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Sylt - Sonntag, 24. Oktober

Früh am nächsten Morgen, Bella und Bodo hatten gerade erst gefrühstückt und Bodo hatte sich ins Bad verzogen, klingelte es erneut an der Tür. Tomke.

„Moin, meine Süße. So früh am Morgen bist du schon unterwegs?“ Bella beugte sich zu Tomke herunter und nahm sie in die Arme. „Komm rein. Hast du schon gefrühstückt?“

„Moin, Tante Bella. Ja, habe ich schon. Ich muss auch gleich wieder weg. Mama weiß nicht, dass ich zu dir gefahren bin. Ich … “

In diesem Moment sah sie Bodo. „Oh, wollt ihr doch heiraten?“ Bodo und Bella sahen sich amüsiert an. Bodo wurde allerdings hellhörig, sagte aber nichts.

Schon fuhr Tomke fort: „Ich meine ja nur, der Papa hat gestern Abend zur Mama gesagt, dass Bodo vielleicht ein Heiratsschwindler ist, der … “

Tomke, die ihre Tante über alles liebte und sie sehr gut einschätzen konnte, sah das sich entwickelnde Gewitter in Bellas Mimik und zog schnellstens den Rückzug an. Bevor Bella begriff, was sie gesagt hatte, und hinterfragen konnte, was Tomke sonst noch so alles gehört hatte, war diese schon zur Haustür hinaus und radelte sprintermäßig auf ihrem Fahrrad davon.

„Das gibt es ja wohl nicht. Hast du das gehört?“, konsterniert sah Bella Bodo an, der ebenfalls geschockt, wenn auch aus anderen Gründen, Bella fixierte. „Ging sein Plan jetzt baden? Roch Bella den Braten? Würde sie ihn jetzt mit Fragen löchern? Ihn durchschauen? Konnte sein Plan noch gelingen?“

Fragen über Fragen türmten sich stapelweise in Bodos Gehirnwindungen auf und drohten unter ihrer Last zusammenzubrechen. Doch der erneute Wutausbruch von Bella galt nicht Bodo, auch die Äußerungen, die sie machte, betrafen nicht ihn. Alle richteten sich gegen Raik, Daike und die Sylter Freunde. Ihr fiel plötzlich ein, dass sie sie alle bei der letzten Feier so merkwürdig angeschaut hatten. Und schon mutmaßte Bella alles Mögliche. Ein kleiner Brandherd an Gedanken entstand und weitete sich zu einem riesigen Flächenbrand aus. Und Bodo erkannte seinen Vorteil und goss zusätzlich Öl ins Feuer.

Für Bella war nun klar, dass sie so schnell wie nur irgendwie möglich Sylt verlassen wollte.

„Bodo, ist es dir zu schnell, wenn wir jetzt gleich alles planen? Unsere Hochzeit? Und wo wir wohnen wollen?“ Bella war nun so in Rage, dass Bodo dankbar diese Gelegenheit aufgriff. Eigentlich hatte er es gezielt angehen wollen. Seine Planungen standen ja schon lange fest. Aber nun war ihm durch Tomkes Auftritt eine supergünstige Möglichkeit geschenkt worden. Zumal Bella sofort betonte, dass sie auf keinen Fall auf Sylt heiraten wolle. Und schon gar nicht mit der Familie und ihren Freunden an ihrer Seite. Bodo war klar, er musste taktisch klug vorgehen und alles, was er nun sagte, machte, unternahm, musste für Bella so aussehen, als hätte sie selbst die Entscheidungen getroffen und Bodo jeweils nur zugestimmt.

„Raik benimmt sich unmöglich. Wie der Familienpatriarch. Ich will niemanden bei unser Hochzeit dabeihaben, Bodo. Ist das okay für dich?“

Natürlich war Bodo das recht. Mehr als recht sogar. Und er hatte auch gleich die passende Antwort. „Bella, Liebes. Es soll der schönste Tag unseres zukünftigen Lebens werden. … Natürlich können wir beide den Tag allein genießen. Nur wir zwei. Lass mich mal kurz nachdenken, wo … Irgendwie geistert da was in meinem Hirn …“ Bodo ließ immer wieder kleine Gedächtnispausen, so, als wenn er nachdenken müsste, und kurz, bevor Bella irgendetwas erwidern konnte, leitete er die nächsten Schachzüge ein: „Bella, meine Schöne, mein Herz, erinnerst du dich an den Otto-Film, über den wir beide vor ein paar Wochen gesprochen haben?“

„Na klar, aber was …“

„Der Otto-Turm in Pilsum in der Krummhörn. Den fanden wir doch so klasse … “

„Ja, der ist süß, klein und knuffig, aber … “

„Er ist direkt an der Nordsee am Deich und er hat ein Trauzimmer!“, stolz sah Bodo Bella Beifall heischend an. Er tat, als wenn er die Idee zum ersten Mal gehabt hätte. Und Bella fiel darauf herein und stimmte glücklich dieser großartigen Lösung zu. Zumal Bodo sich auch beeilte und von seinem Freund erzählte, der Standesbeamter und bestimmt bereit sei, ihm zu Gefallen die Trauung zu ermöglichen und durchzuführen. Bella war begeistert. Und Bodo rief sofort seinen Freund Jonas Weber an, der natürlich schon lange in alles eingeweiht war und auf den Anruf gewartet hatte.

Bodo war ein talentierter Schauspieler. Selbst ein routinierter Kenner der Szene hätte nicht zu sagen vermocht, ob das, was Bodo ablieferte, echt oder Schauspiel war. Er besprach mit Jonas per Freisprechanlage, so dass Bella mithören konnte, wie sie so schnell an die benötigten Papiere bei den jeweiligen Einwohnermeldeämtern ihrer Wohnorte gelangen konnten, und verabredete alles Weitere.

Jonas Weber rief ungefähr eine Stunde später zurück und erzählte von seinen Nachforschungen. Dieses Mal konnte Bella nicht mithören. Doch an Bodos strahlendem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass Jonas alles hatte regeln können. Kurz vor Ende des Gesprächs fragte Bodo bei Bella nach, ob ihr der Dienstag recht sei, Jonas sei dann nämlich zufällig gerade in Ostfriesland und am Dienstagmorgen sei im Pilsumer Leuchtturm noch ein Termin frei, ansonsten sei alles schon ausgebucht. Ein Wermutstropfen sei allerdings dabei, er, Bodo, müsse dann von Pilsum aus am selben Tag noch beruflich nach Frankfurt zurück …

Natürlich war es Bella recht, auch wenn ihr das sofortige Zurückmüssen von Bodo einen Stich gab. Wie gerne hätte sie mit ihrem Ehemann zumindest irgendwo einen Kurzurlaub verbracht. Aber es war ja klar, dass Bodo schnellstens wieder zu seiner Arbeit zurückmusste. Sein derzeitiger Besuch war schließlich eine Überraschungsstippvisite. Dass sich alles so entwickeln würde, hatte ja keiner von ihnen beiden wissen können. Sie würde dieses Mal alles so hinbiegen, dass sie nicht länger den Kürzeren zog, wie sie sagte, und machte sich sofort auf die Suche nach ihrem Personalausweis und dem Stammbuch ihrer Familie. Als sie Bodo später noch fragte, ob das Aufgebot denn nicht aushängen müsse oder so ähnlich und ob sie die weiteren Unterlagen direkt im Einwohnermeldeamt abholen müssten oder ob sie digital zugestellt werden würden, Bella kannte sich damit nicht aus, zerstreute Bodo alle Bedenken und meinte lapidar, sein Freund, der Standesbeamte, würde schon alles richten. Das nun wiederum beruhigte Bella zutiefst. Bodo hatte alles im Griff. Wie schön, dass sie sich endlich einmal fallen lassen konnte.

Wenige Stunden später hatte Bella ihre Aushilfe für die nächsten Tage engagiert, den Koffer für die Trauung gepackt und sie und Bodo waren auf dem Weg mit Bellas Auto in Richtung Krummhörn in Ostfriesland, wo Bodo noch schnell ein Hotelzimmer gemietet hatte. Bella schwebte wieder auf ihrer Wolke 7. Und besonders stolz war sie darauf, dass sie ihre Familie und Freunde vor vollendete Tatsachen stellte. Heiratsschwindler. Von wegen, sie würden es ihnen schon zeigen. Das Einzige, was sie ein wenig traurig machte, war, dass sie kein spezielles Hochzeitskleid mehr würde kaufen können. Immerhin hatte sie sich aber erst vor Kurzem ein bezauberndes Kleid von Dior gegönnt und noch keine Gelegenheit gehabt, dieses zu tragen. Auch Bodo kannte es noch nicht. Aber übermorgen, übermorgen würde sie ihn damit überraschen. So versöhnt mit ihren Gedanken fing Bella an, das Abenteuer zu genießen. Wenn Raik und Daike wüssten … Nichts wussten sie und würden auch nicht erfahren, warum sie so plötzlich und unerwartet für ein paar Tage verreist war. Raik würde schon sehen, was er von seinem Geschwafel hatte. Bella sonnte sich in diesem Wissen und richtete es sich gemütlich auf ihrer Wolke ein.

Im Schatten des Betrügers

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