Читать книгу Ein glücklicher Mensch - Группа авторов - Страница 6
EIN ALTER SOLDAT
ОглавлениеEs war einmal ein alter Soldat, der wurde aus der Armee entlassen. Da er sich noch rüstig fühlte und auch keine Familie und kein Zuhause hatte, suchte er nach einer neuen Arbeit. Er suchte sehr lange, konnte aber nichts finden. Einmal begegnete er einer alten Frau und erzählte ihr von seinen Sorgen. Die Alte sagte zu ihm:
„Weit im Osten, in den öden Wüsten gibt es ein Glasschloss. In diesem Schloss lebt ein schwarzer Herr. Geh zu diesem Herrn und du bekommst eine Arbeit.“
Der Soldat befolgte den Rat der Alten und ging in den Osten, um nach dem schwarzen Herrn im Glasschloss zu suchen.
Am Abend legte er sich unter einen Apfelbaum. Der Apfelbaum raschelte mit seinen Blättern und fragte:
„Wohin gehst du durch diese öde Landschaft, guter Mensch?“
„Ich gehe zu dem schwarzen Herrn, der im Glasschloss lebt“, antwortete der Soldat.
„Ich habe gehört, dass dieser Herr sehr viel weiß. Kannst du ihn fragen, wann ich Früchte tragen werde. Gestern waren hier Männer und sagten, wenn ich nächstes Jahr immer noch keine Früchte trage, dann werden sie mich fällen.“
„Gut, ich frage ihn“, versprach der Soldat.
Am nächsten Morgen ging er weiter, bis der Weg an zwei riesigen Bergen endete. Er konnte sie weder passieren noch umgehen, so steil und riesig waren sie. Ratlos stand er davor und bat die Berge:
„Liebe Berge, seid doch so lieb und lasst mich durch.“
„Und wohin gehst du?“, fragten die Berge.
„Ich gehe zu dem schwarzen Herrn, der im Glasschloss lebt.“
„Wir haben gehört, dass dieser Herr sehr viel weiß. Kannst du ihn fragen, wie lange wir hier noch Wache halten müssen. Wir vermissen das Leben.“
„Gut, ich frage ihn“, versprach der Soldat.
Die Berge teilten sich und ließen einen schmalen Weg frei.
Der Soldat konnte ohne Weiteres durchgehen.
So ging er weiter und kam an einen Fluss.
Er schaute sich um: Es gab weder eine Brücke noch ein Boot, um den Fluss zu passieren. Er lief hin und her, fand aber keine Möglichkeit. So wandte er sich dem Fluss zu und bat ihn:
„Lieber Fluss, sei doch so lieb und bring mich ans andere Ufer.“
„Und wohin gehst du?“, fragte der Fluss.
„Ich gehe zu dem schwarzen Herrn, der im Glasschloss lebt.“
„Ich habe gehört, dass dieser Herr sehr viel weiß. Versprich mir aber, dass du diesen Herrn fragst, warum weder Fische noch andere Tiere in meinem Wasser leben.“
„Gut, ich frage ihn“, versprach der Soldat.
„Dann stell dich auf meine Wellen und ich bringe dich rüber.“
Der Soldat stellte sich auf die Wellen, und der Fluss brachte ihn ans andere Ufer, so dass er sogar trocken blieb.
Der Soldat sah schon von Weitem ein funkelndes Glasschloss. Er erreichte es noch vor Sonnenuntergang. Es war außergewöhnlich schön und von der untergehenden Sonne beleuchtet, funkelte es in allen erdenklichen Farben. Der Diener ließ den Soldaten in das Schloss herein. Kaum war er bei dem schwarzen Herrn, da sagte dieser zu ihm:
„Ich weiß, du suchst eine Stelle. Die kannst du für ein Jahr haben, wenn du gute Dienste leistest.“
„Darauf könnt ihr euch verlassen“, antwortete der Soldat. „Ich habe in der Armee gedient und während der ganzen Dienstzeit habe ich keine Rüge bekommen. Und ich habe dort lange gedient, bis ich alt wurde. Ihr könnt sicher sein, dass ich den Wünschen des Herrn gerecht werde.“
Dann sagte der Herr zu seinem Diener:
„Gib diesem Mann genug zu essen, bring ihn in sein Zimmer und gib ihm weiches Bettzeug. Ab morgen früh soll er Schafe weiden.“
Am nächsten Morgen gab der Diener dem Soldaten eine Peitsche und eine Hirtenflöte und sagte:
„Wenn du mit der Peitsche klitschst, werden sich die Schafe auf der Wiese verteilen, und wenn du mit der Hirtenflöte bläst, kommen sie alle wieder zusammen. Du musst nur aufpassen, dass die Wölfe keinen Schaden anrichten.“
So begann der Soldat, die Schafe zu weiden. Er weidete sie gut. Es war ein Jahr vergangen: Alle Schafe waren heil und gesund, und der Soldat ließ keinen Wolf an die Herde heran.
Am letzten Tag des Dienstjahres ließ der Herr den Soldaten zu sich kommen und sagte zu ihm:
„Du hast gut gedient, jetzt darfst du um alles bitten, was du möchtest.“
„Mein bester Verdienst ist, dass ich diese Arbeit hatte. Es war mir eine Freude. Ich möchte nur drei Fragen stellen, damit ich meine Versprechen halten kann, die ich dem Fluss, den zwei Bergen und dem Apfelbaum für ihre Hilfe gegeben habe.“
„Das ist gut, dass du fragst, was du nicht weißt. Wer fragt, irrt sich nicht. Außerdem soll man seine Versprechen halten. Sie sind wie Schulden, man muss sie einlösen“, antwortete der Herr.
Dann stellte der Soldat die Fragen:
„Der Fluss hat mich auf seinen Wellen trocken ans andere Ufer gebracht, die Berge haben sich geöffnet und mich durchgelassen und der Apfelbaum hat mir eine sichere Übernachtung gewährt. Dafür haben sie mich gebeten zu erfahren, warum keine Lebewesen im Fluss leben, wie lange noch die Berge Wache halten müssen und warum der Apfelbaum keine Früchte trägt.“
Der Herr antwortete:
„Im Fluss werden sich Fische und andere Wassertiere vermehren, wenn der Fluss das erste lebende Opfer bekommt. Die Berge beenden ihre Wache, wenn sie wenigstens einen Menschen verschlucken, und der Apfelbaum wird Früchte tragen, wenn jemand das Gold unter seinen Wurzeln ausgräbt. Das sind die Antworten, die du weitergeben kannst. Ich möchte dir nur noch einen Ratschlag als Belohnung für deinen Dienst geben: Sei klug, wenn du ihnen dies erzählst, geh umsichtig damit um.“
Der Soldat bedankte sich und ging denselben Weg zurück. Zuerst kam er zum Fluss. Der Fluss rief schon von Weitem: „Hast du den schwarzen Herrn gefragt, warum sich keine Lebewesen in meinem Wasser vermehren?“
„Ja, ich habe gefragt“, antwortete der Soldat.
„Und was hat er dir geantwortet?“, fragte weiter der Fluss.
„Bring mich ans andere Ufer, dann sage ich es dir.“
Der Fluss brachte ihn ans andere Ufer. Der Soldat kletterte auf die höchste Böschung und sagte:
„In deinem Wasser werden sich Lebewesen vermehren, wenn du einen Menschen mit deinen Wellen verschlingst.“
Mit diesen Worten setzten sich die Wellen in Bewegung, das Wasser stieg mit breiten furchterregenden Wirbeln hoch, wogte und schäumte und trat über die Ufer, aber es konnte den Soldaten nicht mehr erreichen und ihm nichts antun. Dann kam der Soldat zu den Bergen, und diese riefen schon von Weitem:
„Hast du den schwarzen Herrn gefragt, wie lange wir hier noch Wache halten müssen?“
„Ja, das habe ich getan“, antwortete der Soldat. „Und was hat er dir gesagt?“
„Lasst mich durch, dann sage ich es euch.“
Die Berge trennten sich und ließen den Soldaten durch.
Er ging ein gutes Stück weiter, dann sagte er zu den Bergen:
„Eure Wache wird zu Ende gehen, wenn ihr einen Menschen verschluckt.“
Die Berge polterten und rumpelten, dass die Erde um sie herum erbebte, aber sie konnten den Soldaten nicht mehr erreichen und ihm nichts Böses antun.
Dann kam der Soldat zu dem Apfelbaum und dieser rauschte schon von Weitem:
„Hast du den schwarzen Herrn gefragt, wann ich Früchte tragen werde?“
„Ja, das habe ich“, antwortete der Soldat.
„Und was hat er dir gesagt?“
„Unter dir liegt viel Gold begraben. Wenn jemand dieses Gold ausgräbt, wirst du Früchte tragen.“
„Lieber Mann, sei doch so lieb und grabe das Gold aus“, bat der Apfelbaum den Soldaten. „Du wirst reich sein und brauchst nicht mehr durch die Welt zu streifen und Not zu leiden.“
„Ich ziehe gerne durch die Welt, was soll ich mir noch diese Last aufbürden?“
„Lässt du dann zu, dass ich umkomme?“, fragte der Apfelbaum weinend.
„Das ist etwas anderes. Diesen Dienst kann ich dir gerne erweisen.“
Der Soldat fing an zu graben. Kaum hatte er zwei Fußbreit Erde ausgegraben, als aus dem Gebüsch drei Räuber heraussprangen. Sie stachen dem Soldaten die Augen aus, gruben das Gold aus und füllten es in Säcke, die so schwer waren, dass die Räuber sie kaum noch tragen konnten.
Der Soldat stöhnte unter dem Apfelbaum und wusste nicht, was er nun tun und wie er mit diesem Unglück umgehen sollte. Der Apfelbaum war traurig und sagte zu dem Soldaten:
„Du hast wegen mir so ein bitteres Leid erfahren. Ich kann dir leider gar nicht helfen, ich kann dir höchstens mit meinen Ästen Schatten spenden und dich vor der prallenden Sonne schützen, damit du den Schmerz und Hunger leichter ertragen kannst, bis du Erleichterung findest. Hör zu! Morgen in der Nacht kommen drei Vögel hierher. Sie kommen hier zusammen, um sich auszutauschen. Das tun sie einmal im Jahr und immer in derselben Nacht.
In der nächsten Nacht kamen in der Tat drei Vögel zu dem Apfelbaum geflogen und unterhielten sich. Der eine Vogel sagte:
„Ich war in einer Stadt im Osten, die in drei Tagen zu erreichen ist. Dort sind alle Quellen ausgetrocknet. Die Menschen leiden ohne Wasser große Not. Aber wenn jemand den Stein in der Mitte der Stadt wegschieben würde, wären die Wasserquellen wieder voll.“
Der andere Vogel erzählte:
„Weit weg von hier im Westen lebt ein Fürst. Seine Tochter ist sehr krank. Schon seit einem Jahr quält sie sich und kein Arzt konnte ihr bis jetzt helfen. Dabei ist es ganz einfach, sie zu heilen. Die Tochter des Fürsten hat sich einmal ihre Haare gekämmt und der Wind hat einige aufgegriffen und im Hof verteilt. Eine verzauberte Kröte hat sie gefunden und für ihr Nest am Tor genommen. Deshalb ist das Mädchen erkrankt. Wenn jemand dieser Kröte die Ehre erweist und sie streichelt, ohne sich zu fürchten, wird sie sich wieder in einen Menschen zurückverwandeln und ihr Nest wird verschwinden. Die Tochter des Fürsten wäre dann wieder gesund.“
Und der dritte Vogel sagte:
„Ich habe nicht so viel erfahren. Drei Räuber haben sich gestern unter diesem Apfelbaum viel Gold ausgegraben. Der eine Räuber hatte den Sack zu voll gefüllt. Beim Tragen zog er sich einen Bruch zu und starb unterwegs. Der zweite wurde von den Bergen verschluckt, und den dritten hat der Fluss verschlungen. Diese Übeltäter haben einem unschuldigen Menschen, der diesem Apfelbaum helfen wollte, Unrecht getan. Sie haben ihm die Augen ausgestochen und blind zurückgelassen. Wenn er hören würde, was wir reden, könnte er sein Augenlicht wiederfinden. Unter diesem Apfelbaum wächst ein Kraut. Wenn er mit diesem Kraut seine Augen einreiben würde, könnte er wieder alles sehen. So könnte er der Stadt, welche ohne Wasser geblieben ist, und dem Fürsten, dessen Tochter schwer krank ist, Hilfe leisten.“
Als die Vögel ihre Neuigkeiten ausgetauscht hatten, flogen sie weg. Der Apfelbaum rauschte sofort zu dem Soldaten: „Hast du gehört?“
„Ja, habe ich“, antwortete der Soldat und fing an, die Erde nach dem Heilkraut abzutasten.
Nach langem Suchen gelang es ihm, das richtige Heilkraut zu finden. Er rieb damit seine Augen ein und fand sein Augenlicht sofort wieder. Glücklich, dass er wieder sehen konnte, begab er sich sogleich in die Stadt ohne Wasser. Er ging zum Stadtverwalter und sagte:
„Ich habe gehört, dass die Stadt kein Wasser hat. Lass den Stein auf dem Marktplatz wegrollen, dann gibt es wieder Wasser.“ Der Stein wurde weggerollt und das Wasser füllte alle Quellen und Brunnen der Stadt voll.
Der Stadtverwalter sagte zu dem Soldaten:
„Du hast uns eine sehr gute Tat erwiesen. Du darfst dir eine Belohnung aussuchen. Du kannst dir dafür Geld, einen Gutshof oder noch etwas anderes wünschen.“
Der Soldat antwortete:
„Ich freue mich sehr, dass ich in der glücklichen Lage war, der Stadt und ihren Menschen zu helfen. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Das Einzige, was ich wirklich gebrauchen kann, ist ein gutes Pferd.“
So bekam der Soldat ein Pferd und ritt weiter. Nach zwei Tagen erreichte er das Schloss des Fürsten, dessen Tochter krank war. Er heilte sie so, wie es der Vogel gesagt hatte. So befreite er nicht nur die junge Frau von der Krankheit, sondern auch die Kröte vom bösen Zauber.
Der Fürst war so erfreut, dass er dem Soldaten gleich anbot, seine Tochter zu heiraten. Der Soldat sagte allerdings:
„Danke, lieber Fürst. Mein Haar ist schon grau und deine Tochter ist noch sehr jung. Sie soll einen passenden Bräutigam finden. Nur aus Dankbarkeit soll man keine Ehe schließen.“
„Wie kann ich dich denn sonst für diesen teuren Dienst belohnen? Bleib wenigstens in meinem Schloss und lebe hier“, bot der Fürst an.
„Vielen Dank für dein gutes Herz. Ich möchte mich aber noch nicht zur Ruhe setzen. Ich bin noch voller Neugier, andere Länder, andere Menschen und Sitten kennenzulernen, und bin gespannt, was mich erwartet.“
So ging der Soldat weg. Wohin er ging und was mit ihm passierte, verschweigt dieses Märchen. Möglicherweise begegnen wir ihm in einem anderen.