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Sylt - September - Oktober

So wurde Bella emotional immer abhängiger von Bodo und Bodo seinerseits sprach immer mehr von seiner Sehnsucht nach Bella und seiner großen Liebe zu ihr. Niemals hätte sie gedacht, dass sie, die so abgeklärte Isabell Boysen, sich regelrecht danach sehnte, einen Mann, und zwar genau diesen, ständig um sich zu haben.

Gleichzeitig wurde ihr aber auch bewusst, dass Bodo nie und nimmer nach Sylt ziehen konnte. Sein Beruf als Jurist bei der Deutschen Bank in Frankfurt ließ das einfach nicht zu. Bodo hatte zu viele kurzfristige Termine im In- und Ausland zu erledigen, wo sein schnelles Handeln gefragt und seine Anwesenheit unabdingbar waren. Einige Male hatte Bodo auch von nun auf sofort von Sylt aus einen Geschäftstermin wahrnehmen und die Insel ganz plötzlich verlassen müssen. Natürlich gab es die Möglichkeit, vom Flughafen Sylt aus aufs Festland zu gelangen und dann auch andere größere Flughäfen anzufliegen. Aber auf Dauer war es einfach zu umständlich.

Außerdem hatte Bodo ja immer eines seiner Autos dabei, die er zu seiner eigenen Unabhängigkeit als passionierter Autoliebhaber einfach brauchte, hatte er betont. „Ich liebe es, mir den Fahrtwind um die Ohren wehen zu lassen. Bella, Autofahren ist für mich wie ein aufputschendes lebensbejahendes Lebenselixier. Ohne Auto geht bei mir gar nichts. Und ohne dich auch nicht mehr …“, hatte Bodo lachend ausgeführt. Und Bella hatte ihm jedes Wort geglaubt.

Wenn Bella über ihre Situation mit Bodo nachdachte, musste sie immer mehr an ein Erlebnis in einer Tropfsteinhöhle denken, welches sie als junges Mädchen bei einem der seltenen Urlaube mit ihren Eltern stark beeindruckt hatte: Der Stalaktit gibt, während der Stalagmit nimmt. Langsam, aber stetig, fällt ein kalkhaltiger Wassertropfen vom Stalaktiten von der Höhlendecke herab auf das sich unten am Boden bildendende Gegenstück, den Stalagmiten. Ein Vergleich, der ihr immer wieder in den Sinn kam. Noch hatten weder sie noch Bodo von einem gemeinsamen Leben gesprochen, aber der Gedanke war schon lange nicht mehr abwegig. Und Bella war sich im Klaren darüber, dass sie dann wohl diejenige würde sein müssen, die ihr Leben dann möglicherweise ändern musste. Sie würde geben müssen, wie der Stalaktit, das wurde ihr mehr und mehr klar. Bodo konnte nicht einfach so auf Sylt eine neue Existenz aufbauen. Was sollte er denn auch auf Sylt beruflich machen? Er hatte in Frankfurt einen krisenfesten, hochkarätigen Job. Sie auf Sylt auch, aber sollte sie jetzt, da ihr der Traummann ihres Lebens begegnet war, darauf beharren, auf Sylt bleiben zu wollen?

Bella war nie eine Frau gewesen, die sich leichtfertig in einen Mann verliebt hatte. Aber an Bodo hatte sie ihr Herz verloren. Unglaublich, dass ihr das passierte. Bella konnte es sich selbst kaum erklären. Sie hatte nie mit dem Gedanken gespielt, sich woanders niederzulassen. Sie liebte ihre wunderschöne Insel, ihre Heimat, den Sehnsuchtsort so vieler Menschen. Doch seit Bodo aufgetaucht war, gerieten Bellas Entschlüsse und Vorsätze in stürmisches Schwanken. Innerlich hatte sie schon länger eine Einsamkeit verspürt und eine Sehnsucht nach einem Menschen, der nur zu ihr gehörte. Wie oft hatte sie Raik und Daike um genau dieses blinde Verstehen, das Hingezogensein zum anderen und ihr liebevolles Miteinander beneidet. Natürlich gab es auch bei den beiden immer wieder mal Meinungsverschiedenheiten, Streit, unterschiedliche Sichtweisen. Aber was Bella zwischen ihnen wahrnahm, war eine tiefe Seelenverwandtschaft. Und das selbst erleben zu dürfen, zog sie magisch an. Bei Bodo hatte sie das Gefühl, dass genau diese innere gemeinsame Verbundenheit auch zwischen ihnen bestand. So wurde aus der Begeisterung für Bodo mehr und mehr eine sehnsuchtsvolle Liebe, die gestillt werden wollte.

Bodo nahm diese Emotionen von Bella dankbar auf, seine Saat war aufgegangen. Er war bereit für den nächsten Part. Es wurde auch Zeit. Seine Firmenpartner saßen ihm schon länger im Nacken. Mit bitterbösen Anklagen. Verständnis klang anders.

Freya und Heike sahen die große Veränderung von Bella ebenfalls und wussten nicht so recht damit umzugehen. Daike und Raik ging es genauso. Sie alle waren mehr Beobachter als Akteure. Bodo hatten sie bis auf Raik, bei dem Bodo ja im Store gewesen war, kaum getroffen. Bei allen drei stattfindenden Feiern und Partys im Sommer hatte Bodo zunächst zu- und dann kurzfristig wieder abgesagt. Passgenau hatte er jedes Mal ganz plötzlich einen Geschäftstermin per Handy mitgeteilt bekommen und die Insel Hals über Kopf verlassen müssen. Den Vieren kam es sehr merkwürdig vor, dass Bella immer alleine kam. Sie mutmaßten über die wahren Gründe, schwiegen aber Bella gegenüber. Bella jedoch schwärmte ihnen umso mehr von Bodo vor. Was die Anwesenden wiederum nervte. Nur Bella bemerkte nichts davon und schwebte auf ihrer rosafarbenen Wolke 7 durchs Paradies der Verliebten.

Der Tourismus und damit auch der Handel auf Sylt erlebten auch in dieser Saison eine Traumnachfrage. Sylt schien voll im Trend der Urlauber zu stehen. Die Menschen strömten nur so auf die Insel. Für private Kontakte zwischen den Inselbewohnern blieb kaum Zeit. Arbeit gab es gleich bergeweise. Auch Bella war von früh morgens bis spät abends im Geschäft oder im Büro und hatte selbst für Bodo kaum Zeit. Dieser rief mehrmals täglich an, aber Bella hatte fast immer Kunden und nicht mal Zeit zum Essen. Die Leute stürmten die Geschäfte und auch die Stores von Luxus&Me(h)er in Westerland, Keitum und Kampen.

Bella hatte neben dem Verkauf in ihrem Laden in Keitum, wo ihr eine oder manchmal auch zwei Angestellte halfen, noch ebenso viel Arbeit im Büro. Zum Schlafen kam sie viel zu wenig, die Hetze stand ihr bald ins Gesicht geschrieben. Bella hatte das Gefühl, dass die Zeit immer schneller verging. Kaum war gerade Sonntag gewesen, kam schon wieder der nächste. Eine Woche mit täglichen Öffnungszeiten, immer wieder neu eintreffender Ware, Stammkunden mit vielen Extrawünschen und immer wieder zum Teil sehr pingeligen Reklamationen, Pannen in den täglichen Arbeitsabläufen sowie immer wiederkehrende Missverständnisse zwischen dem Personal in den drei Stores und, schlimmer noch zwischen Raik, Daike und Bella, fraßen sich tief in Bellas Seele und schrien innerlich nach einem Stopp!

Bodo, er fehlte ihr so sehr. Sie hatten kaum noch miteinander telefoniert. Gefühlt war Bodo schon seit Wochen nicht mehr auf der Insel gewesen, was nicht stimmte, aber als er das letzte Mal da gewesen war, hatte Bella so gut wie keine Zeit für ihn gehabt. Bella litt fürchterlich. Als sie Raik die dringend benötigten Unterlagen sowie einiges an Waren, welche sie in Keitum gelagert hatte, vorbeibrachte, hatte dieser nur dumme Sprüche auf Lager gehabt, als Bella ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte. Und dann warf er mit einem Sturzbach an Worten nur so um sich: „Mensch, Bella, reiß dich endlich zusammen. Stell dich doch nicht so an. Seit du mit Bodo zusammen bist, reagierst du wie eine Mimose. Echt ätzend. Ich kenne dich kaum wieder. Du bist total abgefahren. Hirnrissig, das Ganze. Du spinnst total.“

Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, hatte er noch aggressiv hinzugefügt, dass Daike als Schwangere es viel schlimmer getroffen hätte und sie nicht wegen jeder Lappalie einen Mordsaufstand machen würde. Voller Wut war Bella abgerauscht. Allerdings hatte auch sie ihm vorher noch ordentlich die Meinung gegeigt. Schonungslos offen, viel aggressiver, als sie es tatsächlich meinte, und ohne jegliche geschwisterliche Liebe. Es reichte. Bella hatte einfach genug von all dem, was sich ihr Leben nannte.

Im Schatten des Betrügers

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