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ZWEI BRÜDER UND DAS PECH
ОглавлениеEs waren zwei Brüder, von denen der eine sehr reich und der andere arm war.
Als sie nach Riga fuhren, spannte der reiche Bruder ein Paar wohlgenährte Pferde vor seinen Wagen und belud diesen mit allerlei Waren; der Arme warf auf seinen kleinen Karren einige Flachsbündel, schirrte eine einfache Stute an und fuhr los.
In Riga angekommen, verkaufte der Reiche schnell seine Waren und füllte seinen Geldbeutel voll mit Goldmünzen.
Und der Arme hielt gerade am Markt an, stieg von seinem Karren und drehte sich kurz weg, um ein paar Worte mit einem Bekannten auszutauschen, dann wendete er sich wieder um und sah, dass weder sein Pferd noch sein Wagen da waren. Hastig stürzte er umher, aber Pferd und Wagen waren spurlos verschwunden, denn, wie es heißt, wer nichts hat, dem wird genommen!
Er ging zu seinem reichen Bruder, erzählte ihm, was ihm zugestoßen war, und bat ihn, wenigstens dreißig Groschen für die neuen Bastschuhe zu leihen. Aber sein Bruder wollte nichts davon hören. Der Arme wurde noch trauriger und lief seufzend mit seinen abgewetzten Bastschuhen nach Hause.
So ging er langsam und leise seines Weges. Als er durch den Wald kam, dämmerte es schon. Aber was kann ihm schon die Dunkelheit ausmachen?! Plötzlich sah er, wie ihm ein weißer, großer Mensch entgegenkam. Der Arme erschrak, fasste dann aber seinen ganzen Mut zusammen und ging weiter. Als er sich dieser Gestalt näherte, fragte er sie: „Wer bist du?“ Die weiße Gestalt antwortete: „Ich bin dein Pech.“
„Mein Pech?!“, wunderte sich der Arme. „Bist du aber groß! … Könntest du dich wenigstens etwas kleiner machen?“
„Gut! Wenn du möchtest, kann ich das tun.“
Daraufhin wurde das Pech um die Hälfte kleiner. Der Arme bat es noch einmal, kleiner zu werden. Das Pech verkleinerte sich bis auf die Größe eines Kleinkindes.
„Mach dich noch kleiner!“, bat der Arme. „Werde für mich ganz klein!“
Das Pech verkleinerte sich auf Nussgröße. Jetzt holte der Arme seine Tabakdose aus der Tasche, passte den Moment ab, nahm die Nuss und legte sie in die Tabakdose. So verschloss er sein Pech in der Tabakdose, steckte sie in die Tasche und ging weiter.
Als er eine Wassermühle erreichte, holte er die Tabakdose hervor, warf sie in den Teich, betrat die Mühle und bat den Müller, übernachten zu dürfen. Vor dem Schlafengehen unterhielt er sich noch mit dem Müller und erzählte ihm über seinen Vorfall in Riga und andere Plagen.
Am frühen Morgen verabschiedete ihn der Müller, gab ihm zehn Goldtaler auf den Weg und schenkte ihm ein gutes Pferd. Der Mann freute sich sehr. Als er wieder zu Hause war, besorgte er sich alles, was er brauchte, und sein Leben wurde mit jedem Tag besser.
Nach einigen Jahren holte der Arme auch seinen reichen Bruder ein. Dieser wunderte sich, wie seinem Bruder alles so schnell hatte gelingen können. Eines Tages fragte der Reiche seinen Bruder, wie er so reich werden konnte. Der Arme erzählte dann, wie er damals unterwegs aus Riga sein Pech in die Tabakdose eingeschlossen und in einen Teich geworfen hatte, und wie der Müller ihn beschenkt hatte. Seitdem war es ihm immer besser gegangen.
Sein reicher Bruder beschloss sofort, ihn zu ruinieren. Er fuhr zu dem besagten Müller und erzählte ihm, dass seine Tabakdose samt Geld in den Teich gefallen sei. Er bat den Müller, das Wasser abzulassen, und versprach ihm dafür eine gute Bezahlung. Der Müller war einverstanden, ließ mit Hilfe seiner Männer das Wasser ab und fand die Tabakdose.
Der Reiche freute sich, nahm die Tabakdose und machte sich auf den Weg nach Hause. Unterwegs dachte er sich: „Na, warte, Brüderchen, nicht lange wirst du mir gleich sein. Ich lasse dein Pech raus und dann kann es sich wieder zu dir gesellen.“
So erreichte er den Wald und machte die Tabakdose auf. Das Pech des Armen huschte heraus und wurde riesengroß. Danach schüttelte es sich und sagte zu dem Großreichen: „O weh, wie ungeraten dein Bruder ist! Er schloss mich in der Tabakdose ein, so dass ich fast erstickt bin. Vielen Dank, dass du mich herausgelassen hast. Ab jetzt bin ich dein Kumpel und werde dich nicht verlassen.“
Als der Reiche diese Worte vernahm, erschrak er, wurde ganz bleich im Gesicht, und das Pech wurde unsichtbar.
Als er dann unterwegs war, ist sein Pferd scheu geworden, sein Wagen kippte um und er brach sich ein Bein.
Aus der Ferne sah er, wie sein Gut brannte. So sind ihm alle Reichtümer und das gesamte Geld verbrannt, so dass er ganz arm wurde.