sagen, dass sie nicht kommen soll, aber wenn Sie ihr nicht sagen, dass sie nicht kommen soll …« Er grinste selbstgefällig. »Dann wird sie kommen, und wenn sie sieht, dass Sie schon unterschrieben haben, wird sie garantiert auch unterschreiben.«
Der Blick des Russen huschte jetzt direkt über Marcus‘ Schulter und er nickte fast unmerklich. Plötzlich wurde ein Riemen über seinen Kopf geworfen und legte sich ihm um den Hals. Augenblicklich wurde ein vernichtender Druck ausgeübt. All das geschah so schnell, dass er nicht die winzigste Chance hatte, seine Finger unter das Leder zu bekommen.
Marcus holte mit der Faust aus und schwang sie über seine Schulter, wurde aber von zwei weiteren Armpaaren gepackt, als er um sich schlug. Sein Kopf begann zu hämmern und sein Hals brannte wie Feuer. Der Sauerstoff ging ihm rapide aus und er spürte, wie seine Augen hervortraten.
Tushinos Gesicht begann vor seinen Augen zu verschwimmen, während der Mann einfach nur dasaß und lächelte, während Marcus langsam das Leben entrissen wurde. Dann hielt der Russe eine Hand hoch und der Druck ließ nach. Er schob den Vertrag in seine Richtung.
»Eine ganz einfache Entscheidung; unterschreiben oder sterben!«
Marcus hustete gequält. Seine Stimme war heiser. »Sie brauchen mich, Sie können mich nicht töten.«
Tushino nickte wieder und einer der riesigen Männer, die seine Arme festhielten, packte blitzschnell einen seiner Finger, um ihn mit einem Ruck nach hinten zu reißen, bis dieser zerbrach wie ein trockener Stock.
Marcus heulte wegen der unerträglichen Schmerzen auf.
»Unterschreiben Sie.« Tushinos Blick wirkte amüsiert.
»Du … Hurensohn.« Marcus biss die Zähne zusammen.
Tushino nickte wieder und ein weiterer seiner Finger wurde gepackt.
»Warten Sie«, schrie Marcus.
Doch das tat er nicht. Der Finger wurde nach hinten gerissen und gebrochen wie der erste. Tränen liefen Marcus Wangen hinab, und er sah, dass zwei seiner Finger in vollkommen verkehrten Winkeln abstanden.
»Nummer drei?«, spottete Tushino.
»Nein, nein, ich unterschreibe. Ist ja schon gut.« Marcus brauchte dringend Zeit zum Nachdenken, aber er hatte keine.
»Gut.« Der Russe schob den Vertrag nach vorn und hielt ihm erneut den Füller hin.
Tushinos Schläger ließen jetzt seine Arme los, legten ihre Pranken aber auf seine Schultern. Marcus nahm den Füller und kritzelte auf das Blatt. Dann ließ er den Stift fallen.
»Fickt euch doch!«
Der russische Bratwa-Boss ignorierte die Beleidigung, drehte den Vertrag um und musterte ihn sorgfältig. »Danke, Mr. Stenson. Jetzt sind meine Geschäfte mit Ihnen abgeschlossen. Auf Wiedersehen.« Er nickte kurz und Marcus wurde aus seinem Sitz gezerrt.
»Hey.« Er wurde jetzt durch den Gang des Waggons zum Ausgang des letzten Wagens geschleift, und sobald er im Freien stand, wurde er sofort von dem ohrenbetäubenden Lärm der Stahlräder auf den Eisenschienen und dem eisigen Wind attackiert, der wie tausend Banshees heulte.
Einer der Schläger sagte auf Russisch etwas zu ihm, lachte dann grausam und warf ihn kurzerhand aus dem fahrenden Zug.
***
Marcus schleppte sich stundenlang dahin, den Kragen seiner SeaWorld-Jacke hochgezogen, die verstümmelte Hand vorsichtig in der anderen haltend. Seine Schulter fühlte sich ausgekugelt an, sein Gesicht war an mehreren Stellen aufgeschürft, sein Handy war verschwunden und er konnte seine Nase und die Spitzen seiner Ohren nicht mehr spüren. Aber wenigstens war er noch am Leben.
Der Mond war nicht zu sehen und er lief, so dicht er es wagte, an den Bahnschienen entlang, in der Hoffnung, dass er es auf diese Weise innerhalb der nächsten paar Stunden nach Listvyanka zurückschaffen würde. Die Temperatur sank stetig und er hätte gerade alles, was er besaß, für einen Hut gegeben, der ihm über die Ohren reichte, denn er wettete, dass diese mittlerweile blutrot waren, und falls er noch länger draußen blieb, könnten sie sogar blau und dann schwarz werden.
Der Temperaturrückgang könnte allerdings auch bedeuten, dass er sich möglicherweise dem See näherte. Er erinnerte sich nämlich daran, dass der Zug für einige Kilometer nahe am Wasser entlang gefahren war, als er die Stadt verlassen hatte.
Jetzt ist es nicht mehr weit, das hoffte er zumindest.
Der Vorteil an der Kälte war, dass seine Finger irgendwann zu pochen aufgehört hatten. Er hasste es, das verdrehte Ding, das einmal seine Hand gewesen war, anzuschauen. Er würde heimfahren müssen, um sie richten zu lassen, damit seine Finger auch wieder ordentlich zusammenwuchsen. Schließlich brauchte er seine Hände.
»Arthritis, ich komme.« Er kicherte, doch das Geräusch wurde sofort vom beißenden Wind aufgesogen.
Ein paar hundert Meter entfernt glaubte er, die dunkle Eisdecke erkennen zu können, die die Seeoberfläche kennzeichnete, und kurz darauf entdeckte er ein grünes Glühen, das sich direkt hinter der Baumlinie befand. Es sah äußerst seltsam aus.
»Was ist das?«, fragte er laut, vielleicht um sein eigenes Selbstvertrauen zu stärken.
Der Wind schien jetzt ein bisschen abzuflauen und es kam ihm so vor, als liefe er durch ein Vakuum. Das einzige Geräusch kam jetzt von seinen Füßen, die den Schnee knirschen ließen. Dann hörte er plötzlich Schritte. Sie waren schwer und die Füße waren garantiert wesentlich größer als seine.
Er blickte ängstlich über seine Schulter, konnte aber nichts sehen. Dann schaute er nach rechts und links und dachte darüber nach, ob er die Eisenbahnschienen überqueren sollte.
Marcus spürte jetzt ein nervöses Flattern im Bauch. Die Lagerfeuergeschichten, die ihm die Jakut-Russen erzählt hatten, kamen ihm natürlich passenderweise schlagartig wieder in den Sinn, und plötzlich verstand er, wie sich Aberglaube ausbreitete. Er sah wieder nervös über seine Schulter.
»Reiß dich zusammen, Kumpel«, flüsterte er und drehte sich in dem Moment wieder um, als ein Schatten über ihn fiel. Er musste den Hals recken, um das Gesicht sehen zu können, und als er es sah, verschlug es ihm fast den Atem.
Marcus konnte es nur mit offenem Mund anstarren. Er wusste zwar genau, was jetzt kommen würde, aber er dachte seltsamerweise nicht an sich, sondern an Sara, die ihm ihre gewölbten Hände entgegenstreckte. Sie öffnete sie und zeigte ihm den kleinen grünen Vogel, der es sich dort gemütlich gemacht hatte, und der sich in seiner Erinnerung immer darin angeschmiegt hatte. Nur, dass er dieses Mal plötzlich davonflog.
Sein Schrei erstarb abrupt, als es ihn holte.