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Sylt - Juni, Juli, August

Für Bella und Bodo sollten noch viele kurzfristige Treffen und fast tägliche Telefonate oder Anrufe per Skype erfolgen. Immer wieder kam Bodo für ein paar Tage nach Sylt, oft völlig überraschend, was Bella ganz schön aus dem inneren Takt brachte und ihre ganze Flexibilität forderte. Und jeder dieser Besuche zeigte ihr, wie wichtig sie für Bodo zunehmend wurde.

Stets reiste er mit wechselnden Luxuskarossen an. Auf die erstaunte Nachfrage von Bella hatte Bodo die meisten von ihnen als Firmenwagen bezeichnet. Sein Mercedes Coupé wollte er lieber schonen, hatte er Bella erklärt. Für Oldtimer sei es nicht gut, wenn sie zu viele Kilometer auf den Buckel bekämen, hatte er noch gemeint. Und außerdem beschäftige er sich mit dem Gedanken, sich von dem Fahrzeug zu trennen, solange es sich finanziell noch lohnen würde. Bella hatte seine Argumente gut nachvollziehen können.

Bella genoss es sehr, wenn Bodo da war. Allerdings hatte sie nur sehr wenig Zeit für ihn, was sie fürchterlich ärgerte. Obwohl Bella eigens eine Aushilfe für ihren Laden in Keitum engagierte, wenn Bodo seine Anreise ankündigte, so bedeutete die Hochsaison auf Sylt, die mittlerweile für Bella gefühlt zehn Monate im Jahr andauerte, Stress pur. Mal kamen die Warenlieferungen alle auf einmal, dann wieder gar nicht oder mit großer Verzögerung. Hin und wieder fielen Züge aus, weil es Probleme auf dem Hindenburgdamm gab. Oft verpassten LKW ihre Termine bei der Güterabfertigung in Niebüll. Dann reisten Kunden früher als erwartet an und die Ware war noch nicht eingetroffen. Oder plötzlich standen scharenweise Tagestouristen im Store, die von einem Bekannten, der auf Sylt Urlaub gemacht hatte, erzählt bekommen hatten, dass sie handgefertigte extravagante stylische Schuhe und Taschen anboten.

Irgendetwas Unvorhergesehenes passierte immer. Auch wenn Raik und Bella sich abwechselnd um die Warenannahme kümmerten, wenn sie dann endlich ankam, musste sie sofort in Empfang genommen, verstaut oder schnellstens auf die jeweiligen Geschäfte auf Sylt verteilt, dort einsortiert oder an bereits wieder abgereiste Kunden verschickt werden. Unmengen an Nachtstunden hatten sie, Raik und auch Daike schon investiert, damit das erlesene Sortiment ihrer Stores glanzvoll und aufs Äußerste ansprechend auch die ersten Kunden am nächsten Morgen willkommen hieß. Wie oft hatte Bella schon Verabredungen am Abend oder am Wochenende mit ihren Freundinnen und Freunden wieder absagen müssen, es war nun einmal so und gehörte zum Geschäftsleben auf Sylt dazu. Aber seit sie Bodo kennengelernt hatte, war sie manches Mal einfach nur noch genervt von den vielen Stunden, die sie nicht mit Bodo verbringen konnte. Mit Raik und Daike hatte sie sich auch schon deswegen in den Haaren gelegen. Es hatte einen erbitterten Streit gegeben. Schön war es nicht gewesen. Für alle drei nicht.

Bella hielt Bodo, wenn es irgendwie passte, eine ihrer Ferienwohnungen frei. Bodo wollte partout sein eigenes Reich haben, dies bekräftigte er immer wieder. Schließlich habe er ja auch zu arbeiten und Enge mochte er gar nicht. Meistens hatte er jedoch woanders übernachten müssen, Bodo kümmerte sich selbst darum. Wo, hatte sie nicht weiter erfragt, sie hatten Wichtigeres zu besprechen. Und Hauptsache, Bodo kam. Und wenn Bodo da war, umgaben ihn eine Zuversicht und Fröhlichkeit, die jedes gerade noch schier unlösbare Problem in scheinbarer Leichtigkeit lösbar erscheinen ließ. Bella faszinierte dies umso mehr, da weder sie noch irgendjemand sonst in ihrem Umfeld über diese besondere Fähigkeit verfügte. Und schließlich trat Bodo ihr immer äußerst großzügig, charmant und liebevoll gegenüber.

„Bella, meine Schöne und Einzige, für dich ist mir nichts zu teuer. Komm, lass uns die Tage genießen, solange wir zusammen sein können.“ Und dann las Bodo ihr die Wünsche von den Augen, lud sie, wo immer er konnte, ein und überraschte Bella immer wieder selbst in den kleinsten Dingen des Lebens. Bodo war unglaublich aufmerksam, höflich, zuvorkommend. Und äußerst spendabel.

Immer wieder hatte Bella versucht, die Rechnungen in den Restaurants zu begleichen, was ihr nur mit großer Mühe und Überredungskunst, dann aber immer häufiger auch gelang. Dass Bodo immer zahlte, wollte sie einfach nicht. Als Bodo bei einem ihrer ersten Treffen sein Portemonnaie im Hotel vergessen hatte, was ihm furchtbar peinlich war, hatte Bella innerlich aufgejubelt. Endlich konnte sie ihm deutlich machen, dass sie finanziell völlig unabhängig war und dies auch zu bleiben gedachte. Bodo hatte supergut darauf reagiert, fand Bella und war beruhigt. Dass Bodo sich darauf einließ, sprach total für ihn und machte ihn nur noch sympathischer, davon war Bella überzeugt. Mittlerweile ersehnte sie jeden Besuch von Bodo, jeden Anruf, jede Nachricht auf ihrem Handy. Bodos Nähe füllte ein inneres Vakuum aus, das Bella zwar immer wieder einmal gespürt, aber gedanklich ausgeblendet hatte.

Währenddessen erfreuten sich die Urlauber an den traumhaften, breiten, sauberen Sandstränden mit behaglichen Strandkörben und Liegeplätzen und die für ihre Verhältnisse warme Nordsee, die auch bei Ebbe noch leicht zu erreichen war. Nordseeliebhaber genossen die vielen ganz unterschiedlichen Szenarien, die das Meeresspiel bot: von sanft streichelnden zarten Wellen bei Windstille mit herrlich strahlender Sonne bis hin zur stärksten launigen Brandung und manchmal recht stürmischem Wetter. All das garniert mit einer wechselnden Farbenpracht von fröhlich blau bis hin zu einem beeindruckenden fast schwarz anmutenden Spiel der Farben.

Sylt bot ein herrliches Schwimmvergnügen, Urlaub in allen Kategorien für fast jeden Geldbeutel, ein traumhaftes, kontrastreiches Urlaubsparadies, zu dem das Meer genauso gehörte wie Dünen, Wiesen, kleine Wälder, die Stadt Westerland, einige verwunschene Dörfer sowie List und Hörnum an den Spitzen der Insel mit ihren Häfen, Fähren, Ausflugs- und Fischerbooten. Bella liebte ihre Insel, schwärmte für ihre Insel, aber genießen konnte sie all das schon lange nicht mehr.

Im Schatten des Betrügers

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